Die allgemeine Kostenentwicklung hat dazu geführt, dass viele Kliniken nicht mehr wirtschaftlich arbeiten können. Ziel des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG), das ursprünglich zum Stichtag 1. Januar 2024 gelten, aber erst am 15. Mai 2024 vom Bundeskabinett beschlossen werden sollte (und damit der Weg für die weitere Beratung in den Gremien frei war), ist es daher, die Finanzierung einzelner Standorte zu sichern und ein lückenloses Netz von Krankenhäusern in ganz Deutschland aufrecht zu erhalten. Das ist zumindest die offizielle Botschaft von Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach. Bei genauerer Betrachtung bleiben allerdings Fragen offen. Kritiker sprechen sogar offen von einer Mogelpackung. Sie gehen davon aus, dass die Situation in vielen Einrichtungen vor allem mit Blick auf die rasant steigenden Betriebskosten auch nach dem Umsetzungsprozess der Reform desolat bleiben wird.
Besonders in den Jahren 2023 und 2024 zeigte sich, welche verheerenden Folgen strukturelle und finanzielle Probleme auf den Gesundheitssektor haben. „Schließungen drohen – 70 Prozent aller Kliniken schreiben rote Zahlen“ betitelte die „Welt“ ihren Online-Bericht über eine Branchenerhebung der Unternehmensberatung Roland Berger im Juli 2024. Das Unternehmen hatte 650 Klinik-Führungskräfte befragt. Mehr als die Hälfte von ihnen schätzte im zweiten Quartal 2024 die Liquidität des eigenen Krankenhauses als „gefährdet“ oder sogar „stark gefährdet“ ein. Die Befragten schätzten, dass bis zum Jahresende 28 Prozent der deutschen Kliniken die Insolvenz droht. Angesichts der Tatsache, dass bereits in den Vorjahren viele Krankenhausschließungen und Insolvenzen gemeldet worden waren, war dies ein Zeichen dafür, wie sehr die stationäre Patientenversorgung in der Fläche bedroht ist. Besorgniserregend ist, dass die Befragten eben nicht nur kleinere Einrichtungen bedroht sahen, sondern auch viele große Krankenhäuser, darunter auch Maximalversorger und Universitätskliniken. Die „Welt“ verwies auch darauf, dass bereits 2023 70 Prozent der Krankenhäuser in Deutschland von der Insolvenz bedroht waren.
Alarmzeichen gab es spätestens im Sommer 2023 zur Genüge. Die finanzielle Schieflage der Universitätsmedizin Mainz und die Insolvenz der „DRK gemeinnützige Krankenhausgesellschaft mbH Rheinland-Pfalz“ zeigten im Juli und August 2023, wie dünn das Eis für Krankenhausträger inzwischen geworden ist. Auch wenn es sich im Falle der DRK-Krankenhausgesellschaft mit ihren insgesamt 1500 Betten an vier Standorten und fünf Kliniken um eine Insolvenz in Eigenverwaltung handelte und am Ende ein sogenannter Transformationsprozess – allerdings mit gravierenden Einschnitten – auf den Weg gebracht werden konnte, zeigt der Fall doch, welchen Handlungsbedarf es seitens der Politik auf Bundes- und Landesebene gibt. Geht es doch nicht nur darum, die Zukunft für Patienten und Fachpersonal zu sichern, sondern auch darum, die Infrastruktur an die Anforderungen der heutigen Zeit anzupassen. Die Folge: Selbst etablierte Einrichtungen müssen gleich mehrere „Baustellen“ in den Griff bekommen. Das gilt ganz besonders auch für die Kliniken in Rheinland-Pfalz. Gerade hier muss ein milliardenschwerer Sanierungsstau bewältigen werden, wobei die Verantwortung und Finanzierung baulicher Maßnahmen beim Land liegt.
