Dr. Dr. Reinhard Kallenbach | Landeskundliche Forschung
   Dr. Dr. Reinhard Kallenbach | Landeskundliche Forschung

Krankenhäuser in der Krise

1. Universitätsmedizin Mainz

 

1.1 Defizite und allgemeine Unzufriedenheit

 

Wenn von der Universitätsmedizin in Mainz gesprochen wird, dann meistens im Zusammenhang mit deren gutem Ruf und der geplanten immensen Investitionen für den Ausbau der Infrastruktur von 2,2 Milliarden Euro. Dennoch leidet auch die Vorzeigeeinrichtung des Landes Rheinland-Pfalz unter dem enormen Druck steigender Kosten. Auch scheint im Inneren der Einrichtung alles nicht so optimal zu laufen wie in der Öffentlichkeit dargestellt. Gleich drei „Brandbriefe“ von Medizinern und weiteren unmittelbar Betroffenen waren offenbar im Umlauf, zwei davon wurden an die Presse „durchgestochen“.

 

Für die Fraktionen von CDU und FREIEN WÄHLERN im Landtag Rheinland-Pfalz war dies ein Anlass, eine gemeinsame Sondersitzung des Gesundheits- und Wissenschaftsausschusses zu beantragen. Diese fand dann auch am Freitag, 14. Juli 2023 auch statt. Die Sitzung verlief für die Antragsteller alles andere als zufriedenstellend, weil Gesundheitsminister Clemens Hoch und Staatssekretär Dr. Denis Alt, der seinerzeit auch Vorsitzender des Aufsichtsrats der Uniklinik war, die von Vertretern der CDU und den FW gestellten Fragen bestenfalls nur teilweise beantworteten und sich die Vertreter der Universitätsmedizin zurückhielten und Kritik vermieden, obwohl sie diese hätten äußern können.

 

Offenbar wollte man das Ansehen der Institution in der Öffentlichkeit nicht schädigen, vor allem aber die Repräsentanten der Landesregierung nicht verärgern. Womöglich war die Furcht davor, der Erfolgsgeschichte der Universitätsmedizin einen Dämpfer zu versetzen, zu groß, Zuhörer mussten den Eindruck gewinnen, das Details über den tatsächlichen Zustand der Universitätsmedizin nur scheibchenweise bekanntgeben wurden. Doch es sollte sehr schnell klar sein, dass diese Strategie wenig fruchten würde.

 

Bereits Anfang August wurden weitere gravierende Probleme bekannt. Wie die Mainzer Allgemeine Zeitung (AZ) am 2. August 2023 in ihrer Onlineausgabe berichtete, sei die finanzielle Lage der Uniklinik in der Mainzer Oberstadt offenbar wesentlich angespannter als bislang bekannt. Die Zeitung meldete, dass die Klinik wegen der vielen unbezahlten Rechnungen zeitweise nicht mehr mit Medikamenten beliefert wurde. „Auch die Lieferungen von Medizinprodukten wie Katheter sowie von medizinischen Untersuchungsmaterialien, sogenannte Diagnostika, sind von den Händler wegen Zahlungsrückständen vorübergehend eingestellt worden“, so die AZ wörtlich unter Hinweis auf die Bestätigung durch die Universitätsmedizin.

 

Die AZ verwies auch auf eine Mitteilung des Mainzer Gesundheitsministeriums von Ende Juli, in der vom „Rückstau“ beim Bezahlen offener Rechnungen die Rede war. Laut Pressestelle der Universitätsmedizin betrug das Gesamtvolumen der aktuell offenen Lieferantenrechnungen rund 60 Millionen Euro. Dies seien, so die Pressestelle weiter, 12,5 Prozent der Summe der jährlich eingehenden Rechnungen. Der Zahlungsrückstand wurde mit durchschnittlich 1,5 Monaten angegeben. Laut AZ sollen Lieferanten manchmal mehrere Monate auf ihr Geld gewartet haben.

 

Wie die Universitätsmedizin die Zahlungsrückstände begründet? Mit dem branchenweit bestehenden Fachkräftemangel und akuten Personalausfällen. Diese Erklärung erscheint bei näherer Betrachtung offenbar völlig an den Realitäten vorbei, auf die die Opposition im Mainzer Landtag bereits mehrfach hingewiesen hatte. Entsprechend heftig fiel die Reaktion von Helge Schwab aus: „Schluss mit der Salamitaktik! Zunächst wird immer alles geleugnet – und wenn die Fakten nicht mehr zu verstecken sind, werden scheibchenweise Versäumnisse zugegeben. Es muss endlich aufhören, dass sich die Landesregierung wegduckt. Es muss auch aufhören, dass Gesundheitsminister Clemens Hoch, sein Ministerium und die Koalition um die SPD immer mit Zahlen über bevorstehende Investitionen in die Infrastruktur vom eigentlichen Problem ablenken wollen.“

 

Schwab legte nach: „Wir wissen schon seit Monaten, dass die Universitätsmedizin mit Blick auf die Betriebskosten völlig unterfinanziert ist. Dass jetzt noch nicht einmal mehr Rechnungen bezahlt werden können, zeigt doch, dass der Gesundheitsminister das Problem völlig unterschätzt hat! Die Landesregierung muss handeln, bevor ein irreparabler Schaden entsteht. Wenn Patienten mangels Medikamenten und Medizinprodukten nicht mehr zeitgerecht versorgt werden können, ist die Grenzlinie des Hinnehmbaren mehr als überschritten!“

 

Dass auch im Bereich der Verwaltung der Universitätsmedizin sofortiger Handlungsbedarf besteht, sollte sich nur einen Tag später zeigen: Der Südwestrundfunk und auch die Allgemeine Zeitung berichteten darüber, dass auch Abrechnungen, die der Einrichtung Einnahmen bringen, liegengeblieben sind. Die Außenstände dürften also erheblich sein. Argumentiert wurde auch in diesem Fall mit Personalmangel, der offenbar auch auf Kündigungen in den vergangenen Wochen und Monaten zurückzuführen war.

 

1.2 Historisch gewachsene Einrichtung

 

Fakt ist, dass im Falle der Universitätsmedizin die Verpflichtungen des Landes nicht allein auf die baulichen Investitionen begrenzt sind. Das zeigt schon ein Blick in die Geschichte der 1950 gegründeten Einrichtung, die aus einem städtischen Krankenhaus hervorging und dann umgewandelt wurde. Als Rechtsträger zeichnete das rheinland-pfälzische Kultusministerium verantwortlich. Das einstige kommunale Krankenhaus wurde zur Körperschaft des öffentlichen Rechts, deren Rahmenbedingungen das Landeshochschulgesetz vorgab. Rechtlich selbstständig war die Einrichtung in den ersten vier Jahrzehnten ihres Bestehens nicht. Das änderte sich erst 1998.

 

Heute hat die Universitätsmedizin einen entscheidenden Vorteil: Sie ist zwar vom Landeshaushalt unabhängig, kann aber als Anstalt des öffentlichen Rechts auf einer breiteren Förderungsbasis durch das Land aufbauen, das bei den privatrechtlich organisierten Kliniken im kommunalen Besitz sich auf die Erfüllung seiner gesetzlichen Pflichtaufgaben beschränken kann. Und diese liegen im Bereich der baulichen Maßnahmen, während sonstige Bezuschussungen nicht oder nur schwer möglich sind. Anders die Universitätsmedizin: Sie kann Finanzkreisläufe von Forschung und Lehre von der klassischen Krankenversorgung besser abgrenzen.

 

Die heutige Universitätsmedizin firmierte bis zum 31. Dezember 2008 als Klinikum der Johannes-Gutenberg-Universität, seit dem 1. Januar 2009 unter der heutigen Bezeichnung. Die Aufgaben der Einrichtung können wie folgt zusammengefasst werden: Krankenversorgung im Range eines Supramaximalversorgers, Weiterbildung von Mitarbeitern und Studenten sowie Forschung.

Heute hat die Universitätsmedizin Mainz, an dem etwa 8000 Mitarbeiter beschäftigt sind, mehr als 50 Kliniken, Institute und Abteilungen sowie zwei Einrichtungen der medizinischen Zentralversorgung – die Apotheke und die Transfusionszentrale.

 

Auch die Dimensionen der Uniklinik sind beachtlich. Verfügt sie doch über insgesamt 1665 Betten. Deshalb konnten allein im Jahr 2021 insgesamt 64.000 Patienten stationär behandelt werden. Im gleichen Jahr lag die Zahl der ambulant behandelten Patienten bei 260.000 Patienten. Diese Zahlen zeigen, dass die Universitätsmedizin nicht nur für komplexe Eingriffe auf der landesweit einmaligen Stufe eines Supramaximalversorgers, sondern auch eben auch als Grund- und Regelversorger unersetzlich ist. Und: Im Bereich der medizinischen Wissenschaft – in der Forschung wie in der Lehre – kooperiert die Universitätsmedizin mit verschiedenen Fachbereichen der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Darüber hinaus arbeitet die Universitätsmedizin mit zahlreichen Partnern in der gesamten Region sowie europa- und weltweit zusammen.

 

1.3 Bestandsanalyse und Sondersitzung

ohne greifbare Ergebnisse

 

Man muss sich schon fast automatisch fragen, was derzeit an anderen regionsprägenden Einrichtungen passiert, wenn schon die Situation in Mainz derart angespannt ist. Wie die weiteren Ausführungen zeigen werden, geht es nicht selten allein für das Jahr 2023 um Defizite im zweistelligen Millionenbereich. Wie dramatisch die Unterfinanzierung ist, zeigt jedoch besonders die Universitätsmedizin Mainz. Bereits am 12. Mai 2023 berichtete der Südwestrundfunk, dass die Einrichtung für das laufende Jahr wohl ein Defizit von 70 Millionen Euro erreichen würde. Man muss also befürchten, dass das bisherige Rekorddefizit von 2020 in Höhe von 65 Millionen Euro noch übertroffen wird. Dass es 2021 „nur“ 40 Millionen Euro waren, ist kein wirklicher Trost.

 

Im Rahmen einer aktuellen Stunde zu Beginn der Sitzung des Landtages Rheinland-Pfalz am 21. Juni 2023 wurde auf Antrag der CDU-Fraktion über die Situation an der Universitätsmedizin gesprochen. Anlass war der erste von drei sogenannten „Brandbriefen“ (die beiden anderen waren damals noch nicht bekannt), den mehrere Chefärzte verfasst hatten. „Die zur Verfügung stehenden Mittel reichen hinten und vorn nicht aus. Die Universitätsmedizin braucht also eine Unterstützung durch das Land, die weit über die Kernaufgaben hinausgeht, zu denen es verpflichtet ist. Es darf aber nicht nur beim Nehmen bleiben. Im Klinikum selbst muss die Ursachenforschung verstärkt werden. Rheinland-Pfalz kann sich keinen Bedeutungsverlust der Universitätsmedizin leisten! Und das nicht nur wegen der Qualität der medizinischen Versorgung, sondern auch wegen der Zukunft der Ausbildung von Medizinern im Land“, betonte Helge Schwab in seiner Rede.

 

Die folgenden Tage sollten zeigen, dass es mit der Ursachenforschung so eine Sache ist. Weitere Interna drangen nicht mehr nach außen, dafür versuchten Experten wie Winfried von Eiff vom Centrum für Krankenhaus-Management an der Universität Münster, die Gesamtsituation einzuordnen.

 

Winfried von Eiff führte die Misere vor allem auf den Kostendruck zurück, der auch für die Universitätsmedizin Mainz zu Problemen führt. Er verweist auf die allgemeinen Schwierigkeiten im Gesundheitssystem sowie die Rahmenbedingungen gerade auch für die Maximalversorger. „Mit dem Fachkräftemangel kämpfen alle“, so der Experte in einem Bericht der Rhein-Zeitung. Von Eiff wies darauf hin, dass die Situation vor allem bei den Berufsgruppen, die an neuralgischen Punkten zum Einsatz kommen wie in Operationssälen und Intensivstationen, problematisch ist. Hier fehle es an Ärzten und an spezialisierten Pflegefachkräften. Dieser Mangel sei auch eine Folge der Corona-Epidemie. Gerade Beschäftigte in Maximalversorgern hätten in der Zeit viel geleistet, auch Schwerstkranke behandelt. Das habe das Personal ausgelaugt und zu einer ersten Kündigungswelle geführt, erklärt von Eiff.

 

Und danach? Danach mussten verschobene Eingriffe nachgeholt und viele Überstunden geleistet werden. Die Folge: Weitere Kündigungsen. Daraus ergebe sich die heutige Situation, so der Experte weiter. Demnach arbeiteten Maximalversorger schon lange nicht mehr mit hundertprozentiger Personalausstattung, teils liege diese bei 30 Prozent oder darunter. Das deckt sich auch mit den Aussagen von Andreas Wermter. Im gleichen Bericht hatte der Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz darauf hingewiesen, dass er Kliniken kenne, in denen wegen Personalmangels ganze Stationen nicht mehr betrieben werden können, obwohl eigentlich alles an Infrastruktur bereitstehe.

 

Zu denken geben sollte den Verantwortlichen auch die Aussage von Winfried von Eiff über die Abhängigkeit der Krankenhäuser bei Medikamenten und Medizinprodukten von China. Dabei seien die Lieferketten immer undurchschaubarer, weil inzwischen auch chinesische Hersteller die Produktion in andere Länder wie Kambodscha, Myanmar oder Vietnam verlagert hätten. Die Folge: In den heimischen Krankenhäusern gebe es Engpässe bei Kathetern, Wundpräparaten, Verbänden und Drainagen. Das führe dazu, dass es bei der Beschaffung nicht mehr nach der Qualität, sondern nach der Verfügbarkeit gehe. Laut von Eiff führten Personalknappheit und Materialmangel letztlich dazu, dass weniger Patienten pro Zeiteinheit behandelt werden können. Im deutschen Fallpauschalen- oder DRG-System nähmen die Kliniken bei steigenden Kosten somit weniger Geld ein. Auch sei das DRG-System, das ursprünglich mehr Transparenz bei Leistungen und Kosten bringen sollten, ein Kosteneinsparungsinstrument geworden. Daraus ergebe sich, dass sich über Jahrzehnte ein Investitionsstau in Milliardenhöhe angehäuft habe.

 

Ein weiterer Punkt ist die ausufernde Bürokratie. Winfried von Eiff verwies gegenüber der Rhein-Zeitung auf eine Befragung des Marburger Bundes von 2022. Demnach verbringen Mediziner pro Tag drei Stunden mit Verwaltungstätigkeiten (was sich aus Expertensicht auch mit Lauterbachs Krankenhausreform nicht ändern wird). Ein weiteres nachdenklich stimmendes Ergebnis: Ein Viertel der angestellten Ärzte denken über einen Berufswechsel nach. Moniert werden vor allem steigende Arbeitsbelastung, unzureichende Personalausstattung, kaum Zeit für Gespräche mit den Patienten und fehlende Wertschätzung ärztlicher Arbeit.

