Dr. Dr. Reinhard Kallenbach | Landeskundliche Forschung
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4. Bauvorschriften


4.1 Baumeister und Bürger


Wie in den meisten kleineren deutschen Städten wissen wir auch in Koblenz nur wenig über die Organisation des Bauwesens im Mittelalter und in der frühen Neuzeit.1 Nur selten gibt die schriftliche Überlieferung brauchbare Informationen. Etwas besser sieht es in der frühen Neuzeit aus. Aus dem 16. und 17. Jahrhundert sind eine Reihe hilfreicher Quellen bekannt.2 Besondere Bedeutung haben die Ratsprotokolle. Sie geben nicht nur Auskunft über städtische und landesherrliche Bauvorhaben. Hin und wieder findet man auch Hinweise auf die Errichtung privater Häuser: Bürger, die Bauholz aus den Gemeindewäldern benötigten, mussten beim Stadtrat einen Antrag stellen. Die Räte verhandelten in ihren Sitzungen ebenfalls über die Einführung neuer Feuerordnungen oder beschlossen, Ortsbegehungen durchzuführen.


In Koblenz gab es einen Stadtbaumeister, der über einen eigenen Etat verfügte. Die Mittel wurden ihm jährlich von der Stadtrentkammer zur Verfügung gestellt. Der Baumeister überwachte die Durchführung der städtischen Baumaßnahmen. Er war ebenfalls für die Beschaffung von Arbeitskräften und Materialien zuständig. Seine Tätigkeit griff auch auf private Bauvorhaben über, denn er sorgte für die Auslieferung und den Verkauf des städtischen Bauholzes und deckte den privaten Bedarf an Baumaterialien und Arbeitskräften. Außerdem kümmerte er sich um Wartung und Inventarisierung der Geräte zur Brandbekämpfung sowie um die Quartierbeschaffung für die kurtrierischen Soldaten. Regelmäßig nahm er an Häuserbesichtigungen teil. Dadurch sollte die Einhaltung der örtlichen Bau- und Feuervorschriften gewährleistet sein. Über Einnahmen und Ausgaben musste der Stadtbaumeister jährlich Rechenschaft ablegen.3


Eine ausführliche Aufstellung über Rechte und Pflichten des Stadtbaumeisters gibt es für Koblenz nicht. Anders sieht dies im Falle von Zürich aus, denn hier ist das aus dem 16. Jahrhundert stammende „Baumeisterbuch” noch erhalten. Aus der Niederschrift erfahren wir mehr über die Aufgaben des städtischen Baumeisters. So war dieser auch für die Unterhaltung der Stadtbefestigung, der Brücken und der Wasserversorgung verantwortlich. Zu seiner Arbeit gehörten die Sorge um die privat genutzten städtischen Häuser, Gewerbebetriebe und die öffentlichen Gebäude sowie die Aufsicht über die Verkaufsbuden und die am Wasser liegenden Bauten. Aus den Züricher Quellen lassen sich auch Informationen über die Baupolitik der Stadt gewinnen, denn die Kommune förderte bauwillige Bürger durch Schenkungen von Holz und anderen Materialien. Auch die Zahlung von Subventionsgeldern war üblich.4


Das Züricher „Baumeisterbuch” hatte zwar keine Vorbildfunktion für Koblenz, dennoch ist es eine wichtige Quelle, wenn es darum geht, die Tätigkeiten des Stadtbaumeisters zu definieren: Seine wesentlichen Aufgaben dürften in vielen deutschsprachigen Städten ähnlich gewesen sein. Da in der Stadt die ausschließlich das Bauwesen betreffenden frühen Aufzeichnungen nur in Ausnahmefällen vorhanden sind, liegt die Vermutung nahe, dass die schriftliche Überlieferung in diesem Bereich während der kriegerischen Auseinandersetzungen des 17. Jahrhunderts vernichtet oder später einfach „verschlampt” worden ist. Diese Annahme wird durch eine Notiz in einem Ratsprotokoll vom 24. September 1693 bestätigt. Dort heißt es: „[...] Weilen daß Statt Rahts archiv von den Zeithen der hiesiger Statt in Novembris 1688 vorgangen frantzosischen bombardirung, dass dhamalen die Documenta und brieffschafften aus dem Archiv von einem Ohrt zum ändern des besorgten brandts halber mit fortgeschlepfet worden, in confusion undereinander gerathen [...]“5


