7. Kahlschlag im Norden von Rheinland-Pfalz?
„Die sieben Krankenhäuser, die seit 2020 in Rheinland-Pfalz geschlossen wurden oder schließen werden, sind alle kleine Kliniken“, stellte der SWR im Januar 2023 fest. Dass weitere Einrichtungen dazukommen würden, war damals bereits abzusehen. Dazu passt auch eine Aussage des RWI-Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung. Demnach haben kleine Krankenhäuser das Problem, dass sie grundsätzlich die gleichen Abteilungen vorhalten müssen wie große Häuser. Gleichzeitig hätten diese kleinen Einrichtungen aber nicht genügend Patienten, um all diese Abteilungen finanzieren zu können.
Wie die Kliniken auf diese Entwicklungen reagieren? Sie schließen zum Beispiel die Abteilungen, mit den sich weniger Geld verdienen. Die Einrichtungen nahmen und nehmen also das vorweg, was die Krankenhausreform 2024 bringen wird, in deren Konsequenz Leistungen, die den neuen Vorgaben nicht entsprechen, einfach nicht mehr anerkannt und damit womöglich auch nicht mehr abgerechnet werden können.
Die Reform dürfte nun Entwicklungen beschleunigen, die grundsätzlich nicht neu sind, sondern schon vor Jahren eingesetzt hat – und das zum Teil mit grotesken Folgen. So wurde im St-Josef-Krankenhaus in Adenau bereits Ende 2019 ausgerechnet die für die Versorgung in der Fläche wichtige chirurgische Abteilung geschlossen. Die Einrichtung wurde also einer der Kernleistungen eines Krankenhauses beraubt. Angesichts dieser Entwicklung überraschte niemanden mehr, dass die Einrichtung Ende März 2023 komplett geschlossen wurde und nun von einem Medizinischen Versorgungszentrum als Ersatz die Rede war (mehr dazu unter 6.5).
Droht also generell das Aus für Standorte im ländlichen Raum? Es muss nicht generell so kommen. Der SWR verwies auf die Möglichkeit, kleine Kliniken mit einem größeren Krankenhaus zusammenzuschließen, um so den Standort – zumindest in Teilen – zu erhalten. Der öffentlich-rechtliche Sender verwies exemplarisch auf die Fusion des katholischen St.-Elisabeth-Krankenhaus Rodalben mit dem Städtischen Krankenhaus Pirmasens. Mit diesem Schritt konnte man 250 Mitarbeitern der kleineren Einrichtung, die heute ein Standort des Pirmasenser Krankenhaus ist, eine Perspektive geben. Die Klinik in Rodalben ist heute als Zentrum für Orthopädie und Endoprothetik bekannt.
Als weiteres Beispiel nennt der Sender die Stadt Neuerburg im Eifelkreis Bitburg-Prüm. Hier ist es immerhin gelungen, das einstige kleine Krankenhaus in ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) umzuwandeln. In Neuerburg war die Umstrukturierung der Einrichtung bereits zum Stichtag 1. Oktober 2014 vollzogen worden. Unter dem Strich ist dieser Schritt zumindest als Teilerfolg zu bewerten. Ursprünglich war nämlich eine komplette Schließung des örtlichen Krankenhauses geplant, was zu Protesten in der Bevölkerung geführt hatte.
Auch im Fall von Neuerburg waren wirtschaftliche Gründe das Argument für die geplante Schließung durch die Trägerin, die Marienhaus Kliniken GmbH.
In Übereinstimmung mit dem Gesundheitsministerium wurden die Betten schließlich aus dem Krankenhausbedarfsplan des Landes Rheinland-Pfalz gestrichen. „Der bisherige stationäre Krankenhausbetrieb wird als vitales Gesundheitszentrum mit allen für die Bevölkerung relevanten ambulanten medizinischen Leistungen unter dem Dach des bisherigen Krankenhauses und des Schwesternwohnheimes angesiedelt“, teilte die Stadtverwaltung seinerzeit mit. Zu diesem Zweck wurde eigens eine neue Trägergesellschaft gegründet, die ausschließlich für den Standort Neuerburg zuständig ist. Die Stadt Neuerburg stieg in das neue Kompetenzzentrum im Bereich Gesundheit, Vorsorge und Therapie mit einer Minderheitsbeteiligung ein, wobei die Marienhaus-Gruppe mit im Boot blieb.
Die weiteren Entwicklungen im Laufe des Jahres 2023 haben jedoch gezeigt, dass man sich davor hüten sollte, die Umwandlung von kleineren Krankenhäusern in Medizinische Versorgungszentren (MVZ) als Patentrezept zu betrachten. Die Brandmeldungen auf Ebene der Verbände und der Kassenärztlichen Vereinigungen haben, wie zuvor ausgeführt, gezeigt, dass es auch im Bereich der ambulanten Versorgung wirtschaftliche Probleme gibt. Darüber hinaus hat auch hier der Personalmangel dramatische Formen angenommen.
7.1. Loreley-Kliniken St. Goar und Oberwesel
Wer am westlichen Ufer des Mittelrheintals zwischen Boppard und Bingen lebt, muss seit Herbst 2020 auch bei der Krankenhausversorgung deutlich längere Wege in Kauf nehmen. Denn am 30. September endete in Oberwesel und St. Goar eine Ära, die in beiden Städten beheimateten Loreley-Kliniken schlossen endgültig ihre Pforten. Beide Häuser haben kommunale Wurzeln, wurden aber von der Marienhaus-Gruppe betrieben, die auch Mehrheitsgesellschafterin der örtlichen Krankenhausgesellschaft war. Und die ließ sich letztendlich nicht durch die Proteste in beiden Städten und den politischen Akteuren beeindrucken.
Betriebswirtschaftliche Argumente hatten über den Dienst am Menschen gesiegt – und damit auch über eine Krankenpflegetradition, die in Oberwesel bis ins 13. Jahrhundert, in St. Goar immerhin ins späte 19. Jahrhundert zurückreicht. Auch die Spezialisierung auf konservative Orthopädie konnte nicht mehr helfen. Dabei hatten beide Häuser sich ein großes Ansehen in diesem Bereich erworben. „Der Ruf der Kliniken, auch schweren orthopädischen Fällen helfen zu können und nur in allerletzter Instanz zum Skalpell zu greifen, war bundesweit bekannt“, bilanzierte seinerzeit die Rhein-Zeitung.
Letztendlich half auch der gute Ruf nicht. Die wirtschaftlichen Argumente wogen für die Marienhaus-Gruppe schwerer. Fielen die kleinen Krankenhäuser wie das in St. Goar und Oberwesel mit insgesamt 183 Betten in eine Kategorie von Einrichtungen, die aus Sicht von Krankenhausbetriebswirten nicht rentabel zu bewirtschaften waren. Der medizinische Informationsdienst Thieme KMA-Online berichtete Anfang November 2019 von einem „niederschmetternden Ergebnis“ der Berechnungen, mit denen das Kölner Beratungsunternehmen Aktiva beauftragt worden war. Daran änderte auch die bestehende Möglichkeit auf eine 100-prozentige Förderung der notwendigen Gebäudesanierungen nichts. Schon damals wurden für die bevorstehende Schließung mit der bereits im laufenden Jahr vollzogenen Verschärfung der gesetzgeberischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen durch die Bundesregierung begründet. Diese hätten sich insbesondere für kleinere Krankenhäuser massiv verschlechtert.
„Neben den gesetzlichen Neuregelungen, insbesondere den neuen Vorgaben zur Notfallversorgung und dem Pflegestärkungsgesetzes, das ab 2020 die Pflegebudgets ausgliedert und die Personalkosten nicht ausreichend finanziert, sind es die überproportional gestiegenen Tariflöhne und die verstärkten Prüfungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen, die den Loreley-Kliniken schwer zu schaffen machen und letztlich finanziell in die Knie zwingen.“ Und so kam es dann auch. Patienten mit stationärem Versorgungsbedarf mussten dann unter anderem in das Marienhaus Heilig-Geist-Hospital in Bingen ausweichen, das ebenfalls eine Einrichtung der Marienhaus-Gruppe ist und – angesichts der guten Förderungsperspektiven durch das Land – ausgebaut werden, aber später selbst in wirtschaftliche Turbulenzen geraten sollte.
Besonders der Fall des im Gründelbachtal gelegenen ehemaligen Krankenhauses von St. Goar als Teil des früheren Loreley-Klinikums stand auf den ersten Blick aber auch für einen wenig sensiblen Umgang von Klinikimmobilien und deren Veräußerung an Investoren zu übertrieben günstigen Konditionen. „Im Stadtrat gab die SPD-Fraktion mit ihrer absoluten Mehrheit dem Stadtbürgermeister eine Blankovollmacht, die umfangreichen Liegenschaften für 332.000 Euro zu verkaufen“, beklagte die CDU St. Goar unter Berufung auf einen entsprechenden Bericht in der Rhein-Zeitung. Zum Paket gehörten neben dem Klinikgebäude mit einer Geschossfläche von 6000 Quadratmetern ein 9259 Quadratmeter großes Grundstück und ein angrenzendes Einfamilienhaus. Offenbar gab es bereits eine Bauanfrage oder womöglich sogar eine Baugenehmigung. Die SPD-Mehrheit hatte eine Beratung im Stadtrat vor Unterzeichnung des Kaufvertrages abgelehnt.
Auch aus neutraler Sicht ist die Angelegenheit ein ungewöhnlicher Vorgang. War doch nach einer sachverständigen Stellungnahme, die die Stadt in Auftrag gegeben hatte, das Verkehrswertniveau auf 1,6 Millionen Euro taxiert worden. Kosten für womöglich erforderliche Schadstoffsanierung hatte man bereits abgezogen. In dem Betrag war der Grundstückswert von 243.300 Euro enthalten. „Und jeder, der in der heutigen Zeit Wohneigentum erwirbt, wundert sich darüber, dass im Gesamtpaket das angrenzende, frisch renovierte Einfamilienhaus enthalten ist“, monierte die CDU weiter.
Man sieht: In jeder Krise kann es auch Profiteure geben. Es lohnt sich oft, womöglich unnötige Klinikschließungen auch aus dieser Perspektive zu betrachten. Dennoch erfüllten sich bei näherer Betrachtung in St. Goar die schlimmsten Befürchtungen bislang nicht, weil das augenscheinlich gute Geschäft für Investoren mit strengen Auflagen verbunden war. Bei den Gesprächen mit möglichen Partnern ging es offenbar darum, wieder eine soziale Einrichtung in der Immobilie unterzubringen. Mitte November 2022 meldete die Rhein-Hunsrück-Zeitung, dass das Mobiliar aus dem ehemaligen Krankenhaus für private und gewerbliche Zwecke verkauft werden sollte.
