Dr. Dr. Reinhard Kallenbach | Landeskundliche Forschung
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Krankenhäuser in der Krise, Teil 2

3. Krankenhaus St. Elisabeth Lahnstein

 

Ein weiterer Tiefschlag folgte am 21. November 2023. Und wieder hatte es ein vergleichbar kleines Krankenhaus in der Kategorie eines Grund- und Regelversorgers, das über 162 Betten und 20 tagesklinische Plätze verfügt – getroffen: Das bereits am 29. Juni 1965 nach zweijähriger Bauzeit (Spatenstich am 19. März 1963) eingeweihte Krankenhaus St. Elisabeth in Lahnstein (Oberlahnstein).

 

Interimsgeschäftsführer Claudius David Walker hatte an diesem Tag die Mitarbeiter darüber informiert, dass die Klinik Insolvenz in Eigenverantwortung angemeldet hatte. Rund 330 Arbeitsplätze waren betroffen, plötzlich standen die Kliniken der Einrichtungen für Medizin, Chirurgie (darunter auch Wirbelsäulenchirurgie), Orthopädie, HNO sowie Psychiatrie und Psychotherapie auf dem Prüfstand.

Auf den ersten Blick ähnelte die Situation an Rhein und Lahn der in Altenkirchen und Hachenburg. Aber das ist nur eine Seite der Medaille.

 

Wie die Rhein-Lahn-Zeitung meldete, war die von der „St. Elisabeth Krankenhaus – Ihr Gesundheitszentrum – GmbH“ betriebene Einrichtung, der auch die Kurzzeitpflege Maria Elisabeth mit 16 Plätzen und das Medizinische Versorgungszentrum Lahntal (Schwerpunkt Chirurgie und Innere Medizin) angeschlossen sind, bereits seit 2020 in finanziellen Schwierigkeiten. Doch erst im Laufe des Jahres 2023 hatten sich die Gerüchte verdichtet. Demnach habe die Einrichtung massive Probleme. Der Autor des Beitrages, Tobias Lui, deutete an, dass es seitens der Rhein-Lahn-Zeitung bereits mehrere Anfragen in der Sache gegeben habe, diese jedoch nicht beantwortet worden seien. Dazu passt, dass die letzte über den Onlineauftritt des Krankenhauses publizierte Pressemitteilung auf den 20. September 2021 datiert. Allerdings war dann die Geschäftsführung doch noch gesprächsbereit.

 

Neben den in dieser Zusammenstellung bereits mehrfach hervorgehoben schwierigen wirtschaftlichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen gab es wohl auch hausgemachte Probleme, worauf die jüngsten Veränderungen in der Geschäftsführung hinweisen. So berichtet Tobias Lui über Meinungsverschiedenheiten zwischen dem 2020 eingesetzten Geschäftsführer Olaf Henrich mit der erst 2013/14 durch eine Fusion gebildeten Trägergesellschaft Elisabeth-Vinzenz-Verbund (EVV) mit Stammsitz in Berlin. Ergebnis: Henrich verabschiedete sich in den Ruhestand und wurde durch Walker ersetzt. Spätestens seitdem wird darüber spekuliert, welche Abteilungen dem Rotstift zum Opfer fallen werden. Genannt werden vor allem die defizitären Abteilungen für Chirurgie und für Kurzzeitpflege.

 

Doch genaues wusste man nicht, Medienanfragen wurden offenbar bis einschließlich 21. November nur unzureichend oder gar nicht beantwortet. Die Bekanntmachungen im Bundesanzeiger ließen aber wenig Gutes vermuten. Demnach hatte St. Elisabeth in Lahnstein bereits die Jahre 2019 und 2020 mit einem bilanziellen Defizit von rund 9,2 Millionen Euro abgeschlossen. „Insgesamt dürfte das bilanzierte Defizit zwischen 10 bis 20 Millionen Euro liegen plus erheblicher Liquiditätsengpässe wegen fehlender Pflegebudgetzahlungen und gestiegener Energiekosten“, heißt es in der Rhein-Lahn-Zeitung wörtlich.

 

Wie es nun weitergeht? Wie bereits bei der DRK-Trägergesellschaft mit ihren insgesamt fünf Akutkrankenhäusern soll nun im Rahmen eines Insolvenzverfahrens in Eigenverantwortung ein Sanierungskonzept entwickelt werden.  Dazu hieß es in einer Pressemitteilung der Gruppe: „Hintergrund sind finanzielle Engpässe und die Notwendigkeit, sich angesichts der bevorstehenden Reformen der deutschen Krankenhauslandschaft zukunftssicher aufzustellen.“ Ziel sei es, die gute Patientenversorgung in Lahnstein aufrechtzuerhalten und das Angebot passgenauer am erwarteten Bedarf und den strukturellen Ansätzen der Krankenhausreform auf Bundesebene auszurichten“, heißt es weiter. Auch sei es ein wesentlicher Bestandteil der Neuordnung, eine zeitnahe Vereinbarung mit den Krankenkassen über ein auskömmliches Budget zu erzielen.

 

Die offizielle Begründung für die Schieflage erinnert an die aus den anderen Krankenhäusern, die im Zuge der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklungen in Turbulenzen geraten sind: Neben Personal- und Sachkostensteigerungen sowie der hohen Energiekosten werden inflationsbedingte Kostensteigerungen in allen Bereichen genannt. Der EVV sieht nun im Rahmen einer Insolvenz in Eigenverwaltung nun die Chance, die Sanierung zu erleichtern und voranzutreiben. Wird es doch im Rahmen des Schutzschildverfahrens unter anderem möglich, die Personalkosten zumindest für drei Monate auf die Arbeitsagenturen umzuleiten. Und: Ein Generalbevollmächtigter und eine vom Amtsgericht bestimmter Sachwalter konnte eingesetzt werden. Immerhin war von einem drohenden Aus für den traditionsreichen Klinikstandort nicht die Rede. Die Trägergesellschaft signalisierte, möglichst viele Arbeitsplätze erhalten zu wollen.

 

Aus Sicht der FREIE WÄHLER-Landtagsfraktion sind die Entwicklungen dennoch ein Alarmsignal. Helge Schwab wies darauf hin, dass es dieses Mal nicht um einen Standort eines kleinen Verbundkrankenhauses gehe, sondern und um eine Einrichtung unter dem Dach eines starken Trägers. Gehört der EVV doch zu den großen Krankenhäusern-Holdinggesellschaften mit christlichem Hintergrund. Nach eigenen Angaben wurde allein 2022 ein Umsatz von 960 Millionen Euro erwirtschaftet. Die Gesamtzahl der in den stationären, teilstationären und ambulanten Bereichen behandelten Patienten lag bei 500.000.

 

Der EVV fungiert quasi als Holding von Krankenhausbetreibern mit bundesweit 13 Standorten mit insgesamt mehr als 9500 Mitarbeiter und rund 3500 Klinikbetten. Eines dieser Unternehmen ist die „St. Elisabeth Krankenhaus – Ihr Gesundheitszentrum – GmbH“ mit Sitz in Lahnstein. Für Schwab ist die Tatsache, dass die unerfreulichen Nachrichten jetzt sogar aus einem starken Verbund kommen, ein weiteres Indiz dafür, dass die Unterstützung des Bundes für die Krankenhäuser zur Bewältigung der rasant steigenden Betriebskosten unzureichend ist. „Wenn man bedenkt, wofür in den vergangenen Jahren und Monaten unnötigerweise Mittel bereitgestellt wurden, kann man nur noch mit dem Kopf schütteln. Dass man jetzt auch noch bereit ist, einen wichtigen Teil der Daseinsvorsorge zu schleifen, macht mich fassungslos“, lautet das bittere Fazit des Gesundheitspolitischen Sprechers.

 

Und was sagt man im Mainzer Gesundheitsministerium zur erneuten Insolvenz eines Grund- und Regelversorgers? Das gibt zunächst einmal Entwarnung. Ministerialdirektor Daniel Stich wies in einer Pressemitteilung darauf hin, dass das St.-Elisabeth-Krankenhaus Lahnstein nicht Teil der Notfallversorgung sei. Auch sehe er keine Gefahr, dass die medizinische Versorgung beeinträchtigt sei. Die Geschäftsführung habe signalisiert, dass der Krankenhausbetrieb uneingeschränkt weitergeführt werden solle. Daniel Stich wies aber auch darauf hin, dass das Land kein Mitentscheidungsrecht habe, die Sanierung sei Sache des Trägers. Der Ministerialdirektor kündigte zeitnah Gespräche an.

 

Anders als zum Beispiel im Westerwald standen die Eckpfeiler des Sanierungskonzeptes schon drei Wochen nach der Anmeldung des Insolvenzverfahrens in Eigenverantwortung. Bereits am 8. Dezember 2023 meldete die Rhein-Zeitung den Abschluss des Restrukturierungsverfahrens. Demnach soll das Krankenhaus künftig einen Schwerpunkt im Bereich der Altersmedizin erhalten. Die Bereiche Innere Medizin und Psychiatrie sollen entsprechend ausgebaut werden. Die Bereiche der Allgemein- und Wirbelsäulenchirurgie sowie der ästhetischen Chirurgie und Gynäkologie sollen infolge der geringen Auslastung im Laufe des Jahres 2024 geschlossen werden. Patienten für diese Bereiche müssen sich also künftig in den Koblenzer Krankenhäusern behandeln lassen.

 

Wie viele Arbeitsplätze die Umstrukturierung am Standort Lahnstein kosten würde, war allerdings noch nicht bekannt. Allerdings ließen die Verantwortlichen durchblicken, einen großen Teil der Mitarbeiter weiter beschäftigen zu wollen. Geschäftsführer Claudius-David Walker und der Generalbevollmächtigte Dr. Moris Handrup sprachen von einer Transformation zu einem Krankenhaus der Altersmedizin, wobei die Abteilungen für Orthopädie und Anästhesie, allerdings in kleinerer Form, weiterbetrieben werden sollen.

 

Die Rhein-Lahn-Zeitung terminierte in einem Beitrag vom 13. Januar 2024 den offiziellen Beginn des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung für Anfang Februar und fasste das Sanierungskonzept des Geschäftsführers Claudius-David Walker und dem Generalbevollmächtigten Moritz Hendrup noch einmal wie folgt zusammen: „Krankenhaus der altersmedizinischen Basisversorgung mit psychiatrischem Schwerpunkt“. Wörtlich hieß es: „Allgemein- und Wirbelsäulenchirurgie sowie ästhetische Chirurgie und Gynäkologie sollen schließen – genau wie Intensivstation.“89 Autor Tobias Lui machte in seinem Bericht auch deutlich, dass vor allem der Plan, die Intensivstation bereits im Mai 2024 zu schließen, seitens der Mitarbeiter mit großer Skepsis verfolgt wird. So war von einer bald drohenden Unterversorgung die Rede.

Doch es sollte noch schlimmer kommen. Bereits wenige Tage später stand fest, dass das von der Geschäftsführung grob skizzierte Sanierungskonzept gescheitert war und die über die Medien kommunizierten Ansätze für eine erfolgreiche Sanierung damit Makulatur waren. Der von Betroffenen befürchtete Kahlschlag sollte doch kommen. Genauer gesagt: Von den bislang noch 300 Mitarbeiterstellen sollten schließlich rund 190 wegfallen.

 

Nach einer Mitarbeiterversammlung am 19. Februar 2024 stand fest: Mit Ausnahme der Psychiatrie sollten nun alle Abteilungen des Krankenhauses geschlossen werden. Informiert wurden die Mitarbeiter auch über einen Trägerwechsel. Für den Betrieb der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie mit ihren 60 vollstationären Betten und 20 tagesklinischen Behandlungsplätzen sollte künftig die Barmherzige Brüder gGmbH (BBT) verantwortlich sein.90 Doch zunächst war der geplante Trägerwechsel offenbar noch nicht in trockenen Tüchern, eine offizielle Bestätigung fehlte noch. Am 28. Februar meldete die Rhein-Lahn-Zeitung, dass der Wechsel bereits zum Stichtag 1. März 2024 erfolgen wird und verwies auf eine Bestätigung seitens der Barmherzigen Brüder, die insgesamt 100 Einrichtungen mit mehr als 15.000 Mitarbeitern und 900 Auszubildenden betreiben. Es gab also keine Übergangsfristen. Damit war klar: St. Elisabeth konnte weiterbestehen, allerdings nur mit einer psychiatrischen Tagesklinik sowie einer Psychiatrischen Institutsambulanz (PIA). Insgesamt 20 Pflegeschüler sollten übernommen werden. Im neu strukturierten Haus sollten fortan nur noch 110 Mitarbeiter tätig sein.

 

Die BBT-Gruppe begründete die unerwartet harten Einschnitte mit den aktuell „äußerst schwierigen Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen“. Derzeit seien alle Akteure aufgefordert, Schwerpunkte zu entwickeln und in „Vernetzung und Kooperation mit schon bestehenden Leistungsangeboten in geographischer Nähe zu gehen, damit medizinisch und wirtschaftlich solide Lösungen“ entstünden, erklärte Insolvenzverwalter Dr. Christoph Niering. Und diese Vernetzung erfolgte vor allem mit Blick auf das Krankenhaus Montabaur, ein Standort des zur BBT-Gruppe gehörenden Katholischen Klinikums Koblenz-Montabaur. Allein in Montabaur, so Regionalleiter Jérôme Korn-Fourcade, habe die BBT-Gruppe binnen zehn Jahren rund 50 Millionen Euro investiert und damit das Krankenhaus nachhaltig gesichert.

 

Chefärzte und Stationsleitungen waren übrigens erst in der Betriebsversammlung am 19. Februar offiziell darüber informiert worden, dass alle Patienten bis Ende der letzten Februarwoche verlegt oder entlassen werden. Begründet wurde dies mit den verbliebenen Urlaubsansprüchen der Mitarbeiter. Ferner wurden alle Operationen abgesagt, und die Kurzzeitpflege wurde aufgefordert, bis zum Ende des Monats alle Patienten zu entlassen.

 

Es bleibt die Frage, wer letztendlich für die höchst unangenehmen Entwicklungen in Lahnstein verantwortlich ist, die die stationäre Patientenversorgung im Rhein-Lahn-Kreis gefährdet, zumal auch das Paulinenstift in Naststätten ein „Wackelkandidat“ ist. Auf den ersten Blick könnte man die Krankenhausgesellschaft St. Vincenz, zu der das Elisabeth-Krankenhaus gehörte. Doch Geschäftsführer Guido Wernert wollte genau diesen Eindruck vermeiden und zielte in einem Interview mit der Rhein-Lahn-Zeitung auf die Bundespolitik seit 2022. Diese bezeichnete er als unstrukturiert.

