Dr. Dr. Reinhard Kallenbach | Landeskundliche Forschung
   Dr. Dr. Reinhard Kallenbach | Landeskundliche Forschung

Teil 3

Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 2

 

3. Frühe Versorgung der Altstadt

 

Ein wesentlicher Teil der Koblenzer Trinkwasserversorgung wurde bis zum Ende des 19. Jahrhunderts durch private Ziehbrunnen sichergestellt, die sich entweder in den Höfen oder im Inneren der Häuser befanden. Aber es gab viele Gebäude, die nicht mit derartigen Einrichtungen versehen waren. Die Bewohner deckten ihren Wasserbedarf aus öffentlichen Brunnen. Der wichtigste dieser Brunnen befand sich auf dem Plan. 1544/1545 ließ die Stadtverwaltung auch auf dem Florinsmarkt einen neuen Brunnen graben, doch war seine Ergiebigkeit so gering, dass er nur kurze Zeit Bestand hatte.57

 

Da die Brunnen in der Stadt gepflegt werden mussten, hatten sich die Bewohner von Straßen und Gassen bereits frühzeitig zu Brunnennachbarschaften zusammengeschlossen. Die Gesamtzahl der Gemeinschaften wurde 1789 auf 22 festgelegt. Diese bestanden bis 1854; dann übernahm die Stadt Unterhaltung und Instandsetzung.58

 

3.1 Die Suche nach neuen Quellen

 

Bereits im 16. Jahrhundert scheint man in Koblenz den Zusammenhang zwischen dem Ausbruch von Seuchen und der Verschmutzung des Trinkwassers erkannt zu haben, denn die Stadtväter griffen immer wieder Pläne auf, eine Wasserleitung einzurichten.59 Erste Versuche, derartige Pläne zu verwirklichen, wurden wahrscheinlich schon 1543 unternommen. Für diese Datierung gibt es schriftliche Anhaltspunkte. So berichtet zum Beispiel eine Urkunde vom 3. Januar 1554 darüber, dass die Stadt den Brüdern von Eltz 100 Gulden für das Auffinden und die Projektierung einer Quelle im Wald bei Lay bezahlt hat. Die Konzepte wurden jedoch nie ausgeführt.60

 

Die Gründe für den Bau von Wasserleitungen sind nicht nur im hygienischen Bereich zu suchen. Eine derartige Einrichtung sollte auch die Feuerbekämpfung effektiver gestalten. Die Fachwerkhäuser in den engen Gassen der Altstadt mit ihren Strohdächern waren ständig vom Funkenflug aus den Kaminen bedroht und konnten deshalb leicht in Brand geraten. Zwar versuchte der Rat, das Problem durch entsprechende Verordnungen in den Griff zu bekommen, doch zeigten sich die Bürger von diesen Beschlüssen wenig beeindruckt. Verbote zur Abschaffung von Strohdächern und hölzerner Schornsteine mussten im 16. und 17. Jahrhundert mehrfach wiederholt werden, bis sie von den Koblenzer Hauseigentümern befolgt wurden.61

 

Die Geschichte der frühen Wasserversorgung in Koblenz ist in der stadtgeschichtlichen Literatur bislang sehr knapp abgehandelt worden. Eine etwas ausführlichere Darstellung liefert lediglich Max Bär. Demnach wurden 1597 und 1598 an den Abhängen der Karthause im Bereich „Zweibergen“ (am Nordhang der Karthause im westlichen Bereich des Friedhofes), am „Kopfhorn“ (am Osthang der Karthause in der Nähe der Laubach) und am „Pfenningsborn“ (unterhalb der ehemaligen Feste Kaiser Alexander auf der Karthause) Bohrversuche unternommen, die jedoch erfolglos blieben. Etwa zur gleichen Zeit hatte man mit den Probebohrungen oberhalb der Rohrer Höfe in Metternich begonnen und war dabei auf Quellwasser in einer ausreichenden Menge gestoßen. Die Kosten und der Widerstand des Landesherrn verhinderten jedoch die Erschließung. Erst Kurfürst Johann Hugo von Orsbeck griff im Jahre 1683 die Pläne wieder auf, im Bereich Metternich und Lützelkoblenz folgten Vermessungsarbeiten. Zudem stellte der Graubündner Johann Christof (Christopherus) Sebastiani, der als Baumeister in Diensten des Erzbischofs stand, alle voraussichtlichen Kosten schriftlich zusammen. Dabei blieb es.62

 

Eine Auswertung der schriftlichen Quellen nahm der Koblenzer Archivdirektor Dr. Wilhelm Maria Becker zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor. Sein handschriftlicher Bericht enthält eine erste gründliche Darstellung der frühen Koblenzer Wasserversorgungsgeschichte. Deshalb basieren die Ausführungen in den folgenden Abschnitten auch auf den Erkenntnissen des Koblenzer Archivrates.63 Demnach unternahm man 17 Jahre später einen erneuten Versuch, doch noch zu einer Wasserleitung zu kommen. Der in den Akten der kurtrierischen Kellerei Koblenz erhaltene, von Christian Sintziger unterschriebene Entwurf trägt das Datum 5. Juni 1700 und nimmt im Wesentlichen die Konzeption von 1683 wieder auf.64 Aber auch diese Planungen scheiterten bereits im Frühstadium.

 

Einen großen Schritt weiter kam man in der Mitte des 18. Jahrhunderts: Am 28. Dezember 1750 wurde der Beschluss des Trierer Kurfürsten Franz Georg von Schönborn, eine Wasserleitung für die Nutzung der Quellen an den „Metternicher Hecken“ und auf dem Lützeler Petersberg anlegen zu lassen, im Koblenzer Rat verhandelt. Balthasar Neumann legte später ein Gutachten vor, mit dem sich im Juni 1754 der Rat befasste. Der Baumeister empfahl, das Wasser von den Metternicher Rohrerhöfen nach Lützel, dann über die Moselbrücke in die Stadt zu leiten. Ursprünglich war er davon ausgegangen, die Rohre direkt durch das Bett der Mosel zu legen, um die heutige Altstadt auf dem kürzesten Wege zu erreichen.65 Nachdem die Fragen zur Finanzierung geklärt waren, begann man im Februar 1757 mit dem Bau. Schnell ergaben sich die ersten Probleme, denn der Boden, durch den die Leitung laufen sollte, war äußerst lehmig. Die Quellen sprechen von Eulnerlehm (Töpferlehm). Die Schwierigkeiten häuften sich. Mal war es der Untergrund, mal misslang der Brand der Tonröhren, schließlich ging das Geld aus. Die Arbeiten wurden eingestellt.66

 

Die Bemühungen waren erst nach einem Vorstoß des letzten Trierer Kurfürsten, Clemens Wenzeslaus von Sachsen, erfolgreich. Doch dieses Mal stand nicht die Versorgung der Bürger im Vordergrund, sondern vielmehr der Plan zur Anlage des Schlosses.67 Und dieses brauchte natürlich eine Wasserleitung. Nachdem die kurtrierischen Landstände, die das Steuerbewilligungsrecht besaßen, 1777 ihre Beratungen über die Errichtung der neuen Residenz abgeschlossen hatten, konnte der Bau beginnen. Die entscheidenden Schritte, die schließlich zur Verwirklichung des Wasserleitungsprojektes führten, erfolgten ab Herbst 1780. Die Residenzbau-Kommission sollte Möglichkeiten erörtern, Hofstall, Küche und andere Bereiche des Schlosses mit Wasser zu versorgen. Da das Kurfürstentum unter chronischer Geldknappheit litt, dachte man natürlich darüber nach, wie man die Koblenzer in die Pflicht nehmen konnte. Im Dezember 1780 legte der Hofbrunnenmeister Georg Kirn eine erste Denkschrift vor. Dieses Gutachten ist heute nicht mehr erhalten – sein Inhalt ist nur noch über Protokollauszüge und andere Dokumente indirekt zu erschließen.