Auftraggeber der Aktion war, wie es in einem Anschlussbericht vom Februar 2023 heißt, aber nicht die Stadt. St. Goar, sondern einen Immobiliengruppe aus Köln, die bereits mit der Stadt einen Notarvertrag über den Kauf der Liegenschaft erworben hatte. „Als Voraussetzung für das Inkrafttreten des Kaufvertrags war vereinbart worden, dass der Investor einen Betreiber ausfindig macht, der eine Immobilie einer sozialverträglichen Nutzung zuführt“, heißt es in dem Bericht unter Berufung auf die Stadtspitze wörtlich. Stadtbürgermeister Falko Hönisch ließ im Gespräch mit der Rhein-Hunsrück-Zeitung durchblicken, dass eine Nutzung des Gebäudes als Seniorenheim sehr naheliegend sei. Denn: Bislang gab es in St. Goar kein Seniorenzentrum. Das hatte bislang für Senioren die Folge, dass sie im hohen Alter ihre Heimatstadt verlassen mussten. Eine Senioreinrichtung war offenbar auch im Sinne der Kreisverwaltung Rhein-Hunsrück, die für St. Goar einen hohen Bedarf an Pflegeplätzen festgestellt hatte. Die Rede war von Wohn- und Pflegeräumen für 80 Senioren und von 40 bis 60 neuen Arbeitsplätzen.
In Oberwesel wurde ein anderer Weg beschritten: Hier gibt es seit 2021 immerhin eine kleine Ersatzlösung für das örtliche ehemalige Krankenhaus. Der Standort der einstigen Loreley-Kliniken wurden in einen Gesundheitscampus mit Facharztzentrum und einer Tagesklinik umgewandelt. Betreiberin ist heute laut Internetaufritt die „Tagesklinik für konservative Orthopädie Gesundheitscampus Loreley GmbH“. Eigentümerin ist jedoch die Centric-Health Deutschland GmbH, ein Tochterunternehmen des irischen Praxiskonzerns Centric Health. Diese hatte im Frühjahr die Tagesklinik von der kommunalen Krankenhausgesellschaft Oberwesel gekauft.
Die Gruppe hatte sich also eine weitere Eintrittskarte für einen neuen Markt erworben, von dem sich die Teilnehmer erhoffen, dass er sich lukrativ entwickeln würde – dem der Medizinischen Versorgungszentren (MVZ). Die irische Gruppe hatte bereits eine MVZ-Kette im Kreis Bad Kreuznach erworben und auch an anderen Standorten in Deutschland investiert. Die schnelle Realisierung des Wachstumskonzeptes der Iren ist auf die Unterstützung durch eine Private-Equity-Gesellschaft, also einer Kapitalbeteiligungsgesellschaft, zurückzuführen. Es ist das Unternehmen Five Arrows, das zur Luxemburger Rothschild-Bank gehört.
Für Kritiker war der Einstieg einer ausländischen Gruppe kein gutes Omen. Zeigte sich doch, dass das ursprünglich gemeinnützige Konzept der deutschen Krankenlandschaft, nun auch in der Provinz. Erneut wurde deutlich, dass einst traditionsreiche Standorte endgültig zur Handelsware geworden waren. Doch eine wirkliche Alternative gab es offenbar nicht. Eine finale Schließung des Standortes und eine nichtmedizinische Neunutzung wären schlechter gewesen. Immerhin gab jetzt die Möglichkeit, die konservative Orthopädie in einem neuen Format weiterzuführen und zusätzlich die Chance, an Fachärzte aus anderen Disziplinen zu vermieten.
Dennoch blieb nicht nur wegen des Einstiegs eines ausländischen Konzerns ein fader Beigeschmack; nicht nur deshalb, weil der monatelang geführte Kampf um den Erhalt der Krankenhäuser vergeblich war, sondern vor allem, weil langjährige Mitarbeiter spätestens bis Ende Februar 2021 ihren Arbeitsplatz verloren – während in der Politik und in Arbeitgeberverbänden auch im medizinischen Bereich über einen Fachkräftemangel philosophiert wurde (und wird). Und nicht nur das. Laut Bericht der Rhein-Zeitung muss es auch unschöne Vorgänge rund um den Sozialplan und eine Prämie gegeben haben. Letztere sollte nur an die Mitarbeiter ausgezahlt werden, die auf einen Gang zum Arbeitsgericht verzichteten. Diese merkwürdige Strategie scheiterte, am Ende klagten 100 Mitarbeiter der Loreley-Kliniken vor dem Arbeitsgericht. Kein Wunder: Sie hätten sich zwar für den neuen Gesundheitscampus bewerben können, doch wurden dort nun sehr viel weniger Mitarbeiter benötigt.
Immerhin gibt es in Oberwesel heute eine Tagesklinik mit einem multimodalen Behandlungskonzept. Die neue Einrichtung wirbt mit den Bereichen Orthopädie, Physiotherapie und Psychologie (hier werden unter anderem Stressbewältigungsstrategien vermittelt).
Der medizinische Betrieb im ehemaligen Krankenhaus St. Goar wurde, wie oben bereits geschildert, dagegen komplett eingestellt. Bereits Anfang 2021 hatte die Stadt Konzepten der Umnutzung der Immobilie gearbeitet, konnte aber ursprünglich gar nicht voll umfänglich über den Klinik-Standort verfügen. Dieser gehörte damals noch zur Krankenhaus St. Goar-Oberwesel GmbH. Die Stadt St. Goar hatte 1988 das Krankenhausgebäude der Gesellschaft im Rahmen des Erbbaurechts bis 2045 kostenfrei zur Verfügung gestellt.
Nach dem Ausstieg der Mehrheitsgesellschafterin, der Marienhaus-Gruppe, blieben zunächst die Städte St. Goar und Oberwesel übrig. Deshalb plante man ursprünglich mit einer Übernahme der Mehrheit durch den Förderverein Krankenhaus und Seniorenzentrum. Es kam jedoch anders. Auch die Stadt stieg aus der Gesellschaft aus, die fortan als kommunale Krankenhausgesellschaft Oberwesel firmierte. Mit dem Ausstieg der Stadt St. Goar entfiel auch das Erbbaurecht. Die Stadt war nun wieder selbst für den Erhalt der Immobilie zuständig, konnte sich aber berechtigte Hoffnungen auf Fördergeldern aus dem Strukturfonds des Landes in Höhe von 2 Millionen Euro machen. Wäre dieses Modell gescheitert, hätte wegen der hohen Unterhaltungskosten womöglich der Abriss gedroht. Nun gibt es immerhin die Chance auf einen Neuanfang.
7.2. St.-Josef-Krankenhaus Bendorf
Von der spezialisierten Klinik zum Corona-Krankenhaus und dann zur Unterkunft für Flüchtlinge: Auch heute noch ist die Frage nach dem Sinn der Schließung des Marienhaus-Klinikums St. Josef in Bendorf durchaus berechtigt. War doch in jüngerer Zeit alles unternommen worden, um die Einrichtung „schlank“ aufzustellen. Der „Fall St. Josef“ ist ein Lehrstück dafür, dass ein hoher Spezialisierungsgrad, Sanierungsmaßnahmen und Fusionen auf längere Sicht nicht unbedingt der Schutz vor einer Schließung sind. Ganz im Gegenteil. Dabei hatte sich da Krankenhaus einen sehr guten Ruf erworben.
In Bendorf hatte man sich im Wesentlichen auf zwei Fachabteilungen konzentriert: Die Klinik für Orthopädie und die Klinik für Wirbelsäulenchirurgie und Neurotraumatologie waren weit über die Grenzen der Region Koblenz-Mittelrhein bekannt. In den noch zeitgemäßen OP-Sälen konnten täglich bis zu 40 Patienten operiert werden konnten. Und nicht nur das: Auch in die Infrastruktur der Einrichtung war weiter investiert worden. So wurde die Sanierung des Bettenhauses 2010 abgeschlossen. Das war eine Maßnahme im Rahmen des von der Bundesre^111gierung im Zuge der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise auf den Weg gebrachten Konjunkturpakets II. Die staatliche Förderung betrug immerhin 1,2 Millionen Euro.
Zum Leistungsspektrum der Einrichtung, die bereits 1891 als katholisches Krankenhaus eröffnet wurde, gehörten außerdem unter anderem verschiedene therapeutische Angebote. Und es gab eine Tagesklinik mit Schwerpunkt Schmerztherapie. Auch der Komfort für die Patienten, die in Ein- und Zweibettzimmern mit eigenen Nasszellen untergebracht werden konnten, war gut. Dennoch entschloss sich die Trägergesellschaft, die Marienhaus-Gruppe mit Hauptsitz in Waldbreitbach im Rahmen einer Neustrukturierung, das Krankenhaus zu schließen und die Kapazitäten in das St.-Elisabeth-Krankenhaus in Neuwied zu verlagern. Im Mai 2020 wurde die Bendorfer Einrichtung geschlossen, nachdem sie vorübergehend für die Behandlung von Menschen genutzt worden war, die an Covid-19 erkrankt waren.
Aus Sicht von Kritikern hätte die Sache vielleicht anders laufen können, wenn der gute Wille vorhanden gewesen wäre. Am Ende entschied der Blick auf die reinen Zahlen. Die Gründe für die Schließung dürften ganz ähnlich gewesen sein wie die im Falle des Loreley-Klinikums. Auch der Zeitpunkt der Schließung stimmte bis auf wenige Monate überein.
Im Fall des Standortes Bendorf hatte sich aber schon einige Jahre zuvor abgezeichnet, dass die Marienhaus-Gruppe eines Tages die Kapazitäten nach Neuwied verlagern würde. So feierte man bereits im Juni 2017 den Abschluss der Kernsanierung des Bettenhauses von St. Elisabeth, in dem nun unter anderem 51 Patientenzimmer bereitstanden. Rund 10 Millionen Euro wurden investiert, wobei das Land einen Anteil von 4,875 Millionen Euro übernommen hatte. Natürlich wurde auch in das Neuwieder DRK-Krankenhaus investiert, und zwar erheblich. Dort wurden auch Anbau mit einem neuen Operationssaal errichtet. Gesamtkosten: 8,7 Millionen Euro. Allein in den fünften Operationssaal des Krankenhauses flossen 5,6 Millionen Euro. Die Kosten des Anbaus förderte das Land Rheinland-Pfalz mit einem Anteil von 90 Prozent.
