Man wird nicht jünger! Das Scheitern meiner geplanten großen Radtour 2018 von Koblenz in Richtung Ostpreußen nach steigungsreichen 475 Kilometern bei Bad Harzburg zwang mich zum Umdenken. Mein mehrfach operiertes rechtes Knie macht die großen Belastungen am Berg offenbar nicht mehr mit. Die Konsequenz: Es fiel die Entscheidung, ein Pedelec zu kaufen. Eigentlich sollte es erst im Rentenalter so weit sein. Aber lieber so als keine Radtouren mehr!
Im Oktober kaufte ich mir ein Giant Explore E +1 (Modell 2018). Tolles Teil, reduziert bei Fahrrad Franz von 2699 auf 2499 Euro. Dafür gab es einen starken Yamaha-Motor und 20 Gänge (vorne gibt es einen zweiten Zahnkranz). Das ist nicht mit jedem Antrieb möglich. Dazu starke 80 Newtonmeter Drehmoment. Da machte es sogar Spaß, im Winter „Ausritte“ zu übernehmen. Nach 1000 Kilometern Test plante ich schon wieder Größeres. Doch oh Schreck, auf einmal war das Fahrrad weg! Irgendeinem Langfinger hatte das Giant so gut gefallen, dass er sogar aus dem Hausflur heraus gestohlen hatte. Ermittlungen der Polizei blieben erfolglos.
Nun war guter Rat teuer. Die Versicherung (WWK) zahlte zwar innerhalb von fünf Tagen, doch ich fragte mich, ob ich das sehr auffällige Giant noch mal ordern sollte. Das war inzwischen nur noch als Modell 2019 erhältlich und deshalb 300 Euro teurer. Im Vergleich zum Vorgängermodell hat es eine optimierte Elektronik. Ich entschied mich für eine unauffälligere Lösung: Das schlicht gestaltete, rund 500 Euro preiswertere Modell Cube Touring Hybrid 500. Die Einschränkung: Nur noch neun Gänge, dazu ein Bosch Motörchen Aktive Plus mit einem Drehmoment von nur 50 Newtonmetern. Auf den ersten Blick also ein deutlicher Rückschritt. Doch nach weiteren 1000 Kilometern bin ich zu einem erstaunlichen Ergebnis gekommen. Es ist also Zeit, einen kleinen Vergleich zu starten.
Grundsätzliches
Wer von einem klassischen Tourenrad auf ein Pedelec umsteigt, verändert seine Touren und fährt ab sofort sehr gerne bergauf (was ich als klassischer Flusstal-Reisender früher nach Möglichkeit vermieden habe) – vor allem die Steigungen, bei denen man früher schieben musste. Steigungen waren für mich immer ein notwendiges Übel – jetzt machen sie richtig Spaß (zumindest sehr oft). Wer meint, dass man nichts mehr tun muss, irrt sich gewaltig. Egal, ob schwächerer oder stärkerer Motor: Der einheitlich 250 Watt starke Antrieb ist eine Ergänzung, es ist also kein Problem, nach einer Spritztour einen Muskelkater zu bekommen, vor allem wenn man die Technik dosiert einsetzt.
Gemeinsamkeiten
Egal ob Bosch oder Yamaha: Man muss taktisch und vor allem ökonomisch fahren, wenn man mit Unterstützung möglichst weit kommen wird. Die schweren Pedelecs ohne Motor zu fahren, kann mitunter sehr anstrengend werden. Beide Modelle, die ich gefahren habe, sind mit starken 500er-Akkus ausgestattet, was theoretisch Reichweiten von rund 150 Kilometern pro Ladung erlaubt. Die Praxistests zeigten jedoch sehr schnell, dass diese Werte illusorisch sind, wobei es mir zumindest mit dem schwächeren Bosch-Motor gelungen ist, mit sparsamen Fahren diesen Wert tatsächlich zu erreichen.