 

Vor allem aber nannte Wernert die aus dem Ruder laufenden Kostensteigerungen in allen Bereichen, die angesichts der Unterfinanzierung durch Bund und Land nicht mehr zu bewältigen seien. Der Geschäftsführer befürchtet, dass bis 2026 so viel Schaden angerichtet sein wird, dass der Wiederaufbau Jahrzehnte dauern wird.

Und wie positioniert sich die Landesregierung? Genau das wollte MdL Matthias Lammert (CDU) Anfang März 2024 von der Landesregierung wissen.95 Demnach habe das Gesundheitsministerium den bisherigen Träger unterstützt, das Leistungsangebot so anzupassen, dass eine Betriebsfortführung in unveränderter Trägerschaft möglich sei. Innerhalb des Insolvenzverfahrens habe sich dann jedoch gezeigt, dass diese Maßnahmen nicht ausreichen würden, um die Insolvenz zu überwinden. Das Land habe im weiteren Verlauf alle Bestrebungen unterstützt, um zumindest die Fortführung der psychiatrischen Versorgung zu sichern.

 

Wie die Unterstützung konkret aussah, teilte das Ministerium nicht mit. Stattdessen verwies man in Mainz auf die Zuständigkeit des Rhein-Lahn-Kreises und die gute Anbindung an die Versorgungsstrukturen des Oberzentrums Koblenz. Darüber hinaus wurde auf die anderen Krankenhausstandorte in Montabaur und Naststätten verwiesen. Der ganze Vorgang zeigt: Wieder einmal fehlten aus Sicht des Landes gesetzliche Grundlagen, um finanzielle Hilfen zur Bewältigung der explodierenden Betriebskosten zu leisten. Es liegt aber die Vermutung nahe, dass es diese Hilfen auch nicht gegeben hätte, wenn die erforderliche Finanzspritze rechtlich möglich wäre. Dass auch aus Berlin nicht viel zu erwarten ist, hatten ja die bereits vor der Lahnsteiner Misere die anderen Klinikinsolvenzen im Land gezeigt.

 

Das rustikale Vorgehen könnte exemplarisch dafür sein, was dem deutschen Krankenhauswesen noch bevorsteht – die Konsequenzen für einzelne Klinikstandorte zeichneten sich bereits Monate vor dem geplanten Inkrafttreten der Krankenhausreform ab. Überraschend kam das nicht. Hatte doch der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Clemens Hoch mehrfach betont, dass man die Strukturreform unabhängig von der neuen Rahmengesetzgebung des Bundes vorantreiben wird, um bei der Umsetzung der „großen Reform“ keine Zeit zu verlieren.

 

Abschließend bleibt die Frage, wie es in Lahnstein weitergehen wird. Die Antwort lieferte Jérome Korn-Fourcarde in der Rhein-Zeitung. Es gehe nun darum, die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie von der Übergangsphase in den Regelbetrieb zu überführen, so der Regionalleiter des neuen Eigners, der BBT-Gruppe. Er fügte auch hinzu, dass es nicht möglich gewesen sei, in einer aktuell schwierigen Situation für alle Krankenhäuser das St.-Elisabeth-Krankenhaus komplett zu übernehmen. In der Konsequenz bedeutete das auch, dass zumindest vorübergehend weite Teile des Krankenhauses leer stehen werden. Wie es danach weitergeht, hänge von der Krankenhausreform ab, so der Manager weiter. Immerhin schloss er die Ansiedlung weiterer Fachabteilungen oder medizinische Angebote für ältere Menschen nicht generell aus.

 

Fest steht bereits, dass die orthopädische Praxis in einem Nebengebäude des Krankenhauses erhalten bleibt. Aber: Orthopädische Operationen und die Betreuung der Patienten über Belegbetten gibt es nicht mehr. Die Orthopäden Dr. Dietmar Dömmling und Steffen Scholz operieren als Belegärzte nun am St.-Elisabeth-Krankenhaus in Mayen. Für die 180 Mitarbeiter, die unter dem Strich infolge der abrupten Krankenhausschließung ihre Stelle verloren, gab es immer eine positive Nachricht: Sie konnten in anderen Gesundheitseinrichtungen weiterbeschäftigt werden.

 

5. Stiftung Kreuznacher Diakonie

 

Dem Klinikstandort Kirn ist neben dem in Bad Kreuznach Teil des Diakonie-Krankenhauses, der auch mit einer 24-Stunden-Notambulanz ausgestattet ist, drohte lange das Aus. Gegen die Pläne einer möglichen Schließung regte sich nicht nur in den Reihen der betroffenen Bürger Widerstand. Bislang mit Erfolg. Ob der Krankenhausstandort auch längerfristig eine Zukunft hat, wird sich noch zeigen. Der Rückbau zu einem Kleinkrankenhaus mit nur noch 88 Betten ist allerdings bereits vollzogen. Ursprünglich hatte die Diakonie bereits 2019 erwogen, den Standort komplett zu schließen.

 

Die jüngsten Entwicklungen rund um das 1911 errichtete Kirner Krankenhaus, das bis 1991 als städtisches Krankenhaus betrieben wurde, zeigen: Auch eine Fusion von Einrichtungen ist kein Patentrezept, um wirtschaftliche Probleme dauerhaft in den Griff zu bekommen. Nicht umsonst wurde sogar über eine Trennung der beiden Einrichtungen nachgedacht, um die Schließung des kleineren Kirner Hauses zu verhindern. Sind doch die Patienten mit der medizinischen Versorgung an beiden Standorten grundsätzlich zufrieden. Das gilt auch für die Infrastruktur: Zweibettzimmer mit eigener Nasszelle sind längst nicht überall Standard. In Kirn schon.

 

Der Prozess des Umdenkens hatte bereits 2019 eingesetzt. Seinerzeit hatte Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) erklärt, dass die Einrichtung in Kirn für unverzichtbar erklärt. Die damalige rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin hatte sich auf eine Regelung des Gemeinsamen Bundesausschusses aus Kassen und Ärzten (GBA) berufen. Demnach ist ein Krankenhaus unverzichtbar, wenn durch einen Wegfall mindestens 5000 Menschen weiter als 30 Minuten zur nächsten Klinik fahren müssten. In Kirn wäre genau dies der Fall gewesen. Die Einrichtung blieb deshalb trotz eines Defizits von 1,5 Millionen Euro im Jahr 2022 bestehen. Die aus Sicht der betroffenen Bürger positiven Entwicklungen sind letztendlich nicht auf die Haltung der damaligen Ministerin, sondern vor allem an der Stärker der Trägerin zurückzuführen – der Stiftung Kreuznacher Diakonie, die in Rheinland-Pfalz und im Saarland aktiv ist und insgesamt rund 6800 Mitarbeiter beschäftigt.

 

5.1. Von der Fusion zur Restrukturierung

 

Die beiden Krankenhäuser in Bad Kreuznach und Kirn fusionierten 2002 zu einer Einrichtung der Schwerpunktversorgung. Überörtliche Fusionen wie diese erschienen seinerzeit an vielen deutschen Kliniken als probates Mittel, Doppelstrukturen abzubauen und Verwaltungskosten zu senken. Trägerin beider Standorte ist die Stiftung Kreuznacher Diakonie. Sie ist eine kirchliche Stiftung des öffentlichen Rechts und breit aufgestellt. Sie betreibt insgesamt fünf Krankenhäuser, vier Hospize, sechs Einrichtungen in den Bereichen Integration und Arbeit, acht Einrichtungen im Bereich Kinder- und Jugendarbeit, außerdem ist die Stiftung auf den Gebieten Rehabilitation und Betreuung von Menschen in schwierigen Lebenslagen aktiv. Die Seniorenhilfe mit insgesamt elf stationären Einrichtung sowie Wohnprojekten in Rheinland-Pfalz und im Saarland ist das Herzstück der kurativen Leistungen der Stiftung. Umfangreiche Leistungen für Menschen mit Behinderungen, darunter 1000 Wohnplätze, runden das Angebot ab.

 

Da die Stiftung breit aufgestellt ist, kann sie ihre unterschiedlichen Tätigkeitsbereiche bei Bedarf zumindest über Zinserlöse aus Kapitalanlagen quersubventionieren. Aber auch dieser Praxis sind enge Grenzen gesetzt. So bewegte sich die Kreuznacher Diakonie einige Jahre in einem wirtschaftlich schwierigen Fahrwasser – zeitweise mit Defiziten im zweistelligen Millionenbereich. Jetzt steht die Stiftung wieder in den schwarzen Zahlen, sodass Finanzvorstand Andreas Heinrich und Manuel Seidel, Regionalverantwortlicher für die Kliniken in Bad Kreuznach, Kirn und Simmern, in der Rhein-Zeitung sogar massive Investitionen ankündigten, wobei vor allem die Generalsanierung des Krankenhauses Bad Kreuznach im Mittelpunkt, die nach ersten Schätzungen 200 bis 300 Millionen Euro kosten wird, wobei der Eigenanteil der Diakonie bei 30 bis 50 Millionen Euro liegen dürfte.

 

Aktuell erwartet der Vorstand nach schwierigen Jahren bis 2019, in denen das Defizit auf 25 Millionen Euro angewachsen war, das extrem schwierige Wirtschaftsjahr 2023 mit einem positiven Ergebnis abschließen zu können. Damit würden die drei Krankenhäuser in Rheinland-Pfalz zu den 20 Prozent der Kliniken im Land gehören, die für das Geschäftsjahr 2023 positive Ergebnisse erwarten. Bereits für 2022 hatte die Trägerin mit einem Gesamtergebnis von 300.000 Euro schwarze Zahlen gemeldet.

 

5.2. Exkurs: Krankenhaus St. Marienwörth

 

Deutlich schlechter sieht es dagegen für das zweite Krankenhaus in Bad Kreuznach aus – St. Marienwörth. Der Träger, der bereits 1862 im Wiedtal gegründete Verein der Franziskanerbrüder vom Heiligen Kreuz mit Mutterhaus in Hausen stellte im Juni 2024 beim zuständigen Amtsgericht Neuwied einen Antrag auf ein Insolvenzverfahren in Eigenverantwortung, das voraussichtlich im Frühjahr 2025 abgeschlossen sein wird.100 Bislang ist offen, welche Auswirkungen das auf den Krankenhausstandort Bad Kreuznach mittel- und langfristig haben wird. Klar ist aktuell nur, dass der Betrieb an allen zehn Standorten des Vereins der Franziskanerbrüder, an denen insgesamt 1700 Mitarbeiter beschäftigt sind, uneingeschränkt weitergehen wird – zumindest vorerst.

 

Auch die Geschäftsführung bleibt im Amt. Allerdings sind die Berater von WMC Healthcare mit im Boot. Dieses Unternehmen betreut auch die DRK-Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz.

Eine Beeinträchtigung des besonders in der Seniorenpflege breit aufgestellten Vereins wäre ein herber Verlust für die Kurstadt und ihre Umgebung. Immerhin ist St. Marienwörth ein Krankenhaus der Regelversorgung mit Schwerpunkt für Onkologie und Zentrum für Darm- und Brustkrebs. Die folgende Aussage Juristin Marlen Fasold macht jedoch Hoffnung: „Das [Sanierungs-]Konzept wird Restrukturierungen beinhalten, die auf die Stärken der einzelnen Häuser zugeschnitten sind“, so die Repräsentantin der Consilium Rechtskommunikation GmbH in Berlin, die das Eigenverwaltungsverfahren medial betreut.

 

5.3. Die Klinikstandorte der Stiftung Kreuznacher

Diakonie in Rheinland-Pfalz

 

Der kleinere Standort in Kirn steht trotz der günstigen Entwicklung in jüngster Vergangenheit laufen auf dem Prüfstand, nicht etwa, weil die Trägerstiftung das unbedingt will, sondern, weil die Aussichten auf eine auskömmliche finanzielle Ausstattung für den Standort eher schlecht sind. So berichtete der Öffentliche Anzeiger am 17. Oktober 2022, dass die Diakonie um einen Sicherstellungszuschlag kämpft. Den Segen des Mainzer Gesundheitsministeriums hat sie offenbar. Das Ministerium hatte laut „Öffentlicher Anzeiger“ betont, dass der Standort Kirn für die regionale Versorgung unverzichtbar sei, weil bei einem Wegfall mindestens 5000 Menschen weiter als 30 Minuten zur nächsten Klinik fahren müssten. Das sehen auch viele Bürger in der westlichen Naheregion so. Einige von ihnen haben sich zu einer Bürgerinitiative zusammengeschlossen. Diese kämpft zurzeit vor allem auch für den Erhalt der Notfall- und Rettungsmedizinischen Versorgung in Kirn – mit Erfolg, wie bereits zuvor dargestellt.

 

Eine Schließung des medizinisch grundsätzlich gut aufgestellten, aber kleinen Krankenhausstandorts Kirn, die aktuell nicht zur Debatte steht, würde einem Abrücken vom Konzept der wohnortnahen Versorgung der Bevölkerung gleichkommen – und das, obwohl die Schwerpunkte Innere Medizin und die orthopädisch-chirurgische Versorgung neben dem umfangreichen therapeutischen Angebot wichtige Teile der Daseinsvorsorge sind. Dazu kommt, dass am Standort Kirn die Spezialisierung auf die Wirbelsäulenchirurgie und andere komplexe orthopädische Eingriffe, zum Beispiel im Bereich der Handchirurgie, gelungen ist. Das Krankenhaus selbst verweist auf den guten Ruf, den es sich weit über das Kirner Land hinaus erarbeitet hat.

 

Zum Diakonie-Krankenhaus, das Lehrkrankenhaus der Universitätsmedizin der Johannes- Gutenberg-Universität Mainz ist, gehört auch ein Ausbildungszentrum für Gesundheits- und Pflegeberufe. Hier werden verschiedene Fachausbildungen angeboten – auch in Kooperation mit der Hochschule Mainz. Unter einer Schließung des Standortes Kirn könnte auch die Leistungsfähigkeit des Ausbildungsbetriebs leiden.

 

Warum stand die Debatte über eine mögliche Schließung des Kirner Krankenhauses überhaupt im Raum? Aus dem Qualitätsbericht für das Jahr 2021 lassen sich mögliche Antworten erschließen. Nennt er für den Standort Kirn lediglich 88 Betten für die stationäre Versorgung. Dementsprechend 2021 lag die vollstationäre Fallzahl bei nur 3080. Ganz anders die ambulante Fallzahl: Sie lag bei 8738. Überschaubar ist die Zahl der Stellen für ärztliche Betreuung und Pflege in der stationären Versorgung. Sie lag bei jeweils 21,28 beziehungsweise 59,76.104

Angesichts dieser Zahlen erscheint eine wirtschaftliche Betriebsführung bei oberflächlicher Betrachtung kaum möglich zu sein. Der Standort Bad Kreuznach hat laut Qualitätsbericht 2021 mit seinen 351 Betten ganz andere Dimensionen. Demnach lagen die Fallzahlen für 2021 bei 17.455 im stationären Bereich und bei 41.423 bei der ambulanten Versorgung. Insgesamt gab es 130,38 Stellen für Ärztinnen und Ärzte, während die Zahl der Stellen für Gesundheits- und Krankenpfleger mit 264,64 angegeben wurde.