Zurück nach Bendorf. Hier hatte die Entwicklung des Krankenhauses zu einer Fachklinik bereits Ende der 1980er-Jahre begonnen. 1989 waren die Chirurgie, die Hals-, Nasen- und Ohrenabteilung sowie die Gynäkologie geschlossen worden. Die Innere Abteilung sollte den Betrieb erst im Juli 2002 einstellen. Seitdem nannte sich die Einrichtung Orthopädische Fachklinik, deren Ursprünge allerdings im Engerser Heinrich-Haus lagen (der Umzug nach Bendorf erfolgte Anfang der 1990er-Jahre).
2001 gab es am St.-Josef-Krankenhaus 130 Betten und 16 orthopädisch tätige Ärzte. Schon in dieser Zeit bestand ein Verbund mit St. Elisabeth in Neuwied, wo auch die Anästhesie angesiedelt war. Technisch war die Einrichtung zeitgemäß, sogar ein Operations-Roboter war im Einsatz. Es gab auch eine Intensiv-Überwachungsstation. Die Verweildauer lag mit 15,5 Tagen deutlich über dem Durchschnitt, was aber wegen der komplexen orthopädischen Eingriffe und der langwierigen Mobilisierung in der Natur der Sache liegt.
Am Ende des Konzentrationsprozesses stand 2002 die Fusion zum Marienhaus-Klinikum Bendorf-Neuwied-Waldbreitbach, das an drei Standorten mit fünf Betriebsstätten über rund 700 stationäre und tagesklinische Plätze verfügte. Es wurde damit zu einem der größten Krankenhäuser im nördlichen Rheinland-Pfalz und mit rund 1500 Beschäftigten einer der großen Arbeitgeber in der Region Koblenz-Mittelrhein. Und: Die Kapazitäten waren so groß, dass 25.000 Patienten pro Jahr behandelt werden konnten.
St. Josef in Bendorf schien nunmehr gut eingebettet und zukunftssicher aufgestellt zu sein. Dazu kommt, dass hinter dem Standort Bendorf mit der Marienhaus-Gruppe als Betreiber ein breit aufgestelltes Unternehmen im Gesundheits- und Sozialwesen steht, das in Rheinland-Pfalz, dem Saarland und im südlichen Nordrhein-Westfalen aktiv ist. Die Gruppe beschäftigt aktuell insgesamt 13.000 Mitarbeiter an insgesamt 15 Standorten. Sie versorgt 500.000 Menschen im Jahr an 15 Klinikstandorten, in 18 Senioreneinrichtungen sowie in 13 stationären und ambulanten Hospizen.
Als Anfang des Jahres 2020 endgültig beschlossen worden war, das Bendorfer Krankenhaus, das sich nach Aussage der Marienhaus-Gruppe zur größten operativen Orthopädie in Rheinland-Pfalz entwickelt hatte, zu schließen, war man offensichtlich überzeugt, dass die kleine Klinik mit seinen rund 40 Mitarbeitern und nur noch 73 Betten nicht auf Dauer hätte wirtschaftlich betrieben werden können. Die Marienhaus-Gruppe, entschloss sich daher endgültig, die Kräfte am St.-Elisabeth-Krankenhaus in der Nachbarstadt Neuwied zu bündeln.
In der Übergangszeit war es wirklich so, dass die Mitarbeiter in Bendorf die modernen Operationssäle in Bendorf nicht mehr nutzen konnten und stattdessen vorerst in den älteren OP-Einrichtungen von St.-Elisabeth weiterarbeiten mussten.22 Erst im Herbst 2022 sollte das Problem endgültig gelöst werden. Im November wurde der Anbau mit dem fünften Operationssaal in Betrieb genommen. Zwar war bereits 2017 mit dem Anbau für den neuen OP-Saal begonnen worden, doch sorgte die Corona-Krise mit den damit einhergehenden Engpässen bei der Materialbeschaffung für Verzögerungen. Schließlich wurden insgesamt 8,7 Millionen Euro in Anbau und OP investiert, wobei ein großer Teil der Investitionssumme aus Fördermitteln stammte.
Ob und wie es in Bendorf weitergeht, ist derzeit völlig unklar. Allerdings sollte man angesichts der unternehmensinternen Umstrukturierungen und des laufenden Reformprozesses, der unter anderem einen Schwerpunkt auf Neuwied legt, keine Hoffnung machen, dass der Krankenhausbetrieb eines Tages wiederaufgenommen wird. Bis auf Weiteres ist die Einrichtung dafür vorgesehen, bis zu 150 Flüchtlingen zumindest eine vorübergehende Unterbringung zu ermöglichen.
7.3. Marienkrankenhaus Nassau
31 Jahre lang bestand das auf den Bereich Geriatrie spezialisierte Marienkrankenhaus in Nassau. 2020 war dann für die Einrichtung mit ihren gerade mal 35 Betten Schluss – wie in Bendorf, Oberwesel und St. Goar. Erneut hatte es ein kleines Krankenhaus getroffen, das vor dem Hintergrund der gesundheitspolitischen Entwicklungen nicht mehr zu halten war. Den Ausschlag für die Schließung der im April 1989 eingeweihten, im Auftrag der „Schwestern der der heiligen Marie Magdalene Postel“ erbauten Einrichtung gab die Insolvenz (in Eigenverantwortung) der Trägerin – die Katholischen Kliniken Lahn gGmbH (KKL). Als Grund gab die Süddeutsche Zeitung den ständig steigenden Kostendruck an.
Zu den 2000 gegründeten KKL gehörte neben dem Standort Nassau die Hufelandklinik in Bad Ems. Der Schwerpunkt des Nassauer Krankenhauses lag auf dem Bereich Geriatrie, der nun in die akutgeriatrische Abteilung der Paracelsusklinik in Bad Ems verlegt wurde. Dahin wechselten auch diejenigen der insgesamt 69 Mitarbeiter, die Übernahmeangebote angenommen hatten. Die Immobilie selbst, die dem St.-Elisabeth-Krankenhaus Lahnstein gehörte, sollte einer neuen, am besten medizinischen Nutzung zugeführt werden, was zum Glück auch gelang.
Das im November 2019 eröffnete KKL-Insolvenzverfahren in Eigenverantwortung endete mit einem tiefen Einschnitt: Während der Standort Nassau schließen musste, wurde die Hufelandklinik zum Stichtag 1. Juni 2020 an die Maybach Medical GmbH mit Sitz in Stuttgart verkauft. Dort wurde auch die Geriatrie weiterbetrieben. Das Insolvenzverfahren konnte zum 31. Mai abgeschlossen werden, nachdem die Gläubiger dem Insolvenzplan zugestimmt hatten.
Was bleibt? Erstens die Erkenntnis, dass ein weiterer Baustein in der gerade für Hochbetagte wichtigen wohnortnahen stationären Versorgung aus der Krankenhauslandschaft im nördlichen Rheinland-Pfalz verschwunden ist. Und zweitens die Einsicht, dass die Bildung von Krankenhausverbünden nicht immer ein wirtschaftlich sicheres Dach garantiert. Der stetig steigende Kostendruck bringt auch starke Verbünde zunehmend in Schwierigkeiten.
Dennoch fand die „Geschichte“ in Nassau ein glückliches Ende. Gelang es doch, im ehemaligen Marienkrankenhaus einen Standort der KS Medical Group GbR anzusiedeln. Das Unternehmen richtete hier unter dem Namen KS Medical Center medizinisch-pflegerischen Versorgungsstützpunkt ein. Hinter dem erst 2020 gegründeten Unternehmen, das das Krankenhaus bereits im Juli erwarb, stehen trotz des internationalen Namens keine ortsfremden Investoren, sondern der Metallbau-Unternehmer Stefan Schmidt aus Misselberg und der Allgemeinmediziner Dr. Thomas Klimaschka. Die beiden persönlich haftenden Gesellschafter haben ihre Wurzeln im Rhein-Lahn-Kreis. Thomas Klimaschka arbeitet darüber hinaus mit mehreren Facharztpraxen zusammen und betreibt selbst die „Gemeinschaftspraxis Nassauer Land“.
Das Motiv der beiden Gesellschafter: Sie wollten nach eigener Aussage nicht zusehen, dass ein weiteres Mal eine große medizinische Einrichtung ersatzlos aus Nassau verschwindet. Ihr Ziel war es also, die Einrichtung mit einer Nutzfläche von insgesamt 8000 Quadratmetern weiter zu betreiben. Klimaschkas Gemeinschaftspraxis wurde folglich in Teilen in das ehemalige Krankenhaus verlegt. Außerdem wollte man 20 Zimmer für betreutes Wohnen nutzen. Zum Stichtag 1. April bezog die Gemeinschaftspraxis schließlich ihre Räume im ehemaligen Marienkrankenhaus. Weitere Fachärzte anderer Disziplinen sollten perspektivisch dazukommen. Fazit: Aus medizinischer Sicht ist Nassau heute besser aufgestellt als andere Gemeinden, die von Krankenhausschließungen betroffen waren. Neben Facharztpraxen gibt es auch ein Ambulantes Therapie-Zentrum der Paracelsus-Kliniken.
7.4. Paracelsus-Kliniken Bad Ems
In Bad Ems kurte einst die Welt. Die einst große internationale Bedeutung der Kurstadt lässt sich auch heute noch in den vielen prachtvollen Gebäuden ablesen – und an der für eine 10.000-Einwohner-Stadt – sehr guten Krankenhausstruktur. Allerdings haben die politischen und wirtschaftlichen Veränderungen der vergangenen Jahre dazu beigetragen, dass auch das Image der „Gesundheits-Stadt“ einige Kratzer abbekommen hat. Einen Beitrag dazu hat auch das am 10. Januar 2023 verkündete Aus an der Paracelsus-Kliniken für die stationäre Patientenversorgung, die MVZ-Praxen und die Notaufnahme geleistet. Dagegen führten die Internistische Gemeinschaftspraxis und die Praxis für Zahnheilkunde ihren Betrieb fort – ebenso das Ambulante Therapiezentrum Nassau, das weiterhin alle Leistungen anbieten sollte.
Die Einstellung der stationären Krankenhausversorgung sollte ursprünglich bis zu 31. März 2023 erfolgen, endgültig Schluss war dann aber zum Stichtag 1. Juli 2023. Ergebnis: 178 Planbetten am mittlerweile einzigen Krankenhaus der Akut- und Regelversorgung in der VG Bad Ems fielen damit weg. In der größten Verbandsgemeinde des Rhein-Lahn-Kreises klaffte gab es damit kein adäquates Krankenhaus mehr. 270 Beschäftigte waren von diesem drastischen Einschnitt betroffen. Als Grund für die Schließung wurden Personalmangel und hohe Krankenstände angegeben. Die Ausfälle scheinen offenbar so groß gewesen sein, dass die vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Mindestkapazitäten im Sinne einer guten Krankenversorgung nicht mehr gewährleistet werden konnten. Laut Geschäftsführung habe man bereits das Geschäftsjahr 2021 mit erheblichen Verlusten abgeschnitten – und auch die Erwartungen für 2022 hatte man nach unten korrigieren müssen.
