Am Ende des Drauradwegs weiter über die ungarische Grenze an den Balaton (Plattensee): Ein ambitioniertes Tagesprogramm. Genauer gesagt: Es wurde mit rund 140 Kilometern die Königsetappe der ganzen Tour. Das war auch von Anfang an so geplant, weil Unterkünfte auf dieser Strecke rar gesät sind. Und am Plattensee selbst waren die meisten Hotels und Pensionen belegt. Und das, obwohl ich mich schon drei Monate vorher um ein Quartier gekümmert hatte. Kein Wunder: Ein Urlaub am Plattensee lohnt sich, und vielerorts ist es immer noch deutlich günstiger als in Deutschland. Dazu kommt, dass viele Menschen in Ungarn deutsch sprechen - auch sind sie angenehm und sehr gastfreundlich. Auch gute Küche und der Wein können ein Motiv sein, sich länger dort aufzuhalten.
Doch bevor es losging, kurvte ich zunächst durch Varaždin, einer mitteleuropäsich beeinflussten Barockstadt. Am Vortag war es ja zu spät für eine Besichtigungsrunde geworden. Mein Fazit: Die Partnerstadt von Koblenz, die heute rund 44.000 Einwohner hat, ist schön, kann aber mit Reisezielen wie Maribor oder Ptuj nicht mithalten. Was Varaždin aber mit beiden Städten gemeinsam hat, ist eine reiche Geschichte als Schnittstelle verschieder Kulturen. Als ein Zentrum des christlichen Glaubens hatte die Stadt schon früh Begehrlichkeiten geweckt. Entsprechend musste sie gegen die vordringenden Türken geschützt werden. Heute erinnert das Schloss, das aus einer Wasserburg entstanden ist, an diese kriegerischen Zeiten.
Es gibt eine große Gemeinsamkeit mit Koblenz: Die in blaue historische Uniformen gekleidete Stadtgarde, die im Rahmen von feierlichen Anlässen auftritt. Wenn man so will, sind die Stadtsoldaten in Koblenz das Pendant. Es kommt nicht von ungefähr, dass die Städtepartnerschaft von deutscher Seite aus en Reihen der Stadtsoldaten initiiert wurde.
Und hier geht es zum offfiziellen Internetauftritt der Touristik in Varaždin https://visitvarazdin.hr/de/varazdin/
Wie es weiterging? Um es vorweg zu sagen: Die ersten 80 Kilometer der Etappe gestalteten sich recht komfortabel, wobei die Route stadtauswärts entlang der Hauptstraßen führt. Allerdings wurde an die Bedürfnisse der Radfahrer gedacht, auch die Beschilderung ist ausreichend. Grundsätzlich kann man sagen, dass man auch auf der weiteren Strecke dem Prinzip treu bleibt, Fahrräder entlang der Hauptstraßen zu führen. Das ist nicht weiter schlimm, man kommt durch etliche hübsche Dörfer - und, so weit möglich - werden Radfahrer über Nebenstraßen geleitet. Manchmal schien es fast so, als sei ich allein unterwegs. Zwischenfazit: Die gut 45 Kilometer von Varaždin bis zu ungarischen Grenze waren relativ angenehm zu fahren.
Ich war darauf gespannt, wie es in Ungarn weitergehen würde. Ich war erst ein Mal in diesem Land gewesen - und zwar 2004 im Rahmen einer Donau-Flusskreuzfahrt, die mich unter anderem nach Budapest führte. Und siehe da: Die weitere Strecke erfüllte im positiven Sinne alle Ungarn-Klischees. Man wird über viele landestypische Dörfer geführt. Diese wirkten wohl angesichts der Mittagshitze sehr verschlafen.
Die Qualität des Straßenbelags ist zufriedenstellend. Allerdings gibt es auf den letzten 20 Kilometern auf der Straße nach Nagykanisza sanierungsbedürftige Abschnitte, für Radler wird es also holprig.
Nagykanisza ist ein Verkehrsknotenpunkt für Auto und Bahn. Die Stadt, die auch unter ihrem deutschen Namen Großkirchen bekannt ist, hat rund 44.500 Einwohner. Sie hatte im 17. Jahrhundert eine große strategische Bedeutung und wurde auch als "Schlüssel zu Deutschland" bekannt. Das änderte jedoch nichts daran, dass die Stadt bis zum Jahr 1690 türkisch besetzt war.
Wer heute nach Nagykanisza kommt, erlebt vor allem eine moderne Einkaufsstadt, doch bei genauerer Betrachtung fallen die vielen Bauten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts auf. Großkirchen ist keine Stadt, die auf den ersten Blick begeistert. Allerdings gibt es doch zahlreiche Ecken, an denen man sich wohlfühlen kann, zum Beispiel rund um den Rathausplatz. Dort bestellte ich eine Maß Bier und eine Pizza Ananas. Die Bedienung grinste und wusste sofort - da saß ein Deutscher.
Das Ziel Nagykanisza war auch der große Wendepunkt der gesamten Tour. Da die Stadt in einem Kessel liegt, geht es mehrfach bergauf. Selbst die Abfahrten trugen wenig zur Entlastung bei. Dazu kommt, dass die Qualität des Straßenbelags arg zu wünschen übrig ließ. Der Lichtblick: Der weitere Ausbau von Radwegen ist offenbar auch auf dieser Strecke geplant. Einige Abschnitte sind bereits fertig, die Qualität ist hervorragend. Leider enden die Radwege abrupt. Unangenehm ist auch, dass die Tortur bei sengender Hitze erst nach gut 30 Kilometern zu Ende war. In einem Naturschutzgebiet auf der Strecke zum Balaton konnte ich fast nicht mehr und fragte mich, ob ich die verbleibenden 25 Kilometer noch schaffe.
Ich machte Pause in einer kleinen Gaststätte. Die beiden Halben wirkten Wunder, und ich schaffte es zum Tagesziel Keszthely (Kesthell). Leider lag meine Ungterkunft wieder einmal auf der Höhe und war, da umgeben von Schnellstraßen, für Radfahrer gar nicht leicht zu finden war - und zu allem Überfluss half auch Google maps nicht weiter. Erst gegen 21 Uhr kam ich in der Pension Diána Fogadó an. Ich hatte inzwischen rund 140 Kilometer auf dem Tacho.
Sehr nette, deutsch sprechende Wirtsleute da, sie haben sogar noch für mich gekocht, obwohl das Restaurant schon geschlossen hatte. Ein ruhiges Zweibettzimmer zur Alleinnutzung gab es auch. Meine Bewertung trotz der nacheiligen Lage (für Autofahrer ist die Anbindung allerdings optimal).
Und hier geht es zum Internetauftritt der Pension Diána Fogadó: https://dianafogado.hu/
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