Vorteile Giant/Yamaha
Streng genommen ist das Explore kein klassisches Tourenrad mit Motor. Viele Vorzüge aus der Welt der Moutainbikes sind integriert, was sich optisch schon an den breiten Reifen gut erkennen lässt. Und auch die Hinterrad-Übersetzung ist so wie bei einem Mountainbike ausgelegt. Damit kommt man gut im Gelände voran, auch wenn man auf diesem Terrain keine Erfahrung hat. Der starke Motor gibt tolle Unterstützung bei Steigungen. Es gibt folgende Stufen: Eco, Eco+, Normal sowie zwei Berggänge. Damit schafft man fast alles. Das war zumindest mein Eindruck, nachdem ich in Koblenz und näherer Umgebung so ziemlich alles getestet habe, was steil ist. Doch Kraft hat ihren Preis: Man kann quasi zuschauen, wie die Leistungsanzeige im Display laufend abnimmt. Ich hatte mich allerdings im Vorfeld informiert und wusste, dass bei hügeligen Touren eine Maximalreichweite von 60 bis 70 Kilometern realistisch ist. Und diese Voraussage kann ich nach meinen Praxiserfahrungen auch bestätigen. Aber auch, wenn man nur an den Flussufern fährt, kann von den versprochenen 150 Kilometern nur träumen. 110, maximal 120 Kilometer sind realistisch.
Ein großer Vorteil des Giant gegenüber vielen anderen Pedelec-Modellen ist seine Belastbarkeit. Der Hersteller gibt ein Gesamtgewicht von 156 Kilogramm für Fahrer, Fahrrad und Gepäck an. Standard sind immer noch 130 Kilo. Und wirklich: Das Giant ist stabil und empfehlenswert. Es hat dennoch kleinere Nachteile, die sich allerdings nur bei mehrtägigen Touren auswirken.
Cube/Bosch
Trotz der kleinen Kritikpunkte dürfte das Cube mit Bosch-Antrieb einem ernsthaften Vergleich mit dem Giant gar nicht standhalten. Doch der Praxistest zeigte, dass die Entwickler ganze Arbeit geleistet haben – auch deshalb, weil das Cube mit seinen 23,8 Kilogramm etwa 2 Kilo leichter ist als das Giant. Das macht dieses Pedelec etwas wendiger als das von Giant. Es unterscheidet sich, anders als das Giant, optisch nur sehr wenig von einem klassischen Reiserad. Das liegt daran, dass Bosch den Akku „geschrumpft“ hat, der problemlos im Rahmen versteckt werden kann und zusätzlich durch einen Kunststoffdeckel geschützt wird. Und auch der Motor ist deutlich leichter und kleiner als der von Yamaha. Zudem hat auch die Elektronik ihre Vorzüge. Die Reichweiten werden ständig neu berechnet, was dem Fahrer vor unangenehmen Überraschungen bewahrt. Ich wollte es genau wissen und fuhr den Akku so leer, dass nur noch 0 Kilometer Reichweite angezeigt wurden. Und trotzdem gingen Licht und Motor noch. Eine kleine Reserve wurde einkalkuliert.
Der Hauptvorteil des kleineren Motors ist jedoch seine Reichweite: Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass Bosch im Vergleich mit Yamaha im Durchschnitt mindestens 20 Kilometer weiterkommt. Am Flussufer heißt das: Von Koblenz nach Rüdesheim und zurück mit einer Ladung sind locker drin, zumal man das Fahrrad problemlos ohne Motorunterstützung fahren kann. Auf gerader Strecke fährt sich das Cube wie ein normales Tourenrad. Dazu kommt, dass man die Motorenunterstützung kaum wahrnimmt. Der schwache Motor ist also deutlich leiser als der starke.
Bleibt die Frage, wie sich der schwächere Motor am Berg verhält. Und das war die Überraschung. Ich bin alle Steigungen, die ich mit dem Giant gefahren bin, auch mit dem Cube problemlos hochbekommen.
Am langen Osterwochenende 2019 wurde ich dann wagemutig und habe 400 Kilometer abgespult. Nicht nur an Rhein und Mosel, sondern auch im Mittelgebirge. Von Koblenz über Ochtendung nach Polch, dann weiter nach Mayen, von dort nach Monreal und dann über Kaisersesch nach Cochem. Die „Bergtour“ war 89 Kilometer lang, die Akkuladung reichte. Allerdings muss man auch sagen, dass es lange Abfahrten gab, umgekehrt aber auch anspruchsvolle Steigungen, bei denen ich trotz Motor ins Schnaufen gekommen bin. Hier hätte der Yamaha-Motor mit Sicherheit stellenweise eine bessere Unterstützung gegeben.