 

Und was sagt der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister dazu? Clemens Hoch forderte gegenüber der Deutschen Presseagentur mehr gemeinsames Handeln im Vorstand der Universitätsmedizin. Der Minister verwies auch darauf, dass im April 2024 die Positionen des wissenschaftlichen und medizinischen Vorstands neu besetzt werden. Er selbst wolle ab 2024 den Vorsitz des Aufsichtsrates übernehmen. Diese Entscheidung ist nicht als Affront gegen Staatssekretär Denis Alt zu sehen, sondern Zeichen nach außen, dass die Universitätsmedizin Chefsache ist. Und: Der Vorgang zeigte auch, dass das Ministerium Ruhe in die Diskussion bringen wollte – auch in Personalangelegenheiten.

 

Für die Neubesetzung der frei werdenden Stellen wurde eine Findungskommission eingesetzt, deren Rolle im Sommer 2024 verabschiedeten Novelle des Gesetzes über die Universitätsmedizin fest verankert werden sollte. Dieses Gesetz sollte nun zusätzlich der Universitätsmedizin die Möglichkeit geben, auch organisatorisch flexibler auf Veränderungen im Bereich des Gesundheitswesens und in der Forschung reagieren zu können.

 

Minister Hoch kritisierte auch, dass es in der Universitätsmedizin zu viel „Silodenken“ gegeben habe. Bekannt wurde auch, dass das Ministerium eine Analyse der Organisation der Universitätsmedizin bei der Unternehmensberatung Roland Berger in Auftrag gegeben habe. Und: Angedacht sei eine Erweiterung des Vorstandes und die Schaffung eines Bauvorstandes für die Umsetzung des Bau-Masterplans. Gehe es doch um 2,2 Milliarden Euro, die bis 2038 (!) in den Bestand investiert werden sollen, wobei die Fertigstellung des neuen Zentralgebäudes für 2031 terminiert ist.

 

1.4. Neustart mit Hindernissen

 

Wie der Neustart der Universitätsmedizin aus personeller Sicht aussieht, erläuterten Minister Hoch und Staatssekretär Alt am 27. September 2023 im Rahmen einer Medienkonferenz, die einen Tag nach einer Sitzung des Aufsichtsrats stattfand. Dabei wurde auch bekannt, dass Prof. Dr. Ralf Kiesslich am 1. Januar 2024 als Nachfolger von Prof. Dr. Norbert Pfeiffer die Ämter des Medizinischen Vorstands und des Vorstandsvorsitzenden übernehmen wird.

 

Doch so reibungslos wie erhofft verlief die Neubesetzung des Vorstands dann doch nicht. Ende November 2023 gab Prof. Dr. Thomas Kamradt (Uniklinikum Jena/ Wissenschaftlicher Vorstand und Dekan der dortigen Medizinischen Fakultät), der die Nachfolge des ausscheidenden Vorstandsmitgliedes Prof. Dr. Ulrich Förstermann übernehmen sollte, bekannt, dass er den Ruf nach Mainz nicht annimmt.

 

Ursprünglich hatte der Aufsichtsrat dem Fachbereichsrat (der in diesem Fall die Entscheidung über eine Wahl trifft) den renommierten Mediziner für das Amt des Wissenschaftlichen Vorstands der Universitätsmedizin benannt. Das Gesundheitsministerium nannte in einer Pressemitteilung vom 27. November 2023 eine persönliche Entscheidung als Grund und betonte, dass die begonnene Neuausrichtung der Universitätsmedizin von dieser Entwicklung nicht betroffen sei.10 Man musste sich erneut auf die Suche machen.

 

Deutlich schneller ging es mit dem Wechsel des kaufmännischen Vorstandes. Dr. Christian Elsner, der vor allem von der CDU-Fraktion im Mainzer Landtag immer wieder hart attackiert worden war, schied bereits zum Stichtag 30. September 2023 aus. Dr. Waltraud Kreutz-Gers, Kanzlerin der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, übernahm bereits am 1. November 2023 – zunächst übergangsweise für ein Jahr. Unverändert blieb die Position der Pflegevorständin. Der Vertrag mit Marion Hahn wurde bis zum 31. Januar 2025 verlängert.

 

Wie es jetzt unter Führung des neuen Vorstandsteams weitergeht? Die Herausforderungen für die Universitätsmedizin sind also groß. So groß, dass die Allgemeine Zeitung Mainz betonte, dass die in den kommenden zehn Jahren für die Einrichtung bevorstehenden Veränderungen so bedeutend sind wie seit den 1960er-Jahren nicht mehr. Damals war die gesamte Bundesrepublik von Neubauprojekten im Krankenhauswesen und organisatorischen Verbesserungen geprägt – auch in Mainz, wo es seinerzeit nicht nur bei den Baumaßnahmen, sondern auch beim Ausbau der einzelnen Disziplinen deutliche Fortschritte gab. Damals erarbeitete sich die Uniklinik Mainz unter anderem den Ruf eines Schrittmachers in der Notfall- und Intensivmedizin. Auch wurden beispielsweise chirurgische Disziplinen aus der allgemeinen Medizin ausgegliedert.

 

Mit Blick auf die Zukunft wird es jetzt nicht nur darum gehen, die Infrastruktur auf den neuesten Stand zu bringen, sondern auch darum, das Profil der Universitätsmedizin für die neuen Anforderungen zu schärfen. „Die Ambulantisierung ist eines der großen Zukunftsthemen, und dafür haben wir ein groß angelegtes Projekt auf den Weg gebracht“, betonte Vorstandschef Prof. Dr. Norbert Pfeiffer in der Allgemeinen Zeitung Mainz. Der Bericht stellte heraus, dass sich die Universitätsmedizin mit den Maßnahmen nicht nur auf die neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen einstellen möchte, sondern auch den Wünschen der Patienten entsprochen werden soll, die zunehmend in ihrer heimischen Umgebung genesen wollen. Genau deshalb soll in Mainz das ambulante Operieren weiter ausgebaut werden.

 

1.5 Die Situation im ersten Halbjahr 2024

 

Aus Sicht der Opposition im Mainzer Landtag waren weder die Informationspolitik der Landesregierung noch der Leitung der Universitätsmedizin zufriedenstellend. Die CDU-Fraktion nahm die vielen offenen Fragen zum Anlass, eine Große Anfrage auf den Weg zu bringen. Die Antworten des Gesundheitsministeriums, die ein Gesamtvolumen von 44 Seiten haben, gingen am 19. Dezember 2023 bei der CDU ein, die elektronische Veröffentlichung folgte ab dem 27. Dezember.

 

Schwerpunkt der Großen Anfrage waren die Bereiche Wirtschaft, Finanzen und Informationstechnologie, wobei ausdrücklich gefragt wurde, was der Landesrechnungshof in den vergangenen zehn Jahren genau überprüft hat. Auf dem Prüfstand standen auch die Personalausgaben, wobei der Landesrechnungshof hervorhob, dass es zu Fehlzahlungen von mehr als 1,7 Millionen Euro gekommen sei. Beanstandet wurden unter anderem zu hohe Eingruppierungen, Zulagen ohne tarifvertragliche Grundlagen sowie „fehlende nachvollziehbare Kriterien für die Vereinbarung außertariflicher Arbeitsverträge“.  Ferner wurde eine unzureichende Dokumentation der Gründe festgestellt. In der Antwort hieß es aber auch: „Im Rahmen des rechtlich Zulässigen wurden nach Vorliegen des Landesrechnungshofberichts die Einzelfälle aufgearbeitet und korrigiert. Die Dokumentation von Einzelentscheidungen wurde verbessert.“

 

Deutlich gravierender war die Feststellung, dass die in den Strategie- und Sanierungskonzepten von 2009 bis 2019 beschriebenen Optimierungsprojekte oft nicht umgesetzt wurden und Wirtschaftspläne oft unrealistisch seien. Ferner gelangte der Landesrechnungshof zu der Einschätzung, „dass die Entwicklung des Anlagevermögens und die notwendigen Instandhaltungsmaßnahmen grundlegende Entscheidungen des Landes erfordern würden und eine erlösorientierte Personalbedarfsermittlung im Bereich der Krankenversorgung ein Einsparpotenzial von bis zu circa 29 Millionen Euro jährlich ergebe.“

 

Aus diesem Fazit lässt sich schließen, dass zumindest ein Teil der finanziellen Probleme an der Universitätsmedizin hausgemacht. Die Neubesetzung der Spitzenpositionen an der Universitätsmedizin und eine umfassende Organisationsuntersuchung, die bereits begonnen haben, sollen es nun richten. Wenn die Ergebnisse vorliegen, sollen realisierbare Projekte entwickelt werden, in deren Rahmen sich die möglichen Einspareffekte umsetzen lassen.

 

Auch Gebäudebestand, Flächenpotentiale und bauliche Entwicklungsmöglichkeiten wurden durch den Landesrechnungshof untersucht, wobei das Ergebnis zumindest mittelfristig Hoffnung macht. Demnach sollen bis zum Jahr 2028 92 Prozent der Gebäudeflächen der Universitätsmedizin in einem baulich sehr guten bis zufriedenstellenden Zustand sein, wobei diese Einschätzung laut Rechnungshof nicht in vollem Umfang von der Universitätsmedizin geteilt wird.

 

Wegen der geplanten Neubauten würden rund 35.000 Quadratmeter der bisherigen Nutzungsflächen „leergezogen“ und weitere 13.400 Quadratmeter zurückgebaut. Diese Flächen, die sich weitegehend auf zwei Standorte konzentrieren, böten umfangreiche Potentiale für die weitere Standortentwicklung. Der Landesrechnungshof verwies darauf, dass das damalige Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur 2021 ein Gutachten zur Standortentwicklung der Universitätsmedizin in Auftrag gegeben hatte.

 

Der Landesrechnungshof empfiehlt aktuell, die an zwei Standorten innerhalb des Klinikgeländes aufgezeigten Entwicklungspotenziale in die Zielplanung einzubeziehen. Der Baumasterplan sei inzwischen ausgearbeitet und von Aufsichtsrat und Land als Basis für die weitere Standortentwicklung entgegengenommen worden. Dass dringender Handlungsbedarf besteht, zeigt eine weitere Aussage des Landesrechnungshofes. Demnach seien in den Jahren 2009 bis 2020 insgesamt 56,5 Millionen Euro zu wenig für die Instandhaltung aufgewendet worden. Die Folge: beschleunigter Wertverlust, Folgeschäden an der Bausubstanz und der Funktionsfähigkeit.

 

Außerdem wurde eine fehlende Instandhaltungsplanung und eine Objektdokumentation zum Gebäudebestand kritisiert. Allerdings wurde darauf hingewiesen, dass der Vorstand der Universitätsmedizin in den Jahren von 2009 bis 2022 die jährlichen Instandhaltungsaufwendungen von 20 Millionen Euro schrittweise auf 36 Millionen Euro gesteigert habe. Auch sei im Rahmen der Erstellung des Baumasterplans der Gebäudebestand systematisch erfasst und beurteilt worden.

 

Die exemplarisch genannten Punkte mögen an dieser Stelle genügen, um die Hauptprobleme an der Mainzer Universitätsmedizin zu benennen: Einerseits wurde zu viel an der Instandhaltung der hauseigenen Infrastruktur gespart, andererseits hat es das Management versäumt, Organisationspotenziale so zu nutzen, dass unnötige Mehrkosten hätten verhindert werden können. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Defizite auch bei optimaler Nutzung aller vorhandenen Potenziale nicht hätten ausgeglichen werden können.

 

Die schlimmen Prognosen für das Jahr 2023 könnten 2024 sogar noch übertroffen werden. Der Südwestrundfunk berichtete am 22. Dezember 2023, dass die aktuellen Schätzungen für das neue Jahr bei sage und schreibe 97 Millionen Euro liegen. Als Gründe hierfür wurden vor allem Kostensteigerungen in allen Bereichen, die jüngsten Tarifabschlüsse und die Personalengpässe genannt. Betroffen seien vor allem das Pflegepersonal, aber auch medizinische Fachangestellte. Wegen des fehlenden Personals könnten nicht immer alle Betten belegt werden. Außerdem könnten nicht so viele Operationen durchgeführt werden wie bei voller Besetzung. Die Konsequenz: Die Universitätsmedizin könne weniger Patienten aufnehmen und deshalb weniger Einnahmen erzielen, heißt es in dem SWR-Bericht weiter, in dem auf die Aussagen einer Sprecherin des Universitätsklinikums verwiesen wird. Als weiterer Kostenfaktor wurde der Zustand der in Teilen maroden Gebäude genannt. Allein für deren Instandhaltung seien 2023 rund 37 Millionen Euro ausgegeben worden.

 

Wie es aktuell aussieht? Im Frühjahr 2024 schienen sich die Wogen geglättet zu haben, was auch daran liegen könnte, dass Gesundheitsminister Clemens Hoch das Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden übernommen und damit die Universitätsmedizin zur Chefsache erklärt hatte. Doch die äußerliche Ruhe war trügerisch. Offenbar gärt es intern immer noch gravierende Probleme, was die Entwicklung rund um die Besetzung der vakanten Stelle des Wissenschaftlichen Vorstands offenbarte. Am 14. Mai 2024 überraschte das Gesundheitsministerium mit der Nachricht, dass der Fachbereichsrat der Universitätsmedizin Mainz den Vorschlag des Aufsichtsrates für die Neubesetzung abgelehnt habe. Namentlich ging es um Universitätsprofessorin Julia Weinmann-Menke, die aktuelle Leiterin der Abteilung für Nephrologie, Rheumatologie und Transplantationsmedizin der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik an der Universitätsmedizin. Für die CDU-Landtagsfraktion war die Vakanz ein Anlass, mit einer Pressemitteilung nachzulegen.

 

„Die bereits seit Monaten andauernde Suche nach einem wissenschaftlichen Vorstand wurde mittlerweile zum dritten Mal ohne Ergebnis beendet“, stellte Dr. Matthias Reuber, MdL, fest. Und sein Fraktionskollege Gerd Schreiner, MdL, ergänzte: „Wir befürchten einen echten Imageverlust.“ Die Verantwortung für die unangenehme Situation sahen beide bei der Landesregierung. Die Position sei unattraktiv für geeignete Bewerber, heißt es in einer Pressemitteilung weiter.

 

Es blieb jedoch nicht beim medialen Vorstoß. Die Union beantragte gemeinsam mit der FREIE WÄHLER-Landtagsfraktion schließlich am 28. Mai 2024 eine Sondersitzung des Wissenschaftsausschusses. „Die andauernden Rückschläge bei der Besetzung der Position des wissenschaftlichen Vorstands werfen kein gutes Licht auf den Wissenschaftsstandort Rheinland-Pfalz im Allgemeinen und der Universitätsmedizin im Speziellen“, begründete Helge Schwab den Vorschlag. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende hatte den Antrag für die FREIEN WÄHLER unterschrieben. Für die Union hatten Dr. Matthias Reuber, Marion Schneid und Gerd Schreiner unterzeichnet.