 

So viel steht fest: Am Anfang waren nicht die Metternicher Quellen, sondern das „Carlsthal“ war für die künftige Nutzung vorgesehen. Diese Bezeichnung ist verwirrend, wird doch das Gebiet in den Urkunden und Akten des Karthäuserklosters als „Cadenthal“ oder „Kadenthal“ bezeichnet. Im 19. Jahrhundert war der Name „Cardenthal“ geläufig. Dieses Gelände befand sich nach Angaben von Dr. Wilhelm Maria Becker am Osthang der Karthause und zog sich bis zur ehemaligen Kaltwasseranstalt in der Laubach hin. Hier fand der Hofbrunnenmeister Quellen von solcher Ergiebigkeit, dass sie theoretisch für die Sicherstellung des Koch- und Trinkwasserbedarfs der Koblenzer ausreichten. Die ehemals zum Karthäuserkloster gehörenden beiden Mühlen standen jedoch einer Realisierung des Projektes im Wege. Ihnen wäre im Falle der Verwirklichung des Vorhabens das Wasser abgegraben worden. Ohnehin waren Quellfassung und Verlegung von Leitungen sehr teuer. Die Residenz-Baukommission scheute deswegen eventuell auftretende Entschädigungsfälle. Sie beauftragte stattdessen Georg Kirn, die Metternicher Verhältnisse zu untersuchen und einen Kostenvoranschlag vorzulegen, zumal die dort befindlichen Quellen eine wesentlich höhere Ergiebigkeit versprachen. Erste Ergebnisse seiner Untersuchungen legte der Brunnenmeister bereits Ende 1780 in Form einer Denkschrift vor. Demnach galten die Forschungen auch der bereits 1598 in die Überlegungen einbezogenen und 1748 gefassten Quelle in den „Metternicher Hecken“. Diese bezeichnete Kirn in einer Denkschrift vom 27. März 1783 als Hauptquelle des „Geisenborns“, die ausreichende Mengen Trinkwasser liefere und das bei einer Qualität, die der im „Carelsthal“ vorzuziehen sei.68

 

Bereits in seinem ersten Gutachten kritisierte der Hofbrunnenmeister die im Auftrage der Stadt vorgenommene Fassung der Quelle. Nach seiner Ansicht war diese nicht tief genug untergraben worden, um die für die Versorgung von Koblenz ausreichenden Wassermengen zutage zu fördern. Um die Missstände zu beheben, schlug Kirn vor, einen vier bis fünf Meter langen Gang in den Kimmelberg zu treiben. Die hohe Lage der Quelle gewährleistete, dass das für den Transport des Wassers erforderliche Gefälle wesentlich stärker als im „Carelsthal“ war. Darüber hinaus regte der Brunnenmeister den Bau eines aus Hausteinen gefertigten Sammelbeckens am Fuße der Quelle an. Dieses sollte eine Vorrichtung erhalten, die das Eindringen von Oberflächenwasser und Schmutz verhinderte. Die Ableitung des Quellwassers in die Stadt sollte auf möglichst geradem Wege erfolgen und in einem Turm der Koblenzer Ringmauer gesammelt werden, von wo man es in die neue Residenz in die Schlossgärten, vielleicht auch in Brunnen auf einigen öffentlichen Plätzen der Stadt weiterleiten wollte. Für den Fall der Verwirklichung der Leitung schlug Kirn vor, im Bereich der Brunnenstube am „Geisenborn“ Röhren aus gebranntem Ton zu verwenden. In den anderen Abschnitten eigneten sich nach der Meinung des Brunnenmeisters gusseiserne und bleierne Röhren besser.69

 

Nach den Vorstellungen Kirns sollte die neue Leitung zunächst in das Dorf Metternich, anschließend über die Rohrerhöfe nach Lützel, dann über die Moselbrücke nach Koblenz geführt werden. In der Stadt selbst war geplant, das Trinkwasser über die Straße „An der Moselbrücke“ zu den „Vier Türmen“, anschließend weiter bis zur Görgenstraße zu leiten. Über das „Judengässchen“70 wollte man das Quellwasser in den zu Speicherzwecken umzubauenden ehemaligen Pulverturm71 bringen. Als Endpunkt war die Neustadt mit dem damals noch im Bau befindlichen kurfürstlichen Schloss vorgesehen.

 

Die Mitglieder der Residenzbau-Kommission behandelten die Denkschrift des Hofbrunnenmeisters in ihrer Sitzung vom 31. Januar 1781. Bei der Zusammenkunft verabschiedete man sich endgültig von der Idee, die Quellen am Osthang der Karthause zu fassen und in die Stadt zu leiten. Stattdessen wurden die Mittel zur Verwirklichung des Metternicher Projektes auf 21.000 Taler erhöht (später stellte sich heraus, dass dieser Betrag viel zu niedrig war). Dennoch sollte die ganze Angelegenheit noch einmal vom leitenden Schlossbaumeister François Peyre le Jeune behandelt werden. Der Franzose untersuchte zusammen mit dem Ingenieurhauptmann Christian Trosson noch einmal die örtlichen Gegebenheiten und fertigte ein neues Gutachten an. Darin sprach er sich dafür aus, sowohl vom Metternicher, als auch vom Karthäuser Projekt abzurücken. Stattdessen wurde empfohlen, den Bubenheimer Bach zu wählen. Das Wasser sollte zum Teil über offene Kanäle, teils durch gusseiserne und bleierne Röhren in die Stadt geleitet und in einem Reservoir gesammelt werden. Das Gutachten fand bei der Residenzbaukommission wenig Gegenliebe, da die Mitglieder hinsichtlich der Reinheit des Bachwassers starke Bedenken hatten. Auch Kirn äußerte sich kritisch zum Alternativkonzept Peyres. Schließlich beschloss die Kommission, den Kurfürsten um die Genehmigung zu bitten, mit dem Hofbrunnenmeister in nähere Verhandlungen eintreten zu dürfen. Die Entscheidung zugunsten des Metternicher Projektes war gefallen.72

 

3.2 Exkurs: Überfluss in Metternich

 

Es ist kein Zufall, dass bei der Suche nach neuen Wegen zur Sicherstellung der Koblenzer Trinkwasserversorgung immer wieder über Metternich gesprochen wurde. In dem Dorf gestaltete sich die Versorgung mit dem wichtigsten Lebensmittel ursprünglich so komfortabel, dass man auf den Bau von Grundwasserbrunnen verzichten konnte. Metternich wurde ausschließlich über die spätestens seit 1589 bekannten Quellen Geisenborn und Herrenweiher versorgt. Letzterer lag am westlichen Ende der heutigen Trierer Straße. Erich Engelke nennt als Höhenangabe 124,88 Meter über Normalnull. An die Quelle erinnern noch die Straße „Am Herrenweiher“ und der Gemarkungsnahme „Am Herrenweiherchen“. Den Geisborn gibt es dagegen immer noch. Er wird heute als Quelle Geisenborn von den „Vereinigten Wasserwerken Mittelrhein“ (VWM) geführt. Die am Ende der Geisbachstraße gelegene Quelle wird 1783 erstmals unter dieser Bezeichnung genannt. Wahrscheinlich floss das Wasser des Geisenborns in einem offenen Bachlauf ab, wofür auch die Gemarkungsnamen „Im Geisebornsgraben“, „In der Geisebach“, „Auf der Geisebach“ und „Unter dem Bachweg“ sprechen. Es gilt als wahrscheinlich, dass das Quellwasser ursprünglich an mehreren Stellen zu Teichen aufgestaut wurde. Als Beweis führt Erich Engelke die Gemarkungsnamen „Auf dem hellen Weyer“, „Auf dem untersten Weyer“ und „Auf dem obersten Weyer“ hin. Die Frage nach dem Zweck dieser Teiche kann heute wegen fehlender Quellen nicht mehr beantwortet werden. Dass das Wasser aufgestaut wurde, um eine Fischzucht zu betreiben oder Mühlen in Gang zu halten, ist aber durchaus wahrscheinlich – die in der Nähe des Wassers gelegene Isenburgstraße hieß einmal Mühlweg.73 Das Quellwasser wurde über hölzerne Rinnen oder Röhren ins Dorfinnere von Metternich geleitet. Reste dieser Rinnen wurden Anfang des 20. Jahrhunderts bei Bauarbeiten gefunden. Auf jeden Fall wurde das überschüssige Wasser hinter dem westlichen Dorfausgang in unmittelbarer Nähe zur Trierer Landstraße in einen Brandweiher geleitet.74

 

„Herrenweiher“ und „Geisenborn“ waren nicht die einzigen Quellen in Metternich. Bei den Bohrversuchen, die sich bis ins Jahr 1543 zurückverfolgen lassen, entdeckte man noch andere Wasseradern. So wurde man 1598 oberhalb der Rohrer Höfe fündig. Hierbei muss es sich um mehrere Quellen gehandelt haben, die schließlich unter der Bezeichnung „Metternicher Hecken“ zusammengefasst wurden. Und genau das Wasser aus diesem Bereich wurde immer wieder in den frühen Koblenzer Wasserversorgungsplänen genannt. Allerdings waren die Kosten für die Erschließung der Wasservorkommen so hoch, dass der Kurfürst keine Mittel bereitstellte, um das Projekt auszuführen. Leichter zu erschließen war dagegen der sogenannte „Pfingstborn“, der nordwestlich des alten Metternicher Dorfkerns entsprang und heute besser unter der Bezeichnung „Behälterquelle“ bekannt ist. Die im Bereich zwischen der Trierer Straße und der Gemarkung „Auf dem Bienenstück“ befindliche Quelle wird heute von den VWM für Notsituationen vorgehalten. Sie liegt 114,87 Meter über Normalnull.75

 

Die kleine Metternicher Gemeinde war ursprünglich so trinkwasserreich, dass sie keine detaillierten Regelungen über Wasserrecht und -abgabe brauchte. Das änderte sich erst 1783, als feststand, dass das Dorf auf Druck des Landesherrn einen Teil seines Wassers nach Koblenz abgeben musste. Da für die ersten Anschlüsse in der Residenzstadt streng genommen das Wasser aus dem Geisenborn ausreichte, standen Metternich mit dem „Herrenweiher“ und dem „Pfingstborn“ immer noch zwei Quellen fast vollständig zur Verfügung.76 Von einer Wassernot konnte beim besten Willen nicht die Rede sein. Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts sollte sich die Lage verschlechtern.