Allein für die dringend erforderlichen Baumaßnahmen an der Universitätsmedizin Mainz, die auf Grundlage eines Masterplans erfolgen, sind in den kommenden Jahren Investitionen von insgesamt 2,2 Milliarden Euro vorgesehen. Doch damit nicht genug: Auch an anderen Standorten werden erhebliche Mittel in zwei- und dreistelliger Millionenhöhe benötigt, vor allem dann, wenn es um die von Krankenhausreformern gewünschte Zusammenlegung von Standorten geht. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es mehr als fraglich, ob das Land die damit einhergehenden enormen Belastungen auf Dauer überhaupt „stemmen“ kann. Neben der Universitätsmedizin Mainz ist das Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein (GKM) mit seinen fünf Standorten in vier Kommunen wohl das prominenteste Beispiel. Im Oberzentrum sollen die Koblenzer Häuser Evangelisches Stift und Kemperhof an einem Standort vereinigt werden.
War man im Falle des GKM noch im Mai 2018 von Gesamtkosten in Höhe von 190 Millionen Euro für die Zusammenlegung der beiden Koblenzer Haupthäuser ausgegangen, stehen jetzt ganz andere Beträge im Raum. Eine aktualisierte Schätzung wurde im nicht öffentlichen Teil der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses der Stadt Koblenz am Montag, 10. Juli 2023, bekanntgegeben – und, was in der Natur der Sache liegt, nicht nach außen kommuniziert. Doch beim Blick auf die inflationsbedingte Kostenexplosion am Baute muss man kein Prophet sein, um die wahren Dimensionen zu erahnen. Ein Aufschlag um 100 Prozent erschien zwischenzeitlich realistisch. Auf das Land, das 90 Prozent der förderfähigen Kosten übernehmen müsste, kommen erhebliche Mehrbelastungen zu – und damit natürlich auch auf die Steuerzahler und die Trägergesellschaft. Angesichts der drohenden neuen Dimensionen ist es berechtigt, die Sinnfrage zu stellen. Anfang 2024 sollten dann die prognostizierten Kosten für die Modernisierung des gesamten GKM kein Geheimnis sein. Inzwischen war hinter vorgehaltener Hand sogar von Gesamtkosten in Höhe von rund 500 Millionen Euro die Rede.
Auch die inzwischen gescheiterte Mehrheitsbeteiligung des privaten Klinikkonzerns Sana am GKM hätten die zu erwartenden erheblichen Belastungen nicht mindern können. Das Land hätte zwar durch massive Bezuschussung den Wert des Immobilienbestands und damit auch den Wert der privaten Anteile erheblich steigern, aber nicht dazu beitragen können, das Problem der Bewältigung der laufenden Kosten zu lösen. Vor diesem Hintergrund ist auch die Frage „War womöglich die Aussicht auf eine erhebliche Wertsteigerung auf dem Kemperhof-Gelände ein Motiv für Sana, in das Gemeinschaftsklinikum einzusteigen?“ eher hypothetisch und ist angesichts der jüngsten Entwicklungen mit einem klaren Nein zu beantworten. Ist doch das GKM nicht nur Maximalversorger, sondern muss an seinen Standorten in Koblenz, Boppard, Mayen und Naststätten auch die Grund- und Regelversorgung in der Fläche vorhalten. In diesem Bereich ist bekanntlich kein Geld zu verdienen, Krankenhausbetreiber legen in der Regel unter dem Strich in diesem Bereich sogar erheblich drauf.
Gegner einer Privatisierung befürchten, dass sich das GKM künftig womöglich stark spezialisieren und perspektivisch die Standorte im ländlichen Raum schließen oder umwidmen wird. Dazu kommen Nachteile für die Mitarbeiter. Die Umstellung vom Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes auf Haustarifverträge war bereits in der Diskussion, konnte aber im Dezember 2022 zugunsten des bestehenden Tarifvertrages beendet werden. Und damit auch eine mögliche Verschlechterung der Einkommen für das medizinische Fachpersonal. Ein solches Vorgehen wäre ein Anachronismus gewesen, der zwangsläufig zur Abwanderung von Fachpersonal und an einer Ausbildung im medizinischen Bereich interessierten Jugendlichen führen wird, weil Mitbewerber womöglich attraktivere Angebote machen könnten. Dazu passt, dass das Mainzer Gesundheitsministerium angekündigt hatte, am Landeskrankenhaus mit seinen 17 Standorten die Ausbildung für Medizinisch-Technische-Angestellte in spe inhaltlich und finanziell attraktiver zu machen.