 

Wie fast zu erwarten war, ließ Wissenschaftsminister Clemens Hoch die Kritik an sich abperlen. Die Kernaussage seines Berichts: Es sei nicht nur alles mit rechten Dingen zugegangen, Minister Hoch habe es im Rahmen seiner rechtlich zulässigen Möglichkeiten immer wieder versucht, auf eine Lösung des Problems hinzuarbeiten. Dennoch blieb Dr. Herbert Drum, Wissenschaftspolitischer Sprecher der FW-Landtagsfraktion bei seiner Einschätzung. Aus seiner Sicht habe dem Minister offenbar das Fingerspitzengefühl gefehlt, zu spüren, dass seine hausinterne Wunschkandidatin keine Mehrheit im Fachbereichsrat finden werde. Durch diese Fehleinschätzung sei nicht nur das Amt, sondern auch der Ruf der verdienten Mitarbeiterin der Uniklinik geschädigt worden.

 

Dagegen wies Clemens Hoch darauf hin, dass man von Anfang an Top-Bewerber gesucht habe, die sich bereits in äußerst anspruchsvollen Positionen engagieren. Da sei es durchaus üblich, wenn ein Interessent seine Entscheidung für einen Wechsel widerruft, vor allem dann, wenn der aktuelle Arbeitgeber mit deutlich verbesserten Rahmenbedingungen und Konditionen um seine Führungskraft wirbt. Genau dies scheint bei Prof. Dr. Thomas Kamradt der Fall gewesen zu sein – der angesehene Wissenschaftler entschied sich letztendlich dafür, in Jena zu bleiben.

 

Der Minister, der die zu besetzende Stelle mit einer Top-Position in einem Milliardenunternehmen verglich, wies auch Vorwürfe zurück, er habe die Universitätsmedizin in eine schwierige Lage gebracht. „Die Bereiche Forschung und Lehre sind und waren jederzeit voll handlungsfähig“, so der Minister wörtlich. Aktuell sieht es so aus, dass die Position neu ausgeschrieben wird. Bis zu einer Neubesetzung wird Prof. Dr. Hansjörg Schild die Führungsposition weiterhin kommissarisch besetzen.

 

Gut einen Monat später folgte mit Verkündung des Jahresergebnisses 2023 die nächste Nachricht, die nachdenklich stimme müsste: Demnach endete das Geschäftsjahr mit einem Minus von 113,6 Millionen Euro. Diese Zahl übertraf alle Schätzungen des Jahres 2023 und das Ergebnis von 2022 (65,1 Millionen Euro) deutlich. Da war es nur ein schwacher Trost, dass das Defizit um rund 6,4 Millionen Euro geringer ausfiel, als noch im März 2024 berechnet.

 

Lediglich der Blick auf die Umsätze stimmte halbwegs optimistisch. Diese hatten ein Volumen von insgesamt 994.000 Euro übertroffen und damit den Rekordwert von 2022 um 10 Millionen Euro übertroffen. Das reichte aber nicht, um die Kostenentwicklung aufzufangen, die in allen Bereichen deutlich anstiegen. So lagen allein die Personalkosten für die insgesamt 8726 Mitarbeiter bei rund 575 Millionen Euro. Ein wichtiger Grund für das Defizit sei auch die Tatsache gewesen, dass sich die stationären Krankenhausleistungen wirtschaftlich nicht so entwickelt hatten wie erhofft. So ließen die Patientenzahlen deutlich zu wünschen übrig. In Zahlen heißt das: 2023 wurden „nur“ 58.900 Patienten voll stationär, weitere 276.000 ambulant (davon 137.500 Fälle in der Hochschulambulanz) behandelt. Übrigens: Auch die Schätzungen für 2024 stimmen wenig optimistisch. Sie liegen aktuell bei einem Minus von 107 Millionen Euro.

 

2. Die Situation am Westpfalz-Klinikum

 

Wie stark die nachteiligen Rahmenbedingungen die Träger von öffentlichen Krankenhäusern belasten, zeigen die Diskussionen am Westpfalz-Klinikum GmbH. Die Ende der 1990er-Jahre gegründete und 2005 erweiterte Gesellschaft mit beschränkter Haftung unterhält heute vier Standorten in Kaiserslautern, Kirchheimbolanden, Kusel und Rockenhausen. Obwohl, wie von vielen Experten seinerzeit gewünscht, ein Verbundklinikum zum Abbau von Doppelstrukturen gegründet worden war, ist das kommunale Unternehmen heute nicht mehr kostendeckend aufgestellt. Inzwischen ist, Gerüchten zu Folge, sogar das Aus für den Standort Rockenhausen im Gespräch, wobei sich die Akteure bedeckt halten, weil sie sich zur Verschwiegenheit verpflichtet haben. Bekannt ist allerdings, dass der Auslastungsgrad in Rockenhausen seit 2019 von 68,3 auf aktuell 52,5 Prozent zurückgegangen ist. Vor diesem Hintergrund ist auf jeden Fall mit harten Einschnitten für den Standort zu rechnen.

 

Klar ist nur, dass es seit Ende Oktober 2023 ein Sanierungskonzept gibt. Dieses wurde vom Frankfurter Beratungsunternehmen FTI Consulting Andersch erstellt, das nach eigener Aussage unter anderem auf „Turnarounds“ in schwierigen Situationen spezialisiert ist. Erklärtes Ziel ist es, die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und die Finanzierung zu sichern. Konkrete Maßnahmen für das Westpfalz-Klinikum sollen Ende November 2023 verkündet werden.

Beim Maximalversorger Westpfalz-Klinikum mit seinen insgesamt rund 1300 Betten und 4300 Mitarbeitern klaffte im Frühjahr 2023 bereits eine Finanzlücke von rund 22,5 Millionen Euro. Zudem gibt es aktuell einen Sanierungsstau, der allerdings im Zuge der bevorstehenden Restrukturierung behoben werden soll. Hier steht auch das Land Rheinland-Pfalz in der Pflicht. Dennoch ist bereits klar, dass der Eigenanteil und die Bewältigung der Schulden die Träger insgesamt einen hohen zweistelligen Millionenbetrag kosten werden.

 

Wie die Rheinpfalz meldete, mussten neben Banken die drei Trägerkommunen, die Stadt Kaiserslautern sowie die Landkreise Kusel und Donnersberg gemäß ihrer Anteile an der Klinik-GmbH die klaffende Lücke stopfen. Allein die Kommunen übernahmen einen Überbrückungskredit von 15 Millionen Euro, wobei allein die Stadt Kaiserslautern als größte Gesellschafterin einen Anteil von rund 9 Millionen Euro stemmen musste. Der Anteil der beteiligten Banken lag bei „nur“ 7,5 Millionen Euro. Laut Rheinpfalz machten sich die kommunalen Träger von Anfang an keine Illusionen, das Geld eines Tages wiederzusehen. „Es wird wohl in den Haushalt eingearbeitet und abgeschrieben“, lautete das Zwischenfazit der Zeitung. Die Einschätzung dürfte richtig sein, zumal das Westpfalz-Klinikum nur ein Eigenkapital von 11 Millionen Euro hat. Das entspricht einer Eigenkapitalquote von 4,3 Prozent. Das ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Westpfalz aus wirtschaftlicher Sicht als strukturschwach gilt und sich deshalb die Einnahmen von Kommunen und ihrer öffentlichen Einrichtungen in derart in Grenzen halten, dass es schwieriger als andernorts ist, Eigenkapital zu bilden.

 

Andere Häuser in Reinland-Pfalz stehen besser da als das Westpfalz-Klinikum – allerdings oft nur auf den ersten Blick. So kann das mit seinen 438 Planbetten (davon 200 Betten in Landau) deutlich kleinere kommunale Klinikum Landau-Südliche Weinstraße ein Eigenkapital in Höhe von 12 Millionen Euro verweisen. Ganz anders das kommunalen Klinikums Ludwigshafen, das ebenfalls ein Maximalversorger ist. Hier wurde ein Eigenkapital in Höhe von 100 Millionen Euro aufgebaut, das aber perspektivisch schmelzen könnte. Die Einrichtung firmiert als gemeinnützige Gesellschaft öffentlich Rechts, wobei die Stadt Ludwigshafen Klinikträgerin ist. Allerdings meldet auch dieses Klinikum Verluste für 2022 in Höhe von rund 2,2 Millionen Euro. Mit Blick auf die aktuellen Rahmenbedingungen kann man davon ausgehen, dass der neue Trend 2023 wie an vielen anderen Einrichtungen auch nicht gestoppt werden kann. Allerdings gibt es wegen der noch guten Eigenkapitalausstattung immerhin einen Puffer, der andernorts eben nicht – oder zumindest nicht in dieser Höhe – existiert.

 

2.1 Verbundkrankenhaus im freien Fall?

 

Mit Blick auf das Jahr 2026 dürfte sich die finanzielle Situation am Westpfalz-Klinikum weiter verschlechtern. Aktuell geht man davon aus, dass die Finanzierungslücke in einem mittleren zweistelligen Millionenbetrag liegen könnte – wohl gemerkt unter Berücksichtigung von Personaleinsparungen und von Einzelmaßnahmen zur Umstrukturierung. Trotz dieser massiven Probleme sieht die Kommunalpolitik eine theoretisch mögliche Umwandlung des Betreibers, der kommunalen Westpfalz Klinikum GmbH in eine Anstalt des öffentlichen Rechts kritisch. Vor allem die FREIEN WÄHLER, allen voran Stadtratsmitglied Manfred Reeb, geht – entgegen der Auffassung der Landespartei – für den Fall einer Beteiligung des Landes von einer erheblichen Einschränkung der Handlungsspielräume durch das Land aus.

 

Eine Privatisierung oder Teilprivatisierung des kommunalen Klinikums und seiner Tochtergesellschaften steht derzeit nicht zur Debatte. Denn die Befürchtung, dass in einem solchen Fall Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden, sind nicht von der Hand zu weisen. Die ablehnende Haltung gegen eine Privatisierung hat in der Westpfalz Tradition. Schon früh hatte die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di quasi prophylaktisch Widerstand angekündigt und eine Unterschriftenaktion gestartet. Man wollte die bestehende Träger-Konstruktion auf jeden Fall erhalten. Eine Privatisierung wäre aus Sicht der Gewerkschaft ein Horrorszenario gewesen.

 

Tatsache ist aber auch, dass es für das Westpfalz-Klinikum eine Lösung geben muss, die alle Standorte langfristig sichert. Wie kritisch die Situation ist, offenbarte ein offener Brief der Freien Demokraten und der FREIEN WÄHLER im Stadtrat Kaiserslautern an Thorsten Hemmer, dem Geschäftsführer des Westpfalz-Klinikums, der auf den 10. August 2023 datiert. Darin wurde auf eine Zusammenkunft des Geschäftsführers, Vertretern der Unternehmensberatung FTI-Andersch AG und Mitgliedern des Kaiserslauterner Stadtrates verwiesen. Dabei wurden auch die geplanten Sanierungsarbeiten und der Finanzbedarf bis 2026 skizziert. Es wurde deutlich: Die Banken knüpfen eine mögliche Zusage, weiterhin Geld für das Klinikum bereitzustellen, an harte Bedingungen. Sie fordern, dass die Gesellschafter, also die Stadt Kaiserslautern (60 Prozent), der Landkreis Kusel (25 Prozent) und der Donnersbergkreis (15 Prozent) angesammelte Schulden von nunmehr insgesamt 61 Millionen Euro zu übernehmen.

 

Über die Frage, wie es nun weitergehen sollte, wollten die kommunalen Gremien nach der Sommerpause im September 2023 beraten.  Doch zeigte der offene Brief bereits, dass es vielleicht noch schlimmer kommen könnte, weil wohl doch noch nicht alle Karten offengelegt werden. „Obwohl Sie den Anwesenden absolute Transparenz zugesagt haben, wurden den Mitgliedern des Stadtrates weder die gezeigte Präsentation noch weitergehende Daten über die Lage des Klinikums und seiner Geschäftsbereiche zur Verfügung gestellt. Eine sachgerechte Bewertung der Situation ist für unsere Fraktionen auf dieser Basis nicht möglich“, monierten die Unterzeichnerinnen, die Fraktionsvorsitzende Brigitta Röthig-Wenz (FDP) und die damalige Fraktionssvorsitzende Gabriele Wollenweber (FREIE WÄHLER).

 

Klar war im August 2023 nur eins: Dass die Gesellschafter des kommunalen Klinikums die enorme Schuldenlast bestenfalls in Teilen übernehmen können. Es kommt also nicht von ungefähr, dass in dem offenen Brief unter anderem auch auf die prekäre Haushaltslage der Stadt Kaiserslautern hingewiesen wird. War die Stadt doch von der Kommunalaufsicht, der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD), wie alle anderen Kommunen in Rheinland-Pfalz auch, gezwungen worden, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Spielräume für finanzielle Experimente gibt es da nicht mehr – konkrete Unterstützungszusagen des Landes auch nicht.

 

Aus Sicht der FREIEN WÄHLER ist die Lage am Westpfalz-Klinikum ein weiteres Alarmzeichen für die Landesregierung, die sich, darauf weist die Landtagsfraktion immer wieder hin, nicht mehr pauschal aus der Verantwortung ziehen kann, weil weitere Überbrückungshilfen des Bundes über die bisherigen Zusagen hinaus nicht zu erwarten sind. Dabei ist das Westpfalz-Klinikum der wichtigste Grund- und Regelversorger für die gesamte Region, der nun wie viele andere Einrichtungen auch, unter den vor allem in der Bundes- und Landespolitik gemachten Fehler in seiner Existenz bedroht ist. Genau deshalb ist die Ursachensuche so wichtig. Und auf die begab sich die Rheinpfalz Ende August 2023 auf die Spurensuche. Allerdings wurden dabei die überregionalen Zusammenhänge und Hintergründe platzbedingt weitgehend ausgeblendet.

 

„Wie das Klinikum in die Schieflage geriet“ titelte die Kaiserslauterner Ausgabe am 21. August 2023. Autorin Simone Schmitt wies darin darauf hin, dass die Westpfalz-Kliniken bereits im April 2023 am Rande der Insolvenz standen. Nachdem die Trägerkommunen 22,5 Millionen Euro übernommen (siehe oben) hatten, stand bereits im Juli fest, dass für den Zeitraum bis Ende 2026 Verluste in Höhe von insgesamt 28 Millionen Euro erwartet werden. Insgesamt wurde die klaffende Lücke sogar auf insgesamt 60 Milliarden Euro geschätzt, weil allein 35 Millionen Euro für die Modernisierung der Infrastruktur benötigt wurden.

 

Im August 2023 hieß es offiziell, dass noch 38 Millionen Euro finanziert werden müssen. Aufsichtsratsvorsitzender Otto Ruby (CDU), zugleich Landrat in Kusel, geht davon aus, dass die Trägerkommunen weitere Verluste in Höhe von 6 Millionen Euro übernehmen und die Banken (vor dem Hintergrund zu erwartender Landeszuschüsse) den Investitionsanteil finanzieren. „Ob das wohl reicht?“, dürften sich Skeptiker gefragt haben. Dass in den vergangenen Wochen unterschiedliche Zahlen zur Lage des Klinikums genannt wurden, lag wohl auch daran, dass der Jahresabschluss 2022 immer noch nicht beschlossen war, weil die Unterschriften der externen Wirtschaftsprüfer noch fehlten.