 

3.3 Die Wasserleitung funktionierte

 

Obwohl Kurfürst Clemens Wenzeslaus das Metternicher Wasserleitungsprojekt befürwortete, ruhten in den Jahren 1781 und 1782 die Vorarbeiten für die neue Wasserversorgung. Die noch erhaltenen schriftlichen Quellen nennen keine Gründe für diese Verzögerung. Erst als Kirn seine Denkschrift vom 27. März 1783 vorlegte, die unter anderem Angaben über Ergiebigkeit sowie Weite, Dicke und Länge der zu bestellenden eisernen Röhren enthielt, befassten sich die Verantwortlichen wieder mit der Sache. Im Juni 1783 fasste die Geheime Staatskonferenz mehrere Beschlüsse, die endlich sicherstellten, dass die geplante Wasserleitung auch ausgeführt wurde. Man übertrug die Ausführung der Arbeit dem Hofbrunnenmeister und gewährte ihm dafür eine Frist von zwei Jahren. Zuvor hatte Hofbaumeister Johann Andreas Gärtner77 die Vorschläge Kirns begrüßt und an dessen technischen und zeichnerischen Kenntnissen keinen Zweifel aufkommen lassen. Kirn machte sich sofort daran, seinen Auftrag zu erfüllen. Schon im Juni 1783 zog er nach Metternich und leitete den Ankauf der für den Bau der Wasserleitung erforderlichen Grundstücke in die Wege. Nachdem die eigentumsrechtlichen Hindernisse aus dem Weg geräumt waren, wollte Kirn das Projekt – wie in seinen Denkschriften vorgestellt – zügig verwirklichen. Gemäß seiner Pläne wurde das Quellwasser des „Geisenborns“ und des „Herrenweihers“ mittels Tonrohren in je ein Sammelbecken aus Marmor und aus Niedermendiger Hausteinen78 geleitet. Der Weitertransport auf dem bereits oben beschriebenen Weg erfolgte durch eiserne Röhren, die unterirdisch verlegt waren. Zur Speicherung und um den erforderlichen Druck sicherzustellen, errichtete man drei Wassertürme und mehrere Wasserschächte. Die drei Türme entstanden am Fuße der Metternicher Quellen auf halber Höhe des Kimmelberges, an den Rohrer Höfen (auf der Südseite der heutigen Trierer Straße im Bereich der Klosterbrauerei) und in der Nähe der Moselflesche (südwestlich der Feste Franz). Wie bereits in den Plänen Balthasar Neumanns vorgesehen, leitete man das Wasser über die Moselbrücke in die heutige Innenstadt. Die Leitung wurde unter dem auf der westlichen Seite gelegenen Fußsteig verlegt. Im „Wasserturm“ ließ Kirn ein Marmorbecken anlegen, in dem sich das Wasser sammelte, bevor es in die Neustadt weiterfloss.79

 

Die Kosten sprengten den vorgegebenen Rahmen. Der Hofbrunnenmeister nannte eine Summe von 32.000 Reichstalern. Um die Finanzierung sicherzustellen, wollten der Kurfürst und seine Verwaltung die Stadt verpflichten, einen Beitrag zu leisten. Als Gegenleistung erhielt der Magistrat die Gelegenheit, fünf Plätze zu nennen, an denen von der neuen Wasserleitung gespeiste Brunnen aufgestellt werden sollten. Als potenzielle Standorte für diese neuen Brunnen waren der heutige Görresplatz, der Kastorhof, der Plan, der Bacher Pütz (im Bereich des heutigen Münzplatzes) und der Florinsmarkt im Gespräch. Obwohl diese Wünsche gar nicht oder erst viel später in Erfüllung gingen, standen den Koblenzern eine Kostenbeteiligung in Höhe von 8000 Gulden und zusätzlich Unterhaltungsgebühren von jährlich 30 Gulden ins Haus.

 

Der Stadtrat befasste sich mehrfach mit der Angelegenheit, denn er sah sich nicht in der Lage, den geforderten Beitrag zu leisten. Die Räte erkannten schnell, dass man um die 8000 Gulden nicht herumkommen würde. Also weigerte man sich, den für die Gemeinde vorgesehenen Anteil an den Unterhaltungskosten zu tragen. Die Stadtväter gaben sogar zu erkennen, dass man notfalls sogar auf das Angebot des Kurfürsten und seiner Hofbehörden verzichten wolle. Am Ende der Verhandlungen stand ein Kompromiss. Die Einigung kam im Mai und Juni 1784 zustande. Demnach sollte die Stadt die inzwischen auf 7000 Gulden oder 4666 Reichstaler ermäßigte Summe in vier Raten zahlen. In der Zwischenzeit hatte Kirn die Arbeiten an der Wasserleitung weit vorangetrieben. Neben der Hauptquelle am „Geisborn“ war jetzt auch die zweite Quelle des so genannten „Brandweihers“ oder „Herrenweihers“ gefasst worden. Darüber hinaus stellte man die zugehörigen Brunnenstuben und Sammelbecken, die Kanäle zur Unterführung von Landstraße und Wegen, die drei Wassertürme mit ihren Kanälen und sämtliche Wasserschächte in der Stadt fertig. Zudem hatte die kurfürstliche Hütte in Sayn den Guss der Eisenrohre abgeschlossen.80

 

Im Zuge der Arbeiten auf der Balduinbrücke sollte Kirn noch eine Menge Ärger bekommen, weil er dort eine zu Verteidigungszwecken errichtete Mauer hatte abbrechen lassen. Obwohl dazu eine Genehmigung des Hofkriegsrates vorlag, wurde der Brunnenmeister im September 1785 beschuldigt, bei den Abbruch- und Baumaßnahmen an den Gewölben der Moselbrücke kaum ersetzbare Schäden angerichtet zu haben. Erst die Untersuchung durch zwei Sachverständige entkräftete die Anschuldigungen. Trotz aller Schwierigkeiten nahmen 1785 auch die Wasserversorgungsanlagen im neuen kurfürstlichen Schloss deutliche Konturen an. Ausläufe befanden sich nunmehr in der Küche, in den Spülereien, im „großen Weinkeller“, im Flaschenkeller, im Waschhaus, in den drei Pferdeställen und im „großen Hof“. Außerdem begann die Umwandlung des ehemaligen Pulverturmes. Im Juni 1785 wurde der Steinhauer Johann Bode aus Balduinstein vertraglich verpflichtet, bis Oktober das Sammelbecken aus schwarzem Marmor fertigzustellen. Zu guter Letzt wurden in diesem Jahr die von der Sayner Hütte gelieferten Röhren nicht nur von Metternich bis Lützel, sondern auch über die Moselbrücke bis zum Wasserturm gelegt.81

 

Am 21. August 1785 war es endlich soweit: Die neue Wasserleitung konnte in Betrieb gehen. Der Hofbrunnenmeister erhielt vom Kurfürsten zur Belohnung den Rang eines Ingenieur-Hauptmanns. Er durfte fortan die Uniform des Artilleriekorps tragen und sich Brunnendirektor nennen. Schließlich wurde Kirn eine Gehaltserhöhung von 100 Reichstalern jährlich gewährt, außerdem die Zusage, dass sein Sohn eines Tages sein Nachfolger würde. Trotz aller mit dem Wasserleitungsbau verbundenen Fortschritte hatte die Koblenzer Bevölkerung zunächst wenig von der neuen Errungenschaft. Diese Feststellung gilt zumindest bis zum Ende der Ära des letzten Kurfürsten Clemens Wenzeslaus.