 

Auf den ersten Blick sprechen also die Fallzahlen eine deutliche Sprache. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch ein ganz anderer Aspekt deutlich: Am Standort Kirn ist das Betreuungsverhältnis von Ärzten, Pflegern und Patienten sehr gut. Es kommt nicht von ungefähr, dass Kritiker der möglichen Schließungen von Sparmaßnahmen zu Lasten der Qualität ausgehen, zumal am Standort Kirn auch anspruchsvolle orthopädische Eingriffe samt einer anspruchsvollen Folgebehandlung vorgenommen werden können.

 

Spätestens seit Herbst 2022 stehen die Chancen für den Erhalt des Kirner Krankenhauses wieder besser. Es hatte sich einmal mehr gezeigt, dass seinerzeit die Entscheidung der Stadt Kern, die Trägerschaft des einst städtischen Krankenhauses an eine Stiftung mit kirchlichem Hintergrund abzugeben, nicht die schlechteste war. Ein rein privater Träger hätte sicherlich noch stärker auf rein betriebswirtschaftliche Faktoren geschaut und vor allem auf Grundlage der Zahlen entschieden, was sicherlich längst zu einer Schließung geführt hätte. Anders die Stiftung Kreuznacher Diakonie. Sie begann mit der Arbeit an neuen Rahmenbedingungen, um weiterhin Verhandlungen mit den Krankenkassen führen zu können. Bei den Kassen liegt nämlich auch im Falle des Krankenhauses Kirn die Entscheidung über die Gewährung von Sicherstellungszuschlägen. Vor diesem Hintergrund wird in Erwägung gezogen, die beiden Standorte in Bad Kreuznach und Kirn wieder voneinander zu trennen und als eigenständige Betriebe weiterzuführen, wobei die Trägerschaft unverändert bleibt.

 

Das Kirner Krankenhaus würde infolge der Trennung ein eigenes Institutskennzeichen (IK-Nummer) erhalten, was die weiteren Verhandlungen erleichtern könnte. Der Abbau von Stellen steht nicht zur Debatte, mit Blick auf die Entwicklung der Einnahmen eine weitere Spezialisierung in den Bereichen Orthopädie, Unfall- und Viszeralchirurgie. Dieses Vorgehen erinnert an die Profilbildung an den Standorten des Westpfalz-Klinikums und zeigt in der Praxis die möglichen Defizite der von Bund- und Ländern angekündigten Krankenhausreform. Die könnte das Krankenhaus in Kirn zu einem Grundversorger degradieren, der Leistungen in den mühsam aufgebauten Spezialbereichen womöglich künftig nicht mehr abrechnen kann und damit keine wirtschaftlichen Perspektiven mehr hat.

 

Für Kommunal- und Landespolitiker heißt das: Sie müssen für den Standort kämpfen, um eine Verschlimmbesserung der Situation zu verhindern. Dennoch: Die Debatte um eine mögliche Schließung scheint erst einmal vom Tisch zu sein. Die wirtschaftliche Sicherung der Einrichtung wird dennoch eine herausfordernde Aufgabe sein.

 

6. Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein

 

„Die Verhandlungen zwischen den Gesellschaftern der Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein gGmbH und der Sana Kliniken AG befinden sich in einem fortgeschrittenen Stadium. Sie werden konstruktiv und in guter Atmosphäre unter Beteiligung von Landrat Dr. Alexander Saftig, Oberbürgermeister David Langner und Thomas Lemke, Vorstandsvorsitzender der Sana, geführt.“  Schon der erste Absatz der Pressemitteilung des Gemeinschaftsklinikums (GKM) vom 13. Juli 2023 überraschte. Man gewann zwangsläufig den Eindruck, dass die engagierten und vor allem kontrovers geführten Debatten über die Teilprivatisierung des Maximalversorgers in den vergangenen Monaten keine Rolle mehr spielen würden.

 

Vor allem die Koblenzer Stadtratsfraktion der FREIEN WÄHLER hatte sich erbittert gegen den Verkauf einer Mehrheitsbeteiligung am GKM gewehrt. Zuletzt sah es sogar so aus, dass die klaren Entscheidungen in den Gremien für die Privatisierung aufgrund verschiedener Unwägbarkeiten ins Wanken geraten könnten. All dies spielte in der GK-Pressemitteilung offenbar keine Rolle mehr. Hier wird nur darauf verwiesen, dass die Verhandlungen zwischen den bisherigen Gesellschaftern und dem Klinikkonzern Sana noch nicht finalisiert werden konnten. Dies lag nach GKM-Aussage an einigen noch zu klärenden Einzelfragen, „teilweise mit erheblichen finanziellen und auch versorgungsrelevanten Dimensionen“.

 

„Ursächlich sind die nunmehr anstehenden Plausibilisierung der für die Umsetzung der Einstandortlösung in Koblenz-Moselweiß erforderlichen Mittel, die Höhe der möglichen Förderquote des Landes und damit die von Sana und Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein noch aufzubringenden Mittel. In allen Punkten ist man mit dem Ziel der zukunftssicheren Aufstellung des Klinikums im intensiven Dialog“, heißt es weiter. Genaue Zahlen wurden ebenso wenig genannt wie die Tatsache, dass die Verträge eigentlich bereits Ende 2022 vorliegen sollten. Man muss davon ausgehen – und das deutet auch die Pressemitteilung an –, dass dies auch auf die bundespolitischen Entwicklungen Gründe für die Verzögerung sind. Standen doch die zu erwartenden neuen regulatorischen Rahmenbedingungen noch nicht fest, als sich die GK-Gesellschafter und die Vertreter von Sana an einen Tisch setzten. Seit dem Treffen der Gesundheitsminister am 10. Juli 2023 und der Präsentation des erarbeiteten Eckpunktepapiers ist das offensichtlich anders.

 

Um die besorgten Mitarbeiter zu beruhigen, betonten die Verantwortlichen, allen voran Aufsichtsratsvorsitzender Dr. Alexander Saftig, Landrat des Landkreises Mayen-Koblenz, dass man ein „langfristig tragendes Konstrukt und eben keine Übergangslösung“ suche. Und der Koblenzer Oberbürgermeister David Langner ergänzte: „Infolge der Kapitalerhöhung durch die Kommunen und den Fortbestand der Kreditlinien ist die Gesellschaft finanziell auf stabilem Kurs.“ Was nicht gesagt wurde ist, dass die geplanten Baumaßnahmen inzwischen so teuer geworden sind, dass nicht nur deren Sinn hinterfragt werden muss, sondern auch der Einstieg der Sana Kliniken AG. Waren es doch die bisherigen Gesellschafter, die vorerst eine Insolvenz im Alleingang durch finanzielle Unterstützung in zweistelliger Millionenhöhe abgewendet hatten. Auch zeigt ein Blick in die jüngere Historie des Klinikums, dass Fusionen und Umstrukturierungen bislang nicht immer Erfolgsgeschichten waren und deshalb auch keine Patentrezepte für die Zukunft sein können.

 

Warum also die Zusammenarbeit mit der Aktiengesellschaft Sana? Aus Sicht der Befürworter ermöglicht die Korporation den Einstieg eines starken Partners aus der Privatwirtschaft Weiterentwicklung und Stabilisierung des Klinikums – ohne dass die bisherigen Gesellschafter der Trägergesellschaft Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein gGmbH außen vorbleiben. Dies sind die Stadt Koblenz, der Landkreis Mayen-Koblenz (bis Ende 2022 jeweils 25 Prozent), die Stiftung Evangelisches Stift St. Martin (aktuell 28,57 Prozent) sowie die Stiftungen Hl. Geist Boppard, Seniorenhaus zum Hl. Geist Boppard und die Diakoniegemeinschaft Paulinenstift Wiesbaden (aktuell jeweils 7,14 Prozent).

 

Der Zusammenschluss der Klinikstandorte Koblenz, Mayen, Boppard und Naststätten zum Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein wurde 2014 rückwirkend zum 1. Januar vollzogen. Das Zusammenrücken von kommunalen Trägern und Trägern mit kirchlichem Hintergrund bundesweit einmalig war und somit Modellcharakter hatte. Das fusionierte Klinikum wurde Mitglied des Diakonischen Werks Hessen und Nassau und der Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz.

 

Der Dienst am Menschen wird seit der Fusion weiterhin an insgesamt vier Standorten geleistet: Koblenz, Mayen, Boppard und Naststätten. Die Präsenz in verschiedenen Kommunen ähnelt der Konstruktion des Westpfalz-Klinikums, allerdings sind die Dimensionen etwas kleiner. Aktuell nennt das GKM insgesamt rund 1250 Betten und rund 4200 Mitarbeiter. Jährlich werden etwa 56.000 Patienten stationär und weitere 125.000 ambulant behandelt. Dabei kann die Bedeutung der kleinen Standorte für die Grund- und Regelversorgung nicht hoch genug eingeschätzt werden, zumal auch in diese weiter investiert wurde. So war das Paulinenstift in Naststätten bis Ende 2013 saniert und erweitert worden, wobei auch in die Diagnose- und Therapiemöglichkeiten investiert wurde. Das Land hatte die Maßnahmen mit rund 9 Millionen Euro gefördert.

 

Die Sana Kliniken AG, die bislang an 53 Standorten aktiv ist, plante, mit einer Mehrheitsbeteiligung von 51 Prozent einzusteigen. Dieser Schritt wäre wohl mit tiefen Einschnitten in die Struktur des noch jungen GKM verbunden, dessen Vorgeschichte am Standort Koblenz 218 Jahre zurückreicht.108 Nach eigenen Angaben ist der Konzern mit ihren rund 34.500 Mitarbeitern die drittgrößte private Klinikgruppe in Deutschland und einer der bedeutendsten Anbieter im Bereich integrierter Gesundheitsdienstleistungen. Die Gruppe hat ihren Firmensitz in Ismaning bei München. Sie erwirtschaftete allein 2022 einen Umsatz von rund 3 Milliarden Euro. Die Gruppe hebt in ihrem Netzauftritt www.sana.de unter anderem hervor, dass sie als Einkäufer und Logistiker für mehr als 600 Gesundheitseinrichtungen in Deutschland und in der Schweiz aktiv ist, was zu erheblichen Einspareffekten führen können. Darüber hinaus wirke sie nicht nur selbst, sondern über ihre Tochterunternehmen direkt in den Krankenhäusern, etwa beim OP-Management oder bei Instrumentenaufbereitung. Auch gebe es einen konzerneigenen Immobilienservice, der aktuell für 50 Krankenhäuser mit rund 100 Liegenschaften aktiv sei. In diesem Unternehmen gehörten Immobilienentwicklung und Projektmanagement zum Kerngeschäft.

 

Die wenigen Beispiele zeigen: Die finanzschwachen bisherigen Gesellschafter erhofften sich vom Sana-Einstieg, dass ihre Probleme im Krankenhausbereich perspektivisch vom Tisch sind. Sah es doch fast so aus, als könnte Sana ein „Rundum-sorglos-Paket“ bieten. Doch der erste Eindruck täuschte.

 

Dass sich die Gruppe für den Standort Koblenz interessiert, könnte auch an den Beteiligungen liegen. Sind doch 24 Unternehmen der privaten Krankenversicherungen als Aktionäre an der Sana Kliniken AG beteiligt. Die größten Aktionäre sind DKV Deutsche Krankenversicherung AG (22,4 Prozent), die Signal Iduna Krankenversicherung a. G. (19,4 Prozent), die Allianz Private Krankenversicherungs-AG (14,4 Prozent) und der Debeka Krankenversicherungsverein a. G. (10,4 Prozent).109 Letzterer hat seinen Sitz in Koblenz, was in der langen Tradition des Oberzentrums als Beamtenstadt begründet liegt. Es könnte also naheliegen, in einem regionalen Ballungsraum mit einem hohen Anteil von Privatpatienten einen Mehrwert durch eine indirekte Beteiligung am einen ortsnahen Maximalversorger bieten zu können.

 

Vieles scheint also alles für eine Beteiligung mit der Sana Kliniken AG zu sprechen. Doch es gab auch massive Kritik, vor allem an der Personalpolitik, die immer wieder zu massiven Protesten seitens der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) führte – und nicht nur deshalb, weil Mitarbeiter oft schlechter gestellt sind als Beschäftige in Krankenhäusern mit rein kommunalem oder karitativem Hintergrund. So kritisierte ver.di im April 2021 die geplante Massenentlastung in der DGS pro.service GmbH. Im Tochterunternehmen der Sana-Immobiliengesellschaft sollten alle Geschäftsbereiche außer der Reinigung geschlossen werden sollen. 1000 der rund 3000 Mitarbeiter waren betroffen.110

 

Mit der Überschrift „Der nächste Skandal“ informierte ver.di im September 2021 über die von Sana geplante Ausgliederung von Pflegehilfskräften und Auszubildenden in die Sana Catering Service GmbH (SCS) oder die Sana Personal Service GmbH (SPS). Demnach sollte sogar die Ausbildung zum Krankenhauspflegehelfer nicht mehr ausschließlich direkt an den Kliniken, sondern über die SCS erfolgen. „Damit verfolgt Sana die Strategie der Profitmaximierung und Aufspaltung der Belegschaften trotz öffentlicher Kritik weiter“, monierte die Gewerkschaft. Das ver.di-Fazit: „Beschäftigte werden im Sana-Konzern wie Bauklötze hin- und hergeschoben, um die Gewinne zu steigern. Ausbildung und Patientenversorgung leiden. Ein solches Verhalten hat im Gesundheitswesen und anderswo nichts zu suchen. In Krankenhäusern darf es nicht um die Maximierung von Profiten gehen, die Menschen müssen im Mittelpunkt stehen.“

 

Die Bilanz der Dienstleistungsgewerkschaft fällt auch deshalb so bitter aus, weil die genannten Beispiele offenbar nur zwei von vielen sind. So waren bereits im Januar 2021 Sana-Pläne bekannt geworden, den Pflegekräften der konzerneigenen Klinik in Offenbach die außertarifliche Zulage zu kürzen – trotz der gestiegenen Belastung im Verlauf der Corona-Krise.

 

Die geschilderten Fälle bedeuten aber nicht, dass Sana und ihre Tochtergesellschaften grundsätzlich gegen die Belegschaft und deren Interessenvertreter wirkt. Das zeigte sich auch daran, dass die Gewerkschaft in harten Verhandlungen im November 2022 einen neuen Tarifvertrag durchsetzen konnte, der unter anderem eine Erhöhung der tariflichen Zulagen sowie der Ausbildungsvergütung brachte. Der Einigung vorausgegangen waren Streiks in den Reihen der rund 10.000 Beschäftigten im Sana-Konzernvertrag. Hintergrund: Die Gruppe wollte die Löhne erst ab 2024 erhöhen und die Übergangszeit mit Sonderzahlungen überbrücken.