Die Quellenlage wird erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts wesentlich besser. In dieser Zeit begannen der Kurfürst und seine Verwaltung, sich verstärkt in die Geschäfte des Koblenzer Rates einzumischen. Dies betraf besonders die kommunalen Bauvorhaben. Der Landesherr benutzte fortan jede Gelegenheit, die durch die Belagerung vom November 1688 schwer zerstörte Stadt nach seinem Geschmack wieder aufbauen zu lassen. Es kam zu regen Briefwechseln zwischen kurfürstlicher Verwaltung und dem Koblenzer Stadtmagistrat. Stellenweise wurden sogar Betreffakten angelegt, die heute noch existieren. Sie enthalten Originale und Konzepte von Briefen sowie Auszüge aus Verhandlungsprotokollen der landesherrlichen Verwaltung.6

 

Vor allem Protokollauszüge sind ein typisches Merkmal des kurtrierischen Schriftverkehrs. Anträge, die bei den zuständigen Behörden eingingen, verhandelte man in regelmäßig stattfindenden Sitzungen. Die Beschlüsse hielt ein Schreiber fest. Die den Antragsteller betreffenden Passagen des Protokolls wurden später noch einmal als Extrakt niedergeschrieben und anstelle einer besonderen Mitteilung verschickt. Diese Dokumente hatten Rechtsgültigkeit, in Zweifelsfällen galt jedoch der Originaleintrag im Protokoll. Auffallend ist, dass Bauangelegenheiten überwiegend von der kurfürstlichen Hofkammer verhandelt wurden, die eigentlich für die Verwaltung der Staatsausgaben zuständig war. Das änderte sich erst, als 1765 Kurfürst Johann Philipp von Walderdorf (1756–1768) ein eigenes Hofbauamt einrichtete.7


Zur Erfassung der Häuser und der in ihnen wohnenden Menschen scheinen vor allem die in unregelmäßigen Abständen aufgestellten Bürger- und Steuerlisten geeignet.8 Sie wurden bereits im 15. Jahrhundert angelegt. Eine Zuordnung der in den Auflistungen enthaltenen Namen auf einzelne Häuser ist aus folgenden Gründen kaum möglich:

 

  • Die Bürgernamen sind weder alphabetisch noch nach Hausnamen geordnet.
  • Die Zeitabstände zwischen den Listen sind meistens zu groß, um eine Abfolge der Besitzer und damit auch die Geschichte einzelner Häuser zu ermitteln.
  • Man weiß nicht, ob es sich bei den Nachnamen schon um wirkliche Familiennamen oder lediglich um Berufsbezeichnungen handelt.
  • Die früher anstelle von Nummern stehenden Hausnamen sind nur selten zu erkennen.
  • Abgesehen von gelegentlich hinzugefügten Erklärungen wird kaum zwischen Eigentümern und Mietern unterschieden. Ein Brunnennachbarschaftsverzeichnis aus der Zeit von 1544 bis 1546 nennt für die Mehlstraße 37 weltliche Bürger. Die mit 15 angegebene Anzahl der Häuser9 ist dagegen weit geringer.10
  • In diesen Listen werden Umzüge in andere Straßen oft erwähnt. Darüber hinaus ist auch mit der Veränderung des Wohnsitzes innerhalb einer Straße zu rechnen. So nennen die Steuerlisten von 1579 und 159l11 sowie das Einkunftsverzeichnis des ehemals zum Stift St. Florin gehörenden Altares St. Thomas von 1580 einen Bürger namens Thielmann Schuhmacher. Aus den Listen geht hervor, dass der Mann innerhalb der Mehlgasse mindestens einmal umgezogen war.12


Bürgerlisten sind für die Hausforschung unzureichend. In jedem Fall müssen Kaufurkunden und Rentengeschäfte berücksichtigt werden. Ergiebig sind besonders die Dokumente aus den Stiftsarchiven.13 Wir haben aber bereits gesehen, dass am Anfang des 18. Jahrhunderts mit der Veränderung von Straßenfluchten zu rechnen ist. Diese städtebaulichen Veränderungen erschweren zusätzlich die richtige Auswertung der Bürgerverzeichnisse. Einfach wird die Zuordnung von Gebäuden und Bewohnern erst mit der Einführung der Hausnummern während der Herrschaft des letzten Kurfürsten Clemens Wenzeslaus von Sachsen (1768–1802) im Zuge der Einrichtung einer Brandversicherungsgesellschaft.14 Die zuverlässigen Listen setzen in Koblenz ab 1790 ein.15