 

Der Wunsch des Rates, fünf Plätze in der heutigen Altstadt mit Quellwasserbrunnen auszustatten, ging nicht in Erfüllung. Die Gemeinde hatte also nichts anderes tun können, als einen Teil der Wasserversorgung im Schloss zu finanzieren. Doch es gab einen kleinen Trost: Am 23. November 1791 – dem Namenstag des Landesherrn – wurde in der Neustadt der erste von der neuen Wasserleitung gespeiste öffentliche Brunnen in Betrieb gesetzt. Die in Form eines Obelisken ausgeführte Anlage hatte vier Ausläufe. Das Wasser wurde in steinernen Muscheln aufgefangen und in den benachbarten kurfürstlichen Bauhof geleitet.82 Dieser erste Brunnen ist heute noch erhalten. Allerdings musste er im Zuge der Neuordnung der Verkehrsführung von seinem ehemaligen Standort auf dem Clemensplatz entfernt und vor dem Stadttheater am Deinhardplatz aufgestellt werden.83

 

3.4 Der weitere Ausbau

 

In den letzten Oktobertagen des Jahres 1794 endete in Koblenz die kurtrierische Ära. Französische Revolutionstruppen besetzten die Stadt. Die Machtübernahme der neuen Herren bedeutete jedoch nicht das Aus für die gerade erst geschaffene Quellwasserleitung. Im Gegenteil: Immerhin sollten in dieser Zeit zwei der von der Stadt gewünschten neuen Brunnen errichtet werden. Da sich die Wasserleitung nicht im städtischen, sondern im kurtrierischen Besitz befand, nahmen die Franzosen die Anlage in Besitz und betrachteten sie fortan als Staatseigentum. Änderungen und Erweiterungen mussten von der französischen Administration genehmigt werden. So äußerte der Departementsarchitekt George Trosson keine grundsätzlichen Bedenken, als der Baumwollfabrikant Doll am 30. Juni 1803 darum bat, seinen an einer Ecke der Görgenstraße gelegenen Besitz an die bestehende Leitung anzuschließen. Doll musste lediglich die Kosten übernehmen. Gleiche Bedingungen galten für den Weingroßkaufmann und Branntweinfabrikanten Johann Nikolaus Nebel, als dieser im April 1804 ebenfalls sein Haus im Entenpfuhl (Nr. 511, später 12) anschließen wollte.84

 

Überhaupt war der Anschluss von Gebäuden an die ehemals kurfürstliche Wasserleitung nichts Besonderes. Archivdirektor Becker beschreibt den Plan, einen den Zisterziensern zu Marienstatt gehörenden Hof in Metternich durch eine Zweigleitung an den „Herrenweiher“ anzubinden. Obwohl das Projekt tatsächlich ausgeführt wurde, kann das Jahr der Fertigstellung heute nicht mehr ermittelt werden. Auch für die Innenstadt bestanden Erweiterungsabsichten. George Trosson hatte im April 1804 einen Plan aufgestellt, der die Weiterführung der kurfürstlichen Wasserleitung aus der Neustadt durch die Schanzenpforte über den Paradeplatz (Görresplatz) und die Nagelsgasse auf den Kastorhof vorsah. Schriftliche Nachrichten, aus denen Details über die Ausführung der neuen Nebenleitung hervorgehen, sind nicht mehr erhalten. Aus dem Sitzungsprotokoll des Koblenzer Munizipalrates vom 26. April 1805 erfahren wir jedoch, dass sich ein Brunnen auf dem Kastorhof und ein Springbrunnen im Garten der Präfektur85 bereits in Betrieb befanden. Etwa zur gleichen Zeit, am 22. Februar 1805, hatte Johann Nikolaus Nebel, der nicht nur Weinhändler, sondern auch Maire (Bürgermeister) der Stadt war, den Präfekten Mouchard de Chaban um die Erlaubnis gebeten, auf dem „Place des Grenadiers“ (Plan) einen Brunnen errichten zu dürfen und diesen an die Wasserleitung anzuschließen. Zur Anlage dieses Brunnens sollten Hausteine des Brunnens im Hof des ehemaligen Kartäuserklosters auf dem Beatusberg verwendet werden. Der Präfekt schaltete daraufhin den Departementsarchitekten Trosson zur Stellungnahme ein. Dennoch fiel zunächst keine endgültige Entscheidung.86

 

Der Grund für die Verzögerung war klar: Bereits 1803/1804 hatte man erkannt, dass die Wasserleitung dringend instand gesetzt werden musste. Die französische Administration überlegte, wie sie die erheblichen Kosten am besten auf die Stadt abwälzen konnte. Aus diesem Grunde erstattete Domänendirektor Golbery seiner vorgesetzten Pariser Behörde, der „Administration de 1‘Enregistrement et des Domaines“, am 26. Juli 1804 einen ausführlichen Bericht. In ihrem Bescheid vom ll. August 1804 entschied diese Behörde, dass die Erhaltung der ehemaligen Wasserleitung Sache der Gemeinde war, da diese von der Anlage angeblich am meisten profitierte. Der Befehl des neuen Präfekten Alexandre Lameth an die Stadt, die nach Berechnungen Trossons 3266 Francs teuren Reparaturen ausführen zu lassen, folgte am 13. April 1805. Mit diesen Anordnungen war die ehemals kurfürstliche Leitung in das Eigentum der Stadt Koblenz übergegangen. Gleichzeitig lehnte die Obrigkeit den Wunsch Nebels ab, einen Brunnen auf dem Plan zu errichten. Die schwerwiegende, für Koblenz äußerst kostspielige Entscheidung der französischen Verwaltung hätte zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich sowieso die Finanzierung des Brunnenprojektes unmöglich gemacht.87

 

Der Munizipalrat war mit der Entscheidung der übergeordneten Stellen natürlich alles andere als einverstanden. In der Sitzung vom 26. April 1805 machte der Rat klar, dass die Stadt gar nicht in der Lage war, die für die Instandsetzungsarbeiten erforderlichen Mittel bereitzustellen. Man schlug deshalb vor, die Unterhaltung auf 50 Jahre einem privaten Partner zu übertragen, der die Ausbesserungen übernehmen sollte und dafür von den Einwohnern eine Abgabe kassieren durfte. Die Stadt war zu diesem Zeitpunkt eher bereit, die Leitung dem Verfall preiszugeben, als sie in Eigenregie zu übernehmen. Doch der Plan der Gemeinde zur Privatisierung schlug fehl, denn es fand sich zunächst niemand, der das Risiko eingehen wollte. Der Grund für den Misserfolg lag auf der Hand: Im Falle eines Vertragsabschlusses hätte ein Unternehmer nicht nur Unterhalt und Ausbau übernehmen müssen, sondern wäre auch verpflichtet gewesen, das Schloss, den Bauhof, den Clemensbrunnen, den Brunnen auf dem Kastorhof, den Springbrunnen beim Präfekturgebäude, die Häuser der Unternehmer Doll und Nebel sowie den auf dem Plan zu errichtenden Brunnen ausreichend mit Wasser zu versorgen. Es wäre ihm nur gestattet worden, das überschüssige Wasser zu verkaufen.88

 

Verhandlungen zwischen Maire Nebel und dem neuen Präfekten Alexandre Lameth brachten schließlich eine Veränderung der Bedingungen. Die Kosten für den Bau und die Unterhaltung von Zweigleitungen sollten fortan die Bewohner und Hauseigentümer in den betroffenen Stadtteilen aufbringen. Für die Ausführung der Instandsetzungsarbeiten wollte man dem ausführenden Privatunternehmer eine Summe von 2600 Francs zahlen.89 Zudem verpflichtete sich die Stadt, zur Unterhaltung der Leitung jährlich eine Pauschale von 400 Francs bereitzustellen. Als Ausgleich für die Gemeinde stand jetzt der Erlös aus dem Verkauf des überschüssigen Wassers aus der Metternicher Quelle an die Hauseigentümer nicht mehr dem künftigen Investor, sondern der Stadt zu. Der Präfekt war mit dieser Regelung einverstanden und übertrug am 13. April 1805 die Wasserleitung nun auch offiziell an die Stadt. Am 7. September 1805 schloss Maire Nebel mit dem Unternehmer Ignaz Bracht einen Vertrag über Reparatur und Wartung. Gültigkeitsdauer: 25 Jahre.90

 

Die Vereinbarungen schafften den für die Errichtung des Brunnens auf dem Plan erforderlichen Freiraum. Maire Nebel musste jedoch die Absicht fallen lassen, beim Bau der neuen Anlage Steine aus dem ehemaligen Kartäuserkloster zu verwenden. Präfekt Lameth hatte sich in seiner Verfügung vom 13. April 1805 ausdrücklich gegen derartige Absichten ausgesprochen. Hinzu kam, dass – obwohl man sich hinsichtlich der Unterhaltung der Metternicher Quellleitung geeinigt hatte – die für die Wasserversorgung bestimmten Mittel angesichts der prekären Finanzlage der Gemeinde äußerst knapp waren. Die Bewohner des Bereiches am Plan entschieden sich deshalb dafür, Geld zuzuschießen, weil sie nicht nur die Bedeutung des Brunnens für die Trinkwasserversorgung, sondern auch für die Brandbekämpfung erkannten. Zudem verteilte Nebel die Last auf alle Einwohner, indem er die indirekten Steuern leicht erhöhte. Brunnen und Anschluss an die Wasserleitung wurden schließlich im Jahre 1806 fertiggestellt.91

 

Der Brunnen auf dem Plan erfreute sich bei den Koblenzern einer großen Beliebtheit. Man scheint dem Quellwasser so manche wundersame Wirkung zugetraut zu haben. In einem undatierten Zeitungsausschnitt heißt es: „Das Metternicher Quellwasser hatte wegen seiner Vorzüglichkeit von jeher in unseren Mauern viel Anklang gefunden. Bei der ,Brunnenkur‘ am frühen Morgen fanden sich die alten Koblenzer, mit ihrem Schoppenglas bewehrt, an der Brunnenmuschel auf dem Plan, wo sie, ihren Gesundheits-Nektar schlürfend, vorbeidefilierten. Zudem galt das ,Ploner Quellwasser‘ infolge seiner Kalkarmut als Quintessenz des Geschmacks bei der Kaffeezubereitung und wurde auch sonstwie als wirksames ,Heilmittel‘ bei Augenerkrankungen hoch geschätzt.“92