 

Dies sind nur drei Beispiele, ein Anspruch auf Vollständigkeit wird nicht erhoben. Doch zeigen sie, dass auch private Betreiber keine Wunder bewirken können. Gerade sie müssen mit harten Bandagen kämpfen, um die nachteilige Kostenentwicklung in den Griff zu bekommen – in der Regel auch durch erhebliche Einsparungen im Personalbereich.

 

Dass auch für private Betreiber schwierige Zeiten angebrochen sind, zeigte bereits im Mai 2019 ein Bericht des Handelsblatts. Darin heißt es: „Viele Jahre galt die deutsche Krankenhausbranche als stabil wachsender Markt. Doch nun zeichnet sich ein Wendepunkt ab: Die großen Klinikbetreiber ächzen unter der Last der Gesundheitsreformen der vergangenen Jahre. Dem drittgrößten Klinikbetreiber Sana Klinik AG mit Sitz in Ismaning bei München droht nun erstmals seit Jahren ein sinkendes Ergebnis für das laufende Jahr.“ Thomas Lenke wird mit den Worten zitiert: „Der Markt ist rückläufig. Die Patientenzahlen sinken.“  Der Sana-Vorstandsvorsitzende nannte als Grund für die Entwicklung vor allem regulatorische Eingriffe.

 

Die Krankenhausreform 2024 dürfte auch für private Krankenhausbetreiber weitere Eingriffe bringen. Es bleibt die Frage, ob große Eigner wie Sana das Kommende wirklich grundsätzlich besser bewältigen werden als Betreiber mit kommunalem, staatlichem und karitativem Hintergrund. Dass zuerst das Personal unter den Sparzwängen leiden würde, zeigte sich in Koblenz bereits in einem Stadium, als die Verträge mit Sana noch gar nicht unter Dach und Fach waren. So hatte der Konzern von den bisherigen Gesellschaftern gefordert, den kommunalen Arbeitgeberverband zu verlassen und damit auch die Bindung an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes aufzugeben.

 

Laut Rhein-Zeitung wollte die Sana Kliniken AG ihren eigenen Konzerntarifvertrag durchsetzen, der zumindest neue einzustellende Mitarbeiter deutliche Verschlechterungen gebracht hätte – und perspektivisch auch für das Stammpersonal. Es kam deshalb, wie es kommen musste: Die erste Verhandlung mit dem Betriebsrat endete im Streit und das, obwohl Sana eine Art „Besitzstandszulage“ zahlen wollte, um den Übergang in den Haustarifvertrag zu versüßen. Der Verhandlungsführer von ver.di, Tobias Zejewski, monierte diese Konstruktion und erinnerte daran, dass den neuen Bedingungen die Dynamik des Tarifvertrags des öffentlichen Dienstes fehle. Mögliche Folge: Der Hausvertrag könnte geringer ausfallen als das, was Angestellte im Gesundheitswesen über die nächsten Jahre im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) verdienen würden. Entsprechend äußerte sich auch Betriebsrat Florian Hasdenteufel, der auch Mitglied in der ver.di-Tarifkommission ist und die Anwendung des TVöD für alle Beschäftigten des Gemeinschaftsklinikums forderte.

 

Die Auseinandersetzung endete mit einem Etappensieg für die Beschäftigten des Gemeinschaftsklinikums. Im Dezember 2022 ließ Sana die Forderung nach der Einführung des Konzernvertrages nach harten Tarifverhandlungen fallen.

 

6.1 Ein-Standort-Lösung für Koblenz

 

Als 2014 die Fusion zwischen dem kommunalen Gemeinschaftsklinikum Koblenz-Mayen117 mit dem Stiftungsklinikum Mittelrhein118 zum Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein gGmbH vollzogen wurde, gingen die Gesellschafter noch davon aus, dass die beiden Koblenzer Standorte in der Südlichen Vorstadt und in Moselweiß erhalten bleiben sollten. Bis weit in das Jahr 2016 hinein wurde öffentlich kommuniziert, dass die fünf vorhandenen Häuser in Koblenz, Boppard und Nastätten langfristig zum Markenkern des gemeinsamen neuen gemeinnützigen Unternehmens gehören sollten. Das änderte sich im Frühjahr 2018: Am 27. April entschieden sich die Aufsichtsgremien für eine Ein-Standort-Lösung für Koblenz. Die Entscheidung, die am 30. April 2018 im Rahmen einer Pressekonferenz im Evangelischen Stift St. Martin bekanntgegeben wurde, kam für Außenstehende völlig überraschend.

 

Eigentlich sollten die beiden Standorte in den Stadtteilen Moselweiß und Südliche Vorstadt mit 500 beziehungsweise 350 Betten getrennt weiterentwickelt werden. So wollte man bereits 2013 am Kemperhof im Stadtteil Moselweiß umfassende Baumaßnahmen in Angriff nehmen. Herzstück sollte zunächst ein rund 24,5 Millionen Euro teurer Ersatzbau mit 137 Betten sein, der aus Sicht des damaligen Gemeinschaftsklinikums Koblenz-Mayen eine Erneuerung des Hauptgebäudes samt Bettentrakt bei laufendem Betrieb erst möglich gemacht hätte.

 

Der Baubeginn verzögerte sich immer wieder, schließlich wurde das Projekt ganz aufgegeben. Das lag auch an der Intervention des Rechnungshofes Rheinland-Pfalz. Präsident Klaus P. Behnke hatte im Februar 2017 in einem Brief an den damaligen Gesundheits-Staatsekretär und heutigen Koblenzer Oberbürgermeister David Langner dargelegt, dass ein Bedarf für diesen Neubau nicht nachgewiesen werden konnte. Behnke wies darauf hin, dass der Auslastungsgrad des Gemeinschaftsklinikums lediglich bei 75 Prozent gelegen hatte. Für das damalige Stiftungsklinikum Mittelrhein mit dem Hauptstandort Evangelisches Stift St. Martin lag der Auslastungsgrad sogar nur bei 69,4 Prozent.

 

Ferner wies der Rechnungshof darauf hin, dass die Zahl der Krankenhausbetten in Koblenz zwischen 2009 und Anfang 2016 sogar um 98 auf 1602 Betten gestiegen war. Als Grund hierfür wurde die geplante Aufnahme des Bundeswehrkrankenhauses in Koblenz in den Landeskrankenhausplan genannt.

 

Der Vorgang zeigt, dass man auf Landesebene längst die Ein-Standort-Lösung favorisiert hatte, weil man angesichts der auch für das Land zu erwartenden hohen Kosten, Doppelstrukturen vermeiden wollte. Insofern folgten die Entscheider in Koblenz letztendlich in Erwartung hoher Zuschüsse für die erforderlichen Neubaumaßnahmen der neuen Linie des Landes. Bei der Pressekonferenz gingen sie davon aus, dass die Vereinigung der beiden Krankenhäuser auf dem Kemperhof-Gelände frühestens 2023 vollzogen sein würde. Inzwischen hat sich jedoch herausgestellt, dass sich sowohl der bisherige Zeitplan als auch die berechneten Investitionssummen völlig verändern werden.

 

Ursprünglich sollten innerhalb von fünf Jahren rund 190 Millionen Euro in die Zukunftssicherung des Verbundkrankenhauses investiert werden, wobei das Land für die Aufwertung des noch jungen Maximalversorgers einen Zuschuss von mindestens 100 Millionen Euro in Aussicht gestellt hatte. Die Konzentration an einem Standort sollte weder zu Lasten der Beschäftigten noch der Behandlungsqualität gehen. Ganz im Gegenteil: Mit dieser Zusammenführung wollte man Synergieeffekte verstärken. Auch sollte das ursprünglich eigenständige Evangelisches Stift in der Südlichen Vorstadt weder aufgegeben werden noch Neubauplänen weichen, die mit dem ursprünglichen Zweck nichts zu tun hatten. Geplant war, das zentral in der Nähe des Koblenzer Hauptbahnhofs Stift im Rahmen eines sozialmedizinischen Nutzungskonzeptes umzuwandeln.

 

Zum damaligen Zeitpunkt konnte man sogar von einer Aufbruchsstimmung sprechen: „Der Weg ist frei“, brachte es damals Hans-Jürgen Gutenberger auf den Punkt. Der damalige Vorsitzende der Gesellschafterversammlung verwies auf einen entscheidenden Vorteil der geplanten Zusammenlegung an einem Standort: die intensive Vernetzung unterschiedlicher Disziplinen. Und Joachim Hofmann-Göttig, seinerzeit Oberbürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzender, würdigte an seinem letzten Tag im Amt die nach langwierigen Abstimmungsprozessen gefallene Entscheidung als entscheidend für die wirtschaftliche Zukunft des Gemeinschaftsklinikums.

 

Auch gab es eine Arbeitsplatzgarantie für die damals rund 4000 Beschäftigten. Dr. Moritz Hemicker kündigte sogar an, dass weitere Stellen für Fachkräfte geschaffen werden sollen und die Gesamtzahl von rund 800 Betten an den beiden Koblenzer Standorten erhalten bleiben solle. Im Gegenzug sollte durch die Straffung von Abläufen und den Abbau von Doppelkapazitäten Einsparpotenziale in Höhe von rund 7,5 Millionen Euro jährlich erschlossen werden – und das, obwohl neue Zentren aufgebaut werden sollen, etwa für Onkologie, Neuroonkologie oder für Kinderchirurgie.

 

Zum damaligen Zeitpunkt schien geklärt zu sein, welche umfassenden Baumaßnahmen es im Rahmen des Strukturwandels geben würde. Martin Stein, seinerzeit kaufmännischer Geschäftsführer des Klinikums, sprach von insgesamt drei neuen Gebäuden – zwei Bettentrakten und einem schon seit längerer Zeit geplanten multifunktionalen Gebäude auf dem Kemperhof-Gelände. Das bisherige, 1973 vollendete Bettenhaus sollte zwar bestehen bleiben, aber ungenutzt werden.

 

Auch für die Südliche Vorstadt gab es große Pläne. Denn die Stiftung Evangelisches Stift St. Martin wollte hier ihr Engagement in der medizinischen und sozialen Betreuung von Senioren deutlich ausbauen. Geplant waren neben einem Facharztzentrum (die baulichen Voraussetzungen hierfür waren in jüngerer Vergangenheit geschaffen worden) auch eine Einrichtung für ambulante Operationen und darüber hinaus Appartements zum Ausbau der Kapazitäten im Bereich betreutes Wohnen. Für diesen Zweck sollte auch das ebenfalls 1973 fertiggestellte Stift-Bettenhaus umgebaut werden. Eine bautechnische Untersuchung hatte es bereits gegeben, die Ingenieure sahen keine größeren Probleme, das Vorhaben umzusetzen.

 

Mit diesem umfassenden Konzept traten die Verantwortlichen Befürchtungen entgegen, dass die medizinische Tradition der Einrichtung in der Vorstadt nach mehr als 120 Jahren zu Ende gehen würde. Dennoch bekannte Hans-Jürgen Gutenberger, der auch Vorsitzender des Verwaltungsrates der Stiftung war, dass er – wie viele Mitarbeiter auch – mit Emotionen zurückblicke. Aber bei näherer Betrachtung führte auch für ihn kein Weg an einer Zusammenlegung an einem erweiterungsfähigen Standort vorbei.

 

Der Spatenstich für die ersten Maßnahmen zum Bau des zusammengeführten Krankenhauses auf dem Kemperhof-Gelände sollte ursprünglich bereits im Laufe des Jahres 2019 erfolgen. Doch daraus wurde nichts. Von den ehrgeizigen Plänen ist inzwischen wenig übriggeblieben. Dafür wurden Strukturen auf den Prüfstand gestellt. So kündigte der Aufsichtsrat Anfang April 2019 an, dass die Küche des Gemeinschaftsklinikums vor dem Aus steht. Auch wurde die marode ehemalige Krebsstation auf dem Kemperhof-Gelände abgerissen. Derzeit setzen die beteiligten kommunalen Träger und Stiftungen auf Übergangslösungen, weil das Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein in eine finanzielle Schieflage geraten ist. Von einem Termin für den Spatenstich für das neue gemeinsame Haus auf dem Kemperhof-Gelände spricht derzeit niemand. „Pläne für gemeinsames Haus auf Eis: Zusammenlegung von Evangelischem Stift und Kemperhof steht in den Sternen“, titelte die Rhein-Zeitung bereits Ende September 2020.

 

Außerdem wird über einen gravierenden Einschnitt beraten, von dem weder bei der Gründung noch bei der Pressekonferenz Ende April 2018 die Rede war: die Beteiligung eines privaten Krankenhauskonzerns. Schlägt nun die Stunde der Sana Kliniken AG?

 

6.2. Ein Grundsatzbeschluss und seine Folgen

 

„Banken erhöhen Druck auf Gemeinschaftsklinikum. Droht eine Insolvenz?“ titelte die Rhein-Zeitung im Oktober 2020.124 Damit war klar, dass der in den vergangenen Monaten in der Öffentlichkeit gezeigte Optimismus bestenfalls ein Zweckoptimismus gewesen war. Jetzt machten die Banken Druck und forderten weitere Sicherheiten in Höhe von 22 Millionen Euro. „Der Einstieg eines neuen Gesellschafters, der Geld ins Unternehmen bringt, wird immer wahrscheinlicher. Ein erstes Angebot der Sana AG, die derzeit per Managementvertrag die Geschäftsführung des Klinikums stellt, lag bereits vor, wurde von den Gesellschaftern aber abgelehnt. Der Einstieg des drittgrößten Krankenhausbetreibers Deutschlands ist aber keineswegs vom Tisch“, so die RZ weiter. Die Zeitung wies auch darauf hin, dass die Gesellschafter bereits 8,2 Millionen Euro aufgebracht hatten, um die finanzielle Basis zu stabilisieren.

 

Der Vorgang zeigt vor allem eines: Die Entscheidung, im März 2020 das Management in die Hände von Spezialisten eines Krankenhauskonzerns zu geben, heißt in der Konsequenz noch lange nicht, dass mit einem solchen Schritt Krisensituationen tatsächlich besser bewältigt werden. Entsprechend schwer taten sich die politisch Verantwortlichen im Koblenzer Stadtrat. So hatte sich die CDU-Stadtratsfraktion mit einem für viele überraschenden Vorstoß gewünscht, dass sich der Klinikverbund künftig komplett in kommunaler Hand befindet.