Dass sich die Paracelsus aus finanzieller Sicht auf dünnem Eis bewegte, ist nicht neu. Bereits 2018 hatte es ein Insolvenzverfahren für die Kliniken gegeben. Das Sanierungskonzept des neuen Eigners, der Schweizer Porterhouse-Group AG29, die erst im April die insolvente Klinikgruppe Paracelsus übernommen hatte, scheiterte auch, weil Geschäftsführer Michael Philippi, der 22 Jahre für den Sana-Konzern gearbeitet hatte, verstorben war. Es gelang also nicht, die Kliniken auf längere Sicht neu aufzustellen. Das Beispiel der Paracelsus-Kliniken zeigt einmal mehr, dass Übernahmen durch private Investoren und Träger die strukturellen Probleme nicht lösen können. Die Ursachen sind vielmehr in der Gesundheitspolitik in jüngerer Vergangenheit zu suchen, die vielen Krankenhausbetreibern desaströse Ergebnisse beschert hat.
Es kommt nicht von ungefähr, dass auch der für 11. Januar 2023 vorgesehene Runde Tisch für den Erhalt des Paracelsus-Klinikums mit allen Beteiligten auf Kommunal- und Landesebene scheiterte.30 Dabei gab es engagierte Akteure, die etwas bewegen wollten. Einige Ärzte gründeten schließlich sogar eine gemeinnützige GmbH, um die Kliniken als kleineres gemeinnütziges Bürgerkrankenhaus mit 100 Betten weiterzubetreiben. Hierfür benötigten sie allerdings ein Startkapital von 10 Millionen Euro, um den Start für die Belegschaft zu finanzieren, weil die Krankenkassen in der Regel nicht zeitnah überweisen.
Der Rhein-Lahn-Kreis konnte nicht einspringen, weil Bad Ems rein theoretisch als medizinisch gut versorgt gelte. Und das Land durfte aus den bekannten rechtlichen Gründen nicht fördern. Die örtliche, eigentlich auf Pneumologie spezialisierte Hufeland-Klinik wollte auch nicht als Investor einsteigen, aber immerhin als Partner. Sie hätte zum Beispiel die Kardiologie übernehmen können, während Chirurgie und Innere Medizin am neuen Akutkrankenhaus der Grundversorgung betrieben werden sollten. Geplant war das Ganze als Pilotprojekt, das aus Sicht der Initiatoren ganz im Sinne der Krankenhausreform 2024 war. Erfüllt haben sich die Hoffnungen bislang nicht.
7.5. Bad Neuenahr und Adenau
Seit der Flutkatastrophe in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021, in deren Folge 143 Menschen umkamen, ist die Ahrregion eine Großbaustelle. Beim Wiederaufbau hakt es noch an vielen Stellen, es wird wohl noch Jahre dauern, bis zumindest die materiellen Folgen der Katastrophe behoben sein werden. Hatten doch rund 17.000 Menschen ihr gesamtes Hab und Gut verloren. Außerdem waren rund 9000 Gebäude und mehr als 100 Häuser zerstört worden. Angesichts dieser „Rahmenbedingungen“ ist es kein Wunder, dass die Menschen empört auf Meldungen reagierten, die ausgerechnet für diese gebeutelte Region eine Verschlechterung der stationären medizinischen Versorgung in Aussicht stellten.
Die FWG-Fraktion im Kreistag des Landkreises Bad Neuenahr-Ahrweiler kritisierte die Marienhaus-Gruppe, die spätestens seit 2020 ihren Kurs verschärft hatte, unrentable Standorte oder Stationen zu schließen. Und so kam es, dass am 30. November 2022 die Schließung der Geburtshilfe und Gynäkologie am Krankenhaus Maria Hilf in Bad Neuenahr in Aussicht gestellt wurde. Das „war offenbar nur der Auftakt zu einer knallharten Tabula-Rasa-Politik des Krankenhausträgers Marienhaus-Gruppe“, betonte die FWG-Fraktion in einer Pressemitteilung.32 Diese Einschätzung wurde mit der Ankündigung der Schließung des Krankenhauses St. Josef in Adenau zum 31. März 2023 nur wenige Tage später bestätigt.
Die Geschichte des Krankenhauses in Bad Neuenahr reicht bis 1885 zurück. Die Einrichtung hat ihre Wurzeln in der Georg-Kreuzberg-Stiftung. Deren Stifter erlebte die Eröffnung nicht mehr, seine Kinder übergaben die Leitung an die Waldbreitbacher Franziskanerinnen, den Gründerinnen der heutigen Marienhaus-Gruppe. Gemeinsam mit im Jahr 1900 gegründeten Brohltal-Klinik in Burgbrohl bildet die Einrichtung heute das Marienhaus Klinikum im Kreis Ahrweiler, das heute als Grund- und Regelversorger insgesamt 307 Planbetten vorhält. Das mittlerweile geschlossene Krankenhaus in Adenau war der dritte Standort des Verbundkrankenhauses, dem weitere Zentren, Therapeutische Angebote und ein Labor angeschlossen waren. Das 1968 erstmals bezogene neue Krankenhaus in Bad Neuenahr deckt fast alle wichtigen Disziplinen ab, darüber hinaus gibt es eine Geriatrische Institutskrankenhaus. Der Grund- und Regelversorger stellt insgesamt 307 Planbetten bereit.
Das Ende März 2023 geschlossene St.-Josef-Krankenhaus im Mittelzentrum Adenau, dessen Geschichte bis in die 1860er-Jahre zurückreicht, spielte im Gesamtkonzept eine wichtige Rolle. War es doch auch wegen seiner Nähe zum Nürburgring eine erste Anlaufstelle für Unfallverletzte. Für die Abteilung Chirurgie und Unfallchirurgie gab es einen Operationssaal, der rund um die Uhr für Notfalleingriffe zur Verfügung stand. Weitere Fachärzte, zum Beispiel für Viszeralchirurgie und Anästhesie konnten sofort eingeschaltet werden.
Es kommt also nicht von ungefähr, dass der Standort in der 3000-Einwohner-Stadt, für den im Landeskrankenhausplan 2019 55 vollstationäre Betten ausgewiesen sind, in die Liste der bundesweit 120 bedarfsnotwendigen Krankenhäuser aufgenommen worden war und deshalb mit einem Sonderzuschlag in Höhe von rund 400.000 Euro jährlich gefördert werden konnte. Noch im September 2019 bekannten sich in einer Sitzung des Verbandsgemeinderats Adenau Repräsentanten des Betreibers und des Gesundheitsministeriums zum Krankenhaus St. Josef. Allerdings stand damals schon fest, dass der Sonderzuschlag nicht ausreichen würde.
Die Finanzierungslücke war inzwischen so groß, dass man laut über die Schließung der Chirurgie oder deren Fortführung in kleinerer Form nachdachte. Von einer Schließung war noch nicht die Rede, zumal sich engagierte Bürger für das Krankenhaus einsetzten. Es gab sogar einen Förderverein, der stolze 364.162 Euro für den Erhalt der Einrichtung aufgebracht hatte. Auch waren Räume in ehrenamtlicher Arbeit renoviert worden. Und dann erreichte die Initiative „Unser Notarzt“ auch noch, wieder eine dauerhafte Notfallversorgung in der Verbandsgemeinde Adenau zu ermöglichen.
Angesichts dieses enormen Einsatzes müssen Bürger die im Dezember 2022 überraschend verkündete Schließung wie einen Schlag ins Gesicht empfanden, zumal „ihr“ Krankenhaus bereits auf die Bereiche Akuttherapie und Innere Medizin „geschrumpft“ worden war. Es kommt nicht von ungefähr, dass die FWG von einer „vollendeten Tatsachen-Politik“ des Krankenhausträgers. Nachdem im Falle von Bad Neuenahr „ausschließlich Personalmangel als Begründung herhalten musste, wird die jetzt verkündete Komplett-Schließung des Adenauer Krankenhauses neben Personalmangel zusätzlich mit sinkenden Patientenzahlen begründet. Ökonomisierung des Gesundheitswesens in Vollendung also. Die mit der Krankenhausschließung neben dem Verlust eines stationären Versorgungsangebotes für die Bevölkerung im ländlichen Bereich verbundenen Folgen für die 60 im Krankenhaus Adenau beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter spielen für den Krankenhausträger in seinem Leitbild den Begriff ,Wertschätzung‘ fest verankert hat, offenbar keine Rolle“, heißt es in der Pressemitteilung der FWG-Kreistagsfraktion weiter.
Die FWG-Fraktion wies auch darauf hin, dass das Krankenhaus bereits seit 2019 keinen Sicherstellungszuschlag mehr erhalten hatte und zuletzt nur noch 15 bis 20 vollstationäre Betten belegt waren. Die Fraktion stellte weiterhin die Frage in den Raum, ob das Leistungsspektrum des Krankenhauses in den vergangenen Jahren bewusst schrittweise zurückgefahren worden war und die Einrichtung deshalb die Position der versorgungsmedizinischen Unverzichtbarkeit verloren hatte – und in der Folge die Zuschläge für „bedarfsnotwendige Krankenhäuser im ländlichen Raum“ nicht mehr erhalten konnte.
„Mit Blick auf die Vorgaben des rheinland-pfälzischen Landeskrankenhausgesetzes, wonach die Gewährleistung der Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen Krankenhäusern eine gemeinsame öffentliche Aufgabe des Landes und des Landkreises ist und diese zur Erfüllung dieser Aufgabe eng miteinander zusammenarbeiten, muss angesichts der von der Marienhaus-Gruppe geschaffenen Tatsachen jetzt die Zusammenarbeit zwischen Kreis und Gesundheitsministerium rasch vertieft und gemeinsam eine Lösung gefunden werden, wie der gesetzlich verankerte Sicherstellungsauftrag umgesetzt und die stationäre Versorgung der Bevölkerung im Landkreis Ahrweiler gesichert werden kann. Für den Landkreis Ahrweiler ist dies neben der ohnehin schon durch die Flutkatastrophe zu bewältigenden Aufgaben und dadurch gebundener sowohl personeller als auch finanzieller Ressourcen eine gewaltige Herausforderung“, lautete das Fazit der FWG-Fraktion.