 

Reparaturen und Erweiterungen verschafften jedoch nur eine kurze Atempause. Bereits im April 1808 legte der „Commissaire de Police“ Schmitz dem Präfekten, Adrien Comte de Lezay-Marnesia, eine Denkschrift vor, in der Schäden und vor allem der schlechte Zustand des Brunnens auf dem Clemensplatz angesprochen wurden. Demnach waren von den vier nur noch zwei Ausläufe in Betrieb und zudem die Wassermengen deutlich zurückgegangen.93 Ob und wie man diesen Mängeln begegnete, ist nicht überliefert. So viel ist sicher: Die Probleme mit dem Wasserdruck blieben bestehen, denn drei Jahre später beklagte man sich über die schlechte Zuleitung des Quellwassers in das ehemalige kurfürstliche Schloss, das während der Zeit der französischen Besatzung als Kaserne diente. Um die Verhältnisse zu bessern, teilte Präfekt Jules Doazan den Unternehmern Nebel und von Nasson (der Nachfolger Dolls) am 25. September 1811 mit, dass die beiden Ableitungen in deren Häuser sofort gesperrt würden.94

 

3.5 Der Brunnen auf dem Kastorhof

 

Jules Doazan hatte wenig Gefallen an dem Brunnen, der 1804/1805 nach Plänen des Departementsarchitekten Trosson auf dem Kastorplatz errichtet und an die ehemals kurfürstliche Wasserleitung angeschlossen worden war. 1811 entschloss sich der Präfekt, den Brunnen durch eine prächtigere Anlage ersetzen zu lassen. Der Straßen- und Brückenbauingenieur Royer und der pensionierte französische Ingenieur-Offizier Dagobert Chauchet legten ihre Pläne vor. Fritz Michel und Hans Bellinghausen nennen darüber hinaus den Koblenzer Architekten Ferdinand Nebel, der sogar zwei Entwürfe eingereicht hatte.95 Präfekt Doazan favorisierte das Konzept Chauchets, obwohl die Verwirklichung rund 10.000 Francs gekostet hätte. Der Munizipalrat hingegen sprach sich für das Projekt Royers aus, das zudem nur 3500 Francs teuer gewesen wäre. Da die Kommune den Bau finanzieren musste, brachte sie natürlich nur die Kosten für die billigere Version in den Haushaltsplan ein und ließ sich diese Entscheidung auch von den übergeordneten Stellen genehmigen. Trotzdem wollte der Präfekt seine Vorstellungen auf jeden Fall durchsetzen und wandte sich deswegen an den Minister des Inneren in Paris und ersuchte diesen, die aufwendigeren Planungen Chauchets abzusegnen. Der Minister legte das Konzept dem Rat für Zivilbauten vor, der in seiner Sitzung vom 9. März 1812 Bestimmungen für die Ausarbeitung eines neuen Planes aufstellte, nachdem der Architekt François Peyre le Jeune96 das Konzept Chauchets begutachtet hatte. Nach Darstellung Dr. Beckers wollte sich der Präfekt mit dieser Entscheidung nicht zufriedengeben. Anstatt Neuplanungen in Auftrag zu geben, versuchte er in seinem Bericht vom 21. April 1812, Ansichten und Auflagen des Zivilbaurates zu entkräften. Er legte die „alten“ Pläne erneut zur Genehmigung vor und verkündete, dass man inzwischen mit der Ausführung des Brunnens begonnen habe.

 

In seinem Erlass vom 23. Juni 1812 erteilte der Innenminister die endgültige Genehmigung zur Ausführung der Planungen Chauchets. Dieser Erfolg entband Doazan jedoch nicht von der Notwendigkeit, sich beim Munizipalrat durchzusetzen. Bereits am 28. Februar 1812 wies er den Rat an, den für die Ausführung des Brunnens in den Haushalt eingebrachten Betrag von 3500 Francs an Chauchet als Lohn für die bisher erbrachten Leistungen auszuzahlen. Zusätzlich forderte er die Bereitstellung weiterer Mittel durch die Gemeinde.97

 

Maire Nebel wollte sich nicht ohne Weiteres dem Willen des Präfekten unterordnen und wies daher am 30. März 1812 darauf hin, dass es im Falle der Bereitstellung zusätzlicher Gelder große Schwierigkeiten geben würde. Doazan ließ sich nicht sonderlich beeindrucken und wiederholte seine Weisungen am 1. April und 2. Juli 1812 noch einmal.

 

Die Rechnung des Präfekten ging auf: Der Munizipalrat entschloss sich dazu, noch einmal 4493 Francs an Chauchet zu zahlen. In der Zwischenzeit stand jedoch fest, dass die vom Architekten errechneten Kosten in Höhe von 9953 Francs zu niedrig angesetzt worden waren. In seinem Brief an den Präfekten teilte Chauchet mit, dass er zur Ausführung von Ergänzungsarbeiten weitere 2.695 Francs benötigen würde und dass die Stadt diesen Mehrbetrag in den Haushaltsplan 1814 einbringen müsse. Ob Doazan diesem Antrag Folge geleistet hat, ist aus den schriftlichen Quellen nicht mehr zu ersehen. Fest steht jedoch: Am 18. August 1812 sprudelte der Brunnen anlässlich des Geburtstagsfestes von Kaiser Napoleon zum ersten Mal. Es ist überliefert, dass anlässlich der Einweihung aus den Röhren rund 4,8 Hektoliter Wein flossen.98 Der neue Kastorbrunnen mit seinem Sockel aus Niedermendiger Basalt wurde mit einer großen Figurengruppe aus Kalkstein geschmückt, die Rhein und Mosel symbolisiert. Sie wurde von dem Aachener Bildhauer Rauch (Fritz Michel nennt als Herkunftsort Koblenz99) angefertigt und vom Maler Johann Baptist Bachta (1782–1856) goldbronziert.100 Diese Plastiken hat man aber schon in der Anfangszeit der preußischen Herrschaft wegen der starken Verwitterung wohl im Zuge der Sanierungsmaßnahmen von 1817 entfernt.101

 

An der Ostseite des Kastorbrunnens befindet sich eine französischsprachige Inschrift, die – frei übersetzt – lautet: „Jahr 1812. Zur Erinnerung an den  Feldzug gegen die Russen unter der Präfektur von Jules Doazan.“ Berühmt geworden ist der ebenfalls in französischer Sprache angebrachte Zusatz „Gesehen und genehmigt durch uns, den russischen Kommandanten der Stadt Koblenz am 1. Januar 1814.“ Bislang hat sich die stadtgeschichtliche Forschung an den Ausführungen des Chronisten Christian von Stramberg orientiert, der die eigentliche Inschrift und die auf der Westseite des Brunnens befindliche Widmung an Kaiser Napoleon in das Jahr 1812 datiert hatte.102 Hans Bellinghausen hat in einem Aufsatz von 1993 diese Darstellung bezweifelt. Er verlegt die Anbringung der Inschrift in den Oktober des Jahres 1813 und stellt diesen Vorgang als Nacht-und-Nebel-Aktion Chauchets dar. Der Ingenieur soll dabei eigenmächtig gehandelt haben, da sich der Präfekt damals auf einer Inspektionsreise befand. Bellinghausen geht ferner davon aus, dass Doazan erst nach Abschluss des Feldzuges die weiteren Schritte veranlassen wollte. Bei seiner Rückkehr war der Krieg aber bereits zuungunsten Frankreichs entschieden, Chauchet hätte demnach seinem Auftraggeber eine alles andere als angenehme Überraschung bereitet.103

3.6 Der Streit um das Quellwasser

 

Auch nach dem Abzug der Franzosen gab es immer wieder Probleme mit der Wasserleitung. In den Jahren 1816 und 1817 hatte der „Geisborn“ derart an Ergiebigkeit eingebüßt, dass sich die Verantwortlichen in Koblenz überlegten, den Metternicher „Herrenweiher“ für die Trinkwasserversorgung der Stadt zu erschließen. Die Rechtsgrundlage zur Umsetzung dieses Planes war für die Kommune der Beschluss des französischen Präfekten vom 13. April 1805, mit dem die ehemals kurfürstliche Leitung an die Gemeinde übertragen worden war. Der Protest der Metternicher ließ nicht lange auf sich warten. Man beanspruchte den „Herrenweiher“ für den Ort und berief sich dabei auf die Entscheidung der französischen Zentralverwaltung vom 19. August 1799. Demnach war der Weiher dem Dorf zur Anlage einer Zweigleitung zugesprochen worden.104

 