 

Der Koblenzer Stadtrat fasste in seiner Sitzung am 15. Juli 2021 in der Rhein-Mosel-Halle mit großer Mehrheit einen Grundsatzbeschluss für die Fortführung des in finanzielle Turbulenzen geratenen Gemeinschaftsklinikums Mittelrhein. Mit der Entscheidung ging einher, für die Zukunftssicherung des Verbundkrankenhauses im Rang eines Maximalversorgers einen strategischen Partner als Gesellschafter und auch als Finanzierungspartner zu gewinnen.

 

33 Ratsmitglieder stimmten seinerzeit mit ja, zehn weitere enthielten sich der Stimme. Lediglich die beiden Mitglieder der Fraktionsgemeinschaft Die Linke-Partei votierten mit nein, weil sie sich grundsätzlich gegen die mögliche Beteiligung eines privaten Mehrheitsgesellschafters aussprach. Genau die wäre mit der ursprünglichen Beschlussvorlage möglich gewesen, die dann aber mit den Stimmen von Grünen, SPD, FREIEN WÄHLERN und Wählergruppe Schupp – trotz der Kritik der FDP – geändert wurde. In der Vorlage hieße es dann nur noch „Gesellschafter“. Kleine Randnotiz: Vor der Halle hatten zehn Sympathisanten der Linken-Partei gegen die mögliche Beteiligung eines privaten Anteilseigners protestiert.

 

Theoretisch hielt sich der Koblenzer Stadtrat mit der Kompromissformel alle Optionen offen. Es kam nicht von ungefähr, dass der Landtagsabgeordnete Stephan Wefelscheid, der auch Vorsitzender der FREIE WÄHLER-Stadtratsfraktion ist, einen Einstieg des Landes Rheinland-Pfalz ins Spiel brachte. „Gleichwohl geben wir das Verhandlungsmandat, aber offen für alle Verhandlungen“, begründete Wefelscheid das damalige Abstimmungsverhalten seiner Fraktion.

 

In den kommenden Monaten sollte sich die Situation rund um das Gemeinschafsklinikum weiter zuspitzen, auch weil die Gesellschafter bereits Sana mit der Geschäftsführung beauftragt hatte. Im März 2020 trat Melanie John, die für den Konzern bereits in ähnlicher Funktion tätig war, ihr Amt als Geschäftsführerin in Koblenz an. Mit ihrer Ankündigung vom 22. November 2022, das Weihnachtsgeld um 70 Prozent kürzen zu wollen, sollte sie sich später endgültig den Zorn der Mitarbeiter auf sich lenken. Weil der Anspruch auf Weihnachtsgeld jedoch tariflich gesichert war, musste sie schließlich zurückrudern.

 

Auch hatte sich inzwischen längst herausgestellt, dass die Verhandlungen mit der Sana Kliniken AG komplexer waren als ursprünglich gedacht. Dennoch trafen der Koblenzer Stadtrat und der Kreistag des Landkreises eine Grundsatzentscheidung und machten den Weg für weitere Verhandlungen mit Sana frei, obwohl sich längst abgezeichnet hatte, dass der Konzern mit harten Bandagen kämpfen würde. In der Sitzung des Kreistages am Donnerstag, 21. Juli 2022, stimmten 31 Mitglieder für die Weiterführung der Verhandlungen, neun dagegen. Dennoch zog sich der nicht öffentliche Teil der Sitzung in die Länge, weil der Betriebsrat interveniert hatte. Deswegen wurde der Beschluss erweitert – mit der Folge, dass die Mitarbeitervertreter bei den nun folgenden Verhandlungen gehört werden müssen, vor allem dann, wenn es um Tariffragen, Sicherung der Arbeitsplätze und die Zusatzversorgung geht.

 

Die große Mehrheit im Kreistag kam auch deshalb zustande, weil inzwischen die Dimensionen der finanziellen Herausforderungen derart groß waren, dass, so die damaligen Schätzungen, in alle Standorte insgesamt rund 400 Millionen Euro investiert werden mussten. Allein in Koblenz waren 300 Millionen Euro eingeplant. Und für die Aufwertung des St.-Elisabeth-Krankenhaus in Mayen waren zur Standortsicherung Ausgaben in zweistelligen Millionenbereich fällig.

 

Eine Sana-Beteiligung versprach da zusätzlich zu den in Aussicht gestellten Landeszuschüsse eine Entlastung, zumal es für die kommunalen Gesellschafter ein „Bonbon“ gab. Sie sollten mit jeweils 20 Prozent am Gemeinschaftsklinikum beteiligt bleiben. „Eine für uns sehr wichtige Grundvoraussetzung ist, dass die kommunalen Gesellschafter dauerhaft eine starke Stellung im Unternehmen beibehalten und mit rund 40 Prozent beteiligt bleiben“, kommentierte Landrat Alexander Saftig die künftigen Perspektiven für die beteiligten Kommunen, wobei  bereits klar war, dass Sana einen Anteil von 50 Prozent plus X erhalten sollten.129 Einen Tag später, und zwar am Freitag, 22. Juli 2022,  folgte ebenfalls ein klares Votum des Koblenzer Stadtrates: 29 Mitglieder stimmten mit Ja, 13 stimmten mit Nein und fünf Ratsmitglieder enthielten sich der Stimme.130 Die Fraktionen von FREIEN WÄHLERN und Linke-Partei hatten gegen die Fortsetzung der Verhandlungen gestimmt. Die AfD enthielt sich, weil es innerhalb der Fraktion kein klares Meinungsbild gab. Die weiteren Zeitvorgaben waren jedoch eindeutig. Bis Ende des Jahres wolle man eigentlich alles unter Dach und Fach haben.131 Was jetzt noch fehlte, war das Votum der am Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein beteiligten Stiftungen. Das war allerdings nur noch Formsache.

 

Wer jetzt allerdings gedacht hatte, dass alles Weitere schnell in trockene Tücher gelangen würde, sah sich getäuscht. Denn auch die Befürworter des Sana-Einstiegs machten es sich nicht leicht. Die weiteren Verhandlungen gestalteten sich wegen der vielen noch zu klärenden Details äußerst zäh. Sana versuchte Druck zu machen, indem sie den bereits bestehenden Managementvertrag mit dem Gemeinschaftsklinikum fristgerecht zum 31. März 2023 kündigte. Eigentlich wäre das aus kommunaler Sicht der geeignete Zeitpunkt gewesen, die Verhandlungen mit Sana abzubrechen. Doch die bevorstehenden immensen finanziellen Herausforderungen bewogen die Entscheider auf kommunaler Ebene, die von der Koblenzer Kanzlei Martini | Mogg | Vogt vertreten wurden und werden, die Verhandlungen. Allerdings wurde der Managementvertrag für die Zeit ab dem 1. April 2023 neu ausgeschrieben. Nach einem zweistufigen Bieterverfahren erhielt die Bietergemeinschaft Hospital Management GmbH (Schleswig) und WMC Healthcare GmbH (München) den Zuschlag.

 

Unterdessen stand fest, dass die bisherigen Gesellschafter die finanzielle Verantwortung schon allein aus rechtlichen Gründen nicht einfach an einen neuen privaten Mehrheitsgesellschafter abgeben konnten. Und so zogen sich die Verhandlungen weiter in die Länge. Im Dezember 2022 entschieden sich die Mitglieder des Koblenzer Stadtrates und des Kreistages Mayen-Koblenz in ihren jeweiligen Sondersitzungen, dem GKM weitere Millionen Euro zur Verfügung zu stellen und die Marschroute für weitere Verhandlungen abzustecken. Man war sich offenbar einig, dass eine Insolvenz des Verbundklinikums keine Lösung gewesen wäre.  Man suchte offensiv nach einem Ausweg.

 

Allein die Sondersitzung des Koblenzer Stadtrates in der Rhein-Mosel-Halle am 12. Dezember 2022 dauerte drei Stunden, wobei nicht an Kritik über das Gebaren der Sana Kliniken AG gespart wurde, die das GKM eigentlich zum neuen Stichtag 1. April 2023 übernehmen wollte. Die Sitzung wurde vom Protest von mehr als 100 Mitarbeitern der fünf Häuser des GKM begleitet, die sich vor dem Foyer der Halle versammelt hatten. Mit dabei: Auch Vertreter der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di (vertreten durch Tobias Zejewski) und des Betriebsrates des Kemperhofs (vertreten von SPD-Ratsfrau Marion Mühlbauer), die angesichts der noch schwebenden Tarifverhandlungen weiterhin eine Bezahlung der Beschäftigten nach dem Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD) forderten. Konkrete Entscheidungen gab es in dieser Sitzung nicht. Es ging vor allem darum, der Sana Kliniken AG zu signalisieren, dass man sich nicht unter Druck setzen lässt.

 

Auf Richtungsentscheidungen für die Zukunft des Gemeinschaftsklinikums Mittelrhein und mögliche Überbrückungskredite musste man also noch warten, allerdings nicht sehr lange. Kurz vor Weihnachten 2022 tagten Stadtrat und Kreistag noch einmal und beschlossen, für das Gemeinschaftsklinikum weitere Millionensummen bereitzustellen, um die Liquidität der Einrichtung weiterhin zu gewährleisten. In der Folge stellten Stadt und Kreis jeweils 5 Millionen Euro zur Verfügung – aber nicht zum Nulltarif. Die beteiligten Stiftungen, die kein Geld zur Verfügung stellten, mussten Anteile an die kommunalen Eigner abgeben, die damit ihren Anteil auf jeweils 26,5 Prozent erhöhten. Diese erklärten sich wiederum bereit, bei Bedarf jeweils weitere 3,5 Millionen Euro nachzuschießen.

 

Insgesamt stand nun eine Finanzspritze von 17 Millionen Euro im Raum, die ausschließlich die kommunalen Gesellschafter und damit der Steuerzahler „stemmen“ musste. Die Diskussion über das Gesamtpaket erfolgte übrigens in einer dreistündigen nichtöffentlichen Sitzung, im folgenden öffentlichen Teil wurde lediglich abgestimmt. Letztendlich sprach sich nur die FDP gegen die Finanzspritze aus. Fraktionsvorsitzender Christoph Schöll brachte am Rande der Sitzung eine Planinsolvenz in Eigenverwaltung als Alternative ins Spiel.

 

Die Entscheidung des Rates fiel auf Grundlage eins Gutachtens der Unternehmensberatung Roland Berger, dessen Ergebnisse in der nicht öffentlichen Sitzung vorgestellt wurden. Details wurden nicht bekannt, die Ratsmitglieder hatten eine Verschwiegenheitserklärung unterschreiben müssen. Klar war nur, dass auch die Gutachter eine Finanzspritze empfohlen hatten. Man hatte sich also Zeit erkauft – auch für die weitere Suche nach den Ursachen für die Misere. „Das Haus ist so auf Dauer nicht zu führen“, bilanzierte Oberbürgermeister David Langner, der sich bekanntlich wiederholt für einen Sana-Einstieg ausgesprochen hatte. Zum Zeitpunkt der Dezember-Sitzung war nämlich bereits klar, dass rund 300 Millionen Euro in das GKM investiert werden mussten.135 Angesichts der Entwicklung von Bau- und Materialkosten ist diese Schätzung inzwischen überholt.

 

Bei ihrer Suche nach den Gründen für die finanzielle Schieflage des Gemeinschaftsklinikums nannten die FREIEN WÄHLER auch hausgemachte Ursachen für die unangenehmen Entwicklungen am Verbundkrankenhaus und präsentierten auch ein Beispiel. Angesichts der später zurückgezogenen Ankündigung der Geschäftsführung des GKM, das Weihnachtsgeld nur teilweise auszuzahlen, hatte sich Stephan Wefelscheid mit zwei Kleinen Anfragen an die Landesregierung gewandt. In der Antwort des Gesundheitsministers Clemens Hoch hieß es, dass bei mehreren Fördermaßnahmen die baufachliche Prüfung noch nicht abgeschlossen sei. Es wurde eine Summe von 1,3 Millionen Euro genannt, die für Baumaßnahmen an den Standorten Boppard und Koblenz vorgesehen waren.  Der Grund für die Verzögerung ließ sich aus der Antwort nicht ableiten, sodass der Landtagsabgeordnete mit einer zweiten Kleinen Anfrage nachbohrte.

 

Die Antwort aus Mainz überraschte. Demnach war das Geld noch nicht geflossen, weil die sogenannten Schlussverwendungsnachweise, die für die Prüfung und anschließende finale Freigabe der bewilligten Mittel notwendig gewesen waren, erst mit jahrelanger Verspätung 2020 in Mainz eingegangen seien – und das, obwohl das Ministerium wiederholt an die Abgabe erinnert hatte. Wörtlich hieß es in der Antwort aus Mainz: „Der Träger hat hier gegen die in den Fördermaßnahmen festgelegten Fristen […] verstoßen“. Im Falle der bereits im März 2013 beziehungsweise im Juni 2014 abgeschlossenen Maßnahmen in Boppard wurden die Verwendungsnachweise des Trägers erst 2020 vorgelegt. Noch dicker kam es im Falle von Koblenz. Hier war die Baumaßnahme bereits 2011 abgeschlossen worden. Die erforderlichen Nachweise wurden aber erst im Juni 2022 in Mainz nachgereicht – also nach elf Jahren! Dabei gilt grundsätzlich eine Frist von einem halben Jahr.

 

In der Konsequenz bedeutete das, dass die beantragten Zuschüsse über Jahre nicht ausgezahlt werden konnten. Am Ende blieb offen, ob die zugesagten Zuschüsse in voller Höhe fließen konnten, weil ja noch geprüft werden musste. Und: Womöglich war für das GKM auch ein Zinsschaden entstanden. Die Begründungen für die Verzögerungen von sechs beziehungsweise elf Jahren seitens des Klinikums waren schwammig. Genannt wurden unter anderem Verzögerungen wegen der von Sachverständigen geforderten Nachbesserungen infolge fehlerhaft erbrachter Bauleistungen.

 

Diese haarsträubende Episode zeigt womöglich, dass am GKM weitere folgenschwere Fehler gemacht wurden, die zwar nicht Hauptursache für die finanzielle Schieflage waren, diese aber womöglich zumindest vorübergehend zur Erhöhung der Liquiditätsprobleme beigetragen haben. Dennoch endete das Jahr 2022 aus wirtschaftlicher Sicht besser als erwartet, sodass die Gesellschafter, anders als befürchtet, ihre Finanzspritze noch verzögern konnten.

 

„Die Beschlüsse haben wir unter dem Vorbehalt gefasst, falls es einen finanziellen Engpass geben sollte, dass wir mit dem Geld aushelfen können. Ich halte eine Insolvenz des GKM für den schlechtesten Weg, den man gehen kann. Das Signal an die Belegschaft wäre verheerend, viele Mitarbeiter würden abwandern“, so MdL Stephan Wefelscheid in einem Interview über die jüngsten Entwicklungen am GKM, das er gemeinsam mit seinem Stadtratskollegen Christian Altmaier der Rhein-Zeitung gegeben hatte.