Die FWG-Kreistagsfraktion stand mit ihren Vorstößen nicht allein. Auch die anderen lokalpolitischen Akteure zeigten kein Verständnis, zumal die Gespräche mit Betreibern und dem Gesundheitsministerium keine positive Wendung gebracht hatten. In ihrer Sitzung am 26. Januar 2023 machten sich die Mitglieder des Adenauer Stadtrates noch einmal für den Erhalt des Krankenhauses stark und brachten eine Resolution mit folgenden Aussagen auf den Weg:
Doch der Einsatz der Bürger in der Verbandsgemeinde Adenau für den Erhalt „ihres“ Krankenhauses brachte nicht das erhoffte Ergebnis. St. Josef wurde wie geplant zum 31. März 2023 geschlossen. Seitdem wird über mögliche Nachfolgelösungen im kleineren Rahmen nachgedacht – wahrscheinlich in Form eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ), dass zumindest den Grundbedarf in der südlichen Ahreifel decken könnte. Erste Überlegungen präsentierten die Repräsentanten des Landes, des Landkreises Bad Neuenahr-Ahrweiler und der Verbandsgemeinde Adenau bereits am 7. Juni 2023.
Aus Sicht der FREIE WÄHLER-Landtagsfraktion war das jedoch noch lange kein Grund, allzu optimistisch nach vorn zu blicken. Helge Schwab, Gesundheitspolitische Sprecher seiner Fraktion befürchtet, dass es bis zur Einrichtung eines von den Bürgern geforderten interdisziplinären MVZ noch ein weiterer Weg ist. Einen Lichtblick gab es dennoch: Immerhin stand bereits fest, dass zeitnah in einem ersten Schritt zur Verbesserung der Notfallversorgung ein weiterer Rettungswagen in Adenau stationiert werden sollte, um einen Tagesvollbetrieb zu gewährleisten.
„Wir sind für jede Verbesserung dankbar, die den Menschen am Ort dienlich ist“, betont Helge Schwab auch mit Blick auf die medizinische Versorgung im Landkreis Bad Neuenahr-Ahrweiler, wo es aktuell neun MVZ gibt. Für Adenau steht bislang nur die Aussage, dass Ansätze der wohnortnahen Versorgung und die Versorgungssicherheit geprüft werden sollen. Auch ist von kurzfristig realisierbaren Übergangslösungen beziehungsweise von alternativen Versorgungsmodellen die Rede. „Die Frage, wie eine bedarfsgerechte und zukunftsfähige medizinische Versorgung im Raum Adenau aussehen soll, bleibt ebenso unbeantwortet wie die Frage nach einem konkreten Zeitplan“, kritisiert Schwab. Er befürchtet, dass trotz einer bereits bestehenden Arbeitsgruppe und der Absicht, einen professionellen Projektierer zu beauftragen, die Gefahr drohe, „wertvolle Zeit zu verlieren – zum Nachteil der Attraktivität des gesamten Standortes“. Aus Sicht des Landtagsabgeordneten könnte die Einrichtung des MVZ auch für Mediziner im Mittelzentrum bessere Arbeitsbedingungen bieten.
„Schnelle medizinische Hilfe im ambulanten und stationären Bereich muss überall im Land gewährleistet sein. Es darf keine qualitativen Unterschiede geben“, macht Helge Schwab deutlich. Er verweist In diesem Zusammenhang verweist er auch auf die Medienbeiträge über den schleichenden Bedeutungsverlust des unter dem Dach der Marienhaus-Gruppe (Waldbreitbach) befindlichen Krankenhauses, das nach dem Aus für die stationäre Chirurgie Anfang 2020 zuletzt unter anderem auf die geriatrische Versorgung fokussiert war.
Seit der Schließung des Krankenhauses verweist die ehemalige Betreiberin auf ausreichende Kapazitäten im Umland. Da sehen betroffene Bürger völlig anders. Einige haben sich in der Initiativen Gesundheitsvorsorge Adenauer Land sowie im Förderverein Krankenhaus und Notarztstandort Adenau zusammengeschlossen. Sie monieren, dass es inzwischen deutliche Verzögerungen bei der Erstversorgung gebe – auch deshalb, weil der Bestand an Arztpraxen auch in Adenau und in der näheren Umgebung zurückgegangen ist.
Aus Sicht von Helge Schwab passt das genau ins Bild. Er erinnert in diesem Zusammenhang an die Klinikschließungen seit 2020 an den Standorten Nassau, Ingelheim, Bendorf, St. Goar, Oberwesel sowie Bad Ems und fragt sich, ob sich das Land angesichts der wirtschaftlichen Zwänge seiner Verantwortung überhaupt noch bewusst ist. Er ist überzeugt: Die Einrichtung von MVZ in Adenau kann nur ein Baustein bei der Realisierung nachhaltiger Konzepte für die medizinische Versorgung im ländlichen Raum sein.
7.6 Cochem und Zell
Im Sommer 2024 setzte erneut eine Debatte über ein Problem ein, das seit der Beendigung des Insolvenzverfahrens (2019) gelöst schien: die Zukunft des Krankenhausstandorts Zell im Landkreis Cochem-Zell. Seinerzeit konnte die Schließung des mit einem Notfallzentrum ausgestatteten örtlichen Klinikums Mittelmosel verhindert werden. Seinerzeit gelang die Rettung Mithilfe der katholischen Alexianer-Gruppe, die im Mai 2019 mit einem Anteil von 10 Prozent eingestiegen war und ein Darlehen in Millionenhöhe gewährt hatte.
Fünf Jahre später berichteten der Cochemer Wochenspiegel und die Rhein-Zeitung darüber, dass im Hintergrund Gespräche zwischen Verantwortlichen, Kostenträgern und Vertretern der Kommunalpolitik laufen über die Zukunft des zur Dernbacher Gruppe Katharina Kasper (unter Beteiligung der Alexianer) gehörenden Verbundkrankenhauses mit seinen 204 Planbetten laufen. Und nicht nur das: Das Thema stand auch auf der Tagesordnung der öffentlichen und nicht öffentlichen Sitzung des Verbandsgemeinderats Zell am 14. August 2024.
Im öffentlichen Teil sollte die Verabschiedung einer Resolution zum Krankenhausstandort Zell (Mosel) stehen, hinter der auch der Zeller Stadtrat stand. Diese Resolution wurde dann auch veröffentlicht. Und auch die FREIE WÄHLER-Landtagsfraktion teilte grundsätzlich die Befürchtungen auf kommunaler Ebene. „Die jüngsten Entwicklungen in Zell passen ins Bild. Solche Szenarien scheinen derzeit landestypisch zu sein, was zum Beispiel die unrühmlichen Entwicklungen rund um das Krankenhaus Altenkirchen zeigen. Wir befürchten einen Raubbau in der Fläche zum Nachteil der Patienten“, kritisierte Fraktionsvorsitzende Helge Schwab.
Der Gesundheitspolitische Sprecher verwies darauf, dass FREIE WÄHLER grundsätzlich nichts gegen Maßnahmen zur Effizienzsteigerung und zum Abbau von Doppelkapazitäten hätten – wenn die Versorgungsqualität nicht leide und letztendlich die Patienten auf der Strecke blieben. „Im aktuellen Fall sehen wir nur, dass die Wege länger werden. Cochem und Zell liegen 30 Kilometer voneinander entfernt – und in gerade im Sommer touristisch stark frequentierten Gebieten. Wer einmal mit dem Auto an der Mittelmosel und den angrenzenden Höhenlagen unterwegs war, weiß, was das im Extremfall bedeuten kann. Es kann doch nicht sein, dass hier Unternehmenspolitik zu Lasten von Patienten und Mitarbeitern gemacht wird“, so der Landtagsabgeordnete im Vorfeld einer Kundgebung vor dem Krankenhaus am 24. August 2024.
Helge Schwab beantragte schließlich am 27. August 2024, die Situation am Klinikum Mittelmosel auf die Tagesordnung des Gesundheitsausschusses am 6. September 2024 zu setzen.41 Gleichzeitig brachte er eine Kleine Anfrage auf den Weg, die die Landesregierung am 18. September 2024 beantwortete. Dabei stand vor allem die Frage im Raum, wie hoch die Steuermittel waren, die in jüngster Vergangenheit in einen Standort investiert worden, der bereits 2019 zur Disposition gestanden hatte. Die Antwort: In den Jahren 2021 und 2022 erreichte der Anteil der Landesförderung in Höhe von 30 Prozent eine Gesamthöhe von 461.748,10 Euro. Die Mittel stammten aus dem Krankenhauszukunftsfonds, wobei der Schwerpunkt auf den Bereich Digitalisierung lag. Im Mittelpunkt standen dabei Patientenportale, Digitale Pflege- und Behandlungsdokumentation, die Digitale Leistungsanforderung sowie das Digitale Medikationsmanagement.
Würde man die neuen Standards des laut Bundes-Klinik-Atlas ohne Kenntnis der tatsächlichen Realitäten umsetzten, sähe es für den Krankenhausstandort Zell nicht besonders gut aus: Aktuelles weist der neue Bundes-Klinik-Atlas für Zell derzeit 3866 stationäre Behandlungsfälle im Jahr aus. An der unmittelbaren Patientenversorgung am Krankenhausstandort sind aktuell 53 Pflegekräfte beteiligt. Der Pflegepersonalquotient, also die Zahl der Patientinnen und Patienten pro Pflegekraft und der Fallschwere weist einen Wert von 59,07 aus und gilt als weit unterdurchschnittlich. Vor diesem Hintergrund titelte die Rhein-Zeitung „Zeller Klinik ist im Erschöpfungszustand“. Der Beitrag von Birgit Pielen analysierte die Überlastung der Pflegekräfte und nannte Zahlen: So hatten im ersten Halbjahr 2024 allein auf der Inneren Station acht Pflegekräfte wegen permanenter Überlastung gekündigt, um in die Kliniken in Simmern und Wittlich zu wechseln. Auch war von fehlender Wertschätzung war die Rede. Ein anderes Beispiel: Auf einer Station hatte eine einzige Pflegekraft 20 Patienten versorgen müssen.
Das Management der Trägerin, der Katharina Kasper ViaSalus GmbH, ist überzeugt, dass das Krankenhaus mit seinen insgesamt acht medizinischen Fachbereichen und Korporationen sowie 110 Betten nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden kann. Und deshalb gibt es laut Medienberichten – unabhängig von den Reaktionen der betroffenen Patienten und Mitarbeiter – ganz konkrete Überlegungen, die stationäre Krankenhausversorgung für Cochem und Zell am Marienkrankenhaus in Cochem zu konzentrieren, das 140 Betten hat. Trägerin der Einrichtung ist die gleichnamige GmbH. Diese gehört wiederum zur Marien-Gruppe.