4.2 „Bauding” und „Herrat”


Wenn Bauberichte aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit noch erhalten sind, nennen sie oft neben Art und Menge der vorhandenen Baustoffe auch Namen und Löhne der Handwerker. Informationen über die beim Bau angewendeten Techniken und Verfahren sind dagegen spärlich. Auch solche über die Bauausführung wurden selten schriftlich niedergelegt. Gleiches galt für die Ausbildung von Lehrlingen und Gesellen, die nach der mündlichen und nicht nach der schriftlichen Überlieferung erfolgte.16 Deswegen ist das private Bauwesen in den Städten oft nur über die noch vorhandenen Aufzeichnungen über Bauverstöße zu erschließen.


Für Koblenz stammen die ersten Hinweise aus dem „Alten Gerichtsbuch”, das zwischen 1366 und 1424 entstand. Aus dieser Quelle ist bekannt, dass die Verletzung bestehender Vorschriften auf dem „Bauding” öffentlich gerügt wurde. In den Verhandlungen wollte man die Stadtmauer sowie öffentliche Wege und Plätze von Neubauten freihalten. Im Gerichtsbuch ist daher gleich ein ganzer „Katalog” von Verstößen aufgeführt.17


Die für die Verhandlungen nötigen Informationen wurden vorher durch Stadtbegehungen beschafft. Daran nahmen Schultheiß und Schöffen teil.18 Das Bauding tagte drei Mal im Jahr. Ihm gehörten Amtmann, Schultheiß und Schöffen an. Jeder Bürger musste zu den Zusammenkünften erscheinen. Adel und Juden blieben ausgeschlossen.19 Dagegen schickten die Gemeinden Lützelkoblenz, Neuendorf und Moselweiß Vertreter. Das Bauding konnte sich bis zum Ende des 18. Jahrhunderts halten. Es war ein vom Kurfürsten eingesetztes Grundgericht, dessen Zuständigkeit sich wegen des großen Einflusses des Schöffengerichtes und des Rates immer mehr auf Bausachen beschränkte.20


Auch in der „Herrat” kamen Bauangelegenheiten zur Sprache. Zu dieser Gemeindeversammlung lud der Bürgermeister in unregelmäßigen Abständen ein.21 So ordnete man 1610 an, die Strohdächer abzuschaffen.22 Trotz dieses Verbotes muss man damit rechnen, dass in Koblenz noch lange viele Gebäude mit Stroh gedeckt waren: Von amtlicher Seite wurden Maßnahmen zur Beseitigung der Missstände nur selten konsequent umgesetzt.23


4.3 Überwachung der Schornsteine


Schornsteine bestanden ursprünglich aus organischen Baustoffen (zum Beispiel Holz). Trotz dieser Bauweise dokumentieren sie die Abkehr von althergebrachten Konstruktionen. Der Herdrauch wurde nämlich früher nicht durch einen Kamin ins Freie geleitet. Vielmehr konnte der Rauch durch eine weite Öffnung in der Küchendecke in einen allseitig abgeschlossenen Raum abziehen, dessen Fachwerkwände man mit Lehm ausgefacht und bestrichen hatte. In dieser Kammer gab es keinen Luftzug, was den Funkenflug verhinderte. Der Rauch entwich über eine durchlässig ausgefachte Decke in eine ähnlich angelegte Kammer oder direkt in den Dachraum. Durch ein Giebelfenster gelangte er dann ins Freie. Bei der Untersuchung von Fachwerkhäusern im Rhein-, Main- und Neckargebiet stellte Heinrich Winter fest, dass diese älteren Rauchabzüge noch im ganzen 16. Jahrhundert, stellenweise sogar darüber hinaus verbreitet waren. Im südwestdeutschen Raum kann man, so Winter, bei älteren Fachwerkbauten noch heute erkennen, dass ihr Dachgefüge rauchgeschwärzt ist.24