 

Der FW-Fraktionsvorsitzende im Koblenzer Stadtrat betonte aber auch, dass das GKM im Tagegeschäft viel solider da stehe, als in der Öffentlichkeit dargestellt. Für diese Sichtweise spricht auch die Tatsache, dass das Unternehmen im Jahr 2022 trotz der vielen Hiobsbotschaften am Ende doch noch einen Überschuss von 1,5 Millionen Euro erwirtschaftet hatte. Zurückzuführen war das laut GKM-Geschäftsführung auf eine Reihe von Sondereffekten, die unter anderem auf finanzielle Verbesserungen nach Verhandlungen mit den Krankenkassen zurückzuführen waren. Aus Sicht von Stephan Wefelscheid zeigte diese Entwicklung, dass der Verkauf der Mehrheit an Sana nicht zwangsläufig erforderlich war.

 

„Wir haben es nicht mit einem Unternehmen zu tun, das planmäßig immer in den roten Zahlen ist, sondern mit einem Unternehmen, das in der Lage ist, schwarze Zahlen zu erwirtschaften. Das Problem ist der enorme Investitionsstau und nicht das Tagesgeschäft. Daher darf man auch nicht sagen, dass das GKM keine Zukunft hätte“, zeigte sich Wefelscheid überzeugt. Er kritisierte allerdings auch, dass Mitgesellschafter an Bord sind, die nicht bereit sind, das notwendige Kapital bereitzustellen. Das war ein Seitenhieb auf die beteiligten Stiftungen, die zudem Bereitschaft signalisiert hatten, ihre Anteile ausschließlich an die Sana Kliniken AG zu verkaufen. „Ja, die wollen raus aus der Nummer und kein eigenes Geld investieren. Ich halte es für falsch, dass sich gerade kirchliche Stiftungen aus der maßgeblichen gesellschaftlichen Verantwortung der Gesundheitsversorgung zurückziehen. Wo sonst wollen die Kirchen in der Gesellschaft denn noch verankert sein?“, fragte Stephan Wefelscheid.

 

Auch vermisste der Landtagsabgeordnete eine eigenständige Geschäftsführung. Letztere lag ja bereits, trotz der Kündigung des Managementvertrages zum 31. März 2023, bei Sana. Vor diesem Hintergrund ließ der Landtagsabgeordnete durchblicken, dass er noch nie ein Freund eines Einstiegs von privaten Krankenhauskonzernen war – vor allem deshalb, weil bei einem solchen Modell die Zukunft der kleineren Standorte in Naststätten und Boppard auf dem Spiel stehe.  Zudem hatten die vielen Medienberichte über das St.-Elisabeth-Krankenhaus in Mayen gezeigt, dass dieser wichtige Standort im Falle einer Teilprivatisierung des GKM nicht sicher sein würde.

 

Machte Wefelscheid mit Blick auf die Entwicklungen der vergangenen Monate uns den von Sana bewusst ausgeübten Druck deutlich, dass der Konzern nicht die Zukunft des GKM sei, dessen Aufgabe ja auch die Grund- und Regelversorgung in der Fläche sei. Auch die kurzzeitige Alternative eines Einstiegs der Johanniter, die ja auf dem Kemperhof-Gelände bereits eine Tagesklinik für Kinder und Jugendliche140 betreiben, war aus seiner Sicht keine Option, vor allem deshalb, weil überhaupt kein konkretes Angebot vorlag.

 

Stephan Wefelscheid und Christian Altmaier machten im Interview ferner deutlich, dass die FREIE WÄHLER-Stadtratsfraktion auf jeden Fall gegen einen Verkauf an Sana stimmen werde – und zwar final. Sie wiesen in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass es kein Bieterverfahren gegeben hätte, was aus ihrer Sicht völlig unüblich gewesen sei. Dabei wäre dies der sicherste Weg gewesen, „auch, um sich vor Konkurrentenklagen zu wappnen“. Allerdings hatte ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Landtages Rheinland-Pfalz in diesem Punkt eine Lücke offengelassen, da die Veräußerung einer Gesundheitseinrichtung durch die Kommune als Verkäufer grundsätzlich nicht dem öffentlichen Vergaberecht unterliegt, da der Verzicht der öffentlichen Hand auf die bislang wahrgenommene Aufgabe kein Beschaffungsvorgang sei.

 

Das Gutachten hatte die FREIE WÄHLER-Landtagsfraktion beim Wissenschaftlichen Dienst des Landtages in Auftrag gegeben. Die Antwort bestätigte dennoch die Auffassung der FW-Politiker, auch wenn der Wissenschaftliche Dienst in seinen Vorbemerkungen betont hatte: „Unterfinanzierungen kommunaler Krankenhäuser können zu zunehmenden Privatisierungsbestrebungen führen. Denn während in einigen Krankenhäusern in kommunaler Trägerschaft die Entwicklung zu beobachten ist, dass Verluste steigen, können private Krankenhausträger regelmäßig Rücklagen erwirtschaften. Die Privatisierung öffentlicher Krankenhäuser kann daher die Möglichkeit bieten, steigende Verluste zu beenden.“

 

Trotz dieses Einstiegs kommen die Gutachter unter Berücksichtigung des vom Bundesverfassungsgericht formulierten „Grundsatz der Universalität der Allzuständigkeit“ zu folgendem Schluss: „Entscheidet sich eine Kommune dafür, ein bislang selbst betriebenes Krankenhaus zu privatisieren, wird sie im Rahmen ihrer verfassungsrechtlich geschützten Selbstverwaltungsgarantie tätig. So besteht für Kommunale Einrichtungen zwar kein grundsätzliches Privatisierungsverbot, jedoch ist die Privatisierung nur unter Beachtung einiger rechtlicher Hürden möglich, da die Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhausleistungen zum Kernbereich der verfassungsrechtlich geschützten kommunalen Selbstverwaltung gehört. Untrennbar mit der kommunalen Selbstverwaltung […] ist die Pflicht, für eine ausreichende Sicherstellung der stationären Krankenhausversorgung Sorge zu tragen.“

 

Das Gutachten spricht eine eindeutige Sprache: Gebietskörperschaften können sich mit einem Verkauf ihrer medizinischen Einrichtungen nicht einfach von ihrer Verantwortung befreien. Ganz im Gegenteil: Sie stehen weiterhin in der Pflicht, eigene Strukturen der Gesundheitsversorgung aufrecht zu erhalten oder aufzubauen, soweit ein Versorgungsengpass droht. Das heißt im Klartext: Gebietskörperschaften wie Landkreise und kreisfreie Städte sind quasi verpflichtet, ein Krankenhaus vorzuhalten. Sie werden daher durch den Verkauf einer Einrichtung nicht aus ihrer Gewährsträgerschaft entlassen. An diesem Grundsatz ändert auch die Tatsache nichts, dass wie im Falle des GKM ein interessierter Privatinvestor mit beträchtlichen finanziellen Möglichkeiten bereitstehen. Am Ende werden immer die Kommunen in der Verantwortung stehen – und natürlich auch das Land, das ja verpflichtet ist, den Löwenanteil der Investitionen in die Infrastruktur zu bezuschussen.

 

Vor diesem Hintergrund muss man sich fragen, was der Einstieg eines privaten Eigners in ein mehrheitlich kommunales Klinikum überhaupt soll, wenn die Gesamtverantwortung letztendlich doch bei der öffentlichen Hand liegt und möglicherweise die immensen finanziellen Probleme wieder durch die Hintertür hereinkommen. Vor diesem rechtlichen Hintergrund stellte auch die Rhein-Zeitung die Frage, ob das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes letztendlich dem geplanten Verkauf der Mehrheit am GKM entgegenstehe. Mögliche Antworten gab Stephan Wefelscheid, der in einem weiteren Interview mit der Rhein-Zeitung Rede und Antwort stand.

 

Für den schlimmsten Fall brachte Stephan Wefelscheid den Gedanken einer Planinsolvenz in Eigenverantwortung ins Spiel, um dann durch die Herauslösung der Koblenzer Krankenhäuser aus dem GKM-Konstrukt zumindest die stationäre Versorgung im Oberzentrum zu sichern. Doch nach einem solchen Szenario sah es auch in der ersten Jahreshälfte 2023 nicht aus, zumal seitens der bisherigen Gesellschafter die Weichen so gestellt worden waren, dass man mindesten noch die ersten Monate des Jahres 2024 überstehen konnte.

 

Für die Gesellschafter gab es folglich keinen Grund, einen Teilverkauf an die Sana Kliniken AG übers Knie zu brechen. Und so wurde auch aus dem neuen Termin für die Übernahme der Mehrheit durch die Aktiengesellschaft zum Stichtag 1. April 2023 nichts. Stattdessen rangen sich die Mitglieder des Stadtrates Mayen-Koblenz und des Koblenzer Stadtrates bei ihren Sondersitzungen im März 2023 durch, dem GKM finanziell noch einmal unter die Arme zu greifen. Sie stimmten für ein Darlehen für Betriebsmitteln, das zeitnah ans Klinikum fließen sollte. Stadt und Landkreis übernahmen einen Anteil von jeweils 3,25 Millionen Euro, nachdem sie bereits im Dezember 2022 jeweils 5 Millionen Euro bereitgestellt hatten.145

 

Das alles bedeutete jedoch nicht, dass man sich vom Einstieg der Sana Kliniken AG verabschiedet hatte. Ganz im Gegenteil. Verabschiedet hatte man sich nur von Sana-Geschäftsführerin Melanie John, die am 1. April 2023 durch die neuen Geschäftsführer aus den Reihen einer laut Pressemitteilung „branchenerfahrenen Unternehmungsberatungsgesellschaft“ (Dr. Klaus Goedereis, später ergänzt durch Christian Straub) abgelöst wurde.

 

Unabhängig von dem Wechsel in der Geschäftsführung hielten die bisherigen Gesellschaften sowie die Mehrheiten im Koblenzer Stadtrat und im Kreistag des Landkreises an ihrem „Sana-Kurs“ fest. „Dass es so kommen wird, daran kann jetzt allerdings keinen Zweifel mehr geben“, bilanzierte die RZ. Die Gesellschafterversammlung, die direkt im Anschluss an die Sitzungen von Stadtrat und Kreistag in der zweiten Märzwoche 2023 zusammenkam, entschied, dass die zusätzlichen Mittel für Stadt und Kreis in Form einer Kapitalerhöhung an das Klinikum fließen sollten. Mit dem frischen Geld sollte die Liquidität der Gesellschaft nachhaltig gesichert werden. Damit war die Zahlungsfähigkeit des gemeinnützigen Unternehmens für weitere zwölf Monate gesichert. Bekannt wurde auch, dass die Johanniter nunmehr endgültig als mögliche Partner ausgeschieden waren. Und eher beiläufig wurde bekannt, dass sich die Verhandlungen mit der Sana Kliniken AG „in der entscheidenden Phase“ befanden.

 

Diese Praxis entspricht nicht den Vorstellungen der FREIEN WÄHLER. Und auch neutrale Beobachter werden sich fragen: Warum schießt man noch einmal 17,5 Millionen zu, um dann doch hinter dem neuen Mehrheitsgesellschafter Sana in die zweite Reihe zu treten? Es blieb zu hoffen, dass die von der Stadt Koblenz und dem Landkreis Mayen-Koblenz gewährten Kredite auch wie vereinbart zurückgezahlt werden konnten. Denn auch die Sana Kliniken AG würde es nicht leicht haben. Die weiter steigenden Energiekosten sind zum Beispiel Faktoren, die weder private noch öffentliche Eigner beeinflussen können. Was würde also passieren, wenn auch Sana mit roten Zahlen arbeiten muss und am Ende doch eine Insolvenz droht? An dieses Horrorszenario wollte die Mehrheit der kommunalen Entscheider offensichtlich nicht denken. In diesem Fall würde die Verantwortung zu Stadt und Kreis wie ein Bumerang zurückkehren – und damit auch die gewaltigen finanziellen Herausforderungen.

 

Ungeachtet der vielen möglichen Widrigkeiten sollten die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen weitergeführt werden. Es gehe aktuell um die nunmehr anstehende Plausibilisierung der für die Umsetzung der Ein-Standort-Lösung erforderlichen Mittel, meldete die Rhein-Zeitung unter Verweis auf Auskünfte aus dem Kreishaus.146 Damit stand letztendlich auch zur Debatte, wie hoch der Eigenanteil des Gemeinschaftsklinikums und seines künftigen Mehrheitseigners an dem fragwürdigen Bauprojekt in Koblenz-Moselweiß sein würde. Fragwürdig schon allein deshalb, weil erst von Kosten in Höhe von ursprünglich 190, dann 300 Millionen Euro die Rede war und aktuell hinter vorgehaltener Hand über weitere erhebliche Kostensteigerungen spekuliert wird. Außenstehende werden sich jetzt zu Recht die Frage stellen: „Und das alles für eine weitere Reduzierung der Bettenzahl und einer womöglich weniger individuellen Betreuung?“

 

Aktuell ist es immerhin so, dass im Gemeinschaftsklinikum aktiv für technische Verbesserungen gearbeitet und weiter investiert wird. So wurde am Kemperhof jüngst ein neuer OP-Roboter mit dem Namen „Leonarda“ vorgestellt, der ab September 2023 bei allgemein- und viszeralchirurgischen und urologischen Eingriffen mit maximaler Präzision eingesetzt werden sollte. Zu dieser positiven Nachricht gesellte sich wenige Tage später eine weitere: Die Meldung, dass das Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein das Geschäftsjahr 2022 mit einem Gewinn abschließen würde, bestätigte sich. Dennoch überraschten die Dimensionen: Unter dem Strich stand ein operativer Gewinn von 2,5 Millionen Euro. Und der Umsatzerlös konnte um 6 Prozent auf 326 Millionen Euro gesteigert werden.148 Diese Zahlen aus dem 48-seitigen Jahresbericht dürften selbst die kühnsten Optimisten überrascht – und die Aussage der FREIEN WÄHLER bestätigt haben, dass es keiner Privatisierung bedarf, um an Krankenhäusern schwarze Zahlen zu schreiben.

 

Als Grund für den Gewinn nennt die Rhein-Zeitung vor allem die erfolgreichen Budgetverhandlungen mit den Krankenkassen. Der Bericht zeigt aber auch, dass die Aufwertung der kleinen Standorte eines Verbundklinikums zu Verbesserungen führen kann. Im Falle des Gemeinschaftsklinikums wird der Standort Naststätten genannt. Am dortigen Paulinenstift wurde das Leistungsspektrum erweitert – im Bereich des ambulanten gastroentereologischen Angebots. Aber auch in die anderen Standorte wurde investiert: In Boppard kamen die Bereiche Akutgeriatrie und Plastische Chirurgie hinzu, und am Evangelischen Stift St. Martin wurde unter anderem ein Ästhetik-Zentrum in Betrieb genommen. Hier können Patienten ihr Äußeres auf eigene Kosten verbessern lassen. Und in Mayen? Dort wurde das St.-Elisabeth-Krankenhaus mit einem Blockheizkraftwerk ausgestattet.