 

Die bislang bekannten Informationen weisen darauf hin, dass 2022 noch ein leichter Überschuss erwirtschaftet werden konnte. Für 2023 wird sich das gravierend ändern: Wie alle anderen kommunalen Krankenhäuser in Rheinland-Pfalz ist auch das Westpfalz-Klinikum in die roten Zahlen geraten. Woran das liegt? Es werden dieselben Gründe genannt wie an vielen anderen Krankenhäusern auch – Einstellung der Corona-Hilfen, Kostenkrise und ein verschärfter Fachkräftemangel. Dazu kommt, dass weniger Patienten ins Krankenhaus gehen und mehr ambulant werden soll. „Und eine bundesweit als gescheitert geltende Krankenhausfinanzierung sowie eine aus Sicht der Krankenhausträger weiter zu geringe Unterstützung des Landes Rheinland-Pfalz: eine fatale Kombination“, ergänzte die Autorin.

 

Ein Blick in die Zahlen zeigte, dass das Westpfalz-Klinikum schon vor den Corona-Jahren finanzielle Probleme hatte. So weist das Geschäftsjahr Verluste in Höhe insgesamt von 3,6 Millionen Euro aus, ein Jahr später sollten die Verluste sogar auf 6,7 Millionen Euro steigen.  Dieser Negativtrend sollte durch Investitionen in modernere Geräte und die Gewinnung von zusätzlichen Privatpatienten aufgefangen werden. Als eine Ursache für die Schieflage wurde eine im Vergleich zu den Umsatzerlösen überproportional steigenden Personalkosten genannt.

Die Autorin rechnet vor, dass die Personalkosten 2018 bei 208 Millionen Euro gelegen hatten – und das bei einem Umsatz von „nur“ 260 Millionen Euro. Und: Es gab eine negative Umsatzrendite von 1,9 Prozent. Zum Vergleich: Ludwigshafen meldete ein Plus von 3,7 Prozent. Aber: Um sich selbst tragen zu können, haben Experten ein Plus von mindestens 4 Prozent berechnet. Die Probleme waren lange bekannt, bereits 2018 wurde der Masterplan „WKK 2025“ erarbeitet, dessen konsequente Realisierung allerdings durch die Sonderlage der Corona-Epidemie erheblich verzögert wurde.

 

Zur Wahrheit gehört auch, dass das Westpfalz-Klinikum kein „chronischer Patient“ ist. Hatte sich doch die Vergrößerung des Verbunds zunächst ausgezahlt. In den Jahren von 2006 bis einschließlich 2016 wurden Überschüsse erwirtschaftet, im Jahr 2010 schloss man sogar mit einem Plus 2,8 Millionen Euro ab. Dass es nun anders gekommen ist, dürfte zwar hauptsächlich an den veränderten Rahmenbedingungen liegen, doch lässt der Rheinpfalz-Beitrag von Simone Schmitt auch auf hausgemachte Probleme zu schließen. Dazu gehörten vorübergehend ein zu großes Konkurrenzdenken im eigenen Haus nach der Einstellung von zusätzlichen Ärzten und einer damit einhergehenden steigenden Unzufriedenheit der Mitarbeiter. Dazu kommt ein weiteres gravierendes Problem: „Gewinnbringer“ wurden nicht genügend ausgelastet, wobei die Autorin darauf hinweist, dass einige Betten in der Intensivstation stillgelegt wurden.

 

Wie es nun weitergeht? Aktuell arbeitet die Frankfurter Beraterfirma FTI Andersch an einem neuen Sanierungskonzept. Man darf gespannt sein, was die Umsetzung bringen wird.

 

2.2 Die Folgen des „Spargesetzes“: Alle müssen kämpfen

 

Trotz seiner Ausführlichkeit handelt die Rheinpfalz in ihrem August-Bericht über das Westpfalz-Klinikum aus Sicht von Kritikern das Hauptproblem – die aus der chronischen Unterfinanzierung resultierende strukturelle Krise des gesamten Gesundheitssystems – nur in einem Nebensatz ab. Manfred Reeb spricht von einer Darstellung von „Nebenkriegsschauplätzen“. Er führt die Schieflage vor allem darauf zurück, dass Bund und Land die höhere Patientengebrechlichkeit und damit einhergehende vermehrter Behandlungskomplexität in ihren Planungen nicht ausreichend berücksichtigen. Die Folge: In den vergangen zwei Jahrzehnten seien die Vergütungen deutlich langsamer gewachsen als der Anstieg von Sach-, Personal- und Baukosten. Das Problem treffe gleichermaßen alle Einrichtungen.

 

Die Besorgnis erregenden Entwicklungen hatten auch am 20. Juni 2023 zu einer Protestaktion von Repräsentanten deutscher Krankenhäuser vor dem Berliner Hauptbahnhof geführt. Auch die Katholische Nachrichtenagentur KNA hatte dazu unter Berufung auf die Deutsche Krankenhausgesellschaft alarmierende Zahlen geliefert. Demnach häufen die deutschen Krankenhäuser in jedem Monat 600 Millionen Euro an neuen Schulden an. DKG-Vorstandsvorsitzender Gerald Gaß hatte schon im Vorfeld der Aktion darauf hingewiesen, dass die deutschen Kliniken bis zum Jahresende 2023 einen Schuldenberg von rund 10 Milliarden Euro anhäufen würden, weil ein Vorschaltgesetzt zur Klinikreform fehle.

 

Manfred Reeb verwies in diesem Zusammenhang noch einmal auf das „Spargesetz“ vom 4. Oktober 2022, mit dem eine Wegnahme des Anstiegs des Basisfallwerts bei einer Verminderung der abgerechneten Fallpauschalen einhergehe. Das habe auch gravierende Folgen für den Ludwigshafener Maximalversorger mit seinen 3500 Beschäftigten und rund 1000 Betten, die auf den ersten Blick vermeintlich besser dastehen als das Westpfalz-Klinikum, so Reeb weiter. Der Mediziner rechnete vor, dass auch das Klinikum Ludwigshafen im laufenden Jahr mit einem Minus von rund 20 Millionen Euro rechnen müsse, obwohl es (noch) 25 Prozent kleiner sei als das Westpfalz-Klinikum. Ein weiterer Punkt: Auch in Ludwigshafen müssen immense Beträge in die Erneuerung der Infrastruktur investiert werden, nachdem dringende Sanierungsmaßnahmen über Jahre aufgeschoben worden waren.

 

Im Juni 2023 stand endlich nach insgesamt sechsjähriger Vorbereitung der achtgeschossige Neubau im Rohbau. Inzwischen stand fest, dass die Baukosten auf stolze 88 Millionen Euro gestiegen waren, von denen das Land Rheinland-Pfalz rund 60 Millionen Euro übernimmt. Zweck des Projektes ist die Verbesserung der interdisziplinären Zusammenarbeit durch neue Behandlungskonzepte. Auch soll der Neubau 240 Betten (davon 40 neue Intensivbetten) zusätzlich erhalten. Auch 24 Dialyseplätze sind geplant.

 

Die wenigen Rahmendaten zeigen: Am städtischen Klinikum werden Rahmenbedingungen für eine weitere Spezialisierung geschaffen, die auch eine Verbesserung der Einnahmesituation ermöglichen könnten. Dazu kommt, dass es in Ludwigshafen mit dem Krankenhaus Zum Guten Hirten sowie dem St. Marien- und St. Annastiftkrankenhaus33 zwei Einrichtungen gibt, die das Klinikum bei der defizitären Grund- und Regelversorgung entlasten können. Anders das Westpfalz-Klinikum: Es muss, so Manfred Reeb, alle Patienten aufnehmen und kann die Verantwortung nicht teilen.

 

Aus Sicht des Mediziners gibt es noch einen weiteren Vorteil für den Standort Ludwigshafen: Im Einzugsbereich des Klinikums leben mehr Patienten mit privater Vollversicherung oder Zusatzversicherung. Diese können die defizitären Erstattungen der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) quasi quersubventionieren.

 

Eines haben die Standorte Ludwigshafen und Westpfalz gemeinsam: Die Trägerkommunen stehen finanziell so schlecht da, dass sie die Defizite der Kliniken nicht ausgleichen können. „Wenn die Politik so weitermacht, ist das Eigenkapital auch beim Klinikum Ludwigshafen schnell aufgebraucht“, lautet das bittere Fazit von Manfred Reeb. Er verweist in diesem Zusammenhang auf die Perspektive einer weiteren Verschlechterung der Versorgungsqualität, einerseits wegen des politisch gewollten weiteren Kapazitätsabbaus, andererseits wegen der Tatsache, dass sich die geburtenstarken Jahrgänge kurz- und mittelfristig in den Ruhestand verabschieden werden. Dies alles wirke als Brandbeschleuniger, was die Gesundheitspersonalgewinnung und die Motivation zum Verbleib im Beruf weiter schwächen werde, so Reeb weiter.

 

Reeb prognostizierte mit Blick auf den Winter 2023/24 weitere gravierende Engpässe. Der Mediziner nennt exemplarisch die Pädiatrischen Intensivmedizin, in der die Lage schon jetzt sehr angespannt ist. Für die kalte Jahreszeit rechnete er mit drastischen Überlastungssituationen, auch deshalb, weil sinnvolle politische Maßnahmen nicht erkennbar seien. Im ersten Halbjahr 2023 habe es in diesem Bereich nur eine Reserve von 7 Prozent gegeben, was für die Bewältigung einer heftigeren Infektions- oder sonstige Erkrankungswelle völlig unzureichend sei.

 

Ungeachtet der öffentlich bekannten Schwierigkeiten und der damit einhergehenden kontroversen Diskussionen gibt es in vielen Einrichtungen offenbar auch intern Probleme bei der Aufrechterhaltung der Behandlungsqualität. In einem an die FREIE WÄHLER-Landtagsfraktion schriftlich kommunizierten Fall wird sogar der Rechtsweg beschritten. Der Vorwurf: Ein Patient sei infolge von Behandlungsfehlern gestorben, weil ein Mediziner im Einsatz gewesen sei, der für seine Aufgabe nicht qualifiziert gewesen war. Was an diesem Vorwurf dran ist, muss jetzt das zuständige Gericht klären. Doch es steht bereits ein Verdacht im Raum: Dass aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage der Kliniken aus Kostengründen womöglich unterdurchschnittlich qualifiziertes Personal eingesetzt wird.

 

2.3 Die Situation im ersten Halbjahr 2024

 

Da das Westpfalz-Klinikum, das ähnlich strukturiert ist wie das Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein, den Status eines Maximalversorgers hat, ist sein Bestand nicht gefährdet. Das heißt aber nicht automatisch, dass auf lange Sicht alle Standorte gehalten werden können. Klar ist, dass die Trägerkommunen im Rahmen der Umsetzung des „Zukunftsplans“ gewaltige finanzielle Opfer bringen müssen. Die „Rheinpfalz“34 nannte Ende 2023 eine Summe von insgesamt rund 38 Millionen Euro, die bis Ende 2026 von den Trägergemeinden finanziert werden müssen. In diesem Betrag sind die Investitionen nicht enthalten. Klar war auch, dass die Restrukturierungen ohne personellen Aderlass nicht funktionieren würde. Vorerst sollten „nur“ 45, dann 70 von 4300 Stellen, die im Zuge von Fluktuation und Ruhestandsregelungen wegfallen, nicht mehr neu besetzt werden.

 

Rechnet man die erforderlichen Investitionen in die Infrastruktur dazu, müssen bis Ende 2026 sogar 63 Millionen Euro aufgebracht werden, wobei im Rahmen der gesetzlichen Zuständigkeit massive Förderungen durch das Land im Raum stehen.

 

Allein für den Umbau und die Neustrukturierung des Gebäudes 8 mit seinen neun Ebenen wurden insgesamt 27 Millionen Euro eingeplant. In dieser Summe sind Fördermittel in Höhe von insgesamt 18,7 Millionen Euro enthalten.

 

Die Baumaßnahmen waren bereits 2020 begonnen worden, im Januar 2024 konnte die neue Geburtshilfestation auf Ebene 2, die mit der Kinderklinik verbunden ist, der Öffentlichkeit präsentiert werden. Nach und nach konnten weitere Stationen ihren Betrieb aufnehmen. Laut Zeitplan sollte dann die Aufnahmestation auf Ebene 1 im Sommer 2024 eröffnet werden. Deutliche Verbesserungen sollte es auch für die Bereiche Allgemein-, Viszeral-, Kinder- und Transplantationschirurgie, Innere Medizin, Neurologie, Pneumologie sowie Unfallchirurgie und Orthopädie geben. Von diesen Kliniken wurden Teilbereiche mit jeweils 20 Betten in dem umstrukturierten Gebäude untergebracht.

 

Auch bei der Unterbringung von Patienten gab es Verbesserungen: Aus Dreibettzimmern wurden Zweibettzimmer, sogar mit eigenen Bädern. Darüber hinaus sollen bei der Versorgung älterer Patienten neue Maßstäbe gesetzt werden – und zwar in der internistischen und neurologischen Geriatrie, die im Zentrum für Geriatrie gebündelt werden. Dieses ist standortübergreifend in Kaiserslautern und Rockenhausen angesiedelt.

 

Mit der Ertüchtigung des Gebäudes 8 allein ist es nicht getan. Aktuell stehen am Standort Kaiserslautern auch die anderen Gebäude auf dem Prüfstand. Angedacht ist sogar, einzelne Häuser abzureißen und durch Neubauten zu ersetzen. Auch am Standort Kusel, der entgegen anders lautender Gerüchte nicht geschlossen wird, soll es auf lange Sicht Neubaumaßnahmen geben, aktuell wird eine Raum- und Funktionsplanung vorbereitet.

 

3. Westerwald-Klinik Müschenbach –

ein Leuchtturmprojekt?

 

3.1.  Eine Insolvenz und die möglichen Folgen

           

In Müschenbach-Ost sollte eigentlich das neue DRK-Klinikum Westerwald gebaut werden. An diesem Standort wollte man die DRK-Krankenhäuser in Altenkirchen und Hachenburg zusammenfassen. Die bisherigen beiden Krankenhäuser sollten aufgegeben werden, wobei die Kinder- und Jugendpsychiatrie am Standort Hachenburg verbleiben sollten. Trotz der Insolvenz (in Eigenverwaltung) des Trägers, der „DRK Gemeinnützige Krankenhausgesellschaft mbH Rheinland-Pfalz“, die insgesamt fünf Akutkrankenhäuser mit insgesamt 2500 Arbeitslätzen betreibt, Anfang August 2023 hielt die Landesregierung an den Neubauplänen fest. Das ließ sich aus einer Pressemitteilung der SPD-Landtagsfraktion entnehmen, die auf den 9. August 2023 datiert ist. Zwei Monate später stellte sich die Gesamtsituation jedoch ganz anders aus. Das Neubauprojekt stand offen in der Kritik, wird aber seitens der Landesregierung als Teil eines mehrstufigen Umstrukturierungskonzeptes gesehen, was zuletzt in der Sitzung des Gesundheitsausschusses am 29. November 2023 deutlich wurde.