Auch stand in Koblenz im Verlauf des Jahres 2023 zunehmend eine andere Frage im Raum: Was ist, wenn sich die Sana Kliniken AG quasi auf der Zielgeraden doch noch zurückzieht? Ein Grund hierfür war unter anderem, dass im Sommer 2023 noch keine rechtsverbindliche Zusage des Landes vorlag, die Bezuschussung des Bauvorhabens auf dem Kemperhof-Gelände den Kostenentwicklungen anzupassen. Angesichts dieser Unsicherheit hätte es für den Konzern wenig Sinn gehabt, seinerseits Millionenbeträge in die „Dauerbaustelle Gemeinschaftsklinikum“ zu investieren. Wie wir noch sehen werden, sollten die Verhandlungen letztendlich an einem weiteren gravierenden Umstand scheitern, der auf kommunaler Seite offenbar lange unterschätzt worden war.
Egal ob privat oder öffentlich: Es geht immer um immense Summen, die – wenn überhaupt – nur noch schwer aufzubringen sind. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob das Land (und damit die Steuerzahler), die erheblichen Mittel, die es gemäß der gesetzlich festgeschriebenen Aufgabe bereitstellen muss, weiter in ehrgeizige und nicht selten fragwürdige Neubauprojekte investieren soll – vor allem dann, wenn eine Beteiligung privater Eigner oder großer Unternehmensgruppen mit kirchlichem Hintergrund vorgesehen ist. Angesichts der aktuellen Situation, die auch von großen Problemen im Bereich Personalentwicklung geprägt wird, richtet sich der Blick wieder auf die vorhandenen, oft traditionsreichen Standorte in den regionalen Zentren – wie die Debatte um den Erhalt der Kliniken in Altenkirchen und Hachenburg im Kontext mit der eigentlich fest geplanten Zusammenlegung an einem neuen Standort in Müschenbach zeigt. Die Insolvenz der „DRK gemeinnützige Krankenhausgesellschaft mbH Rheinland-Pfalz“ Anfang August 2023 dürfte die Standortdiskussion neu befeuern.
Überhaupt stellt sich angesichts der aktuellen Entwicklungen die folgende Grundsatzfrage: Ist es am Ende aus praktischen und ökonomischen Gründen doch sinnvoller, vorhandene Substanz zu sanieren und Privatinvestoren, die verpflichtet sind, Gewinne zu erwirtschaften, außen vor zu halten? Argumente mit Bezug auf die Baukosten sowie soziale und ökologische Komponenten könnten Antworten liefern.
Und dann gibt es noch die vielen Unklarheiten vor dem Hintergrund der großen Krankenhausreform. Diese stellt zwar Verbesserungen in Aussicht, doch lässt sie Krankenhausbetreiber und Geldgeber ganz offensichtlich in der Übergangszeit, die anders, als ursprünglich geplant weit über das Jahr 2026 hinauslaufen könnte, im Regen stehen – wohl in der Hoffnung, dass „Wackelkandidaten“, die man aus rein ökonomischen Erwägungen eigentlich gar nicht fördern möchte, quasi automatisch aus der vermeintlichen Provinz verschwinden. Mit einem solchen Verfahren will man offenbar das auch an großen Einrichtungen bestehenden Häusern bestehende Personalproblem lösen. Das Kalkül: „Freigesetze“ Mitarbeiter könnten von den aufgegebenen Standorten zu den regionalen Markführern wechseln – wenn es nicht gelingt, zu deutlich schlechteren Einstufungen genügend „Fachkräfte“ aus dem Ausland zu gewinnen.