Vor allem aus verteidigungstechnischen Gründen schrieb die Obrigkeit an vielen Orten bereits im 15. Jahrhundert vor,25 die Gebäude mit Schornsteinen zu versehen. Auf diese Weise wollte man die Bürger zwingen, ihre Häuser mit Ziegeln zu decken. Die Realität sah jedoch anders aus. In den Wohnhäusern setzten sich zwar allmählich wirklich die Schornsteine durch, doch verzichteten die Eigentümer nicht auf die billigeren Strohdächer. Somit erhöhte sich die Feuergefahr, denn der Luftzug in den Kaminen konnte so stark sein, dass Funken ins Freie gelangten und auf die Dächer niedergingen.26


In Koblenz scheint die Veränderung von Dächern und Kaminen zunächst nicht vorgeschrieben worden zu sein. Dennoch stieg die Zahl der Schornsteine seit dem Ende des 15. Jahrhunderts ständig. Bereits 1539 tagte der Rat wegen der „Boese Schornstein”. Die Beschlüsse wurden protokollarisch festgehalten.27


Trotz der Ermahnung des Stadtrates scheinen viele Hauseigentümer nicht besonders gewillt gewesen zu sein, Feuerstellen und Rauchabzüge ihrer Häuser sicherer zu machen. Immer wieder weisen die Ratsprotokolle auf den schlechten Zustand der Schornsteine hin.28 1576 drohte der Rat sogar mit der Zerstörung der mangelhaften Kamine und der Verhängung von Geldstrafen.29 In diesen frühen Aufzeichnungen steht jedoch nichts über das Baumaterial der Schornsteine. Erst die späteren Protokolle beschreiben hölzerne und mit Lehm ausgeschmierte Kamine. Es ist also kein Wunder, dass regelmäßig Häuser niederbrannten.30 Besonders detailliert wird in den Protokollen ein Brand in der Mehlgasse beschrieben, der den Stadtrat veranlasste, die Schaffung einer Feuerordnung anzuregen:

 

,,Weil [...] Zur nacht umb ein Uhr, ein Bruntzt in der Meel gass entstanden und durch selbig Hanß Beckers hauß daselbst abgebrandt und im fheur leschen dermass eine grosse Unordnung und Zulauffen der burger, denn keiner ist Zu einem gepu-renden endt sich begeben, gewesen, das leichtlich dardurch bei dieser gefahrlich Zeidt der Stadt gefhair heit entsteh kennen und damit deß weg hin kunfftig, da ein solch Bruntzt [...]entstände, pesser Ordnung gehalten und sol durch ein Ußschuß eine Brandtordnung uffgericht und der Burgerschaft publicirt werd. Obgenannter Hanß Becker ist auch weg des Brandts angehöret, welcher sagt [...] das er nit wisse, wie das fheur angang, sagt darbei, das, wan er von seinem Knecht nit were geweckt worden, daz er sampt seiner hausfrauen im Hauß hedten verbrennen muss [...]“31


4.4 Feuerordnungen/Brandversicherung


Die älteste Feuerordnung für Koblenz stammt von 1473. Daraus ist eine Aufteilung der Gemeinde in Oberstadt und Neustadt ersichtlich. Die Aufsicht über die Quartiere hatten die beiden Bürgermeister. Chaotische Zustände bei den Löscharbeiten wollte man verhindern, indem sich die Bürger im Ernstfall nach ihrer Zunftzugehörigkeit aufstellen sollten. Von den Einwohnern, die keiner Zunft angehörten, und von Bauvorschriften zur Brandvorbeugung ist nicht die Rede.32