Fazit
Welches Fahrrad ist besser? Das hängt vom Fahrertyp und seinem individuellen Bedürfnissen ab. Für diejenigen, die es regelmäßig in bergigere Regionen zieht, ist das Giant Explore mit Sicherheit eine gute Wahl. Die hohe Belastbarkeit des Materials und der starke Yamaha-Motor haben ihre Vorzüge.
Für klassische Radreisende, die sich an Flussläufen orientieren, gerne einmal ohne Motor fahren und eine unspektakuläre Unterstützung am Berg schätzen, ist das Cube nicht nur eine gute Alternative, sondern ist vor allem wegen seiner Reichweite auf diesem Terrain der Testsieger.
Natürlich bietet Cube ähnliche Tourenräder mit der stärkeren Bosch-Performance-Line an, doch dann liegen die durchschnittlichen Reichweiten im Bereich der Yamaha-Motoren. Die einfache Formel: Je mehr Unterstützung, desto höher ist der Verbrauch.
Man muss also wissen, was man will. Für mich ist das Cube mehr als ein Ersatz.
Update 2020
Ich bin mit dem Cube-Elektrorad zwischen dem 7. März 2019 und dem 15.April 2020 genau 7065 Kilometer gefahren. Die gute Bewertung für das Produkt bleibt. Dennoch ein Hinweis: Wer sich auf ein Elektrorad einlässt, sollte wissen, dass die Unterhaltungskosten deutlich höher sind als bei konventionellen Rädern. Das liegt im Mehrgewicht und der grundsätzlichen Mehrbelastung der Komponenten begründet. Schon der Basispreis einer Inspektion liegt bei rund 100 Euro, dazu kommt das Material. Die Inspektionen (im 1000-Kilometer-Rhytmus) sind notwendig, um den Garantieanspruch zu erhalten. Fast immer müssen dabei die Bremsbeläge der Scheibenbremsen gewechselt werden. Nach den mehr als 7000 Kilometern musste dann richtig gearbeitet werden: Zahnräder und Kette mussten zusätzlich erneuert werden - und auch der Mantel des Hinterrades war fällig. Aber nach dieser Dauerbelastung fährt sich auch ein Schwalbe Marathon Tour ab.
Meine Empfehlung: Wer im Rahmen einer Festanstellung arbeitet, sollte unbedingt das Modell des Jobrads anstatt eines Kaufs wählen. Außerdem kann man die Raten so wählen, dass die Inspektionen ebenso enthalten sind wie eine vernünftige Versicherung. Wer selbstständig ist, sollte mit dem Steuerberater sprechen. Auch wenn ich das Cube überwiegend beruflich nutze, ist es aus meiner Sicht müßig, ein Fahrtenbuch zu führen (da schreibt man mehr als man fährt), zumal die Inspektionen im Falle einer Selbstständigkeit voll abgesetzt werden können. Fazit: So oder so, ein Elektrorad ist keine billige Sache. Es schadet nichts, wenn man die Standardfahrten mit dem guten alten Drahtesel macht. Das schont den Geldbeutel.
Das Cube Touring Hybrid 500 ist übrigens in der 2020er-Version noch interessanter geworden. Inzwischen hat man auf den Active-Line-Motor verzichtet und stattdessen den Performance-Motor der neuen Generation eingebaut. Den gibt es in mehreren Stärkestufen, im Touring Hybrid wurde der "schwächste" Motor dieser Reihe eingebaut. Dadurch steigt die Leistung von bisher 50 auf 70 Newtonmeter (eine Kollegin fährt nach meiner Empfehlung genau dieses Rad und ist sehr zufrieden). Das ist vor allem am Berg ein großer Vorteil. Wie sich das auf die Gesamtreichweite auswirkt, muss jeder selbst rausfinden, das ist ja auch eine Frage des Eigengewichts. Der 500er-Akku des Vorgängermodells wurde nicht verändert.