So oder so: Der gesamte medizinische Sektor in der Bundesrepublik und natürlich auch in Rheinland-Pfalz befindet sich in einem tiefgreifenden Wandlungsprozess. Ob sich das Ergebnis die Situation für die Patienten, wie gern dargestellt, am Ende tatsächlich verbessert, darf bezweifelt werden. Es kommt nicht von ungefähr, dass Bürger gegen geplante Klinikschließungen mobilmachen und die Verbände sich zudem auch gegen die mögliche Ausdünnung der ambulanten und pharmazeutischen Angebote wehren. Nicht umsonst war der Herbst 2023 auch ein Monat des Protestes. „Der eine Hausarzt, die Klinik um die Ecke – das alles wird nicht mehr möglich sein. Das ist auch Folge der Profitinteressen mancher Träger, ganz sicher liegt es am von diversen Regierungen verursachten Reformstau. Seit geraumer Zeit hat es jedoch mit einem immer gewaltiger werdenden Fachkräftemangel zu tun. […] Zur Wahrheit gehört auch, dass in Orten wie Kirn, Altenkirchen Bürger auf die Straße gehen für ein Krankenhaus, das sie offenbar selbst oft schon lange nicht mehr nutzen. Sollte es nur in Teilen stimmen, dass viele Patienten längst mit den Füßen abstimmen, dann folgen die verpönten Sanierungskonzepte und die Krankenhausreform einer gesellschaftlichen Gesamtentwicklung“, kommentierte Christian Kunst in der Rhein-Zeitung.
Die aktuellen Zahlen
Wer sich mit der Entwicklung der Krankenhauslandschaft in Deutschland auseinandersetzt, wird mit differierenden Zahlen konfrontiert, die meist der unterschiedlichen Aktualität der für weitere Ausführungen zugrundeliegenden Studien geschuldet. Das gilt auch für die vorliegende Zusammenstellung und trotz der Bemühungen des Autors um eine regelmäßige Aktualisierung. Anfang August 2024 präsentierte die rheinland-pfälzische Landesregierung in ihrer Antwort auf eine Große Anfrage der CDU-Fraktion auf Grundlage des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) neue Zahlen über den Bestand und die Investitionen in die stationäre Infrastruktur. Die im Rahmen von Sonderprogrammen, zum Beispiel im Rahmen des Krankenhausstrukturfonds, fließenden Zuschüsse wurden allerdings nicht berücksichtigt.
Demnach gab es in den Jahren 2019, 2021 und 2022 landesweit 76 Plankrankenhäuser, für die Jahre 2020 und 2023 75 Plankrankenhäuser mit (umgerechnet) 44.060 Vollzeitbeschäftigten (Stand 2022) an insgesamt 87 Standorten. In diesen Einrichtungen lag die Gesamtzahl der Planbetten im Jahr 2019 noch bei 22.224 Betten, für das Jahr 2023 wurden 21.682 Planbetten genannt. In den Jahren 2020, 2021 und 2022 hatte die Zahl der Planbetten bei 21.816 gelegen. Nicht berücksichtigt wurde die Universitätsmedizin, für die kein Förderanspruch nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz besteht (Die Besonderheiten der Universitätsmedizin werden im Teil C dieser Zusammenstellung behandelt).
Welche Höhe erreichen die Investitionen des Landes in Erhalt und Ausbau der rheinland-pfälzischen Plankliniken? Nach Angaben der Landesregierung wurden in den Jahren 2019 und 2020 jeweils 125, 8 Millionen Euro bereitgestellt. 2021 stieg die Summe auf 129,8 Millionen Euro, ein Jahr später wurden 137,9 Millionen Euro bereitgestellt. Im Jahr 2023 wurde schließlich ein Betrag von 143,8 Millionen Euro erreicht. Hierbei sei angemerkt, dass die Steigerungen vor allem vor den Hintergrund der Kostenexplosion im Bausektor zu sehen sind. Aber: Immerhin wurden im Jahr 2023 pro Planbett 6632,41 Euro zur Verfügung gestellt. 2019 hatte der Betrag 2019 bei „nur‘“ 5560,55 Euro gelegen.
Interessant ist auch der Durchschnitt der Zuschüsse, die innerhalb Zeitraums von 2019 bis 2023 an die einzelnen Krankenhäuser gingen. So lag der Durchschnitt pro Klinik im Jahr 2019 bei 1.655.263,16 Euro, bis 2023 stieg die Summe pro Plankrankenhaus auf den durchschnittlich 1.917.386,67 Pro Plankrankenhaus.