Eine detaillierte Feuerordnung verkündeten Amtmann, Bürgermeister und Rat am 22. April 1666. Die Beteiligung des kurfürstlichen Amtmannes verdeutlicht, dass derartige
Verordnungen nicht nur auf Initiative der städtischen Verwaltungsorgane, sondern vor allem auf Drängen des Landesherrn zustande kamen. In den frühen Brandordnungen stand vor allem die Organisation der Löscharbeiten im Vordergrund. Im Ernstfall sollte sich jeder Bürger beim Hauptmann seines Quartiers einfinden.33 Eigenmächtige Löschversuche sollten nicht unternommen werden. Ausschlaggebend war allein der Befehl des Amtmannes, dem sich auch Ratsmitglieder unterzuordnen hatten. Um eine möglichst schnelle Brandbekämpfung zu gewährleisten, durfte jeder Quartierhauptmann zwölf Personen bestimmen, die alle Löschgeräte herbeizuschaffen hatten. Ausrüstungen zur Feuerbekämpfung befanden sich an öffentlichen Plätzen sowie im „Alten Kaufhaus” und den Zunfthäusern. Angehörige der Zimmermanns- und Leiendeckerzunft34 brauchten die Befehle der Hauptmänner nicht abzuwarten und „durften” zusammen mit den städtischen Werkmeistern direkt zur Brandstelle vorstoßen. Auch Junggesellen, Dienstboten, nicht zünftige Einwohner und Juden waren verpflichtet, Hilfe zu leisten. Um Plünderungen und Chaos bei den Löscharbeiten zu verhindern, wurden die Soldaten angewiesen, sich im Alarmfall bewaffnet an der Brandstelle einzubinden.35


Die Brandvorsorge berücksichtigten erst die Feuerordnungen von 1694, 1708 und 1721. Im Vordergrund stand vor allem die Reinigung der Kamine im Frühling und im Herbst.36 Die wesentlich ausführlichere Brandordnung von 1736 schrieb sogar die Kontrolle der Schornsteine durch den städtischen Schornsteinfegermeister vor. Mängel mussten in einem Bericht festgehalten werden. Außerdem verpflichtete man die Bürger zur Überwachung der Feuerstellen in ihren Häusern. Offenes Licht in Ställen und Scheunen war völlig verboten. Eine Kommission hatte sich regelmäßig davon zu überzeugen, ob in den Haushalten genügend Laternen vorhanden waren. Zudem untersagte die Stadtführung, in Kaminen und anderen Rauchabzügen (zum Beispiel in Rohren) Holz zu trocknen. Die Mitglieder der Brunnengemeinschaften sollten immer genügend Löscheimer und Seile vorrätig haben.37 Die Obrigkeit ordnete weiterhin an, dass Bürger, die in ihrem Haus keinen Brunnen hatten, ständig Löschwasser in Kübeln bereit halten mussten. Nachlässigkeiten wurden mit Geldbußen bestraft.38 Aber gerade wegen der Bereitstellung von Eimern und anderen Löschgeräten gab es Schwierigkeiten. Viel zu oft unterließ man, Wartungsarbeiten vorzunehmen.39


Am 27. November 1783 erließ Kurfürst Clemens Wenzeslaus von Sachsen eine Feuerordnung, die auch die Gründung von Brandwehren vorsah. Bauvorhaben waren fortan auf einem Plan oder einer Skizze aufzuzeichnen und zur Genehmigung vorzulegen. In Gebieten, in denen Steine und Kalk günstig und ohne Schwierigkeiten beschafft werden konnten, sollten Bauherrn nun ausschließlich Massivhäuser errichten. Als besonderen Anreiz gewährte der Kurfürst Steuervorteile, machte aber die Deckung der Dächer mit Ziegeln oder Schiefer zur Pflicht. Nur im Ausnahmefall gestattete man, Strohdächer mit Lehm abzudecken. Außerdem mussten Schornsteinfeger die Kamine, die niemals in der Nachbarschaft von Holzwänden gebaut werden durften, viermal jährlich kontrollieren. Auch wurden Holzfußböden in der Nähe von Feuerstellen verboten. Man verlangte jetzt, die betreffenden Räume durch Erd- oder Lehmfußböden zugänglich zu machen. Darüber hinaus konnten nur Handwerksmeister mit der Ausführung von Bauvorhaben beauftragt werden, die einer Zunft angehörten.40


Gleichzeitig mit dieser neuen Feuerordnung wurde die Gründung einer Brandversicherungsgesellschaft bekannt gegeben.41 Ähnliche Versicherungen hatte die Obrigkeit bereits 1676 in Hamburg, 1768 im Hochstift Münster und 1769 im Hochstift Paderborn eingerichtet. Dadurch wollte man verhindern, dass Brandgeschädigte mit offiziellen Bescheinigungen – den sogenannten Brandbriefen – umherzogen und das für einen Neubau erforderliche Kapital zusammenbettelten.42 Obwohl im Kurfürstentum Trier der Beitritt in die neue Brandversicherungsgesellschaft freiwillig war, wünschte die Obrigkeit eine Mitgliedschaft der Untertanen in der Versicherung. Vor allem Benachteiligungen der Nichtversicherten sollten den Beitritt der Bürger beschleunigen.