Am Marienkrankenhaus Cochem sind derzeit sieben Fachabteilungen sowie weitere Funktionsabteilungen angesiedelt. Aktuell laufen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit, vertrauliche Gespräche zwischen den Verantwortlichen bei den Trägern und in der Verwaltung. Ein Konzept soll nach Abschluss der Verhandlungen öffentlich präsentiert werden.
Für Betroffene in der Stadt Zell und in der Verbandsgemeinde Zell würden sich im Falle einer Schließung des Klinikums Mittelmosel die Wege deutlich verlängern, Stadt- und Verbandsgemeindeverwaltung gehen davon aus, dass für etwa 15.000 Menschen eine Unterversorgung entstehen könnte, weil nicht garantiert ist, dass innerhalb von 30 Minuten ein alternativer Krankenhausstandort erreicht werden kann.
Weitere Probleme sehen die Verantwortlichen in der Stadt- und in der Verbandsgemeindeverwaltung im Bereich der künftigen notfallmedizinischen Versorgung – auch für Touristen. Hintergrund: 2023 besuchten insgesamt 613.190 Gäste den Landkreis Cochem-Zell. Das waren 6,2 Prozent mehr als im Vorjahr.
Die Zahl der Übernachtungen ist ebenfalls gestiegen – und zwar um 5,7 Prozent auf fast zwei Millionen. Ein weiteres Argument für den Erhalt der Einrichtung wurden das Notfallmedizinische Zentrum, die bereits vollzogene Spezialisierung sowie die Kardiologie, die sich eines guten Rufs erfreut und erst im Juli 2024 mit einem neuen Herzkatheterlabor ausgestattet worden war.
Trotz aller guten Argumente für den Erhalt des Krankenhauses, dachten die für das Klinikum Mittelmosel Verantwortlichen bereits Anfang August 2024 laut darüber nach, den Krankenhausstandort aufzugeben und die stationären Kapazitäten im neueren Marienkrankenhaus Cochem zu bündeln, dessen Trägerin eine gleichnamige GmbH ist, die wiederum zur Berliner Marien-Gruppe gehört.
Das 143-Betten-Haus war erst 1993 fertiggestellt worden. Gewährleistet werden sollte in Zell künftig nur noch eine ambulante Versorgung. Ein Krisengespräch im Mainzer Gesundheitsministerium war bereits angesetzt – und zwar für den 16. August 2024. Bereits Anfang Juli habe es ein erstes Gespräch in Mainz gegeben. Und: Das Konzept sollte bereits am 10. September 2024 öffentlich verkündet werden. Damit, dass das Ganze geräuschlos über die Bühne geht, war nicht zu rechnen. Genau 7008 Bürger haben auf Change.org auf Initiative des Krankenhausseelsorgers Gregor Droege eine Petition zum Erhalt des Standorts in Zell unterzeichnet. Weitere 3000 Bürger hatten auf unterschiedlichen Listen unterschrieben.
Bereits 2019 hatte es Proteste gegen eine Schließung gegeben, die letztendlich Erfolg hatte. Es bleibt die Frage, wie es so weit hatte kommen können. Erneut waren tiefrote Zahlen das Hauptargument, die vor allem auf die gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen zurückzuführen waren. Schon allein deshalb zeigte die Landesregierung den Unterzeichnern der Petition die kalte Schulter. Eine Übergabe an den Gesundheitsminister scheiterte aus Termingründen. Und Gesundheits-Staatssekretärin Nicole Steingaß zeigte sich bereit, die Unterschriften nur dann anzunehmen, wenn dies am Rande eines anderen Termins in Kaisersesch geschehen würde.
Der Besuch eines Mehrgenerationenhauses war offenbar wichtiger – offenbar, weil dort Long-Covid-Patienten leben, also genau die Menschen, die besonders auf eine gute Versorgung durch Notfallambulanzen angewiesen sind.
Kein Wunder: Clemens Hoch hatte noch in der Sitzung des Gesundheitsausschusses am 6. September 2024 auf die Vorzüge eines Medizinischen Versorgungszentrums hingewiesen – vorausgesetzt, Patienten wenden sich wirklich dorthin anstatt sich mit Behandlungswünschen, nicht direkt an die Notdienste, die dadurch ihre eigentliche Aufgabe nur noch mehr schlecht als recht erfüllen können. Anlass für die Stellungnahme waren zwei Berichtsanträge der FREIE WÄHLER-Landtagsfraktion und der AfD.
Was eine Schließung des Krankenhauses nicht nur für die Stadt Zell bedeuten würde, sagte der Minister nicht. Dass sich selbst niedergelassene Ärzte für den Bestand der Einrichtung einsetzen, zeigt, wie dramatisch die Situation künftig sein könnte. In einem Interview mit der Rhein-Zeitung wagten sich die Allgemeinmediziner Dres. Martina Hüttl und Gerrit Fischer, die in Bremm gemeinsam eine Praxis betreiben, nach vorn. „Wenn das Zeller Krankenhaus geschlossen werden würde, bedeutet das, für die Bevölkerung, dass eine große Säule der Notfallversorgung für gleich drei Landkreise wegfallen wird. Beim Klinikum Zell handelt es sich nicht um ein weiteres Krankenhaus, welches in Rheinland-Pfalz schließen wird. Das Krankenhaus hat besondere Alleinstellungsmerkmale“, so Gerrit Fischer.
Der Arzt verwies darauf, dass die meisten erfolgreich reanimierten Personen sofort eine Herzkatheter-Untersuchung bräuchten, da die häufigste Ursache für eine Reanimation der plötzliche Herztod im Rahmen eines Herzinfarktes ist.
Beide Ärzte warnten davor, dass Patienten infolge einer Schließung auf den Standort Wittlich ausweichen müssten, obwohl der dortige Standort schon jetzt überlastet sei. Außerdem sei der Krankentransport problematisch, weil an der Mittelmosel Rettungshubschrauber nur bedingt eingesetzt werden können.
8. Zwischenbilanz: Kann das Land womöglich doch helfen?
Gerade das Koblenzer Beispiel zeigt, dass es in Städten und Gemeinden Kräfte gibt, die kommunale Kliniken am liebsten komplett abstoßen oder zumindest Mehrheitsbeteiligungen veräußern würden, um wenigstens einige ihrer vielen „Großbaustellen“ loszuwerden. Zu gewaltig erscheinen die finanziellen Belastungen, die sich im Laufe der Jahre aufgetürmt haben. Da eine Privatisierung ein zweischneidiges Schwert ist und niemand für Einschnitte in der Regelversorgung verantwortlich sein will, wird zunehmend der Ruf nach Landeshilfen laut.
Aus rein rechtlicher Sicht gibt es allerdings enge Grenzen. Die Landesregierung kann grundsätzlich nicht einfach nach dem „Gießkannenprinzip“ Zuschüsse an Kliniken in wirtschaftlichen Schwierigkeiten ausschütten. In diesem Zusammenhang verweist Stephan Wefelscheid, Parlamentarischer Geschäftsführer der FREIE WÄHLER-Landtagsfraktion, auf die Vorgaben der Europäischen Union. So setzt das Europäische Beihilferecht einen engen rechtlichen Rahmen. Verbietet es doch Subventionen und andere Vergünstigungen aus staatlichen Mitteln, die den Wettbewerb verzerren könnten.
Unabhängig davon haben die Ereignisse der jüngeren Vergangenheit, zuletzt im Westerwald, gezeigt, dass die Landesregierung etwas tun muss – auch deshalb, weil nicht zu erwarten ist, dass der Bund bereit sein wird, insolvenzbedrohte Einrichtungen vor Schließungen zu bewahren. Dennoch hält sich die Landesregierung zurück, offenbar auch bei den Investitionen, die eigentlich in ihrer Verantwortung liegen. So kritisierte die Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz (KGRP) bereits im April 2022, dass die Krankenhäuser im Land trotz der vor allem durch den BioNTech-Erfolg sprudelnden Steuereinnahmen keine Entlastung erhalten. „Steuermehreinnahmen kommen […] wieder einmal nicht der medizinischen Infrastruktur in den Krankenhäusern zugute“, kritisierte die KGRP in einer Pressemitteilung. Schon wenige Tage später legte die Krankenhausgesellschaft nach und verwies darauf, dass die Corona-bedingten Ausgleichszahlungen für Kliniken ausgelaufen seien und die Versorgungsaufschläge für die Behandlung von Covid-19-Patienten nur noch bis zum 30. Juni 2022 erfolge.
Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, steht das Land grundsätzlich im Falle von Investitionen in infrastrukturelle Verbesserungen der „Gesundheits-Infrastruktur“ einschließlich größerer Baumaßnahmen in der Pflicht, kann und darf aber die Defizite im Bereich der laufenden Betriebskosten nicht ausgleichen. Darüber hinaus hat Gesundheitsminister Clemens Hoch in der gemeinsamen Sondersitzung des Gesundheits- und Wissenschaftsausschusses am 14. Juli 2023, wie bereits dargestellt, darauf hingewiesen, dass auch das Modell der Landesbürgerschaften zur Absicherung von vergünstigten Krediten angesichts der Rechtslage nicht möglich ist. Der FW-Landtagsabgeordnete Helge Schwab konterte mit der Forderung nach kreativen alternativen Lösungsvorschlägen.
Es könne nicht sein, dass sich das Land aus der Verantwortung ziehe, betonte er in mehreren Pressemitteilungen der FREIE WÄHLER-Landtagsfraktion.
Ein Ausweg wäre vielleicht, Modelle einer Landesbeteiligung zu entwickeln, wobei es derzeit so aussieht, dass das Gesundheitsministerium diese Möglichkeit infolge der zu erwartenden immensen Belastungen, vor allem aber wegen der zu leistenden Garantien ablehnt. Außerdem hat es mit Landeskrankenhaus bereits die Verpflichtung übernommen, für 17 Standorte der zu dem 100 Prozent landeseigenen Einrichtung geradezustehen.
Wegen der besonderen Konstruktion des Landeskrankenhauses erscheint es wenig sinnvoll und auch nicht finanzierbar, diesen Verbund durch die Übernahme ehemals kommunaler Einrichtungen zu verwässern. Eine Alternative könnten deshalb Konstruktionen sein, die eine Beteiligung des Landes Rheinland-Pfalz an bedrohten kommunalen Krankenhäusern zulassen. Genau deshalb bringt die Partei FREIE WÄHLER Rheinland-Pfalz ihren beim Landesparteitag am 25. März 2023 mit großer Mehrheit beschlossenen Leitantrag ins Spiel, in dem die Gründung einer Landeskrankenhausgesellschaft gefordert wird. Diese hätte die Funktion, Kliniken durch Beteiligungen zu stabilisieren. Allerdings müssen für die Umsetzung dieses Vorschlags gangbare Wege in der Praxis entwickelt werden.