 

Der Jahresbericht zeigt aber auch, dass Verbesserungen im Bereich der Verzahnung von stationären und ambulanten Bereichen zum wirtschaftlichen Erfolg beitragen kann. Im Falle des Gemeinschaftsklinikums kommen sogar noch Tochterunternehmen dazu: Seniocura (245 Mitarbeiter) betreibt drei Seniorenhäuser und drei Einrichtung für Betreutes Wohnen, Rehafit (144 Mitarbeiter) übernimmt die ambulante Rehabilitation und GZ-Service (44 Mitarbeiter) steht für Einkauf, Logistik, Speisen und Hauswirtschaft. Außerdem gehört das MVZ Mittelrhein (70 Mitarbeiter) zum GK. Hier gibt es insgesamt 17 Praxen inklusive Kindermedizin an Standorten in den einzelnen Krankenhäusern oder deren Nähe.

 

Das Beispiel des Gemeinschaftsklinikums zeigt exemplarisch für andere: Viele von Krankenhausreformern geforderten Veränderungen wurden bereits umgesetzt. Man muss sich zwangsläufig fragen, ob es einen Sinn hat, die in den vergangenen Jahren mühsam geschaffenen Strukturen im Rahmen von Klinik- oder Standortfunktionen zu zerschlagen. Und das denken wohl auch viele Entscheider. Und so gab es, völlig anders als von vielen erwartet, auch Anfang Dezember 2023 keinen Durchbruch. Die eigentlich für Ende des Jahres geplante Vertragsunterzeichnung, die den Weg für den Sana-Einstieg freimachen sollte, rückte wieder einmal in weite Ferne. Eigentlich wollte man die zähen Verhandlungen bis Ende 2022 abschließen.

 

Ein Knackpunkt in den Verhandlungen war die Zusatzversorgung für die Mitarbeiter, über die bislang bestenfalls nur am Rande öffentlich gesprochen worden war. Dabei geht es hier in der Summe um einen Betrag von 300 Millionen Euro zur Absicherung der Ansprüche von Mitarbeitern auf Zusatzrenten. Hintergrund: Bislang hatten Beschäftigte satzungsmäßig Anspruch auf Leistungen der Rheinischen Zusatzversorgungskasse (RZVK). 61 Prozent der rund 4300 Mitarbeiter nutzen diese Option.  Sana wollte aber keine Verpflichtungen aus der RZVK-Mitgliedschaft übernehmen und verwies darauf, dass die Absicherung dieser Ansprüche seitens der bisherigen Gesellschafter sei. Letztere wollten aber die Sicherheiten ebenfalls nicht gewähren.

 

Schon allein dieser Punkt mit seinen eigentlich nur theoretisch möglichen Folgeproblemen war geeignet, die Verhandlungen auf der Zielgerade komplett zu sprengen – und das, obwohl ein Haftungsszenario wohl niemals eintreten wird. Das sieht man im Mainzer Gesundheitsministerium ganz ähnlich: „Offenbar ist zwischen Sana und den kommunalen Gesellschaftern der größte Knackpunkt, dass die Rheinische Zusatzversorgungskasse eingefordert hat, dass im Fall der Übertragung der Gesellschafteranteile die Forderungen gegen das GKM besichert werden müssen […] Das ist nicht üblich, normalerweise wird eine solche Besicherung nicht eingefordert, weil es sich um ein größtenteils umlagefinanziertes System handelt“, erklärte Minister Clemens Hoch den ungewöhnlichen Vorgang, für den er das Land nicht in der Verantwortung sieht.

 

Als weiterer Knackpunkt entpuppten sich die geplanten großen Baumaßnahmen, zu denen vor alle die Zusammenführung der beiden Koblenzer Standorte gehört. Trotz der immensen Kostensteigerungen zeigte sich Sana nicht bereit, weitere als die bisher angebotenen Finanzierungszusagen zu übernehmen.153 Zu dieser statischen Haltung mag auch die Tatsache beigetragen haben, dass auch seitens des Ministeriums keine in konkreten Euro-Beträgen messbaren Daten genannt hatte. Deshalb gab es aus Sicht von Sana gute Gründe für die Zurückhaltung – eine Übernahme von 90 Prozent der förderfähigen Kosten durch das Land heißt eben nicht, dass das Land am Ende tatsächlich 90 Prozent der Gesamtkosten des Großprojektes übernimmt. Und so kam es wie es kommen musste. Auch in der Aufsichtsratssitzung am 6. Dezember 2023 wurde kein entscheidender Durchbruch erzielt. Die Rhein-Zeitung konnte deshalb nur melden, dass Sana weiterhin Interesse an einer Mehrheitsbeteiligung am Gemeinschaftsklinikum hat.

 

Fazit: Anders als erwartet, gab es im Dezember 2023 keine Vertragsunterzeichnung, sondern eine Hängepartie. Kritiker fühlten sich bestätigt.  Der Sana-Einstieg war aus ihrer Sicht schon lange ein schlechtes Geschäft für kommunalen Träger und die beteiligten Stiftungen. Der Streit um die Garantien für die Zusatzversorgung der Mitarbeiter lieferte reichlich Gründe für die Annahme, dass die Verhandlungen doch noch in letzter Minute scheitern würden. Der Sachstandsbericht des Koblenzer Oberbürgermeisters David Langner in der Stadtratssitzung am 15. Dezember 2023 gab keinen Anlass, von dieser Einschätzung abzuweichen.

 

6.3. Privatisierungskonzept endgültig gescheitert

 

Am 6. Februar 2024 stand endgültig fest: Der Einstieg von Sana war geplatzt. „Die Position von Sana und damit die fehlende Kompromissbereitschaft sei für die Gesellschafter absolut nicht nachvollziehbar und lasse keinen Raum für weitere Übernahmeverhandlungen“ meldete der SWR und verwies auf eine gemeinsame Stellungnahme von Landrat Alexander Saftig (CDU) als Vorsitzender der Gesellschafterversammlung und Oberbürgermeister David Langner (SPD).

 

Es war also dabei geblieben: Sana wollte die Risiken der betrieblichen Altersvorsorge für die aktuelle Belegschaft nicht übernehmen – und das, obwohl die Einzahlungen gesichert waren und das Risiko daher hypothetischer Natur war. Da es hier keine Einigung gab, wurden die Gespräche offenbar von den kommunalen Trägern abgebrochen. Dennoch drängt sich geradezu der Eindruck auf, dass Sana gerade angesichts der jüngsten Krankenhausinsolvenzen einen Vorwand gesucht hatte, um aus einem auch für den Konzern kostspieligen Abenteuer herauszukommen. Damit bestätigte sich, dass die auf die Krankenhäuser zukommende große Reform und ihre Folgen auch für private Träger eine besondere Herausforderung darstellt. Immerhin hätte der Konzern nach eigenen Angaben einen dreistelligen Millionenbetrag als Garantien in seiner Bilanz verbuchen müssen, heißt es in einem Online-Beitrag des SWR.

 

Die Entwicklungen der ersten Wochen des Jahres 2024 waren für die Kritiker der geplanten Teilprivatisierung jedoch kein Grund zu triumphieren. Denn trotz der massiven Finanzspitzen von Stadt und Kreis wären auch im neuen Jahr weitere millionenschweren Quersubventionierungen nötig gewesen. Wie es nun weitergehen sollte, wurde im Rahmen einer nicht öffentlichen Sondersitzung im Koblenzer Stadtrat besprochen, die für den 6. Februar 2024 angesetzt worden war. Ebenfalls für diesen Tag wurde eine nicht öffentliche Sondersitzung des Kreistages Mayen-Koblenz terminiert. Beide Gremien beschlossen, die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Roland Berger zu beauftragen, um die wirtschaftliche Situation des Gemeinschaftsklinikums kurzfristig zu durchleuchten.

 

Der Kreistag Mayen-Koblenz beschloss darüber hinaus einstimmig, dem Klinikum weiterhin finanziell unter die Arme zu greifen. Anders der Koblenzer Stadtrat: Die finale Entscheidung über eine weitere Finanzspritze wurde noch nicht getroffen, war aber letztendlich eine Formsache sein. Die Rede war bereits von jeweils 2,5 Millionen Euro. Klar war aber auch, dass dies auf Dauer nicht ausreichen würde.

 

Eines stand bereits im Vorfeld der beiden Sitzungen fest: Das Gemeinschaftsklinikum kann nicht einfach so geschlossen werden, weil es ein Standbein für die Gesundheitsversorgung der Region ist und in Teilen auch im Landeskrankenhausplan Rheinland-Pfalz steht. Die finanzielle Last liegt bei den Trägern, vor allem bei der Stadt Koblenz und dem Landkreis Mayen-Koblenz.

 

Die Entscheidungen, sich bei den Verhandlungen exklusiv auf die Sana AG zu konzentrieren, rächt sich nun. Die Verantwortlichen bei den jetzigen Trägern können nun ganz von vorn anfangen, es besteht sogar Insolvenzgefahr. Das Szenario, dass das GK „filetiert“ wird und in Teilen veräußert werden, wird jeden Tag realer – auch wenn die Kommunen angesichts der rechtlichen Rahmenbedingungen weiter in der Verantwortung stehen. Klar ist bereits: Eine Wiederaufnahme der Gespräche mit Sana wird es nicht geben. Das hat Oberbürgermeister David Langner bereits betont. Stattdessen stand eine alte Forderung im Raum – die europaweite Ausschreibung.

 

Trotz aller inzwischen erfolgten Nachbesserungen dürfte klar sein: Sichere Zukunftsperspektiven hat nur der Standort Koblenz, wogegen die kleineren Häuser in der Peripherie auf mittel- und langfristiger Sicht akut gefährdet bleiben. Dennoch zeigt gerade das Beispiel des GK, dass man kleine Standorte nicht so einfach schließen kann. So wird das Paulinenstift in Naststätten seitens der Landes als unverzichtbar für die stationäre Versorgung im Bereich Taunus-Westerwald geführt wird. Dazu kommt, dass die Bedeutung des Standortes Naststätten angesichts der Entwicklungen in Bad Ems und in Lahnstein sogar noch gestiegen ist, was durch die steigenden Patientenzahlen belegt wird. Das bedeutet jedoch nicht, dass das Paulinenstift in den schwarzen Zahlen steht, was allerdings der überschaubaren Größe der Einrichtung geschuldet ist.

 

Dass das Land die GK-Standorte bei der Bewältigung ihrer Betriebskosten unterstützt, ist ausgeschlossen. „Die Übernahme von Betriebskosten steht uns als Instrument nicht zur Verfügung. Die Gesellschafter des Gemeinschaftsklinikums und die als Gesellschafter an am Klinikum beteiligten Kommunen sind davon unmittelbar betroffen – und haben diesbezüglich auch in der Vergangenheit Verantwortung übernommen“, betonte denn auch Gesundheitsminister Clemens Hoch im Gespräch mit der Rhein-Zeitung.159 Das heißt im Klartext: Jetzt stehen die Trägerkommunen massiv in der Pflicht, auch deshalb, weil von den kleineren Gesellschaftern mit kirchlichem Hintergrund wenig zu erwarten sind. Sie müssen weitere Millionenbeträge stemmen, was negative Auswirkungen auf ihre Finanzlage haben wird. Und dann stehen noch die hohen Investitionen im Raum, die für die Zukunftssicherung des Gemeinschaftsklinikums erforderlich sind. Inzwischen spricht man auch offen von einem Gesamtbetrag von rund 500 Millionen Euro. Das sind noch einmal 100 Millionen Euro mehr als der bislang öffentlich kommunizierte Gesamtbetrag.

 

Vorerst gilt es jedoch, alles zu tun, um den geregelten Betrieb an den Standorten des Gemeinschaftsklinikums weiterhin zu garantieren. Wie schon im Falle der DRK-Kliniken bot sich die Landesregierung an, weiterführende Gespräche in die Wege zu leiten. Und so trafen sich am 15. Februar 2024 Oberbürgermeister David Langner und Landrat Alexander Saftig mit Gesundheitsminister Clemens Hoch. Auch die Landräte des Rhein-Lahn-Kreises, Jörg Denninghoff (SPD) sowie des Rhein-Hunsrückkreises, Volker Boch (parteilos), nahmen an dem Treffen teil.

 

Die Botschaft aus Mainz: Die Mitarbeiter des GK und die Patienten müssen sich keine Sorgen um die Zukunft machen. Hoch machte laut Rhein-Zeitung deutlich, dass das GKM „in welcher Aufstellung auch immer“ weiterhin „in einer großen Dimension“ geben werde. Der Minister kündigte an, zeitnah alle Krankenhausträger in Koblenz an einen Tisch zu holen, und mit ihnen über die Versorgungsstruktur und eine eventuelle Aufteilung von Aufgaben vor dem Hintergrund der Krankenhausreform an einen Tisch zu holen. Doch es werden zunächst einmal die Stadt Koblenz und der Landkreis Mayen-Koblenz sein, die die zusätzlichen finanziellen Belastungen stemmen. Sie werden, wie bereits ausgeführt, zunächst eine weitere Finanzspitze in Höhe von 5 Millionen Euro zur Verfügung stellen.

 

Die beteiligten Stiftungen wollten zunächst außen vor bleiben. Es kommt nicht von ungefähr, dass die Gewerkschaft ver.di die Stiftungen aufforderte, ihr Anteile für einen symbolischen Betrag von 1 Euro an die kommunalen Träger zu verkaufen. Würden sich die Stiftungen mit kirchlichem Hintergrund wirklich zurückziehen, wäre das GK wieder eine rein kommunale Einrichtung. Das könnte bei der Neuaufstellung des Maximalversorgers für die Zukunft einiges erleichtern.

 

Die Zukunft der kleineren Standteile in Naststätten und Boppard ist nach wie vor offen. Denn lange saht es so aus, dass der in Sachen stationäre Versorgung ohnehin kriselnde Rhein-Lahn-Kreis und der Rhein-Hunsrück-Kreis Mittel zur Verfügung stellen, um zu retten, was zu retten ist. Nicht umsonst standen die Zeichen auf Schließung. Das geht auch aus einem Bericht der Rhein-Hunsrück-Zeitung hervor, in dem auch die Frage beantwortet wird, warum dies so ist. Die Antwort: Die Bezuschussung der kleinen Standorte durch die beiden Nachbarlandkreise, die keine Gesellschafter des Gemeinschaftsklinikums sind, wäre das eine freiwillige Leistung, die am Einspruch der Aufsichtsbehörde scheitern würde. Für die Kommunen war es in den Jahren 2023 und 2024 schwer genug, ausgeglichene Haushalte aufzustellen und die Pflichtaufgaben zu stemmen. Für zusätzliche freiwillige Leistungen war da eigentlich kein Spielraum.