Trotz dieser Steigerung wird die rheinland-pfälzische Krankenhauslandschaft von Experten, vor allem aus den Reihen der Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz, als unterfinanziert bewertet. Selbst eine erhebliche Aufstockung der Mittel könnte nicht die erhofften Effekte bringen, schon allein deshalb, weil Bund, Ländern und Kommunen fast in allen Bereichen die Kosten davonlaufen. Dazu kommt, dass die zur Verfügung gestellten Mittel nur in der Summe beeindruckend erscheinen. Umgerechnet auf jeden Rheinland-Pfälzer standen 2023 pro Kopf lediglich 34,46 Euro Fördermittel nach dem KHG zur Verfügung. Im Jahr 2019 waren es noch 30,73 Euro gewesen, wobei das Land bei der Berechnung berücksichtigte, dass die Einwohnerzahl im Zeitraum von 2019 bis 2023, von 4.098.391 auf 4.173.255 gestiegen ist. Es liegt angesichts dieser leichten Steigerungen in der Natur der Sache, dass die Landesregierung den Vorwurf einer unzureichenden Krankenhausinvestitionsförderung zurückweist.
Im Rahmen eines Besuchs von Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach an der Universitätsmedizin Mainz am 6. September 2024, nannte der neue rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer jedoch Zahlen, die hoffnungsvoller stimmten. In den kommenden Jahren sollen die Landesmittel, die mit Unterstützung des Bundes in die Krankenhaus-Infrastruktur investiert werden, deutlich steigen. Die Möglichkeit hierfür schafft der neue Krankenhaus-Transformationsfonds des Bundes, über den ab 2026 in einem Zeitraum von zehn Jahren allein für Rheinland-Pfalz rund 2,3 Milliarden Euro verteilt werden sollen – bei einem Gesamtvolumen von 25 Milliarden Euro. Für Rheinland-Pfalz bedeutet das: Die Investitionen des Landes könnten von jeweils 152,8 Millionen Euro für die Jahre 2024 und 2025 bereits auf 2026 auf 226,7 Millionen steigen. Wenn die Mittel aus dem Transformationsfonds wirklich fließen, könnten die jährlichen Investitionen auf 335,4 Millionen Euro steigen.7 Das ist fast so viel wie von der Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz gefordert. Mit den Mitteln könnten also über einen Zeitraum von zehn Jahren alle rheinland-pfälzischen Krankenhäuser auf Vordermann gebracht werden, sofern sie dann noch bestehen. Außerdem wäre Geld vorhanden, um die Neubauprojekte zu realisieren. Diese Zahlen wurden auch im Haushaltsplan für die Haushaltsjahr 2025 und 2026, den Finanzministerin Doris Ahnen in der 73. Plenarsitzung des Landtages Rheinland-Pfalz am Montag, 30. September 2024 vorstellte.
Doch trotz der angekündigten erheblichen Verbesserungen für die Kliniken wird ein zentrales Problem bleiben: die rasant steigenden Betriebskosten, die von den Einrichtungen mithilfe der Kassen selbst gedeckt werden müssen. Beil alldem bleibt die Universitätsmedizin in Mainz ein Sonderfall. Sie ist ein eigener Posten im Haushalt. Laut Haushaltsplan 2025/26 werden allein 400 Millionen Euro bereitgestellt, um die Schuldenlast der Einrichtung zu dampfen. Dazu kommt ein ambitioniertes Bauprogramm. Bis 2040 sollen insgesamt 2,2 Milliarden Euro investiert werden.
Stationäre Versorgung wird ausgedünnt
Wohin die Reise geht, sollte im Verlauf des Jahres 2024 immer deutlicher werden. Inzwischen ist klar, dass das noch dichte stationäre Versorgungsnetz ausgedünnt werden soll, wobei sich die Handlungsspielräume je nach Bundesland stark unterscheiden dürften. So zeigt die Studie „Zukunft der Krankenhausstrukturen in Rheinland-Pfalz und im Saarland“ des Institute for Health Care Business (hcb) GmbH (Essen), die am 19. Juni 2024 im Rahmen einer Pressekonferenz in Mainz vorgestellt wurde, den aktuellen Ist-Bestand und mögliche Rationalisierungspotenziale. Zwei weitere Präsentationen folgten am 27. August 2024 auf Einladung des Verbandes der Ersatzkassen (vdek) und der Techniker Krankenkasse.