 

In dem Erlass des Kurfürsten heißt es: ,,[...]Gleichwie es solchemnach eines jeden Willkühr und freyen Willen überlassen bleibet, ob er diesem die wechselseitige Beyhülfe zum aleinigen Ziel habenden Institut beytretten wolle, oder nicht, ob gleich ein jeder Woldenkenden, dem sowohl sein eigener Vortheil, und Nutzen als auch die Liebe seinem Nächsten mit Hülfe beyzu-springen am Herzen lieget, seine Gebäulichkeiten dieser heilsamen Veranstaltung einverleiben zu lassen, keinen Augenblick Bedenken tragen wird, so wird hierbey ausdrücklich angemerket, daß die Brandcollecten hinführo nicht mehr gestattet, keine Steuerfreyheit ertheilet, kein Bauholz mehr abgegeben werden, und überhaupt die nicht Eingeschriebenen aller denen Abgebrannten sonst zugekommenen Wohlthaten verlustiget seyn sollen, auch dabey ferner verordnet, daß die Eigenthümer derer diesem Institut nicht eingeschrieben Gebäuden, falls dieselbe abbrennen, ohne alle Nachsicht gehalten seyn sollen, diese abgebrannte Gebäude in drey Jahren Zeit auf ihre Kosten wieder aufzubauen, ohne alle Nachsicht mit Leyen oder Ziegeln zu decken, wo ansonsten nach deren Verlauf der Grund und Boden an den Meistbietenden öffentlich versteigert werden solle [...]“43


Die wenigsten Bürger scheinen geneigt gewesen zu sein, der neuen Versicherungsgesellschaft beizutreten. Die Aussicht auf regelmäßige Beiträge förderte die Bereitschaft, erlittene Brandschäden selbst zu tragen, auch wenn jetzt Zuwendungen aller Art ausfielen. Aus diesem Grunde wurde der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Versicherung immer wieder verschoben. Durchsetzen konnte sich die Gesellschaft nie.44
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Amerkungen:


1 Vgl. Binding, Baubetrieb: In seinem Buch „Baubetrieb im Mittelalter” hat Günther Binding kürzlich für „für West- und Mitteleuropa mit Ausblicken nach England und Italien einen zusammenfassenden Überblick bis in die 1460er Jahre” geschaffen. Die Monografie schildert Organisation und Planung bei der Ausführung von Bauwerken. Auch die technischen Entwicklungen werden behandelt.
2 Abgesehen von der durch J. J. Scotti bearbeiteten Sammlung der kurfürstlich-trierischen Verordnungen (Scotti, Sammlung, Bd. 1–3) und einigen Bürgerlisten sind sämtliche frühneuzeitlichen Quellen unveröffentlicht.
3 Diese Stadtbaumeistereirechnungen setzen bereits in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts ein.
4 Guex, Bruchstein, S. 9, 16 und 27.
5 StAK, Best. 623, Nr. 1555, S. 468; vgl. Schmidt, Stadtarchiv, S.17/18.
6 Die systematische Anlage von Sachakten setzte sich allerdings erst in preußischer Zeit durch. Die Hauptquelle für die kurtrierische Zeit bleiben die Protokollbücher, die chronologisch geordnet sind und kein Sachregister enthalten.
7 Haxel, Verfassung, S. 68/69.
8 So zum Beispiel die Bürgerliste von 1544 sowie die Koblenzer Schatzungsliste von 1522 und die Steuerliste von 1624 (StAK, Best. 623, Nr. 1223 und 1225–1226; Reif, Schatzungsliste; Familienbuch Koblenz).
9 Hinzu kommen ein Altarhaus des Stiftes St. Florin und eine Hofstatt.
10 StAK, Best. 623, Nr. 1327d.
11 Reif, Bürgerbuch (ohne Seitenzählung).
12 LHA Ko, Best. 112, Nr. 1921, S. 1.
13 LHA Ko, Best. 112, Nr. 1810-1820, 1850, 1921–1928. Die Listen sind teilweise aufgeführt in: Kallen-bach, Topographie, S. 153–155.
14 Am 27. November 1783 gab der Landesherr die Gründung der Brandversicherungsgesellschaft bekannt. Etwa ein Jahr später (13. Januar 1785) wurden sämtliche Beamten und Ratsmitglieder des Erzbistums Trier durch die kurfürstliche Regierung angewiesen, die vielen noch nicht versicherten Gebäude ebenso wie die versicherten Häuser zu behandeln, sie zu nummerieren, abzuschätzen und innerhalb einer zweimonatigen Frist in Listen eintragen zu lassen. Trotz dieser Maßnahmen vollzog sich der Beitritt zu dieser Brandversicherung sehr schleppend. Der offizielle Beginn ihrer Wirksamkeit wurde daher auf den 1. Januar 1788 festgesetzt (Scotti, Sammlung, Bd. 3, S. 1342, Nr. 787).
15 StAK, Best. 623, Nr. 1227: Abschätzung der Häuser 1790–1792.
16 Fitchen, Leiter, Strick und Winde, S. 34.
17 Bär, Urkunden, S. 96/97. Für den Kastorhof, den Bereich hinter der Kastorkirche, Altengraben und Firmungstraße wurde folgendes bemängelt: „[...]11. Item hinder sanct Castor choir staet ein huiß uf der siede muren und ist roper und längs die mure sall es offen seyn und ungeschlossen, das man uf der muren frey gan moige [...]14. Item St. Castor plane s all frey seyn unbelacht und die Castors gasse heruß alle usgain grede, alle ußschlaen finstern, alle steyle in der gassen, alle seuestelger, alle miss in den entwergassen is ropar. 15. Item Alde graben uß des gleiche und auf der Firmyngsgassen hoit Jacob Schloisser ein huysgin laessen machen, steet uf der gemeyne vor zu und ist ropar [...]“
18 StAK, Best. 623, Nr. 1171; LHA KO, Best, l C, Nr. 2155 und Nr. 2118: Derartige Berichte sind aus den Jahren 1523 und 1538 erhalten. Ihr Inhalt ähnelt stark dem Auszug aus dem Alten Gerichtsbuch.
19 StAK, Best. 623, Nr. 1018, S. 1: Undatierte Aufzeichnungen und Weisungen des Koblenzer Baugedings (16. Jahrhundert).
20 Eiler, Stadtfreiheit, S. 115-118; StAK, Best. 623, Nr. 1017.
21 Eiler, Stadtfreiheit, S. 122: Die Funktionen der „Herrat” waren Vorstellung und Vereidigung der Neubürger, Vorstellung und Treueversprechen des Amtmannes, Vorstellung
und Vereidigung der Gemeindebeamten, Vorstellung der beiden Bürgermeister, Verkündung von Verordnungen durch Bürgermeister und Rat sowie Rügeverfahren.
22 StAK, Best. 623, Nr. 1546, S. 323: Ratsprotokoll vom 7. August 1610.
23 Vgl. Scheuerbrandt, Südwestdeutsche Stadttypen, S. 209.
24 Winter, Bürgerhaus, S. 295/296.
25 So wurde zum Beispiel in Frankfurt in den Jahren 1485 und 1494 die Anlage von Schornsteinen vorgeschrieben.
26 Winter, Bürgerhaus, S. 296.