 

Im März 2024 zeichnete sich ab, dass auch die von Stadt Koblenz und Landkreis Mayen-Koblenz für das laufende Jahr 2024 bewilligten neuen Zuschüsse in Höhe von jeweils 2,5 Millionen Euro nicht ausreichen würden. Laut Prognose war bereits ein Jahresminus von 8 Millionen Euro in Sichtweite. Und zu allem Überfluss lief ein Kredit in Höhe von 10 Millionen Euro aus, über dessen Verlängerung verhandelt werden musste. Und es sah immer noch nicht danach aus, dass sich die Nachbarkreise und die am GK beteiligten Stiftungen finanziell nicht einsteigen wollten. Ganz im Gegenteil: Die vier Stiftungen, die zusammen immer noch einen Anteil von rund 32 Prozent hielten, signalisierten, dass sie einer Verwandlung in ein rein kommunales Klinikum nicht im Wege stehen würden. Sie forderten allerdings 7,5 Millionen Euro für den Verkauf ihrer verbliebenen Anteile – dieser Betrag stand offenbar seit den Verhandlungen mit Sana im Raum.

 

Schon die ersten für das Geschäftsjahr 2024 ermittelten Zahlen zeigten, dass vor allem die Standorte des Gemeinschaftsklinikums in der Fläche am stärksten zum Gesamtdefizit beitragen. So rechnete man für Naststätten mit einem Jahresdefizit von 3 Millionen Euro, und auch am Standort Mayen dürften Ende 2024 rund 2,5 Millionen Euro fehlen. Mindestens. Auch in Boppard drohte eine finanzielle Lücke – und zwar in Höhe von rund 1,3 Millionen Euro.

 

Es kommt also nicht von ungefähr, dass die Rhein-Zeitung am 19. April 2024 mit ihrem umfassenden Bericht mit dem Titel „Gemeinschaftsklinikum: Standorte in Gefahr“ für reichlich Wirbel sorgte.163 Demnach arbeiten die beiden Hauptträger, die Stadt Koblenz und der Landkreis Mayen-Koblenz an einer „Sanierungsplanung“, für die es aber noch keinen Fahrplan gebe. Allerdings ließen die beiden Autoren unter Berufung „auf gut informierte Kreise“ anklingen, dass ein harter Sanierungskurs gesteuert werden soll. Die Konsequenz: Die defizitären Standorte in Boppard und Naststätten müssten geschlossen werden. Diese einschneidenden Schritte kämen für den Rhein-Lahn-Kreis und den Rhein-Hunsrück-Kreis einer Katastrophe gleich, würden sie doch einem Kahlschlag in der Fläche gleichkommen.

 

Der Artikel machte deutlich, dass die beiden Koblenzer Häuser immerhin kostendeckend mit einer „schwarzen Null“ arbeiten würden. Wie das Ganze am Ende ausgehen wird, dürfte auch vom Sanierungskonzept abhängen, das die Unternehmensberatung Roland Berger erarbeitet. Klar dürfte jedoch sein, dass sich der Rhein-Hunsrück-Kreis und der Rhein-Lahn-Kreis eigentlich an der Finanzierung beteiligen müssten, wenn sie die beiden zur Disposition stehenden Standorte erhalten wollen. Bislang gehörten beide Kreise zu den Profiteuren, weil sie bei der Finanzierung des Gemeinschaftsklinikums außen vor waren. 

 

Doch damit nicht genug: Auch anderen Einrichtungen des Gemeinschaftsklinikums drohen einschneidende Maßnahmen. Aus einem weiteren Beitrag in der Rhein-Zeitung wird ersichtlich, dass auch die Medizinischen Versorgungszentren des GK zur Disposition stehen.164 Sogar das Elisabeth-Krankenhaus in Mayen könnte betroffen sein. Der Beitrag zeigte auch: Die Politik hält weiter am Konzept fest, wesentliche Teile des GK im Zuge einer Koblenzer Ein-Standort-Lösung auf dem Kemperhofgelände zusammenzufassen. In der Konsequenz hieße das auch, dass für Patienten aus der Region Koblenz-Mittelrhein die Wege noch länger werden.

 

Die Reaktionen auf die möglichen harten Einschnitte ließen nicht lange auf sich warten. Volker Boch, Landrat des Rhein-Hunsrück-Kreises, und der Bopparder Bürgermeister Jörg Haseneier (CDU) forderten den Erhalt des Heilig-Geist-Krankenhauses samt der rund 240 Arbeitsplätze. Ihr Argument: Laut Landeskrankenhausplan sei der Standort als Einrichtung der Grundversorgung ausgewiesen. Demnach stehen 40 Betten für die Innere Medizin, 45 Betten in der Chirurgie, ein Bett in der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, sechs Betten im Bereich Intensivmedizin/Anästhesie sowie 49 Betten in der Psychosomatik zur Verfügung.

 

„Eine Schließung des Heilig-Geist-Krankenhauses würde nicht nur die stationäre medizinische Grundversorgung gefährden, sondern auch die notfallmedizinische Versorgung im Mittelrheintal erheblich beeinträchtigen […] Sollte auch das Bopparder Krankenhaus geschlossen werden, werden sich die Anfahrtswege bei Notfällen ins nächste Klinikum spürbar verlängern. Auch angesichts der Bundesgartenschau im Oberen Mittelrheintal im Jahr 2029, zu der bis zu zwei Millionen Besucher erwartet werden, wäre der Verlust an medizinischer Versorgung in Boppard ein schwerwiegender Einschnitt für das gesamte Welterbe Oberes Mittelrheintal“, brachte es Jörg Haseneier auf den Punkt.

 

Angesichts der jüngsten Entwicklung wird sich so mancher die Frage stellen: Wäre es bei einem Sana-Einstieg womöglich besser geworden? Die Antwort lautet eindeutig nein: Das erste, was ein Investor tut, ist die Tragfähigkeit der Standorte zu überprüfen. Auch hier hätten die Krankenhäuser in Boppard und Naststätten womöglich sofort zur Disposition gestanden. Außerdem sollte man nicht vergessen, dass das Land auch in diesem Fall die Kosten für die umfassenden Baumaßnahmen aufbringen müssen. Egal, welches Modell am Ende favorisiert wird: Die Zeche zahlen am Ende immer die Steuer- und Beitragszahler.

 

Gerade das Beispiel des Gemeinschaftsklinikums Mittelrhein zeigt, dass auch eine komplette Rekommunalisierung die Akteure nicht vor den betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten befreit. Ende Mai 2024 stand einerseits fest, dass die kommunalen Träger das GKM gemäß ihren Verpflichtungen zwar weiter unterstützen, aber nicht mehr an den Standorten in Boppard und Naststätten festhalten.

 

Der Koblenzer Stadtrat und der Kreistag des Kreistages Mayen-Koblenz beschlossen im nichtöffentlichen Teil ihrer Mai-Sitzungen, das Sanierungskonzept der Unternehmensberatung Roland Berger umzusetzen. Auch verpflichteten sich die beiden kommunalen Träger, eine Bürgerschaft in einer Höhe von jeweils 25 Millionen Euro zu übernehmen. Bereits bekannt war, dass beide Seiten liquide Mittel von jeweils 5 Millionen Euro in das Klinikum investieren würden.

 

Mit dieser Entscheidung stand aber auch grundsätzlich fest, dass die beiden kommunalen Gesellschafter keine Steuergelder mehr in die Standorte Boppard und Naststätten stecken würden. Sie folgten damit einer Empfehlung der der Unternehmensberater, die den Gesellschaftern eine Schließung beider Standorte nahegelegt hatten. Stattdessen sollen nun definitiv die beiden Koblenzer Häuser zusammengelegt und eine Generalsanierung des St.-Elisabeth-Krankenhauses in Mayen in Angriff genommen werden. Endgültig beschlossen werden sollte das Sanierungskonzept erst in der Juli-Sitzung der Gesellschafterversammlung. Grundsätzlich scheinen die Weichen also gestellt zu sein, wobei man bedenken sollte, dass die veränderte Zusammensetzung des Koblenzer Stadtrates nach den Kommunalwahlen am 9. Juni 2024 Änderungen bringen könnte. Aktuell gibt es nur seitens der FDP Widerspruch. Dort hatte man eine Planinsolvenz und eine komplette Privatisierung des Gemeinschaftsklinikums gefordert. Dass sich infolge derartiger Brachiallösungen positive Veränderungen für Patienten und Mitarbeitern ergeben würden, erscheint mehr als fraglich.

 

Natürlich ließen weitere Reaktionen auf die geplanten gravierenden Einschnitte am GK nicht lange auf sich warten, wobei sich die Landräte Volker Boch (Rhein-Hunsrück-Kreis/parteilos) und Jörg Denninghoff (Rhein-Lahn-Kreis/SPD) an die Spitze der Bewegung stellten. Schon in Vorfeld der bereits genannten nichtöffentlichen Sitzungen hatten beide Landeräte fehlende Transparenz, vor allem aber nicht vorliegende Daten und Fakten moniert. Beide forderten nun einen Zeitkorridor von mehreren Wochen, um die Details seriös prüfen zu können.

 

Vor allem Volker Boch ärgerte sich über das als alternativlos dargestellte Konzept und erinnerte daran, dass sogar Sana ein Zukunftskonzept für Naststätten und Boppard entwickeln wollte. Es gehe um die medizinische Versorgung von rund 40.000 Menschen. Beide Landräte betonten zudem, dass sie Perspektiven für beide Häuser sehen.167 Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die betroffenen Landkreise zunächst selbst keine Möglichkeiten sahen, diese Perspektiven zu schaffen, genau dies aber von der Stadt Koblenz und dem Landkreis Mayen-Koblenz erwartet. Dabei haben beide Kommunen nicht die finanziellen Möglichkeiten, auch noch die beiden Nachbarkreise zu unterstützen. Dazu kommt, dass die Diakoniegemeinschaft Paulinenstift Anfang Mai 2024 ihren Ausstieg als Gesellschafter des GKM angekündigt und damit ihr eigenes Krankenhaus in Naststätten im Stich gelassen hatte. Allerdings beträgt die Kündigungsfrist fünf Jahre.

 

Gab es ursprünglich von den Nachbarkreisen keine Signale, auch finanziell zur Überwindung der Misere in Naststätten und in Boppard beitragen zu wollen, änderte sich Anfang August 2024 die Situation grundlegend. Der Kreistag des Rhein-Hunsrück-Kreises und der Bopparder Stadtrat entschieden in ihren nicht öffentlichen Sitzungen am 5. August 2024, unter bestimmten Bedingungen die Verluste des Bopparder GK-Standorts zu übernehmen. Und das Kuratorium der Stiftung Hospital zum Heiligen Geist Boppard erklärte, hinter den Entscheidungen der beiden Räte zu stehen. Kuratoriumsvorsitzender Olaf Döscher sprach von einem „Konsortium der drei Unterstützer“. In Naststätten lief es ähnlich. In einer Dringlichkeitssitzung am 9. August 2024 beschloss der Kreistag des Rhein-Lahn-Kreises, die Verluste befristet aufzufangen. Der Unterschied ist jedoch, dass noch nicht geklärt ist, welche Rolle die Stiftung Diakoniegemeinschaft Paulinenstift künftig spielen wird.

 

Wie diese Bedingungen im Detail aussehen, wurde noch nicht bekannt gegeben. Klar ist jedoch, dass von der GK-Geschäftsführung die Erarbeitung eines tragfähigen Zukunftskonzeptes verlangt wird, in das der Standort Boppard eingebunden wird. Ob der Standort damit auch auf längere Sicht gesichert werden kann, muss angesichts der noch offenen neuen Rahmenbedingungen abgewartet werden. Die Verantwortlichen sprechen nicht ohne Grund von einer Sicherung bis Ende 2025. Ihnen bleibt jetzt Zeit, Schritte für die zweite Hälfte des Jahrzehnts zu entwickeln. Eine Möglichkeit wäre dabei, für den Standort Boppard einen weiteren Träger mit ins Boot zu nehmen. Doch der ist aktuell nicht in Sicht. Wahrscheinlicher ist ein Erhalt der Standorte über eine komplette Kommunalisierung des GK. Ein Weg wäre dabei, dass die Mehrheitsgesellschafter (Stadt Koblenz und Landkreis Mayen Koblenz) weitere Anteile der beteiligten Stiftungen in Boppard und Naststätten übernehmen. Im Gegenzug würden sich die Stiftungen verpflichten, die Einnahmen aus dem Verkauf als zweckgebundenes Darlehen zur Verfügung zu stellen.

 

Fazit: Die zum Teil überraschenden Entwicklungen im Juli und August 2024 stimmten verhalten optimistisch für Naststätten. Vorerst wird es an allen Standorten des Gemeinschaftsklinikums weitergehen, weil auch der Rhein-Lahn-Kreis und der Rhein-Hunsrück-Kreis Verantwortung übernehmen wollen. Entsprechende Verträge sind in Vorbereitung, meldeten die Medien.174 Inzwischen ist allerdings durchgesickert, dass unabhängig von den bisherigen Unterstützungserklärung noch etliche Hürden überwunden werden müssen. Es liegt also durchaus im Bereich des Möglichen, dass die finanzielle Beteiligung der Nachbarkreise letztendlich doch scheitern könnte.

 

Aktuell gibt es nur ein erklärtes Ziel für den Klinikverbund: Dieser soll bis 2028 in die Lage versetzt werden wieder selbstständig und ohne Zuschüsse aus Steuermitteln in den schwarzen Zahlen zu wirtschaften. Auch wenn es gelingen sollte, alle Standorte auch nach 2025 zu erhalten, wird dieses Ziel ohne Straffung des Leistungsangebotes wohl nicht zu erreichen sein. Wie schwierig die kommenden Wochen und Monate sein würde, zeigte Ende August 2027 eine weitere Hiobsbotschaft, die über die Rhein-Zeitung bekannt wurde: In dem Bericht wurde angekündigt, ausgerechnet die Schmerz-Tagesklinik am Koblenzer GK-Standort Kemperhof bis zum 30. September 2024 zu schließen. Dabei war dieser wichtige Teil der ambulanten Versorgung in Koblenz und Umgebung eine wichtige Anlaufstelle für viele, die unter chronischen Schmerzen leiden. Eine offizielle Begründung gab es nicht. Dennoch ließ der Artikel aufhorchen: Die Schließung soll auch auf die mangelhafte Unterstützung der Tagesklinik durch die gesetzlichen Krankenkassen zurückzuführen sein – als ausgerechnet diejenigen, die aus Kostengründen möglichst viele stationäre Behandlungen in ambulante Alternativen umwandeln wollen. Kleiner Trost für Betroffene: Die stationäre Behandlung von Schmerzpatienten ist am Standort Koblenz weiterhin möglich.

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