 

Die vermeintlich Schuldigen für die Schieflage des Tochterunternehmens der DRK-Trägergesellschaft Süd-West38 waren schnell gefunden: die CDU-Gesundheitsminister der früheren Bundesregierungen. Dr. Oliver Kusch, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, und Fraktionschefin Sabine Bätzing-Lichtenthäler verbanden deren Amtszeit mit Jahren des Stillstands und wiesen auf die kommende umfassende Krankenhausreform hin. Und: Rheinland-Pfalz habe sich schon lange intensiv eingesetzt, „um die strukturelle Unterfinanzierung zu beenden“.

 

Dass die strukturellen Mängel der Reform, wie schon ausgeführt, bereits im Juli 2023 bekannt waren, wurde nicht kommuniziert. Die Pressemitteilung schloss mit einem Bekenntnis zum Neubauprojekt und massiven Vorwürfen an die Opposition, die angeblich existierende Modelle ignoriere oder in Frage stellte, „anstatt mit dem DRK gemeinsam an einem Weg zu arbeiten.“ Aus Sicht der Opposition ist diese Aussage ein starkes Stück. Hatte doch der Gesundheitsminister am 14. Juli 2023 die Vorschläge der FREIE WÄHLER-Landtagsfraktion zur Bewältigung der „Betriebskostenkrise“ pauschal zurückgewiesen, die eben nicht allein durch zentralisierte Neubauprojekte und den damit womöglich verbundenen Kosteneinsparungen gelöst werden kann. Auch die SPD-Landtagsfraktion hatte keinerlei Bereitschaft zu einer Zusammenarbeit erkennen lassen. Dazu kommt, dass, wie bereits erwähnt, kein Geringerer als SPD-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach weitere Überbrückungshilfen abgelehnt hatte.

 

Kritik regte sich auch auf Verbandsebene. So meldete sich die Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz zu Wort. Geschäftsführer Andreas Wermter warf der Politik auf Bundes- und Landesebene sogar Tatenlosigkeit vor. Statt finanzielle Soforthilfen auf den Weg zu bringen, werde auf bevorstehende Krankenhausreform und deren möglichen Erfolg in einigen Jahren verwiesen. Wermter sprach von einem „kalten Strukturwandel“, der zum Verschwinden von Krankenhäusern führe, weil Überbrückungshilfen fehlen.

 

Die Politik habe den Ernst der Lage nicht erkannt und nehme „unkontrollierte Insolvenzen“ in Kauf, so ein Fazit des Geschäftsführers. Auch er nennt „die bundesweiten Herausforderungen für die reformbedürftige Gesundheits- und Pflegebranche sowie die Preissteigerungen für Strom und Energie“ als Hauptursachen der aktuellen Krise. Das deckt sich mit der Einschätzung der FREIE WÄHLER-Landtagsfraktion. Deren Gesundheitspolitischer Sprecher, Helge Schwab, hatte immer wieder auf die Zusammenhänge hingewiesen und die Landesregierung aufgefordert, Lösungen zu präsentieren.

 

Im Falle der DRK-Krankenhausgesellschaft hatte Gesundheitsminister Clemens Hoch die Entwicklungen bedauert und auf die dramatische Unterfinanzierung der laufenden Kosten durch Bund und Kostenträger hingewiesen. Mit Blick auf die finanzielle Notlage der Krankenhäuser unter dem Dach DRK-Träger ließ der Minister jedoch konkrete Hilfsangebote und verbindliche Aussagen vermissen, wie ein ausführlicher Bericht in der Rhein-Zeitung zeigt. Angesichts der aktuellen Faktenlage sprach der CDU-Bundestagsabgeordnete Erwin Rüddel sogar von einer „kalten Marktbereinigung“. „In den Krankenhäusern klafft eine große Finanzierungslücke, die nicht zuletzt daher rührt, dass Bundesländer ihrer Zahlungsverpflichtung nicht nachkommen“, betonte der Abgeordnete, der den Ampel-Regierungen in Berlin und Mainz vorwarf, sich nicht gegen die drohende Entwicklung zu wehren.

 

Wie es nun weitergeht? Grundsätzlich sollen die Standorte der insolventen Kliniken der Trägergesellschaft in Rheinland-Pfalz komplett erhalten werden – wobei noch nicht überall klar ist, in welcher Form. Dies berichtete der SWR am 17. August 2023 unter Hinweis auf ein Krisentreffen, an dem Repräsentanten der Landesregierung und des Deutschen Roten Kreuzes. Ergebnis: An allen Standorten sollte der Betrieb bis auf Weiteres wie gewohnt weiterlaufen. Allerdings hatte Gesundheitsminister Clemens Hoch darauf hingewiesen, dass allein an den Standorten der DRK-Trägergesellschaft Süd-West GmbH insgesamt 20 Millionen Euro eingespart werden müssten. Und: Ottmar Schmidt, Geschäftsführer der Trägergesellschaft betonte, es müsse geprüft werden, wie mit den gesunkenen Patientenzahlen und gestiegenen Kosten umzugehen sei.

 

Manuel Gonzales, DRK-Landesvorsitzender und Aufsichtsratsvorsitzender der DRK-Trägergesellschaft Süd-West als „Konzernmutter“ des insolventen Unternehmens mit fünf Akutkrankenhäusern, und Christian Eckert, Geschäftsführer des Krankenhausberatungsunternehmens WMC Healthcare, nannten Anfang September 2023 in einem Interview mit der Rhein-Zeitung weitere Zahlen. Demnach hatte die DRK-Trägergesellschaft Süd-West“ das Geschäftsjahr 2022 mit einem Defizit zwischen 7 und 7,5 Millionen Euro abgeschlossen.

 

Laut Rhein-Zeitung hatte sich die Insolvenzgefahr bereits Ende 2022 abgezeichnet. Dazu kam ein weiteres Problem: Die erheblichen Verzögerungen bei Zahlungen durch die Krankenkassen. Demnach gab es für die elf DRK-Kliniken in Rheinland-Pfalz und im Saarland noch Ausstände in Höhe von 30 Millionen Euro – wohl gemerkt für die Jahre 2020 und 2021. Hintergrund ist vor allem, dass die Krankenhäuser bei den Pflegebudgets mit Unterstützung des DRK in Vorleistung getreten waren. Das ist auf eine an für sich gute neue Regelung zurückzuführen: 2020 wurden die Pflegepersonalkosten der Krankenhäuser aus den Fallpauschalen ausgegliedert und parallel zu den Fallpauschalen über ein krankenhausindividuelles Pflegebudget finanziert. Auch bei der Auszahlung der vom Bund in Aussicht gestellten Zuschüsse zum Abfangen der Energiekostensteigerungen lief nicht alles rund. Die im Falle der DRK-Häuser zugesagten Mittel in Höhe von 5 Millionen Euro ließen lange auf sich warten. „Unter dem Strich kommen fast Millionen Euro an ausstehenden Zahlungen von Kassen und Bund zusammen“, bilanzierte Manuel Gonzales.

 

3.2. Vom kommunalen Krankenhaus zum Klinikum

 

Wie so oft gibt es im Falle der beiden DRK-Krankenhäuser in Altenkirchen und Hachenburg eine lange Vorgeschichte, die besonders auch von finanziellen Schwierigkeiten der ursprünglich kreiseigenen Kliniken geprägt wurde. Die Entwicklungen führten schließlich zu einem Trägerwechsel. So wurde das am 21. April 1969 eröffnete Lukas-Krankenhaus in Altenkirchen zum Stichtag 1. Januar 2004 vom DRK übernommen. Dem Wechsel vorausgegangen war ein Beschluss des Kreistages des damaligen Landkreises Altenkirchen, wegen der Finanzlage die Kreiskrankenhäuser im Rahmen eines Bieterwettbewerbs (auf einen solchen wurde später im Falle des Gemeinschaftsklinikums Mittelrhein verzichtet) zu veräußern.

 

Ergebnis: Das Lukas-Krankenhaus, das 1945 gegründete DRK-Krankenhaus in Hachenburg und das seit 1885 bestehende Elisabeth-Krankenhaus in Kirchen45 wurden zum neuen DRK-Klinikum Westerwald zusammengeführt. Dieser Verbund wurde jedoch auf Initiative des Landes zum Stichtag 1. Januar 2010 aufgelöst. Seitdem gibt es das selbstständige DRK-Krankenhaus Kirchen und das Verbundkrankenhaus Altenkirchen-Hachenburg.

 

In einer schriftlichen Berichterstattung an den Gesundheitsausschuss und seinen Vorsitzenden Josef Winkler (Grüne) nannte Minister Clemens Hoch Anfang Juli 2021 eine Zielgröße der neuen Einrichtung von 262 Betten. „Nach der Errichtung des geplanten zentralen Krankenhausneubaus sollen die voll- und teilstationären Kapazitäten mit Ausnahme der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Standort konzentriert werden. Die vollstationären Betten sowie die Tagesklinik der Fachrichtung Kinder- und Jugendpsychiatrie verbleiben am Standort Altenkirchen.“ Ferner wies das Ministerium darauf hin, das bereits im Juli 2020 eine Absichtserklärung mit der DRK Krankenhaus GmbH geschlossen worden war. „Ziel ist eine Förderung größtenteils aus dem Krankenhausstrukturfonds. Eine Förderung von 90 Prozent der förderfähigen Kosten wird angestrebt.“

 

Der nächste Schritt war die Entwicklung eines „idealisierten“ Raum- und Funktionsprogramms, das bereits am 15. Juni 2021 durchgesprochen werden konnte. Eine Machbarkeitsstudie sollte folgen.

 

Der Erwerb eines rund 7 Hektar großen Areals für den Neubau ist bereits abgeschlossen, doch werden die Bauarbeiten wohl frühestens 2025 beginnen können. Die in unmittelbarer Nähe der Bundesstraße 414 gelegene neue Einrichtung soll auch ein Modell für andere Betreiber sein, die – ganz im Sinne der Krankenhausreform – mehrere Häuser an einem neuen zentralen Standort konzentrieren wollen. Hintergrund für diese Lösung sind nicht nur infrastruktureller Natur. Argumentiert wird auch mit einer besseren Bewältigung des drohenden Fachkräftemangels.

 

Beim Ortstermin auf dem Baugrundstück im November 2022 wiesen die Vertreter von DRK und der Landesregierung unter anderem darauf hin, dass sich innerhalb der kommenden zehn Jahre an den Standorten Altenkirchen und Hachenburg die Hälfte der Mitarbeiter in den Ruhestand verabschieden werden. „Der Standort Müschenbach ist ein zukunftsfähiger und gut erreichbarer Standort für den Krankenhausneubau und für die Menschen in der Region, auch mit Blick auf die Gewinnung und Bindung von Fachpersonal“, betonte Udo Langenbacher, Geschäftsführer der DRK-Trägergesellschaft Süd-West damals.

 

Man ging inzwischen davon aus, dass das Klinikgebäude 1069 Räume und 256 Patientenbetten (sechs weniger als ursprünglich angedacht) haben würde. Die Entscheider sprachen von einem „Leuchtturmprojekt“, auch deshalb, weil der Neubau ohne fossile Brennstoffe auskommen sollte. Wie viel das Ganze am im Detail kosten würde, stand damals noch nicht fest. Allerdings stand schon damals eine Gesamtsumme von mindestens 120 Millionen Euro im Raum.50 Angesichts der Kostenentwicklungen der vergangenen Monate dürfte diese Schätzung jedoch nicht mehr aktuell sein.

 

Der Widerspruch zu der überaus positiven Darstellung sollte nicht lange auf sich warten lassen. Schon drei Tage später meldeten sich die CDU-Politiker Erwin Rüddel (MdB) und Dr. Matthias Reuber (MdL) mit einer Pressemitteilung zu Wort. Darin bezweifelten sie unter anderem, ob ein Klinikstandort mit 256 Patientenbetten überhaupt wirtschaftlich betrieben werden kann. Sie betonten, dass eine neue Klinik nur dann Bestand haben könne, wenn diese Kapazitäten von mindestens 400 Betten aufweise. Zum Vergleich: Das Krankenhaus Altenkirchen war mit 175 Betten ausgestattet, am Standort Hachenburg standen weitere 179 Betten zur Verfügung. 

 

Aus Sicht der beiden Politiker „wäre ein größeres Projekt nötig gewesen, das unter Einbeziehung weiterer Standorte der Region als ein neues Westerwald-Klinikum auch eine tragfähige Zukunft hätte haben können.“ Allerdings wiesen die beiden Abgeordneten auch darauf hin, dass eine solche Lösung den Bestand anderer Häuser in der Region gefährden könne. Auch sei es überfällig, Kooperationen mit den Trägern der anderen Einrichtungen zu vereinbaren. Sie schlugen deshalb vor, „kleinere Krankenhäuser unter Nutzung der vorhandenen Infrastruktur zu multifunktionalen Versorgungszentren weiterzuentwickeln, damit der Standort, die Versorgung und die Arbeitsplätze in der Region erhalten bleiben.“ Beide verwiesen in diesem Zusammenhang auf die positive Entwicklung am Gemeinschaftskrankenhaus Dierdorf-Selters.

 

Die Landesregierung teilt die Bedenken nicht. Sie sieht offenbar keinen Anlass, die Bettenzahl zu erhöhen und verweist wie folgt auf die Erfahrungen aus der Corona-Pandemie: „Die Bettenkapazität der rheinland-pfälzischen Krankenhäuser hat sich während der Corona-Pandemie stets als ausreichend und angemessen erwiesen. Es wird daher keine Notwendigkeit erkannt, die Zielplanung in Müschenbach zu verändern.“

 

erner wies das Ministerium darauf hin, dass die vorgesehene Konzentration des medizinischen Leistungsangebotes am neuen Krankenhausstandard auf das DRK-Krankenhaus beschränkt sei. Anlass für neue Überlegungen in der Krankenhausplanung hinsichtlich der umliegenden Krankenhäuser in Asbach, Dierdorf/Selters und Koblenz-Montabaur würden derzeit nicht gesehen.

 

Dennoch verstummte die Kritik nicht. Ganz im Gegenteil: Die Skepsis blieb nicht nur in den Reihen der CDU. So schlug Fred Jüngerich53, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Altenkirchen/Flammersfeld vor, die beiden bestehenden Krankenhäuser zu erhalten und das Geld dort zu investieren. Sein Argument: Eine Zentralisierung in einem Neubau mit rund 260 Betten verbessert die Versorgung nicht automatisch. Auch zweifelte er daran, ob ein wirtschaftlicher Betrieb der neuen Einrichtung überhaupt möglich ist. Außerdem würden die finanziellen Belastungen nicht nur für das Land, sondern auch die Betreibergesellschaft erheblich sein.