Das Gutachten war von Prof. Dr. Boris Augursky, Dr. Adam Pilny, Dr. Anne Mensen, Mike Angelkorte und Annika Emde erstellt worden. Auftraggeber waren die AOK Rheinland-Pfalz und Saarland, die Knappschaft (Regionaldirektion Saarbrücken), der BKK Landesverband Mitte (Landesvertretung Rheinland-Pfalz und Saarland) sowie der Sozialverband für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau. Die Marschrichtung war klar: Die Gutachter empfahlen, das gesamte System zu straffen und Doppelstrukturen zu vermeiden. Ihre Empfehlung erfolgte nicht nur aus monetären Gründen. Die Experten rechnen innerhalb der kommenden zehn Jahren mit einer erheblichen Verschärfung der Personalsituation. Diese soll so dramatisch werden, dass es kaum noch möglich sein wird, alle aktuell noch vorhandenen stationären Kapazitäten vorzuhalten. Aktuell gehen Experten davon aus, dass Rheinland-Pfalz die Zahl der erwerbsfähigen Personen bis 2030 von insgesamt 2,43 Millionen (Stand 2022) auf 2,22 Millionen zurückgehen wird. Das entspricht einem Minus von 8 Prozent. Daraus folgt, dass sich auch an den Kliniken im Land die Personalsituation weiter verschärfen wird. Die Folge: Die Beitragseinnahmen der Sozialversicherungen werden weniger steigen. Umgekehrt wird die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen wegen der zunehmenden Zahl der Menschen im Rentenalter steigen.
Zu dieser Aussage passte, das Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach Ende August 2024 in einem Interview mit dem Magazin „Stern“ ankündigte, dass bereits 2025 die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung steigen werden. „Das liegt daran, dass in der Vergangenheit wichtige Reformen ausgeblieben sind“, so der Minister wörtlich. Der Widerspruch von Kassen und Verbänden, deren Repräsentanten lieber ein kurzfristiges Einsparpaket gesehen hätten, ließ nicht lange auf sich warten. Stein des Anstoßes ist, dass der 50 Milliarden schwere Transformationsfonds für die stationären Einrichtungen, der 2026 starten und über zehn Jahre ausgezahlt werden soll, auch aus Beitragsmitteln finanziert werden soll – wohl gemerkt der gesetzlich Versicherten, nicht aber der Mitglieder der privaten Kassen.
Nach Rheinland-Pfalz würde im Zeitraum von 2026 bis 2035 Tranchen in einer Gesamthöhe von 2,3 Milliarden Euro fließen. Aus Sicht des Gutachters Prof. Dr. Boris Augursky würde das ausreichen, die Infrastruktur sämtlicher Krankenhausstandorte inklusiv der womöglich erforderlichen Neubauten auf Vordermann zu bringen. In dieser Kalkulation war die Universitätsmedizin Mainz nicht enthalten, die ja, wie bereits erwähnt, als landeseigene Körperschaft des öffentlichen Rechts aus anderen Quellen finanziert wird.
Vor diesem Hintergrund empfahl Prof. Dr. Boris Augursky, vier Arbeitsschwerpunkte herauszubilden:
Vor allem die Forderung nach einer Stärkung der ambulanten Versorgung hörten die Repräsentanten der gesetzlichen Krankenkassen, die an den Veranstaltungen teilnahmen, sehr gern. Eröffnet doch ein Umbau des Systems zugunsten der ambulanten Versorgung erhebliche Einsparpotenziale. Fakt ist nun mal, dass auch den Krankenkassen die Kosten davonlaufen. Um die Sparmaßnahmen Medizinern und Patienten schmackhaft zu machen, wird in öffentlichen Veranstaltungen der Kassen und ihrer Verbände eine Verbesserung und Beschleunigung der Versorgung kommuniziert.
Dass die ambulante Versorgung vor allem aus personellen Gründen schon jetzt am Limit ist, wird dagegen gern verdrängt. Auch kommt es vor, dass es womöglich auch die Krankenkassen sein können, die die Qualität der ambulanten Versorgung schwächen. Das zeigte sich ebenfalls am 27. August 2024, als die Rhein-Zeitung die Schließung der Tagesklinik zur ambulanten Versorgung von Patienten mit starken und chronischen Schmerzen am Gemeinschaftsklinikums zum Stichtag 30. September verkündete. Begründung: unzureichende Unterstützung durch die Krankenkassen.