Die Königliche Regierung in Koblenz verfügte am 1. Juli 1819 die Bildung einer Kommission zur Untersuchung der schwierigen Verhältnisse. Diesem Gremium gehörten an: Regierungsassessor Heil, Oberbürgermeister Abundius Maehler, Bürgermeister Freiherr von Eltz-Rübenach und Ortsvorsteher Nicolaus Ollig für die Gemeinde Metternich. Als Sachverständige standen der Hauptmann Jacob von Kirn, der Bauinspektor Johann Claudius von Lassaulx und Brunnenmeister Johann Hermann Kuhl bereit. Die Sitzungen fanden am 9. und 10. Juli 1819 statt. Während dieser Zusammenkünfte berichtete der Landwirt Anton Rath, Inhaber des ehemals der Zisterzienserabtei Marienstatt gehörenden Hofes, über die Anlage der Zweigleitung vom „Herrenweiher“ zu seinem Eigentum. Der Amtsbürgermeister Freiherr von Eltz-Rübenach verwies auf die besondere Bedeutung des „Pfingstborns“ und des „Herrenweihers“ für das Dorf. Die Metternicher wollten die „Herrenweiher-Quelle“ auf keinen Fall aufgeben, weil diese nach ihrer Ansicht nicht nur für eine hinreichende Wasserversorgung unerlässlich war, sondern auch im Brandfall dringend gebraucht wurde. Diese Darstellung stimmte nur bedingt, war doch die „Herrenweiher-Quelle“ die kleinste der drei bereits erschlossenen Metternicher Quellen.105

 

Auch insgesamt gesehen stand es um die Wasserversorgung im Dorf Metternich gar nicht so schlecht: Der Ort wurde über fünf Quellwasserbrunnen, einen Weiher und den Brunnen im Hofe des Bauern Rath mit frischem Wasser versorgt. Für einen Kompromiss schien keine Chance zu bestehen, denn auch Abundius Maehler rückte nicht von seinem Standpunkt ab. Die Stadt erhob also weiterhin einen Alleinanspruch auf die Wasserleitung sowie die Quellen „Geisenborn“ und „Herrenweiher“. Der Koblenzer Oberbürgermeister erinnerte an die Beschwerden der Anwohner über das Nachlassen des Clemensbrunnens und den erhöhten Wasserbedarf militärischer Einrichtungen in der Stadt. Darüber hinaus wies Maehler darauf hin, dass alle Bemühungen um den Bau eines Brunnens auf dem Florinsmarkt wegen der Grundwasserverhältnisse in diesem Bereich der Altstadt gescheitert waren.106 Den Metternichern war natürlich bestens bekannt, dass man im Ort auch ohne das Wasser des „Herrenweihers“ hätte auskommen können. Der Freiherr von Eltz-Rübenach erklärte sich schließlich bereit, gegen eine angemessene Entschädigung auf den Alleinanspruch zu verzichten.107

 

Mit den Verhandlungen im Sommer 1819 war es nicht getan. Die Auseinandersetzungen dauerten noch Jahre. Noch 1825 und 1826 befassten sich weitere Kommissionen mit der Angelegenheit. Bei den Sitzungen standen ebenfalls die Aufteilung der Kosten für die Unterhaltung der Wasserleitung auf der Tagesordnung, denn nicht nur die Gemeinde, sondern auch der Militärfiskus profitierte von der Anlage. Es ist nur allzu verständlich, dass die Stadt auf einer angemessenen Beteiligung des Staates bei der Aufbringung der erforderlichen Mittel beharrte.

 

Eine verbindliche Regelung für alle beteiligten Parteien kam erst durch den Vertrag vom 28. November 1826 und das Zusatzabkommen vom 27. September 1828 zustande. Die Vereinbarungen regelten die Instandsetzungs- und Benutzungsmodalitäten. In ihrer Übereinkunft mit der Stadt verzichtete die Gemeinde Metternich auf ihre Ansprüche am „Herrenweiher“. Einer Vereinigung der Quelle mit dem „Geisborn“ stand jetzt nichts mehr im Wege. Im Gegenzug verpflichteten sich Militärfiskus und Stadt, eine Abfindung in Höhe von 900 Talern für die Anlage eines neuen Brandweihers und die Erschließung des „Pfingstborns“ zu zahlen. Die Gemeinde musste allein 75 Prozent dieser Entschädigungssumme tragen, da das Militär sich verpflichtet hatte, nur ein Viertel der gesamten Wassermenge für sich zu beanspruchen. Gleiche Verhältnisse galten für die Aufteilung der Unterhaltungskosten für die Wasserleitung.108

 

Eine Ausnahme bildeten die Zweigleitung ins Schloss, die Brunnenstube in der Nagelsgasse zur Versorgung des Generalkommandos im von der Leyenschen Hof, die Abläufe des Clemens- und Kastorbrunnens in den Festungsbauhof und in den Garten des ehemaligen Deutschordenshauses109 sowie die Nebenleitung in die Zisterne auf der Moselflesche. Hinzu kamen die Zweigleitungen vom Clemensbrunnen in die Militärbäckerei, Proviantamts- und Ingenieurgebäude. Für diese Anlagen übernahm das Militär sämtliche Kosten. Für die Unterhaltung der Brunnen und ihrer Zuleitungen auf dem Plan, in der Neustadt und auf dem Kastorhof war die Kommune allein verantwortlich.110

 

Die frühe Diskussion um die Neuordnung der Wasserversorgung fällt in eine Zeit, in der auch andernorts die frühen Quellwasserleitungen nicht den „modernen“ Bedürfnissen in den nun stärker wachsenden deutschen Städten genügten. So machten sich um 1825 auch in Frankfurt Mängel an der frühen Quellwasserleitung bemerkbar, die damals bereits seit rund 200 Jahren bestand. Der in städtischen Diensten stehende Chaussee-, Weg- und Brückenbauinspektor Philipp Jakob Hoffmann wurde beauftragt, ein Gutachten anzufertigen, das den Bau einer neuen, ergiebigeren Quellwasserleitung vorbereiten sollte. Der angeforderte Bericht lag 1827 vor. Ein Jahr später begann der Bau der Leitung aus dem Knoblauchsfeld. 1834 war das Projekt abgeschlossen.111 Dagegen musste man sich in Koblenz weiterhin mit Provisorien begnügen, weil die Topografie der Umgebung die Suche nach einer geeigneten ergiebigen Quelle unmöglich machte. Man bedenke: Zu dieser Zeit war es technisch noch nicht möglich, einwandfrei funktionierende Grundwasserwerke zu bauen. Sogar im fortschrittlichen England entnahm man das Trinkwasser noch direkt aus den Flüssen – mit dramatischen Folgen. 1831 starben allein in London 50.000 Menschen an der Cholera.112

 

Aber nicht nur in den großen deutschen Städten wie Frankfurt zeigte sich, dass die bekannten Quellwasservorkommen mir fortschreitender Urbanisierung nicht mehr ausreichten. Die Verhältnisse in Metternich, das lange Jahre keine Wasserprobleme gekannt hatte, beweisen, wie der allzu sorglose Umgang mit den vorhandenen Resourcen zu neuen Schwierigkeiten führen konnte. Kaum waren die Auseinandersetzungen zwischen Gemeinde, Stadt und Militärfiskus beigelegt, nahmen im Dorf die Klagen über den Wassermangel zu. 1837 genehmigte der Metternicher Gemeinderat schließlich Mittel, damit weitere Quellen aufgespürt werden konnten. Die Suche nach neuen Wasservorkommen blieb lange erfolglos. Auch in den folgenden Jahrzehnten sollte Wassermangel zu einem der großen Probleme Metternichs werden, das sich immer mehr zum Wohnvorort von Koblenz und zum Industriestandort mit bedeutenden Betrieben entwickeln sollte. Mit dem Wachstum der Gemeinde und einem veränderten Hygienebewusstsein ging ein erheblich steigender Wasserbedarf einher. Gleichzeitig ging aber die Ergiebigkeit der örtlichen Quellen zurück.

 

Trotzdem verhielt man sich so, als ob der einstige Wasserreichtum weiter bestehen würde. Man dachte nicht daran, Sammelbecken oder Reservoire für das Quellwasser anzulegen. Das ungenutzte Wasser aus den Brunnenstöcken floss einfach in den Chausseegraben (später Trierer Straße) ab. Immerhin gab es einen Abnehmer für das überschüssige Wasser. Es war die Eisenbahnbauverwaltung, die am Ort eine eigene Ziegelei unterhielt.113 Ein Schritt, das Versorgungsproblem in den Griff zu bekommen, waren Neubau und Erweiterung des Wasserleitungsnetzes, die schließlich 1861 begannen. Damals wurden auch die alten Bleiröhren durch gusseiserne Leitungen ersetzt. Das Material lieferte die Kölner Maschinen-Bau-Actien-Gesellschaft.114

 

Ebenfalls ins Jahr 1861 fiel der erneute Versuch der Gemeinde Metternich, weitere Quellen aufzuspüren. Man bat den Landrat, den Franzosen Abbé Richard anzufordern. Der bekannte Wünschelrutengänger war auf Bitten des Landratsamtes nach Koblenz gekommen, um in der Region tätig zu werden. Richard wurde in Metternich fündig. Er entdeckte eine neue Quelle im Bereich der Gemarkung Herderswiese, die in das Netz eingebunden wurde und Weihnachten 1861 in Betrieb ging. Die Gemeinde hatte Zeit gewonnen. Und so beschloss der örtliche Rat erst im Mai 1866, drei der vier öffentlichen Laufbrunnen mit Zisternen auszustatten, um das überschüssige Wasser auffangen zu können.115