 

Ein weiterer Punkt: In die beiden bestehenden Einrichtungen wurde bereits kräftig investiert. So wurden am Standort Hachenburg seit 2005 verschiedene Projekte mit einem Gesamtvolumen von rund 5 Millionen Euro realisiert, wobei der Anteil des Landes bei rund 1,375 Millionen Euro lag. Noch mehr Geld wurde in Altenkirchen ausgegeben: Für das Projekt Bettenhaussanierung, eine Indoor-Halle und eine inklusive Tagesklinik sowie für die stationäre Versorgung der Kinder- und Jugendpsychiatrie wurden rund 12 Millionen Euro ausgegeben, wobei der Anteil des Landes bei 10,3 Millionen Euro lag.

 

3.3 Eröffnet Insolvenz in Eigenverwaltung Perspektiven?

 

Grundsätzlich kann eine Insolvenz in Eigenverwaltung sehr wohl den Weg zu einer gesicherten Zukunft ebnen. Das hat 2019 der Fall der Katharina-Kasper-Visalius-Gesellschaft mit Sitz in Dernbach bewiesen, an denen die Westerwälder Zeitung jüngst erinnerte. Auch dieser Fall hatte in den Medien hohe Wellen geschlagen. Ging es doch um eine Trägerin von ambulanten Pflegediensten, stationären Seniorenheimen, von Krankenhäusern, Medizinischen Versorgungszentren sowie Ausbildungsstäten für Gesundheits- und Krankenpflege in Rheinland-Pfalz, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Im Blickpunkt stand also eine Gesellschaft, die einen wichtigen Beitrag zur Sicherstellung der Daseinsvorsorge in mehreren Regionen leistet. Allein im Westerwaldkreis waren das Herz-Jesu-Krankenhaus in Dernbach und die Seniorenzentren St. Josef und St. Agnes in Dernbach sowie St. Franziskus in Selters betroffen.

 

Die Ursachen für die finanzielle Schieflage waren jedoch nicht im Westerwald zu suchen, sondern vor allem am St. Elisabethen-Krankenhaus in Frankfurt und das Klinikum Mittelmosel in Zell. Ein weiterer Grund war die Eröffnung zwei neuer Seniorenzentrum, die mit hohen Anlaufkosten verbunden waren. Mithilfe der katholischen Alexianer-Gruppe56, die im Mai 2019 mit einem Anteil von 10 Prozent einstieg und ein Darlehen in Millionenhöhe gewährte sowie eines Sanierungs- und Sozialplans gelang schließlich ein Neuanfang, wobei das Leistungsportfolio nicht beschnitten wurde.

 

Dagegen wurden alle Prozesse auf den Prüfstand gestellt, was auch eine Straffung der Personaldecke zur Folge hatte. Bereits am 29. Juli 2019 stellte das Amtsgericht Montabaur das Insolvenzverfahren ein, wobei sich im Sommer 2024 zeigen sollte, dass zumindest an der Mittelmosel die Probleme nicht auf lange Sicht gelöst werden konnten. Auch hier sollten die bundespolitischen Entwicklungen eine Rolle spielen.

 

Der schnell eingeleitete Neustrukturierungsprozess hatte auch für die Standorte im Westerwald Folgen: Es gab einen vorübergehenden Einstellungsstopp, 25 Mitarbeiter landeten vorübergehend in einer Auffanggesellschaft. Inzwischen hat sich das Dernbacher Haus neu aufgestellt und sogar entlassene Mitarbeiter erneut eingestellt. Den Schlüssel sieht die Trägergesellschaft in einer „breit diversifizierten Patientenversorgung mit einer verzahnten MVZ-Struktur“. Außerdem verweist sie auf eine Kardiologie mit gutem Ruf und eine herausragend aufgestellte Geburtshilfe. Das Ergebniskonnte sich sehen lassen. So wurden 2022 schwarze Zahlen erwirtschaftet.

 

Dennoch bleibt die Frage, wie sich Krankenhaus und Trägergesellschaft angesichts steigender Kosten entwickeln werden. Dass trotz erfolgreicher Restrukturierung die finanzielle Ausstattung weiter eng bleiben wird, zeigte sich bereits Anfang September 2023: In einem offenen Brief sprach die Leitung des Herz-Jesu-Krankenhauses in Dernbach von einer prekären finanziellen Lage. Gefordert wurden unter anderem eine auskömmliche Finanzierung der tatsächlichen Betriebskosten sowie eine bessere Zusammenarbeit von ambulantem und stationären Sektor.

 

Das Beispiel der Katharina-Kasper-Visalius-Gesellschaft könnte also auch Positivbeispiel und Ansporn für die DRK-Krankenhäuser sein. Vor dem Hintergrund der vor allem am Standort Hachenburg in jüngerer Vergangenheit getätigten millionenschweren Investitionen ist es womöglich sinnvoller, auf die Ein-Standort-Lösung in Müschenbach zu verzichten. Es könnte vielleicht sinnvoller sein, die bisherigen Einrichtungen in Altenkirchen und Hachenburg zu erhalten und weiterzubetreiben, zumal derzeit zur Bewältigung außerplanmäßiger Situationen insgesamt etwa 90 Betten mehr zur Verfügung stünden als in den Planungen für den neuen, zentralen Standort vorgesehen. Die Insolvenz der Trägergesellschaft dürfte folglich die Diskussionen um die rund 200 Millionen Euro schwere Baumaßnahme verschärfen, zumal Kritiker nach der Verschmelzung am neuen Standort keine Verbesserung der Versorgung in der Fläche erwarten.

 

Nach der Anmeldung einer Insolvenz der DRK-Trägergesellschaft in Eigenverantwortung könnte sich in der Tat ein Umdenken andeuten. So betonte der Altenkirchener Landrat Peter Enders, dass es kein stures Festhalten am Klinikneubau in Müschenbach geben dürfe. Er wies darauf hin, dass das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung im Falle des Krankenhauses in Dernbach gezeigt habe, dass in einer solchen Situation vernünftige Lösungen für alle Beteiligten möglich seien.

 

Einig dürften sich alle Akteure darin sein, dass eine Baumaßnahme allein keine Lösung der Probleme sein kann, zumal die Engpässe bei der Bewältigung der laufenden Kosten angesichts der Inflationsentwicklung bestehen bleiben dürften – was weitere Insolvenzen an anderen Einrichtungen nach sich ziehen könnte. Dazu passt auch die Aussage von Eberhard Bruch. Der Betriebsratsvorsitzende des Krankenhauses Kirchen betonte gegenüber der Rhein-Zeitung: „Vielen, die noch einen Schritt hinter uns sind, blüht das gleiche Schicksal.“ Mit Blick auf die DRK-Krankenhäuser in der Westerwaldregion verwies er auf die Betriebsversammlungen, in denen die Belegschaften über die aktuelle Situation informiert worden waren. Sein Fazit: „Es hat keinen so richtig überrascht.“60

 

Wie andernorts auch wird es jetzt darum gehen, die Krankenhäuser DRK-Trägergesellschaft für die Zukunft aufzustellen und entsprechende Umstrukturierungen einzuleiten – dies wohlgemerkt bei laufendem Versorgungsbetrieb. Die Ursachenforschung im Detail sollte bereits im September beginnen, wobei ein Beratungsunternehmen mit ins Boot genommen wurde.

 

Eines stand bereits kurz nach dem Bekanntwerden der Insolvenz fest: Eine Sanierung ist kaum gegen die Belegschaft zu machen. Ganz im Gegenteil. Nicht nur aus Sicht der Betriebsräte muss verhindert werden, dass Mitarbeiter kündigen. In diesem Fall würden wichtige Fachkräfte fehlen, was die Zukunftsperspektive der Einrichtungen trüben und womöglich ihren Bestand gefährden könnte. Klar ist bislang nur eines: Dass die DRK-Kliniken nicht „rückabgewickelt“ und zum Beispiel die in Altenkirchen und Hachenburg nicht einfach an die ursprünglich kommunalen Träger zurückgegeben werden können.

 

Welche Konsequenzen zieht das Gesundheitsministerium aus der unangenehmen Überraschung der Insolvenz in Eigenverantwortung? Verbindliche Zusagen aus Mainz gab es noch nicht. Allerdings lud Minister Clemens Hoch die Repräsentanten der DRK-Krankenhausgesellschaft, der betroffenen Kommunen, des Deutschen Roten Kreuzes, des Gesamtbetriebsrates und der Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz für den 16. August zu einem „Runden Tisch“ ein. „Der Landesregierung ist es wichtig, in einem transparenten Prozess gemeinsam mit allen Beteiligten Lösungswege und Zukunftsperspektiven zu erarbeiten, um die Kliniken wirtschaftlich wieder standfest zu machen und auch schon gemeinsam erste Schritte im Hinblick auf die zukünftige Krankenhausreform des Bundes zu gehen. Die Sicherung und Gewährleistung der ambulanten und stationären Versorgung hat oberste Priorität“, teilte das Ministerium am 11. August mit.

 

Zweifel an den bisherigen Zentralisierungsplänen für Altenkirchen und Hachenburg hatte das Land offenbar nicht. Und auch seitens des DRK gab es offenbar keine Zweifel am Bauvorhaben in Müschenbach. Aus Sicht von Rainer Kaul, der von 1993 bis 2017 Landrat des Kreises Neuwied war und heute Präsident des DRK-Landesverbandes Rheinland-Pfalz ist, biete das Projekt eine Chance für eine Modernisierung der DRK-Kliniken und deren Abläufe.

 

Helge Schwab zeigte sich von den Ergebnissen des ersten „Runden Tisches“ alles andere als angetan. „Der Gesundheitsminister will moderieren, aber Aussagen über konkrete Hilfen des Landes für existenzbedrohte Krankenhäuser vermeiden“, kommentierte der Gesundheitspolitische Sprecher der FREIE WÄHLER-Landtagsfraktion die Gesprächsrunde. Dabei wurde aber immerhin der Eindruck vermittelt, dass die Chancen für den Erhalt der DRK-Krankenhäuser in Altenkirchen, Alzey, Hachenburg, Kirchen (Sieg) und Neuwied aktuell gutstehen.

 

Dennoch kritisierte Schwab erneut die Haltung von Minister Hoch. Nach dessen Einschätzung könne es kein dauerhaftes Einspringen des Landes zur Sicherung der Betriebskosten von Kliniken geben. Der Gesundheitspolitische Sprecher denkt in diesem Zusammenhang nämlich an eine Beteiligung des Landes an insolvenzbedrohten Kliniken auf Zeit, um diese wenigstens in einer Übergangsphase zu stabilisieren. Ein solches Vorgehen wäre aus seiner Sicht mit der aktuellen Rechtslage konform.

 

„Das Land hat Rücklagen. Und die können zumindest vorübergehend eingesetzt werden, um die Gesundheits-Infrastruktur abzusichern“, erklärt Helge Schwab. Er geht aktuell davon aus, dass die Probleme der DRK-Gesellschaft nur ein weiteres Symptom für die Fehler im System sind. Der Landtagsabgeordnete sieht für die kommenden Monate die Gefahr weiterer Klinikinsolvenzen. Die Ursachen liegen aus seiner Sicht nicht an den Krankenhäusern selbst, sondern an der chronischen Unterfinanzierung.

 

Helge Schwab teilte auch die Einschätzung von Rainer Kaul. Der Präsident des DRK-Landesverbandes Rheinland-Pfalz hatte nach dem Treffen in Mainz darauf hingewiesen, dass die Kliniken unter stark gestiegenen Energie- und Sachkosten sowie den jüngsten Tarifabschlüssen verbundenen Kosten leiden. Er hatte dabei auch betont, dass seit der Corona-Krise weniger Menschen in die Kliniken kämen und das Fallpauschalen-System im deutschen Gesundheitswesen nicht auskömmlich sei. Die Folge: Finanzielle Schieflagen in den Krankenhäusern in Millionenhöhe. So gebe es aktuell allein in den fünf betroffenen Krankenhäusern einen Konsolidierungsbedarf von insgesamt 20 Millionen Euro – und zwar pro Jahr.

 

Helge Schwab begrüßt die Aussage des Geschäftsführers der DRK-Trägergesellschaft Süd-West, Ottmar Schmidt, dass von einem Gesundschrumpfen keine Rede sein könne. Das bedeute, dass es für die Patienten und die insgesamt 4500 Beschäftigten weitergeht wie gewohnt. In diesem Zusammenhang kritisiert der Landtagsabgeordnete jedoch die Aussage von Minister Hoch, dass das Land zur Unterstützung Tranchen mit den vom Bund versprochenen Hilfen für den Ausgleich zügig an die Kliniken auszahlen werde. „Das ist doch das Mindeste, was man erwarten kann“, meinte Helge Schwab. Er begrüßt aber auch die Ankündigung des Ministers, die Landesverbände der Krankenkassen und Ersatzkassen sowie die Krankenhausgesellschaft zu Gesprächen einzuladen. Themen sollen die Auszahlung von ausstehenden Vergütungen sowie die Verhandlungen zu Pflegebudgets und Sicherstellungszuschlägen gehen. „Jetzt muss alles ganz schnell gehen. Eine ‚kalte Marktbereinigung‘ infolge von Verzögerungen ist nicht nur unsozial, sondern auch systemgefährdend“, so Schwabs Fazit nach der ersten Runde, der sich weitere Gespräche anschließen sollte.

 

3.4 Kahlschlag statt Aufbruch?

 

Obwohl allen Akteuren klar war, dass die Überwindung einer Insolvenz mit gravierenden Maßnahmen einhergehen muss, bestand trotz der schlechten Nachrichten vom August die Hoffnung, das zu erarbeitende Sanierungskonzept für die DRK-Kliniken werde den Erhalt aller Standorte beinhaltet. Mitte Oktober 2023 stand jedoch fest, dass die Einschnitte doch schwerwiegender sein würden, als ursprünglich befürchtet. So war privaten Posts in den sozialen Netzwerken zu entnehmen, dass unter dem Strich 150 Planstellen wegfallen würden. Betroffen seien rund 165 Mitarbeiter. Die Medienberichterstattung zeigte sehr schnell, dass diese Zahlen nicht aus der Luft gegriffen waren. So meldete die Rhein-Zeitung: Das DRK und Sanierer Christian Eckert vom Krankenhausunternehmen WMC Healthcare hätten ihre mit gravierenden Einschnitten verbundenen Pläne im Rahmen von mehreren Mitarbeiterversammlungen für die insgesamt rund 2700 Beschäftigten an den Standorten im Westerwald, in Neuwied und in Alzey vorgestellt. „Die Geburtshilfe in Hachenburg soll schließen, das Krankenhaus in Altenkirchen steht auf der Kippe“, fasst die RZ zusammen.