Trotz aller Widrigkeiten ist in Rheinland-Pfalz die stationäre Versorgung an den aktuell 87 Krankenhausstandorten (noch) gut. Laut Gutachten erreichen derzeit 99 Prozent der Bevölkerung innerhalb von 30 Minuten ein Krankenhaus mit Notfallversorgung. Aber: Aus Sicht der Gutachter haben 30 Prozent der Krankenhäuser im Land weniger als 150 Betten. Für sie sei ein wirtschaftlicher Betrieb schwer, was wiederum nachteilige Auswirkungen auf die Vorhaltung medizinischer Fachexpertise habe. Die Folge: Bereits 2022 seien 20 Prozent der Krankenhäuser in Rheinland-Pfalz insolvenzgefährdet gewesen.
Laut Gutachten liegt die Krankenhausdichte im Land je eine Million Einwohner mit 20,9 leicht über dem Bundesdurchschnitt (20,4), während für das Saarland nur ein Durchschnitt von 18,1 ermittelt wurde. Aber: Im Saarland lag die Zahl der Krankenhausstandorte je 1000 Quadratkilometer um 46 über dem deutschlandweiten Durchschnitt, in Rheinland-Pfalz 9 Prozent darunter. Und: Die Bettendichte im Saarland liegt 21 Prozent über dem Bundesdurchschnitt, in Rheinland-Pfalz 3 Prozent darüber.
„Rheinland-Pfalz verfügt – gemessen an Betten – über viele kleine Krankenhäuser. Das Saarland verfügt über größere Standorte. In beiden Ländern ist die Dichte an Krankenhäusern der GBA13-Notfallstufe14 1 in Bezug auf Bevölkerung Fläche überdurchschnittlich hoch“, bilanzierten die Gutachter und gaben damit eine Richtung vor. Die Zusammenlegung von Einrichtung und die Schließung von Standorten erscheint aktuell unvermeidbar, auch vor dem Hintergrund mangelnder Personalkapazitäten.
Auch wiesen Prof. Dr. Boris Augursky und sein Gutachterteam darauf hin, dass Rheinland-Pfalz mit 0,86 den geringsten Casemixindex (CMI) auf. Anders die Landesbasisfallwerte. Sie sind in Rheinland-Pfalz und im Saarland am höchsten. Auch die Personalausstattung verbesserte sich grundsätzlich. „In den Jahren 2018 bis 2022 stieg die Zahl der ärztlichen Vollkräfte in den beiden Ländern stärker als im Bundesdurchschnitt. Beim Pflegedienst fand in diesem Zeitraum bundesweit generell ein sehr starker Aufbau statt, im Saarland sogar etwas stärker, in Rheinland-Pfalz geringer“, stellten die Autoren der Studie fest.
Auch wiesen die Experten darauf hin, dass die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser in Deutschland stark variiert. „In Rheinland-Pfalz und im Saarland zusammen genommen lag im Jahr 2021 der mittlere Jahresüberschuss der Krankenhäuser bei 0,6 Prozent der Erlöse im bundesweiten Mittelfeld. Der Anteil der Krankenhäuser mit einem Jahresfehlbetrag lag in beiden Ländern bei 39 Prozent (bundesweit circa ein Drittel). Setzt man für den nötigen Zielwert von 7,5 Prozent des jährlichen Umsatzes an, beläuft sich der jährliche Investitionsbedarf beider Länder auf etwa 449 Millionen Euro. Derzeit beträgt das Fördervolumen beider Länder in der Summe 162 Millionen Euro pro Jahr und damit die jährliche Förderlücke 287 Millionen Euro“, heißt es wörtlich.