Würde das Modell umgesetzt, müsste zur besseren Trennung und zur Kommunikation des Modells sehr wahrscheinlich ein anderer Name gefunden werden. Denn es gibt bereits eine Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz, die in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins auftritt und ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolgt. Die Geschäftsstelle des Vereins befindet sich in Mainz. Nach eigener Aussage unterstützt die Gesellschaft die Mitgliedskrankenhäuser in den jährlich stattfindenden Entgeltverhandlungen. Außerdem gibt sie Hilfestellung bei juristischen und wirtschaftlichen Fragestellungen im Rahmen der Krankenhausbehandlung. Und schließlich erarbeitet sie Stellungnahmen zu Gesetzen und Verordnungen. Ziel ist es, das Krankenhauswesen in Rheinland-Pfalz auch durch Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen zu fördern.
Kritiker einer Beteiligungsgesellschaft unter Führung des Landes Rheinland-Pfalz bemängeln, dass eine solche Konstruktion den Einrichtungen zentralistische Eingriffe zulasten der örtlichen Flexibilität bringen könnte. Das Hauptargument gegen eine solche Konstruktion ist jedoch finanzieller Natur, weil der Immobilienbestand der Krankenhäuser, der sehr oft nicht durch Schulden belastet ist, bei der Gründung und der damit verbundenen Regelung der Beteiligungen einbezogen würde. Außerdem sind Erhaltung und Ausbau des Bestands grundsätzlich gesetzlich geregelt, wodurch das Land bereits in der Pflicht steht. Hilfen zur Bewältigung der steigenden Betriebskosten in das Modell einzubauen, ist nicht nur aus Sicht der Kritiker schon allein aus Sicht der aktuellen Rechtslage problematisch.
Anders Stephan Wefelscheid. Der Landtagsabgeordnete sieht in einer Landeskrankenhausgesellschaft grundsätzlich ein Beteiligungsmodell auf Zeit, dessen Aufgabe es ist, Insolvenzen zu verhindern, indem Kliniken liquide gehalten werden, um die laufenden Betriebskosten decken zu können. Es soll mindestens für die Überbrückung der kommenden Monate geschaffen werden, also so lange, bis die „Lauterbach-Reform“ wirklich greifen kann. Auch hinsichtlich der Finanzierung hat Wefelscheid ganz konkrete Vorstellungen: Es sollte aus den Rücklagen des Landes Rheinland-Pfalz, die sich aktuell auf deutlich mehr als 3 Milliarden Euro belaufen, auf Zeit finanziert werden. Umgekehrt erhält das Land durch seine vorübergehende Beteiligung an den Krankenhausunternehmen eine Sicherheit. Eine solches Modell könne, so der Parlamentarische Geschäftsführer der FREIE WÄHLER-Landtagsfraktion, zumindest so lange aufrechterhalten können, bis das Geld nach einer wirtschaftlichen Erholung der betroffenen Krankenhäuser zurückgezahlt werden kann. Um dieses Modell zur „Serienreife“ zu entwickeln, ist allerdings noch viel Detailarbeit erforderlich.
Eine klassische Insolvenz defizitärer Einrichtungen erscheint aktuell als schlechtestes Modell. So gibt der Mediziner Manfred Reeb aus Kaiserslautern zu bedenken, dass ein solcher Schritt Kommunen und andere Körperschaften des öffentlichen Rechts höchstwahrscheinlich nicht entlasten würde. Blieben doch finanzielle Verpflichtungen wie zum Beispiel die Bezahlung von Betriebsrenten bestehen. Sie müssten im Rahmen eines Insolvenzverfahrens womöglich sogar früher erfüllt werden. Dies würde für die kommunalen Träger perspektivisch weitere finanzielle Turbulenzen bescheren, als sie ohnehin schon haben – weil das Geld für eine Abwicklung im großen Stil fehlt.
Was also tun? Dass es die Bundesregierung war, die durch ihre Entscheidungen in der Corona- und in der Ukraine-Krise die Kostenentwicklung vor allem bei den Energie- und Materialkosten befeuert und dadurch indirekt viele Einrichtungen in die Schieflage gebracht hat, sehen Kritiker den Bund in der Pflicht. Dass dieser Ansatz durchaus berechtigt ist, zeigt der Blick in den Gesundheitsreport 2022 der Barmer. Demnach gab es 2020 wegen der Corona-Krise aus Sicht der Ersatzkasse einen Einbruch bei der Zahl der Krankenhausfälle, der sich auch im folgenden Jahr fortsetzte. Demnach gab es 2021 199,3 Krankenhausaufenthalte pro 1000 Versicherte. Das waren 12,5 Prozent weniger als 2019. Gleichzeitig stiegen die Ausgaben pro Versicherten von 1037 auf 1062 Euro. Bei den somatischen Krankheiten waren die Kosten um 1,9 Prozent, bei der Behandlung psychischer Erkrankungen jedoch um 7,1 Prozent gestiegen.
Angesicht der negativen Entwicklungen in jüngster Vergangenheit weist Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach darauf hin, dass die Krankenhausreform nun eine Verbesserung der finanziellen Grundausstattung bringen wird. Dieser Ansatz wird, wie in dieser Untersuchung bereits mehrfach angedeutet, aber erst nach einer Übergangszeit greifen. Deswegen muss man davon ausgehen, dass es 2024 und 2025 zu weiteren Insolvenzen und im Extremfall auch zu Klinikschließungen kommen wird.
Landes- und Kommunalpolitik können im Idealfall erreichen, dass es zu punktuellen Nachbesserungen kommt. Dies könnte dazu beitragen, das eine oder andere von der Schließung bedrohte Haus zu retten oder zumindest in eine gut funktionierende, interdisziplinär aufgestellte ambulante Einrichtung umzuwandeln. Die aktuellen Entwicklungen zeigen aber, dass es unrealistisch ist, die Schwierigkeiten generell mit einer solchen Umwandlung in den Griff zu bekommen. Denn auch die ambulante Gesundheitsversorgung wird durch personelle und finanzielle Probleme belastet.
Auch beim „Kerngeschäft“ des Landes, der Förderung von Sanierungen und Baumaßnahmen im Bereich der „Gesundheits-Infrastruktur“ gibt es offenbar Nachholbedarf. So monierte die Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz bereits am 11. Mai 2022, dass das Krankenhausinvestitionsprogramm für das laufende Jahr wenig Licht und viel Schatten habe. Und das, obwohl das jährliche Investitionsvolumen um 8 Millionen Euro auf 136 Millionen Euro erhöht worden war.
Diese Steigerung federe nicht einmal die Inflationsrate ab, ganz zu schweigen von den Baupreissteigerungen im hohen zweistelligen Bereich, bilanzierte die KGRP. Sie forderte für die Schaffung von zukunftsfähigen Krankenhausstrukturen eine Anhebung der Investitionsförderung durch das Land auf ein Niveau von 8 Prozent der Gesamterlöse der Krankenhäuser. Ferner verwies die Gesellschaft darauf, dass diese Krankenhausinvestitionsquote durch verschiedene wissenschaftliche Expertisen bestätigt werde. Aktuell liege die Quote bei lediglich 2,7 Prozent, stellte KGRP-Geschäftsführer Andreas Wermter fest.
Außerdem forderte die Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz von der Landesregierung eine Anhebung der investiven Fördermittel auf 300 Millionen Euro pro Jahr. Das Geld solle für Modernisierung und Neubauten für Krankenhäuser in Rheinland-Pfalz bereitgestellt werden. Dies könne auch in einem Stufenplan erfolgen, so die KGRP weiter. Ferner forderte die Gesellschaft einen Sonderfonds in Höhe von 1 Milliarde Euro zum Abbau des bereits bestehenden massiven Investitionsstaus im Bereich Krankenhausbau.
Dass die Forderungen der KGRP erfüllt werden, erscheint unrealistisch. Denn trotz der verbesserten Einnahmesituation infolge des BioNTech-Sondereffektes steht das Land nicht nur im Bereich der „Gesundheits-Infrastruktur“ vor großen finanziellen Herausforderungen. Ist doch der Sanierungsstau in vielen Bereichen erheblich.
Land und Kommunen müssen als Aufgaben erledigen, die kurz- und mittelfristig nicht zu bewältigen sind. Das zeigen auch die Auseinandersetzungen um die Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs, der Kommunen verpflichtet, ausgeglichene Haushalte vorzulegen und die kommunalen Steuern mindestens auf die aktuellen durchschnittlichen Nivellierungssätze zu erhöhen, was für die örtlichen Gewerbetreibenden und Immobilieneigentümer Mehrbelastungen bescheren wird.
Die Tatsache, dass das Land finanzschwache Kommunen beim Abbau von Altschulden unterstützt, ist da nur ein schwacher Trost. Der „Hilfe“ steht die Tatsache über, dass das Land Pflichtaufgaben auf die Kommunen abgewälzt hat. Ein Paradebeispiel hierfür ist die Verpflichtung für den Neu- und Ausbau von Kindertagesstätten, die nun in weiten Teilen an Städten und Gemeinden hängenbleibt.
Es kommt also nicht von ungefähr, dass die kommunalen Spitzenverbände die Entwicklung medienwirksam kritisierten. In der zweiten Augustwoche wandten sich Gemeinde- und Städtebund, Städtetag und Landeskreistag schließlich mit einem Brief an die Landesregierung. Darin beklagten sie unter anderem die mangelnde Unterstützung der Kommunen durch das Land. Sie forderten deshalb ein Soforthilfeprogramm, um die Kommunen aus der Perspektivlosigkeit zu befreien.
Das Land winkte jedoch ab. Die Rhein-Zeitung zitiert einen Sprecher wie folgt: „Die Vielzahl von Maßnahmen zur Verbesserung der kommunalen Finanzausstattung gilt es aus Sicht der Landesregierung erst einmal wirken zu lassen.“ Exemplarisch wurden neben dem neu geregelten Finanzausgleich die geplante Entschuldung der Kommunen und das 250 Millionen Euro schwere Klimainvestitionsprogramm genannt. Doch gerade letzteres zeigt, wie begrenzt die Wirkung von Sonderprogrammen in der Praxis ist. Zahlreiche Gemeinden waren dem Klimabündnis des Landes beigetreten, was Voraussetzung für die Beantragung von Zuschüssen war. In der Praxis stellte sich jedoch heraus, dass gerade für kleineren Gemeinden am Ende nur niedrige, bestenfalls mittlere fünfstellige Beträge bewilligt wurden. Dazu kommt, dass das Land Rheinland-Pfalz bereits für zahlreiche laufende Bauprojekte verantwortlich ist. So wurden am Nette-Gut in Weißenthurm, einem Standort des Landeskrankenhauses, nach mehreren Baumaßnahmen zuletzt rund 10,4 Millionen Euro in einen Neubau für die Forensische Psychiatrie investiert (2022). Das ist wie die Bezuschussung von Bauprojekten am Städtischen Klinikum Ludwigshafen ein Beispiel von vielen. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang noch einmal an die insgesamt rund 2,2 Millionen Euro, die das Land für den Ausbau der Universitätsmedizin in Mainz bis 2038 ausgeben will.