 

Das DRK plane, die Geburtshilfe und die gynäkologische Abteilung in Hachenburg in den kommenden Monaten zu schließen und in die Klinik in Kirchen zu verlagern, hieß es im RZ-Bericht weiter. Zuletzt waren dort nur noch 700 Kinder jährlich zur Welt gekommen, in Kirchen waren es bislang rund 1000. In Kirchen sollen nun Kapazitäten für 1350 bis 1500 Geburten pro Jahr ausgebaut werden. Allerdings solle den Beleghebammen am Standort Hachenburg angeboten werden, in der Stadt ein Geburtshaus einzurichten. Auch sei es ihnen künftig möglich, die Infrastruktur des örtlichen DRK-Krankenhauses zu nutzen. Die geplante Neustrukturierung dürfte jedoch nichts an der Tatsache ändern, dass sich die Situation für werdende Mütter im Westerwald mit der Schließung weiter verschlechtern wird. Für sie werden nur noch das DRK-Krankenhaus in und das Herz-Jesu-Krankenhaus in Dernbach zur Verfügung stehen. Man könnte das Ganze auch als Maßnahme zur Stärkung des Krankenhausstandortes Kirchen interpretieren, sollte sich aber sich keine Illusionen darüber machen, dass es auch hier Einschnitte geben wird. Für Wirbel sorgten die Überlegungen, die urologische Praxis in dem am Medizinischen Versorgungszentrum des Kirchener Krankenhauses. Anfang Mai 2024 sah es so aus, dass das Kreisklinikum Siegen-Wittgenstein, so die Rhein-Zeitung, ein ernsthafter Interessent für eine Übernahme der Arztsitze in Position bringe.

 

Der „Fall Hachenburg“ hat auch eine landespolitische Dimension. Nach einer Schließung von Geburtshilfe und gynäkologischer Abteilung wird die Zahl der rheinland-pfälzischen Geburtskliniken von 29 auf 28 sinken – und das sehr zeitnah: Die Umsetzung des Konzeptes soll nämlich bereits ab November 2023 erfolgen. Insgesamt betrachtete, wurde die Zahl der Geburtskliniken innerhalb von knapp 15 Jahren halbiert. 2009 gab es 52 solcher Einrichtungen, 1991 sogar 60. Als Grund für die Konzentration der Kapazitäten in Kirchen gibt die DRK-Trägergesellschaft weniger finanzielle, sondern vielmehr fachliche Motive an. Demnach könnten in der zu stärkenden pädiatrischen Abteilung in Kirchen künftig Frühgeborene und Risikogeburten erheblich besser versorgt werden, zumal sich der Standort Hachenburg wegen Personalmangels in jüngster Vergangenheit immer wieder hätte „abmelden“ müssen.

 

Noch gravierender könnten die möglichen Einschnitte für das bisherige Krankenhaus in Altenkirchen sein, das DRK-intern wegen geringer Fallzahlen als „Sorgenkind“ des Verbundkrankenhauses gilt. Angedacht ist unter anderem, die Klinik in ein regionales Gesundheitszentrum mit einer rund um die Uhr aktiven Notaufnahme umzuwandeln. Denkbar sei aber auch, Teile der chirurgischen und inneren Abteilung zu erhalten, so die RZ. In diesem Falle würde ein „abgespeckter Regelversorger“ entstehe, erklärte Manuel Gonzales, Aufsichtsratsvorsitzender der DRK-Trägergesellschaft Süd-West laut RZ-Bericht, dessen Autoren allerdings durchblicken lassen, dass die Umwandlung in ein Gesundheitszentrum favorisiert wird.

Man kann also davon ausgehen, dass im Krankenhaus Mittelzentrum Altenkirchen die Zahl der vollstationären Betten von 134 auf 10 reduziert wird. Die verbleibenden Kapazitäten sollen an die Notfallaufnahme angeschlossen werden. In der kleinen Notfallstation könnten leichtere Fälle für eine Nacht behandelt und beobachtet werden. Im Gegenzug zu diesen einschneidenden Maßnahmen soll die Kinder- und Jugendpsychiatrie am Standort Altenkirchen gestärkt werden. Hier will man die Bettenzahl von aktuell 36 auf 50 steigern. Der Sanierer sieht in diesem Ausbau eine Verbesserung der Erlössituationen um rund 1 Millionen Euro jährlich. Und was passiert in diesem Fall mit der inneren Abteilung und der Chirurgie? Angedacht ist, die chirurgische Abteilung in eine ambulante Chirurgie umzuwandeln, während die Kardiologie und die Gastroenterologie komplett an den Standort Hachenburg verlagert werden, der ohnehin schon jetzt die chefärztliche Betreuung in Altenkirchen übernimmt.

 

Fest steht dagegen bereits, dass das DRK allein bei den Sachkosten insgesamt rund 7 Millionen Euro jährlich einsparen will. Weitere 5 Millionen Euro sollen bei den Personalkosten gestrichen werden. Das bedeutet wie bereits oben ausgeführt, dass künftig rund 150 Vollzeitstellen wegfallen werden – über alle Standorte und Bereiche hinweg. Der Einspareffekt soll vor allem über Verrentungen und den Verzicht auf Verlängerungen von Zeitverträgen erzielt werden. Ob es zu Kündigungen kommen wird, stand Mitte Oktober 2023 noch nicht fest, der Betreiber verwies auf die laufenden Verhandlungen mit dem Gesamtbetriebsrat. Dennoch musste man bereits zu diesem Zeitpunkt damit rechnen, dass das entworfene Szenario eintreten würde. Die Gläubigerversammlung hatte dem Sanierungskonzept bereits zugestimmt. Und: Es wurde geprüft, ob der Einstieg eines externen Investors möglich ist. Letzteres ist allerdings im Falle einer Insolvenz in Eigenverwaltung immer verpflichtend.

 

Auch wenn man aus Sicht der FREIEN WÄHLER über die Umwandlung von kleinen Krankenhausstandorten in Ambulanzen oder Medizinische Versorgungszentren sprechen kann (sofern es nicht um rein betriebswirtschaftliche, sondern um schlüssige medizinische Argumente geht), zeigt die Praxis immer wieder, dass – anders als von Trägern und „Sanierern“ dargestellt, bei den Abläufen und in puncto Qualität in der medizinischen Versorgung kein Optimierungseffekt eintritt, sondern sehr oft genau das Gegenteil. Es kommt nicht von ungefähr, dass im Mittelzentrum Altenkirchen und in den Nachbargemeinden nicht nur betroffene Beschäftigte, sondern auch die Bürger gegen die gravierenden Einschnitte mobilmachen.

 

Exemplarisch sei ein Leserbrief von Hans-Jürgen Staats aus Hasselbach zitiert, der die allgemeine Gemütslage im Westerwald wie folgt widerspiegelt:

 

„Nun ist es also soweit, das Krankenhaus Altenkirchen wird geschlossen – und aller Wahrscheinlichkeit nach werden über Weihnachten 165 Bedienstete des Krankenhauses Altenkirchen ihr Kündigungsschreiben im Briefkasten vorfinden. Große Verlierer dieser Entscheidung sind neben den Beschäftigten die Patienten und Bürger aus dem Raum Altenkirchen, für die im Ergebnis eine bedenkliche Verschlechterung der Gesundheitsversorgung Realität wird, was auch lebensbedrohliche Folgen haben kann. Wenn man notfallmäßig ins 15 Kilometer entfernte Krankenhaus nach Hachenburg gebracht werden muss, wobei auch noch drei beschrankte Bahnübergänge zu passieren sind, ist durchaus die Gefahr relevant, dass man unter Umständen diesen Transport nicht überlebt. Außerdem ist es auch beängstigend, dass die Notarztversorgung für die Region Altenkirchen nicht zufriedenstellend geregelt zu sein scheint. Denn bis ein Notarzt von Hachenburg in Altenkirchen eintrifft, kann es für manch einen Patientenschon zu spät sein. Nun wird der Bevölkerung im Raum Altenkirchen als Beruhigungspille ein MVZ in Aussicht gestellt, wo auch ambulante Operationen möglich sein sollen. Dabei ist jede Arztpraxis in gewisser Weise ein MVZ. Somit wird die Region Altenkirchen im Hinblick auf die Gesundheitsversorgung tatsächlich zu einem weißen Fleck auf der Landkarte.

 

Oberste Aufgabe der Landes- und Kommunalpolitik müsste es nun eigentlich sein, diesen medizinischen Kahlschlag für den Raum Altenkirchen noch abzuwenden und mit einem entsprechenden Zukunftskonzept im Kontext der Gesundheitsreform des Bundes dafür zu sorgen, dass eine allumfassende Gesundheitsversorgung auch weiterhin gewährleistet werden kann. Die wahre Ursache für eine Insolvenz all der Krankenhäuser liegt doch bei der Gesundheitspolitik mit ihrer mangelhaften Krankenhausfinanzierung. Sollte ein Krankenhausneubau immer noch ein Thema sein, so kann der Standort für das neue Krankenhaus nur Giesenhausen sein. Denn Giesenhausen liegt etwa in der Mitte zwischen Altenkirchen und Hachenburg, was somit im Interesse der Gerechtigkeit nur als Krankenhausstandort infrage kommen kann und ist außer für Patienten aus den Regionen Altenkirchen und Hachenburg auch noch für Patienten aus den Räumen Hamm und Wissen problemlos zu erreichen. Giesenhausen wäre somit, der Logik entsprechend, vernünftigerweise der ideale Krankenhausstandort, wo alle betreffenden Regionen gleichberechtigt Berücksichtigung finden.“

 

Die Einschnitte für die Westerwald-Standorte werden also gravierend sein, über den Neubau eines zentralen Krankenhauses in Müschenbach wird derzeit nicht mehr gesprochen, zumal es aktuell weder eine detaillierte Planung noch ein Finanzierungskonzept gibt. Aktuell sieht es so aus, dass die finale Entscheidung über einen Neubau auf unbestimmte Zeit vertagt werden könnte. Näheres stand Ende Oktober 2023 noch nicht fest. Das war ein Anlass für Helge Schwab, Gesundheitspolitischer Sprecher der FREIE WÄHLER-Landtagsfraktion, am 25. Oktober mit einer Kleinen Anfrage bei der Landesregierung nachzubohren. Denn: Bis jetzt gibt es nur eine allgemeine Aussage des Gesundheitsministers, die über die Medien kommuniziert wurde.

 

„Die Situation ist für alle Beteiligten eine Herausforderung. Ziel muss es sein, die ambulante und stationäre Versorgung weiterhin auf hohem Niveau zu gewährleisten und die Arbeitsplätze in der Region Westerwald zu sichern. Das hat für mich weiterhin oberste Priorität“, betonte Clemens Hoch in der Rhein-Zeitung. Er ergänzte: „Die DRK gemeinnützige Krankenhausgesellschaft mbH Rheinland-Pfalz befindet sich an einem Punkt im Insolvenzverfahren, an dem zahlreiche interne Entscheidungen getroffen werden müssen. Wir als Ministerium stehen in einem engen Austausch mit den Verantwortlichen, sind aber bei der Entscheidungsfindung nicht eingebunden gewesen.“  Der Gesundheitsminister machte ferner deutlich, es sei sein besonderes Anliegen, dass auf die Kinder- und Jugendpsychiatrie am Standort Altenkirchen Augenmerk gerichtet werde und diese weiterhin leistungsfähig aus den Sanierungsmaßnahmen des DRK hervorgehe.

 

Deutlich weniger diplomatisch äußerte sich Fred Jüngerich (parteiunabhängig). Der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Flammersfeld kommentierte den Sanierungsplan so: „Kooperationen oder Zusammenlegungen, die Synergien für alle Beteiligten mit sich bringen, unterstütze ich ausdrücklich. Solche Synergien kann ich aber bei dem vorgelegten Sanierungsplan nur partiell erkennen.“

 

Unabhängig von diesen Stellungnahmen steht die Frage im Raum, warum das Mittelzentrum Altenkirchen mit seinen rund 6600 Einwohnern derart geschwächt werden soll. Krankenhäuser gehören nämlich ebenso wie weiterführende Schulen und Berufsschule oder kulturelle Angebote zu den Eckpfeilern eines wichtigen Zentrums für den ländlichen Raum, das weit über die Stadtgrenzen hinaus eine zentrale Bedeutung hat. Ist doch die Situation in Altenkirchen grundsätzlich anders als zum Beispiel im Mittelzentrum Mülheim-Kärlich. Hier bedarf es keiner Einrichtung der stationären medizinischen Versorgung, weil die Krankenhäuser im Oberzentrum Koblenz für die Mülheim-Kärlicher sehr schnell zu erreichen sind.

 

Das Beispiel Altenkirchen zeigt: Für den ländlichen Raum gibt es keine Standardlösungen. Eine Zusammenlegung von Krankenhausstandorten mit der Brechstange würde die Entfernungen für viele Westerwälder weiter vergrößern. Die Leidtragenden wären letzten Endes vor allem die Patienten. Das ist längst bei der Bevölkerung angekommen, die gegen die Schwächung der Krankenhausstandorte in Altenkirchen und Hachenburg mobilmachten. So sprachen sich in einer Unterschriftenaktion 20.000 Bürger gegen die geplante Schließung von Geburtsabteilung und Gynäkologie aus. Das Team der Geburtshilfe und Gynäkologie übergab die Listen am Dienstag, 14. November 2023, an Gesundheitsminister Clemens Hoch.

 

Auch die Altenkirchener stellten sich hinter „ihr“ Krankenhaus und dessen Mitarbeiter. Das bewiesen eine Online-Petition mit rund 8000 und ein Protestmarsch am Freitag, 27. Oktober 2023. Nicht nur Bedienstete und ihre Angehörigen, sondern auch viele Außenstehende nahmen an der vom Betriebsrat initiierten Aktion in der Altenkirchener Innenstadt teil, die vor dem Kreishaus endete. Die von der Altenkirchener Polizei gemeldeten Zahl von 700 Teilnehmern dürfte deutlich untertrieben gewesen sein, war der Eindruck des Autors dieser Zusammenstellung, der die Aktion am Ort beobachtet hat. An der „Endstation“ angekommen, mussten die Demonstranten gut 30 Minuten auf das Erscheinen des Landrates warten, der sich in einer Sitzung befand.

 

Als Dr. Peter Enders (CDU) dann doch noch zu den Teilnehmern sprach, waren seine Worte aus ihrer Sicht enttäuschend. Denn der Landrat, der als Anästhesist den Krankenhausbetrieb eigentlich bestens kennt, beschränkte sich auf allgemeine Aussagen und verwies drauf, dass letztendlich die Entscheidungen der Trägergesellschaft maßgeblich sei. Aber: Alles werde gewissenhaft geprüft. Seine Botschaft an die Mitarbeiter und ihre Angehörigen: Es ist alles sehr viel schwieriger, als es sich Außenstehende vorstellen könnten. Der Landrat konnte sich der Unterstützung der CDU-Kreistagsfraktion gewiss sein, die am 31. Oktober 2023 mit einem Positionspapier nachlegte. Die Kernaussage: Der Landkreis Altenkirchen kann das DRK-Krankenhaus Altenkirchen- Hachenburg weder wirtschaftlich unterstützen noch selbst verwalten. Aus Sicht der Fraktion scheidet damit die grundsätzlich mögliche Rekommunalisierung der Krankenhäuser aus.

 

Deutlich wurde der parteiunabhängige Bürgermeister der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld. Fred Jüngerich wiederholte während der Kundgebung seine bereits zuvor gegenüber den Medien geäußerten Einwände und kritisierte unter anderem, dass das Aus für den Krankenhausstandort Altenkirchen womöglich bewusst herbeigeführt wird. Er wies darauf hin, dass der Standort schon seit Jahren Schritt für Schritt zugunsten des DRK-Krankenhauses in Hachenburg geschwächt werde.