Prof. Dr. Boris Augursky und seine Mitautoren empfahlen eine tiefgreifende Transformation der gesamten stationären und ambulanten Versorgung sowie trägerübergreifende Zusammenlegung von Kliniken, am besten in Form von zentral gelegenen Neubauten. Dabei gab es auch abenteuerliche Konstruktionen, zum Beispiel den Vorschlag einer Fusion der Krankenhausstandorte Remagen und Linz. Das ging selbst dem Gesundheitsminister zu weit. „Dazwischen liegt ein großer Fluss“, betonte Clemens Hoch bei der Präsentation vdek mit einem Schuss Ironie. Er wies darauf hin, dass es dort seit 1945 keine Brücke mehr gibt, die beide Städte verbinden könnte. Hoch zeigt damit eine Schwäche von Sanierungsgutachten auf: Sie sind oft gut durchdacht, scheitern aber in der Praxis zumindest punktuell an der Umsetzbarkeit. Das liegt auch daran, dass die beauftragten Experten oft die topographischen Besonderheiten der untersuchten städtischen und ländlichen Räume nicht in einem ausreichenden Maß berücksichtigen. Mögliche Folge: Längere Wege für Patienten und Mitarbeiter sowie die drohende Unterversorgung ganzer Landkreise. Das zeigte im Sommer 2024 die neu entbrannte Diskussion um die Schließung des Klinikums Mittelmosel in Zell, dass sogar die Landesregierung als systemrelevant bewertet hatte.
Dennoch offenbarten die Gutachter eine unangenehme Wahrheit: Weder in Rheinland-Pfalz noch im Saarland reichen aktuell die Ressourcen nicht aus, um die alle Krankenhäuser auf Vordermann zu bringen. Dazu kommen die massiven Steigerungen der Betriebskosten, die auf Landesebene schon allein vor dem Hintergrund er aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht durch Sonderförderprogramme abgefangen werden können. Dazu kommt, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer in den kommenden Jahren noch stärker belastet werden. So meldeten die FAZ und andere Medien, dass bis 2023 die Sozialbeiträge der verschiedenen Versicherungszweige insgesamt um 7,5 Prozentpunkte auf 48,6 Prozent steigen könnten.
Die FAZ verwies auf einen Bericht der Deutschen Presseagentur, der wiederum auf einem Gutachten des Berliner IGES-Instituts basierte. Dieses hatte im Auftrag der Krankenkasse DAK-Gesundheit die Beitragsentwicklung bei der Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung auf Grundlage der aktuellen Trends berechnet. Die alarmierenden Werte veranlassten DAK-Vorstandschef Andreas Storm, die Politik aufzufordern, eine Beitragsexplosion zu verhindern. Storm warnte auch davor, dass es nicht realistisch sei, die Sozialbeiträge auf 40 Prozent zu deckeln. Er forderte vor allem einen Stabilitätspakt für die gesetzliche Krankenversicherung, weil allein in diesem Bereich Beiträge in den kommenden zehn Jahren von 16,3 auf 19,3 Prozent steigen würden.
Ein erstes Fazit: Da sich die Situation im Gesundheitswesen inzwischen fast monatlich ändert, ist es schwierig, die Entwicklungen der jüngsten Vergangenheit komplett zusammenzufassen. Dennoch soll im Folgenden der Versuch erfolgen, einen Überblick zu geben. Dazu gehören auch die Vorgeschichte und Konsequenzen der Krankenhausreformen seit den 1990er-Jahren sowie die aktuelle personelle und bauliche Situation an ausgewählten Klinikstandorten in Rheinland-Pfalz – auch mit Blick auf die ambulante Versorgung in der Fläche und die Ausbildung des Ärztenachwuchses.
Eine komplette Aufarbeitung der Verhältnisse in den Akutkrankenhäusern in Rheinland-Pfalz, von denen 2023 rund 80 Prozent rote Zahlen schrieben, würde den Rahmen sprengen. Die folgende Zusammenstellung ausgewählter Beispiele dient der Erstinformation und Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen. Dabei bleiben die aktuellen Entwicklungen am Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz weitgehend außen vor, da die Verantwortung im Bereich des Bundes liegt und es dort weder finanzielle noch personelle Probleme gibt. Ganz im Gegenteil: In den Standort wird schon seit Jahren in dreistelliger Millionenhöhe investiert. Das BwZKrhs wird quasi bei laufendem Betrieb neu geschaffen.
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