In der Debatte um Erhaltung und Ausbau der „Gesundheits-Infrastruktur“ wir gern übersehen, dass das Land noch in vielen anderen Bereichen finanziell in der Pflicht steht – Beispiel für die Erweiterung und die Sanierung der Landesstraßen. Zu den größten Infrastrukturprojekten im Land gehört zum Beispiel der rund 181,3 Millionen Euro teure Ausbau der Pfaffendorfer Brücke. Bauherrin ist zwar die Stadt Koblenz, doch hat das Land einen Zuschuss von 80,7 Millionen Euro für den Neubau der 311 Meter langen Strombrücke zugesagt.59 Die wenigen Beispiele zeigen: Angesichts der großen finanziellen Fragen erscheint es sinnvoll, dass eine oder andere Projekt auf den Prüfstand zu stellen, auch wenn das auf lokaler Ebene verständlicherweise anders gesehen wird.
Vor diesem Hintergrund und der fehlenden Perspektiven für eine Verbesserung der finanziellen Gesamtsituation stellt sich die Frage, ob es wirklich sinnvoll ist, Krankenhausstandorte aufzugeben, in die noch bis vor wenigen Jahren massiv investiert wurden, nur um an anderer Stelle unter Einsatz von dreistelligen Millionenbeträgen zentrale Standorte zu errichten, von denen man sich Einspareffekte erhofft, ohne zu wissen, ob sie in der Realität auch eintreten werden. Exemplarisch wird das nicht nur im Falle des Westerwald-Klinikums deutlich, sondern auch in Koblenz. Die Frage „Hat es wirklich einen Sinn, mit dem Evangelischen Stift einen Standort aufzugeben, in den bis zuletzt investiert wurde?“ drängt sich geradezu auf.
Auch im Falle des Evangelischen Stifts St. Martin in Koblenz lohnt sich ein Blick zurück: Die Gebäude für die Praxisklinik wurden 2005 fertiggestellt, zwischen 2007 und 2009 wurde ein neuer Operationstrakt mit acht OP-Sälen fertiggestellt, wobei die endgültige Freigabe offizielle Eröffnung erst 2011 erfolgten. Und 2009 wurden die neue Palliativstation und die Krankenhauskapelle ihrer Bestimmung übergeben. Allein für den neuen Funktionstrakt mit den OP-Sälen wurden rund 28 Millionen Euro ausgegeben, wobei das Land Rheinland-Pfalz einen Zuschuss von rund 13,3 Millionen Euro gewährte. Schon allein diese wenigen Beispiele zeigen, dass die Substanz des Krankenhauses in der Südlichen Vorstadt besser sein dürfte, als in der Öffentlichkeit gern dargestellt, zumal auch in den Brandschutz investiert wurde. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass auch der OP-Trakt im Kemperhof alles andere als antiquiert ist. Hier wurde 1998 ein Funktionsbau mit sechs aseptischen OP-Sälen und einem septischen OP-Saal errichtet, wobei die Gesamtkosten bei 37,3 Millionen DM lagen. Das Land Rheinland-Pfalz übernahm damals die Kosten von 100 Prozent in Form einer Festbetragsfinanzierung. Weitere Millionenbeträge wurden in den Umbau des Schwesternwohnheims, den Neubau der internistischen Intensivstation und den Umbau der Endoskopie investiert. Bis in die Jahre 2007 und 2008 wurden also weitere rund 10 Millionen Euro investiert.
Angesichts dieser enormen Kosten, für die letztendlich der Steuerzahler aufkommen musste, bedeutet ein radikaler Schnitt in Form eines neuen zentralen Klinikums im Stadtteil Moselweiß, sich von dieser enormen Aufbauarbeit ohne Not zu verabschieden. Man müsste bei der Kalkulation einer angeblichen Kostenersparnis diesen Faktor in die Berechnung einbeziehen.
Ein weiterer Punkt: Mit den Neubauplänen in Koblenz-Moselweiß könnte angesichts der Kostenentwicklung von der Umwandlung des Stifts in einen Gesundheitscampus, dessen Schwerpunkt die Behandlung von Senioren sein sollte, abgerückt werden. Man muss befürchten, dass der Standort zweckentfremdet wird – etwa durch den Umbau für teure Wohnungen, die dem tatsächlichen Bedarf nicht gerecht würden. Dazu kommt, dass der Standort in der Südlichen Vorstadt als Rehabilitationszentrum für Querschnittspatienten bundesweit bekannt ist. Auch hier wurde kräftig investiert (zuletzt durch die Erweiterung der Kapazitäten von 40 auf 50 Betten, Turnhalle und Schwimmbad sind vorhanden – und moderne Operationssäle quasi um die Ecke.
Durch eine Aufgabe des Stifts würde ein Solitär ohne Einbindung in die neue Infrastruktur entstehen. Folgerichtig müsste man auch diese Einrichtung auf das Kemperhof-Gelände verlegen. Es ist also davon auszugehen, dass die Summe der Investitionen derart gewaltig ist, dass sich der Einspareffekt, falls es ihn überhaupt geben sollte, aus Sicht des Steuerzahlers erst nach Jahrzehnten einstellen dürfte. Bis dahin wird es längst andere Rahmenbedingungen geben.
Es ist also mehr als fraglich, ob sich die radikalen Strukturreformen in der Fläche auf Dauer wirklich rechnen werden. Das Geld für ehrgeizige Bauprojekte könnte man höchstwahrscheinlich besser investieren. Überprüfung der Strukturen, Abbau von Doppelkapazitäten durch Neuordnung und Neuaufteilung von Fachkliniken wären womöglich der bessere Weg, zumal dieser Ansatz in den vergangenen Jahren durchaus Erfolge hatte. Punktuelle Sanierungsmaßnahmen wären womöglich der bessere Weg. Das gilt nicht nur für Koblenz, sondern für alle Standorte, die derzeit auf dem Prüfstand stehen. Vielleicht könnten die gesparten Mittel in eine Beteiligungsgesellschaft fließen, gegen deren Gründung sich die Landesregierung sträubt. Ein weiterer Kahlschlag in den regionalen Krankenhauslandschaften, die sich grundsätzlich bewährt haben, wäre sicherlich der schlechtere Weg. Auch darf grundsätzlich bezweifelt werden, ob die Arbeitsbedingungen an neuen zentralen Standorten wirklich optimiert werden. Hinter den kühnen Plänen lässt sich durchaus auch ein Sparmodell für das Krankenhauspersonal vermuten. Der Dienst am Menschen würde damit nicht besser, sondern schlechter.
Auch aus ökonomischer Sicht ist eine staatliche Beteiligung an Krankenhäusern kommunaler oder gemeinnütziger Träger sinnvoll: Das könnte den Siegeszug ausschließlich am Profit orientierter privater Betreiber aufhalten. Was das „private“ Modell bedeuten kann, nämlich die Aufgabe von Krankenhäuser zugunsten ambulanter Versorgungszentren, ist nicht nur am Beispiel der einstigen Loreley-Kliniken deutlich geworden. Es droht die „Filetierung“ der Gesundheitsversorgung in der Fläche und damit das Aus für die Grund- und Regelversorgung im ländlichen Raum. Leiden würden vor allem die nur eingeschränkt oder gar nicht mehr mobilen Menschen. Das kann nicht der Anspruch eines Landes sein, in dem man sich so gern auf Werte beruft und sich als Vorbild für andere präsentiert. Dass auch Betreiber mit kirchlichem Hintergrund wie die Marienhaus-Gruppe einen harten Konsolidierungskurs steuern und sich in den vergangenen Jahren zunehmend aus der Fläche zurückgezogen haben, sollte ebenfalls zu denken geben.
Fazit: Die Zusammenstellung hat gezeigt, dass vor allem auf Bundes- und Landesebene nachgelegt werden muss. Das befreit die für die für die „Gesundheit-Infrastruktur“ Verantwortlichen in der Fläche nicht vor der Pflicht, Strukturen auf den Prüfstand zu stellen – auch bei der Personalpolitik. Etwa seit dem Jahr 2000 lässt sich die Zunahme von Stabsstellen an vielen Krankenhäusern beobachten – und zwar oft in Bereichen, die streng genommen mit dem eigentlichen Versorgungsauftrag der Einrichtung nichts oder gar wenig zu tun haben. Inzwischen sind Kommunikations- und Marketingabteilungen wie Pilze aus dem Boden geschossen, wobei der Effekt einer Verbesserung der Darstellung in der Öffentlichkeit nicht unbedingt eingetreten ist, weil über Probleme an den einzelnen Einrichtungen eben nicht gesprochen wird und entscheidende Informationen unter der Hand „durchgestochen“ werden, was für die Verantwortlichen oft zum Desaster werden kann.
Es gab Zeiten, da hat ein Anruf einer Chefsekretärin genügt, um eine Medienberichterstattung im großen Stil zu bewirken. Aus heutiger Sicht hat sich der Trend, die Konkurrenz der Krankenhäuser untereinander zu befeuern, zu merkwürdigen Blüten geführt. Das gilt auch für das extreme Wachstum der Bezüge in den Führungsetagen. Noch Ende der 1990er-Jahren war es in kommunalen Kliniken nicht unüblich, die kaufmännische Geschäftsführung an Amtsleiter zu übergeben, deren Beamtenbezüge deutlich geringer waren – ebenso wie die seinerzeit diskutierten roten Zahlen. Das waren natürlich andere Zeiten. Die Zunahme der Bürokratie seit Mitte der 1990er-Jahre hat trotz der Konzentrationsprozesse gerade im administrativen Bereich zu zahlreichen Neueinstellungen führen müssen, während nun die Fachkräfte für den direkten Dienst am Menschen fehlen. Auch das zu einer Schieflage geführt, die fast allen Kliniken zu schaffen macht. Dass inzwischen teurere Beratungsgesellschaften mit der Spurensuche und Sanierungskonzepten beauftragt werden, ist auch so ein Punkt, über den man grundsätzlich diskutieren müsste.
|
|
|