 

4. Ziehbrunnen und Wasserwerk

 

Die Trinkwasserversorgung durch Ziehbrunnen brachte viele Unannehmlichkeiten mit sich. Die Beseitigung von Eis im Brunnenschacht in der kalten Jahreszeit war noch das geringste Übel. Immer wieder rissen Zugseile und Ketten, die Achsen der Brunnenrollen brachen: Schäden, die eine besondere Gefahr für Kinder darstellten. Immerhin wog eine Messingrolle 20 Pfund, das Gewicht der Eimer war ebenfalls nicht zu unterschätzen, Belastungen, die ein Kind ohne Weiteres in die Tiefe ziehen konnten! Der Ausspruch „das Kind ist in den Brunnen gefallen“ und Nürnberger Quellen über beim Wasserschöpfen tödlich verunglückte Personen sind ein Beweis dafür, dass diese Ausführungen keine Theorie sind.116

 

Vor diesen Hintergründen wird es klar, warum man sich schon lange vor dem Einsetzen der Hygienediskussion im 19. Jahrhundert um die Verbesserung der Zustände und die Ergänzung der Brunnen durch Wasserleitungssysteme bemühte. In Koblenz trug die noch aus kurfürstlicher Zeit stammende Metternicher Wasserleitung mit ihren öffentlichen Entnahmestellen zur Verbesserung der Wasserversorgung bei. Darüber hinaus bestanden – zumindest ab 1848 – auf dem Plan und auf dem Clemensplatz zwei Zisternen zur Aufnahme von Regenwasser. Dies geht aus einem Schreiben des Brunnenmeisters Joseph Kuhl an Oberbürgermeister Friedrich Wilhelm Alexander Bachem hervor.117

 

Auch wenn im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts immer mehr Wasserwerke ans Netz gingen, wurde der Löwenanteil des Wasserbedarfs nach wie vor über die Grundwasserbrunnen gedeckt. In den 1890er-Jahren waren 60 Prozent der Bewohner immer noch nicht an die neuen Wasserversorgungssysteme angeschlossen.118 Diese Feststellung galt im Großen und Ganzen auch für Koblenz. In der Stadt lässt sich der Standort der öffentlichen Brunnen mithilfe einer ergänzten Reproduktion des Plans bestimmen, den der Notar und Geometer Johann Peter Dilbecker 1794/1795 anfertigte.119 Demnach befanden sich Brunnen vor den Häusern Altengraben 8120, Altenhof 7, Firmungstraße 17, Löhrstraße 3, unter der Mehlwaage im Haus Kornpfortstraße 19, in der Görgengasse, in St. Görgen, am südlichen Rand des heutigen Münzplatzes (ehemals Bachemer Pütz), in der Pfuhlgasse, am Plan sowie in der Weißer- und Wöllersgasse. Weitere Brunnen lagen im Maisengässchen, im Dreitaubengässchen,121 an der Ecke Nagelsgasse/Kastorhof, im Jesuitengässchen, in der Rheinstraße unterhalb der ehemaligen Karmeliterkirche und in der Clemensstraße.122

 

Benutzung und Unterhaltung der öffentlichen Brunnen waren ähnlich wie Genossenschaften organisiert. Die Bewohner einer Straße hatten sich zusammengeschlossen, um die Brunnen auf eigene Kosten zu unterhalten oder gegebenenfalls neu anzulegen. Gelegentlich erhielten sie städtische Zuschüsse. Alt- und Jungmeister leiteten diese Brunnennachbarschaften. Einnahmen und Ausgaben wurden in kleinen Büchern verzeichnet. Diese enthalten auch die Namen der Brunnenmeister und Angaben über die durchgeführten Reinigungsarbeiten. Derartige Aufzeichnungen sind zum Beispiel noch für die Görgengasse123 und das Maisengässchen124 erhalten. Das bis in das Mittelalter zurückreichende System der Brunnennachbarschaften blieb noch lange bestehen, auch wenn nach 1820 die Umstellung der Ziehbrunnen auf den Betrieb mit Handpumpen erfolgte. Weil die Modernisierungen erhebliche Kosten verursachten, gewährte die Stadt Zuschüsse.125 Umwandlungen der bestehenden Einrichtungen vollzogen sich 1825 in der Nagelsgasse, 1832 auf dem Fruchtmarkt (Florinsmarkt), 1833 im Altengraben, 1834 in der Clemensstraße und auf dem Gemüsemarkt (ein Teil des heutigen Münzplatzes) sowie 1836 auf dem Altenhof und in der Görgengasse. 1837 folgten die Mehl- und Wöllersgasse, 1839 die Kornpforte, 1851 das Dreitaubengässchen (eine Seitengasse der Kastorstraße).

 

Die Umstellung verlief allerdings nicht immer reibungslos. 1835 verklagte die Brunnennachbarschaft der Löhrstraße die Stadt wegen der Verlegung „ihres“ Brunnens.126 Noch vor der Mitte des 19. Jahrhunderts löste sich das jahrhundertealte System der Brunnennachbarschaften allmählich auf. Immer mehr Hausbewohner weigerten sich, ihren Beitrag zu leisten. Aus diesem Grund beschlossen die Stadtverordneten am 21. Dezember 1853, die Unterhaltung der Brunnen zu übernehmen und einen entsprechenden Vertrag mit einem Privatunternehmer abzuschließen.127 Diese Vereinbarung kam Anfang 1854 zustande. Partner der Gemeinde wurden die Gebrüder Zilken und der Pumpenmacher Mannebach.128 Schon 1852 waren – mit Ausnahme des Maisengässchens – alle Brunnen auf Pumpbetrieb umgestellt worden.129

 

4.1 Die Pumpstation Oberwerth

 

Der steigende Wasserverbrauch führte vor dem Hintergrund des neuen Hygienebewusstseins dazu, dass auch in Koblenz der Ruf nach einer modernen Wasserversorgung immer lauter wurde. Doch noch gab es zu den Brunnen mit Handpumpenbetrieb keine Alternative. Es gab weit und breit keine ergiebigen Quellen, die die aufstrebende Provinzhauptstadt hätte ausreichend versorgen können. Deswegen fanden die im „Deutschen Verein für öffentliche Gesundheitspflege“ (DVföG) vor allem auf den Jahrestagungen von 1876 und 1877 geführten Debatten über das optimale Trinkwasser in Koblenz keine große Resonanz. In diesen Versammlungen hatte man eindeutig dem Quellwasser den Vorzug vor dem Uferfiltrat gegeben. Der Begriff „Quellwasser“ war für die Mitglieder der DVföG ein Sammelbegriff für genau das Trinkwasser, das aus tiefen Gesteinsschichten gewonnen wurde.130

 

In Koblenz war das Quellwasser aus Metternich sogar gehörig in Misskredit gekommen – nicht etwa, weil das Wasserdargebot erheblich gesunken war. Vielmehr wurden immer mehr Zweifel an der Qualität des Trinkwassers geäußert. Bereits 1859 hatte Dr. Friedrich Albert Erlenmeyer aus Bendorf eine Studie über die Verbreitung der Idiotie in der Region vorgestellt, die er im Wesentlichen auf die Eigenschaften des Trinkwassers zurückführte.131 Der Mediziner meinte damit den endemischen und epidemischen Kretinismus nach Kropfbildung. Erlenmeyer stellte fest, dass der Kreis Koblenz neben einem Gebiet rund um den Laacher See die höchste Rate dieser Krankheiten in der Rheinprovinz aufwies. In Zahlen hieß das: Auf dem Niederwerth kamen 70 „Idioten“ auf 1000 Einwohner, in Metternich 69. Laut Erlenmeyer könne das Trinkwasser bei der Kropfbildung eine Rolle spielen.132

 

Dieser Zusammenhang ist auch aus heutiger Sicht nicht abwegig. Bekanntlich gilt der Jodmangel im Trinkwasser und in Nahrungsmitteln im Binnenland auch heute noch als Hauptursache für Schilddrüsenerkrankungen. Da man in Koblenz reichlich Erfahrungen mit fehlgeschlagenen Schürfungen und Bohrungen hatte, wandte man sich an einen Experten, der in ganz Europa Erfahrungen gesammelt hatte – Ernst Grahn (1836–1906). Der Ingenieur war 20 Jahre lang Direktor der Krupp’schen Wasserwerke gewesen, die er weitgehend selbst aufgebaut und organisiert hatte. Sein Engagement bewirkte den Zusammenschluss des Gas- und Wasserfachs im Deutschen Verein von Gas- und Wasserfachmännern (DVGW) 1870 und die Gründung der gemeinsamen Fachzeitschrift GWF. Im Laufe seines Berufslebens war der Ingenieur für mehr als 70 Städte im In- und Ausland, darunter zum Beispiel Wien, Budapest und Triest, als Berater tätig. In seinem zweibändigen Werk „Die Wasserversorgung im Deutschen Reich und einigen Nachbarländern“ sollte er später auf 1400 Seiten Angaben über Entstehung, Entwicklung und Art der Wasserversorgungsanlagen zusammenstellen.133