Mein Fahrverhalten hat sich 2020 leicht verändert, ich fahre auf Kurz- und Mittelstrecken bis 70 Kilometer jetzt wieder öfter motorlos. Um mich zu motivieren, hab ich mir ein ATB, also ein Mountainbike mit Straßenausstattung gekauft. Meine Wahl fiel wieder auf die Firma Cube (aus meiner Sicht eines der Markenhersteller mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis bei ansprechender Optik), auch weil ich nicht übermäßig viel Geld ausgeben wollte. Meine Wahl fiel auf das Modell Aim mit Hydraulik-Scheibenbremsen und 28-Gang-Deore-Schaltung. Listenpreis 699 Euro (ohne Straßenausstattung und Gepäckträger deutlich preiswerter). Für diese Preisklasse sind Fahrverhalten und Ausstattung ausgezeichnet. Mit zwei Ausnahmen: Griffe und Pedale sollte man am besten sofort ersetzen. Letztere fangen bereits nach 250 Kilometer an zu "bröseln", und die Griffe "perforieren" die Hand mehr als sie helfen. Ansonsten: Ein robustes Rad mit ausgezeichnetem Fahrverhalten - es ist überraschend leichtgängig. Wer ein alltagstaugliches Rad sucht, das auch bei Touren am Wochenende Spaß macht, braucht nicht mehr Geld auszugeben.
Update 2023
Alles ist endlich, auch das Leben eines Pedelecs. Stand 1. März 2023 hatte ich mit meinem Cube genau 19.400 Kilometer erreicht. Bis zu diesem Zeitpunkt lagen zahlreiche Reparaturen hinter mir, wobei sich das Hinterrad als Schwachpunkt erwies. Es musste mehrfach ausgetauscht werden, auch deshalb, weil es wegen der Lieferengpässe der Jahre 2021 und 2022 nichts gab, was meinem Gewicht standhielt. Fahrrad-Franz war jedoch sehr kulant und baute mir am Ende gratis ein Rad ein, das hielt.
Dennoch kam ein neues Problem: Der Akku schwächelte mehr und mehr, sodass ich Anfang 2023 mit einer Ladung nur noch rund 45 Kilometer weit kam. Auch wenn es nromal ist, dass saisonbedingt bei Akkus die Reichweiten vorübergehend nachlassen, war dieser Leistungnachfall eben nicht normal. Der Lebenszyklus des Akkus war abgeschlossen, die von Optimisten in Aussicht gestellten 25.000 Kilometer waren bei weitem nicht erreicht worden (allerdings wird die durchschnittliche Lebenszeit oft mit vier Jahren angegegeben, was wiederum passte). Dazu muss man aber auch sagen, dass ich dem Fahrrad einiges abverlangt hatte, es war selten bei den Standardtouren geblieben.
Was also tun? Der Bosch Powerpack 500 ist richtig teuer, die Preise liegen im Internet oft bei mehr als 600 Euro, wobei es seit einiger Zeit Preisbewegungen nach unten gibt. Eine Alternative ist der Zelltausch, wobei Platinen und Gehäuse vom bisherigen Akku weiter genutzt werden. In der Werkstatt riet man mir von dieser Alternative, die um die 399 Euro kostet, ab. Begründung: Dieses Verfahren sei sehr störungsanfällig, man riet mir also zum Neukauf. Angesichts des dramatischen Wertverfalls eines E-Bikes lohnte sich das nicht so richtig. Andererseits kann man ein Pedelec mit einem "ausgelutschten" Akku auch nicht mehr verkaufen. Und: In Zahlung genommen wird das Rad nur bei einem Bar-Neukauf. Wenn man sich für diese Variante entscheidet, wäre das alte Problem der relativ hohen laufenden Kosten wieder da.
Ich entschied mich also, noch mal in das Cube zu investieren, zumal das Rad nach gründlicher Reinigung noch richtig gut aussah. Neuwertige Griffe, Pedale und einen Sattel hatte ich noch im Fundus, sodass es ans große Aufhübschen gehen konnte. Am Elektromotor selbst war nichts dran. Das Gesamtpaket wollte ich verkaufen, ich selbst wollte via Jobrad ein neues E-Bike mit größerer Reichweite kaufen, um eine anspruchsvolle Tour in Österreich, Schweiz und Kroatien zu fahren. Jobrad deshalb, weil ich inzwischen meinen kleinen Betrieb geschlossen und ins Angestelltendasein zurückgekehrt war.
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