 

„Es kann nicht sein, dass aus Profitgier Standorte geschlossen und dann zusammengelegt werden, wenn am Ende die medizinische Versorgung und Qualität für die Patienten leiden. Für den Fall, dass es doch so weit kommt, muss gewährleistet sein, dass ausreichende und schnelle Rettungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, um den Patienten schnellstmöglich die optimale medizinische Versorgung zu gewährleisten“, kommentierte Helge Schwab die Pläne für Altenkirchen. Der Gesundheitspolitische Sprecher der FREIE WÄHLER-Landtagsfraktion ließ zudem in einer Pressemitteilung durchblicken, dass er die von den Verantwortlichen versprochenen Synergieeffekte nicht sieht.

 

Ein aktuelles Zwischenfazit: Wie die DRK-Krankenhäuser für die Zukunft aufgestellt werden, stand im Herbst 2023 noch nicht fest.  Und auch aktuell kann nichts ausgeschlossen werden. Auch ein Trägerwechsel wäre denkbar – vorausgesetzt es findet sich ein Investor, der einsteigen will. In diesem Sinne haben sich auch die beiden CDU-Landtagsabgeordneten Michael Wäschenbach und Dr. Matthias Reuber in einer gemeinsamen Pressemitteilung geäußert. Beide wiesen darin auf „handwerkliche Fehler“ im Sanierungskonzept und forderten eine erneute Bewertung der Situation. Aus ihrer Sicht sei ein Wechsel des Trägers und ein damit verbundener Neustadt in der Region sinnvoll.

 

Im November 2023 zeigte sich jedoch, dass die massiven Proteste nicht wirkungslos verpufft waren. „DRK-Sanierung: Blaupause für kleine Kliniken“ lautete der Titel eines langen Interviews der Rhein-Zeitung mit Clemens Hoch. Darin schlug der Gesundheitsminister ein Modellprojekt vor, in dessen Rahmen der Standort Altenkirchen in ein sogenanntes Level-1-Krankenhaus umgewandelt werden soll. Laut der neuen Klassifizierung der Lauterbach-Reform würde das frühere Kreiskrankenhaus zwar erhalten bleiben, aber zu einer Einrichtung rückgebaut werden, die stationäre Leistungen der Grundversorgung wohnortnah mit ambulanten fach- und hausärztlichen Leistungen verbinden sollen. Es gäbe bei einer Umsetzung einen entscheidenden Vorteil: Die Abteilungen für Chirurgie und Inneres könnten erhalten bleiben. Die RZ sprach von einer „Blaupause für viele der kleineren Kliniken in Rheinland-Pfalz.

 

Allerdings verwies der Minister darauf, dass die Standorte Altenkirchen und Hachenburg Teile eines Verbundkrankenhauses seien, dessen Träger allein die Entscheidung darüber treffen könne, welche Leistungen er künftig an welchem Standort anbieten werde. Und: Das Ministerium sei zu keiner Zeit in die Entscheidung des Trägers eingebunden gewesen. Clemens Hoch wies darauf hin, dass es noch keine verbindliche Kategorisierung der neuen Krankenhaus-Leistungsstrukturen gebe und dass die Trägergesellschaft bei der geplanten Sanierung auf Sicht fahre. Ein weiterer Punkt: Würde es zur Umwandlung in ein Level-1-Krankenhaus kommen, müsste die Trägergesellschaft ein Jahr improvisieren. Der Gesundheitsminister ließ durchblicken, dass das DRK eine solche Umwandlung nicht will. Das Interview zeigte auch, dass die Entwicklungen rund um den geplanten Neubau in Müschenbach weiterhin offen sind. „Ein Klinikneubau in Müschenbach nur für Altenkirche und Hachenburg alleine ist kein Automatismus mehr“, so Clemens Hoch wörtlich.

 

Und was sagt die Trägergesellschaft zu den jüngsten Entwicklungen? Manuel Gonzales zeigte sich offen, „Wir wollen den Menschen ein Versorgungsangebot machen, das ihnen nicht nur Sicherheit gewährt, sondern auch darüber hinaus geht“, wird der Aufsichtschef am 14. November 2023 in der Westerwälder Zeitung zitiert. Er sprach aber auch von einem „Aufpreis“, was heißt, dass es ohne zusätzliche Unterstützung aus öffentlichen Mitteln nicht funktionieren wird. Aktuell erscheinen deshalb am Standort Altenkirchen nur die Kinder- und Jugendpsychiatrie und Tagesklinik für Schmerzmedizin gesetzt. Aus Sicht des Betriebsrates dürfe keine Zeit mehr verloren gehen. Sonst bestünde die Gefahr, dass das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung scheitere und das gesamte Konstrukt der fünf Krankenhäuser abgewickelt werden müsse.

 

Seit dem 14. September ist vor und hinter den Kulissen Widersprüchliches zu vernehmen. Für viele kam der Vorstoß des Landtagspräsidenten Hendrik Hering (SPD) in seiner Eigenschaft als Abgeordneter des Wahlkreises 5 (Bad Marienberg/Westerburg) für die zügige Realisierung des Klinikums in Müschenbach angesichts der aktuelle finanziellen Realitäten völlig überraschend. „Wir sollten unmittelbar an die Planung und Gestaltung einer Westerwaldklinik herangehen, sonst führen wir in fünf bis sieben Jahren eine ähnliche Diskussion wie heute, welche Standorte noch haltbar sind und welche nicht“, betonte Hering in der Westerwälder Zeitung. Er wies auch darauf hin, dass für ihn die Realisierung des neuen Standortes als Level-2-Krankenhauses als Regel- und Schwerpunktversorger ebenso wenig zur Disposition stehe wie die bereits für den Bau angekauften Flächen. Der Landtagsabgeordnete warnte zudem davor, das Projekt weiter zu zerreden. Wenn dies geschehe, würde man um Jahre zurückgeworfen. Die Gefahr, dass dann andere zum Zuge kommen, sei real.

 

Aus dem gleichen Bericht lässt sich jedoch schließen, dass die Akteure derzeit ganz andere Sorgen haben, weil das inzwischen vorliegende Sanierungskonzept nicht mehr diskutiert und verhandelt wird. Darauf verwies der Betriebsrat unter Hinweis auf ein Gespräch am 21. November, an dem neben den Mitarbeitervertretern auch die Geschäftsführung und die Rechtsanwälte der Trägergesellschaft teilnahmen. Ein weiteres Gespräch hatte es am 17. November unter Teilnahme von Gesundheitsminister Hoch gegeben. Der Betriebsrat war an dieser Runde nicht beteiligt. Aktuell sieht es vor allem für den Standort Altenkirchen sehr schlecht aus.

 

Das Konzept einer Umwandlung in ein sogenanntes „Level-1-Krankenhaus“ als gut ausgebauter Versorgungsstützpunktes steht dabei offenbar nicht mehr auf der Agenda. Ganz im Gegenteil:  Ein deutlich reduzierter Betrieb für den Standort Altenkirchen ab dem Stichtag 1. Januar 2024 stand bereits fest. Für die betroffenen Mitarbeiter soltel ein Sozialplan erarbeitet werden. Auch eine Transfergesellschaft ist geplant. Aus dem Zeitungsbericht geht auch hervor, dass die Verhandlungen mit dem Gesamtbetriebsrat über den Stellenabbau – unter anderem am Standort Altenkirchen – bereits begonnen haben. Dabei kommt auch auf den Tisch, welche Abteilungen in welchem Umfang geschlossen werden sollen.

 

Zum Jahreswechsel 2023/2024 gab es also mehr Fragen als Anfragen. Anfang Februar gab es jedoch Gründe, etwas hoffnungsvoller in die Zukunft zu blicken. In der Rhein-Zeitung war zu lesen, dass das DRK im Westerwald die Weichen stellen wolle – und zwar als mögliche Blaupause für weitere Krankenhausstandorte und darüber hinaus. Konkretes gab es vor allem für den Standort Altenkirchen. Dieser sollte, wie bereits angedacht, künftig als Zentrum der Grundversorgung mit ambulantem OP-Zentrum und teilstationärer Versorgung an den Start gehen. Darüber hinaus sollen die bestehenden Strukturen eines Medizinischen Versorgungszentrum auf- und ausgebaut sowie durch eine 24-Stunden-Notaufnahme mit angedocktem Rettungsdienst ergänzt werden.

 

Trotz dieser verhältnismäßig günstigen Variante sollte man skeptisch bleiben. Gerade die Entwicklungen rund um das Lahnsteiner St.-Elisabeth-Krankenhaus zeigt, dass sich am Ende trotz aller Konzepte am Ende die brachialste Lösung durchsetzen könnte. Dafür sprechen auch die Signale aus Hachenburg. Denn anders als ursprünglich angekündigt, wurde die Geburtshilfe bereits Ende Februar geschlossen – obwohl das Aus erst für den 31. März 2024 verkündet worden war. Begründet wurde dies mit personellen Gründen im ärztlichen Bereich. Patientinnen, die sich auf den ursprünglichen Termin eingestellt hatten, blieben auf der Strecke – vor allem bei Notfällen. Wurde der neue Termin doch überraschend verkündet, sodass das Risiko bestand, dass Frauen mit gravierenden Unterleibsbeschwerden unbehandelt an einen anderen, weiter entfernten Standort begeben mussten, weil sich von der Fristverkürzung nichts wussten.

 

3.5 Die Situation im Frühjahr und Sommer 2024

 

Im Frühjahr 2024 sprach man bei der DRK-Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz weniger über das offenbar erfolgreiche Insolvenzverfahren in Eigenverantwortung, sondern lieber von einem mehrstufigen Transformationsprozess, der aktuell immerhin den Erhalt aller Standorte vorsieht. Das gilt auch für das Krankenhaus in Altenkirchen, das im Zukunftskonzept der Krankenhausgesellschaft unter Vernetzung der einzelnen Standorte in einen Teil eines Level-1i+-Grundversorgers sein verwandelt werden sollte. Für Altenkirchen bedeutet dies definitiv die Verwandlung in einen Erstversorger mit einem ambulant ausgerichteten Angebot. Immerhin ist die befürchtete Schließung mit Ausnahme der Jugendpsychiatrie zunächst einmal vom Tisch.

 

„Als zentraler Bestandteils des Modells werde eine 24/7-Notfallanlaufstelle, also 24 Stunden, sieben Tage die Woche, auch künftig eine Versorgung von Notfällen in Kooperation mit den umliegenden DRK-Krankenhäusern in Kirchen, Neuwied, Hachenburg und Asbach sicherstellen“, berichtete die Rhein-Zeitung. Das bedeutet aber auch, dass der Schwerpunkt des Angebots eindeutig im ambulanten Bereich liegen wird. Das Krankenhaus wird also seine einstige Bedeutung für immer verlieren. Wie bereits dargestellt, waren bereits in den vergangenen Monaten und Jahren immer wie Angebote nach Hachenburg verlagert worden. Diesem Abbau sollen nun eine Stärkung der Kinder- und Jungendpsychiatrie sowie der Schmerzambulanz entgegenstehen. Allerdings sollte das stationäre Angebot nach und nach an den DRK-Standorte in Asbach, Hachenburg, Kirchen und Neuwied gebündelt werden. Als Stichtag für den Übergang von der stationären in ambulante Versorgung wurde der 1. April 2024 genannt. Immerhin sollte es im Rahmen der Notfallanlaufstelle eine Kapazität von 20 kurzstationären Betten geben.

 

Es blieb leider bei der optimistischen Ankündigung. Mitte Juli 2024 stand fest, dass es einen Transformationsprozess in der angekündigten Form wohl nicht geben würde – letztendlich sollten die geplanten Einschnitte am Standort Altenkirchen noch gravierender sein als befürchtet – so gravierend, dass sich sogar Gesundheitsminister Clemens Hoch verärgert zeigte.  Inzwischen war von der 24/7-Notanlaufstelle keine Rede mehr. Stattdessen meldete die Rhein-Zeitung, dass spätestens ab dem 15. August 2024 keine zentrale Notaufnahme mehr vorgehalten werde. Zu allem Überfluss wurde auch angekündigt, die Kurzliegerstation, in der ambulant operierte Patienten bis maximal 48 nachbetreut werden konnten, zu schließen, weil künftig auch ambulante Eingriffe in Altenkirchen nicht mehr möglich sein werden.

 

Jetzt war nur noch die Rede davon, die Kinder- und Jugendpsychiatrie und das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) zu erhalten. Der Runde Tische aller Akteure am 27. August konnte nichts mehr an dieser Tatsache ändern. Schließlich bestätigte Staatsminister Clemens Hoch in der Sitzung des Gesundheitsausschusses am 6. September 2024, dass es bei dieser Entscheidung des Trägers bleibe. Gravierende Verschlechterungen für Patienten sah Hoch nicht, zumal man die anderen Krankenhäuser in der Nähe innerhalb von 30 Minuten erreicht werden könne, zumal die Rettungsdienste grundsätzlich gut aufgestellt seien. Immerhin bleibt es theoretisch möglich, stationäre Leistungen nach Altenkirchen zurückzuholen oder neu anzusiedeln. Hoch verwies auf den großen Bedarf im Bereich Kurzzeit- und Tagespflege.

 

Im Bereich der klassischen stationären Leistungen setzt der Minister jedoch weiter auf den neuen zentralen Krankenhausstandort in Müschenbach, an dem die Krankenäuser in Altenkirchen und Hachenburg zusammengeführt werden sollen. Das wird jedoch frühestens in sieben Jahren möglich sein, erklärte der Minister unter Hinweis auf die langen Planungs- und Vorbereitungszeiten. Realistisch erscheint sogar eine Projektdauer von zehn Jahren. Klar ist aktuell nur, dass es richtig teuer werden wird. Clemens Hoch betonte während der Ausschusssitzung, dass man mit Kosten pro Krankenbett in Höhe von rund 800.000 Betten rechnen müsse.

 

Wie dem auch sei: Mit diesen einschneidenden Maßnahmen in Altenkirchen war auch die Streichung von 50 Prozent der 160 bis 170 Vollzeitstellen verbunden, wobei die Betroffenen das Angebot erhalten sollten, an andere Standorte des Trägers zu wechseln, wobei allerdings Kündigungen nicht ausgeschlossen wurden.

Die DRK-Trägergesellschaft Südwest begründete diese Radikalmaßnahmen, zu denen unter anderem auch die Schließung der Neurologie am Standort Kirchen gehören sollte, mit Liquiditätsengpässen in Millionenhöhe.

 

Christian Eckert, Geschäftsführer der Trägergesellschaft und des mit der Sanierung beauftragten Beratungsunternehmens WMC Healthcare, wies in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass Forderungen an die Krankenkassen als Kostenträger aus den vergangenen Jahren noch nicht beglichen worden seien und allein das Defizit am Standort Altenkirchen in einer einstelligen Millionenhöhe liege.

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