27 StAK, Best. 623, Nr. 1537, S. 289/230: Ratsprotokoll vom 10./17. August 1539. Darin heißt es: „[...] Betreffen der boesen und sorgklichen schorstein bynnen der stadt [...] sall der Burgermeister Inn der herred gepiet, das ein Igklicher seine schorstein machen und bessern vor winter, wir[d] dan ein stadt Knecht des negste tags umbgehen und nennen Jedenn, den man In der uff Zeichnungk findet, das er Innern sulle, und welcher das neith thuet, so sulle man gleich wan der winter vergang sie einem Igklichen penden umb alßzuvil, Das man denn schorstein davon machen mage lassen. Und die lemchen so Inn gleinte heusern wonen, sullen Iren Haußheren keynen zins mechen oder bezalen, die Ire schorstein, wie vorstehet, neith pessern und machen wullen, sonder der Rhadt derselbigen Zins bei den Ingesessenen entpfangen und der schorstein darinn machen will lassen [...]“
28 StAK, Best. 623, Nr. 1538, S. 32: Ratsprotokoll vom 4. April 1547; StAK, Best. 623, Nr. 1540, S. 339: Ratsprotokoll vom 27. November 1557; StAK, Best. 623, Nr. 1541, S. 289: Ratsprotokoll vom 27. August 1569.
29 StAK, Best. 623, Nr. 1542, S. 291: Ratsprotokoll vom 14. Juli 1576.
30 StAK, Best. 623, Nr. 1543, S. 48/49: Ratsprotokoll vom 1. September 1582; StAK, Best. 623, Nr. 1550, S. 242: Ratsprotokoll vom 9. November 1669. In den Stadtbaumeistereirechnungen des 17. Jahrhunderts ist immer wieder von der Verpflichtung der Handwerker, steinerne Schornsteine zu errichten, die Rede (vgl. StAK, Best. 623, Nr. 1108, fol. 11 v).
31 StAK, Best. 623, Nr. 1544, S. 352: Ratsprotokoll vom 25. Juni 1595.
32 StAK, Best. 623, Nr. 1536, S. 59.
33 StAK, Best. 623, Nr. 1492: In der Feuerordnung von 1678, die der von 1666 stark ähnelt, wird die Zahl der Quartiere mit fünf angegeben.
34 Leiendecker ist eine andere Bezeichnung für Schieferdecker.
35 StAK, Best. 623, Nr. 1492: Das Amt des Werkmeisters gehörte zu den Gemeindeämtern. Diejenigen, die derartige Funktionen bekleideten, wurden vor Schultheiß und Bürgermeister auf der „Herrat” vereidigt. Die Amtszeit betrug ein Jahr (Eiler, Stadtfreiheit, S. 158).
36 StAK, Best. 623, Nr. 1492.
37 Bellinghausen, Brunnen: Bis zur Anlage der ersten Wasserleitung zwischen 1783 und 1785 wurde die Stadt durch Ziehbrunnen mit „frischem” Wasser versorgt. Nur in wenigen Häusern befand sich ein eigener Brunnen. In den meisten Fällen vereinigten sich die Bürger nahe beieinanderliegender Gebäude zu einer Nachbarschaft und legten Gemeinschaftsbrunnen an. Die Mitglieder dieser Vereinigungen verpflichteten sich, die Brunnen zu erhalten und zu reinigen. Die Brunnennachbarschaften führten jeweils ein Alt-und ein Jungbrunnenmeister. Die beiden Meister wählten die Mitglieder alle zwei Jahre aus den eigenen Reihen. Innerhalb der Altstadt gab es 20 Nachbarschaften. Sie bestanden noch bis 1854. Dann übernahm die Gemeinde die Pflege.
38 StAK, Best. 623, Nr. 1492.
39 LHA KO, Best, l C, Nr. 11054. In dem Schreiben der kurfürstlichen Regierung vom 25. Februar 1738 heißt es: „Eß ist Ihro Churfürstlichen gnaden, Unseren gnädigsten Herrn, Zu mcht geringer bestürzung undt bekümmemuß die ahnzeig geschehen, ob seyne abermalen bey jüngeren in deß assessoris Jacobi V. Ehrencron wohn behaußung sich erhobenen brandt die Klag über den abgang undt schlechte beybringung deren zum löschen erforderlicher geschirr und gereithschafft eben so groß als bey Vorgewesen brandt in St. Castorgaß, da die lederne Eymer so unwachsamb besorget und liederlich gewesen, daß nicht einmahl wasser gehalten haben, Zu geherigen, in waß unstandt und gebrechhchkeit die brandt leütheren sich befinden, undt ohne daß die behörige brandtordnung im mindesten seye gehalten worden [...]“
40 Scotti, Sammlung, Bd. 3, S. 1332, Nr. 786.
41 Scotti, Sammlung, Bd. 3, S. 1342, Nr. 787.
42 Siekmann, Brandversicherung, S. 154/155.
43 StAK, Best. 623, Nr. 1514: „Allgemeine Grundsätze, welche der im hohen Erzstifte Trier zu veranstaltender Brand Versicherung festgestellet und zu beobachten sind”. Der Druck ist undatiert. Er stammt wahrscheinlich ebenfalls vom 27. November 1783.
44 Vgl. StAK, Nr. 1514: Feuerpolizei (1783-1811): Bekanntmachung des Kurfürsten, entstanden Anfang 1788.

 

 

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