 

Bei der DVföG war Ernst Grahn kein Unbekannter: Er war der prominenteste Sprecher derjenigen, die bei der Versammlung 1876 gegen die „Quellwasser-Resolution“ gestimmt hatten. Ernst Grahn stellte sich somit an die Seite der finanzschwachen Kommunen, deren geologische Verhältnisse zudem nicht geeignet waren, eine auf Quellwasser basierende Trinkwasserversorgung aufzubauen.134 Der Maschinenbauingenieur betonte sogar, dass der schädliche Einfluss des Wassers noch nie einwandfrei bewiesen werden konnte und erklärte 1877 in der „Deutschen Vierteljahresschrift für öffentliche Gesundheitspflege“ (DVÖG): „Fast alle über diesen Gegenstand aufgestellten Beobachtungen sind entweder unsicher oder zu neu und zu wenig umfassend, um daraus sichere Schlüsse ziehen zu können.“135 Ernst Grahns klares Votum für Grundwasserwerke kam nicht von ungefähr: Inzwischen war es Ingenieuren wie Adolf Thiem (1836–1908) gelungen, diesen neuen Typ auf konstruktiv sichere Grundlagen zu stellen.136

 

Ernst Grahn war der richtige Mann, um sich mit den besonderen topografischen Verhältnissen in Koblenz auseinanderzusetzen. Es sollte sich bald auszahlen, dass die Stadtväter Grahn engagiert hatten. Doch noch war es nicht so weit. Bevor man in Koblenz daran ging, für die Bevölkerung eine zentrale Wasserversorgung zu schaffen, kümmerte man sich erst einmal um die Rheinanlagen, die so etwas wie ein neues Markenzeichen der Residenzstadt geworden waren, das viele Touristen anzog. Nach einem Bericht des städtischen Brunnenmeisters H. J. Kuhl hatte man dort bereits im Frühjahr 1870 rund 100 Bewässerungsstellen und einige Brunnen fertiggestellt. Durch das Herausputzen ihrer Anlagen wollten sich die Verantwortlichen von ihrer besten Seite zeigen – immerhin stand der Besuch des preußischen Königs bevor.137

 

Anlass für wesentlich größer angelegte Planungen gaben schließlich die Streitigkeiten zwischen Kommune und dem Militärfiskus wegen der Nutzung der alten kurfürstlichen Metternicher Wasserleitung. Die Fortifikationsverwaltung wollte sich mit der im November 1826 vereinbarten Aufteilung des Quellwassers nicht mehr zufriedengeben und beanspruchte fortan die Hälfte der Wassermenge. 1877/78 begannen die Verhandlungen. Um künftige Auseinandersetzungen zu vermeiden, leiteten die Stadtväter gleichzeitig die Einrichtung einer zentralen kommunalen Trinkwasserversorgung in die Wege.

 

Schon 1876 hatte der Ingenieur Adolf Krackow, vormals Direktor des Koblenzer Gaswerkes, laut über den Bau eines Wasserwerkes nachgedacht. Die Verwaltung beauftragte schließlich die Rheinische Wasserwerksgesellschaft in Bonn, südlich der Horchheimer Brücke auf dem Oberwerth Probebohrungen vorzunehmen.138 Diese erfolgten im November 1879 und sollten verlässliche Daten liefern, die für den Bau eines modernen Grundwasserwerkes unerlässlich waren. Ein Versuchsbrunnen war so ergiebig, dass die Stadt den Bau einer Pumpstation ins Auge fasste.139 Schließlich wurde der Ingenieur H. Grunder mit einem „Vorproject zur Wasserversorgung“ beauftragt. Das 1882 erstellte Gutachten enthielt Untersuchungen zur geologischen Situation, eine Beurteilung der Trinkwasserqualität und natürlich auch Kostenvoranschläge.140

 

Bei den Planungen für das neue Wasserversorgungssystem wurden die in Koblenz zahlreich vorhandenen militärischen Bauten nicht berücksichtigt. Auch versuchte das Militär nicht, auf die Vorbereitungen der Kommune Einfluss zu nehmen. Der Grund hierfür dürfte in der Tatsache zu suchen sein, dass die meisten Soldaten nach wie vor in den zahlreichen Befestigungsanlagen untergebracht waren, die von Anfang an ihre eigenen Anlagen zur Trinkwassergewinnung hatten.

 

Die Festungswerke besaßen in der Regel Brunnen und Zisternen, in einigen Fällen auch eigene Wasserleitungen, wie die Beispiele Festung Ehrenbreitstein und Feste Franz im heutigen Stadtteil Lützel zeigen. Für Letztere musste das Militär 1881 auf eigene Kosten eine neue Leitung legen, weil das Brunnenwasser durch die unzureichende Abwasserentsorgung verseucht war. Die Situation sollte sich erst in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts ändern, als die Versorgungsengpässe in den militärischen Anlagen immer größer wurden. Im Falle der Feste Alexander auf der Karthause brachten städtische und private Wasserwagen das Trinkwasser. Bis 1914 wurde die Festung an das kommunale Wasserversorgungsnetz angeschlossen.141

 

Als es um die Ausführung des neuen Trinkwasserversorgungssystems für Koblenz ging, trat Ingenieur Grunder übrigens nicht mehr in Erscheinung. Man wollte von Anfang an die Ausführungsplanung einem besonders erfahrenen Fachmann übertragen – ein weiteres Argument, das für Ernst Grahn sprach. Nach seinem Ausscheiden aus den Krupp-Werken ließ sich der frühere Direktor 1883 für sechs Jahre als beratender Ingenieur in der Koblenzer Mainzer Straße 28 nieder, wo er sich den Entwürfen für die Wasserversorgung in der Stadt an Rhein und Mosel widmete.142 Nur ein Jahr später legte er seinen „Erläuterungsbericht zum Projecte für das Wasserwerk“ vor.143 Zu dieser Zeit war in Trier bereits die erste Pumpstation in Betrieb genommen worden.

 

Auch Ernst Grahn bewertete das Rheinufer auf der Insel Oberwerth für den Bau einer Pumpstation als bestens geeignet. In seinem Bericht sprach er sich dafür aus, das Wasser „aus dem Kiesbette des Rheins“ über Brunnen zu entnehmen. Den neuesten technischen Standards entsprechend, entschied man sich wegen der bei einer Direktentnahme des Wassers zu erwartenden hygienischen Probleme und der jahreszeitlich bedingten Temperaturschwankungen für die Uferfiltration und gegen eine direkte Entnahme des Wassers aus dem Rhein. Abgesehen von dieser natürlichen Filtration gab es noch keine Möglichkeiten der Wasseraufbereitung. Zur Zeit der Erbauung des Koblenzer Werks war die Qualität des Flusswassers am Mittelrhein noch nicht so schlecht, dass ernsthafte Gefahren für die Gesundheit zu erwarten waren. Außerdem waren die technischen Möglichkeiten der Trinkwasseraufbereitung damals noch begrenzt.

 

Erst drei Jahre nach der Eröffnung des Wasserwerks in Koblenz begann die Firma Siemens und Halske mit dem ersten größeren Versuch zur Wasserdesinfektion unter Einsatz von Ozon. Eine entsprechende Anlage wurde 1898 schließlich zuerst im Seebad Blankenberge installiert. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts folgten Paderborn und Wiesbaden (1901/1902). Richtig durchsetzen sollte sich die Aufbereitung mithilfe von Ozon jedoch nicht. Einerseits waren wegen des Beigeschmacks die Vorbehalte gegen eine chemische Aufbereitung des Trinkwassers damals noch groß, andererseits scheute man die hohen Kosten. Schließlich setzte sich die billigere Chlorung des Wassers durch. Das Verfahren war in den USA entwickelt worden und kam 1911 zum ersten Mal in Mülheim an der Ruhr zum Einsatz. Bis 1940 sollten erst 30 Prozent der deutschen Wasserwerke mit Systemen zur Chlorung ausgestattet sein.144

 

In Koblenz vollendete man das Wasserwerk in den Jahren 1885 und 1886. Das erscheint relativ spät. Man sollte bei dieser Einschätzung allerdings nicht vergessen, dass zu dieser Zeit auch in größeren deutschen Städten das Wasserversorgungsproblem nur unwesentlich früher gelöst worden war. Ein prominentes Beispiel hierfür ist München. Zwar gab es dort bereits 1854 eine Teilversorgung von Stadtteilen mit Quellwasser, doch die Vollendung einer zentralen Versorgung aus dem Mangfalltal sollte sich bis 1884 hinziehen. In der bayerischen Hauptstadt hatte man nämlich ein ganz typisches Problem: Man musste das Quellwasser über kilometerlange Zuleitungen in die Stadt führen.145

 

Ludwigshafen, das Ende des 19. Jahrhunderts mit rund 40.000 Einwohnern nur geringfügig größer war als Koblenz, brauchte mit seinem Wasserversorgungssystem sogar noch länger als die preußische Provinzhauptstadt, was sicherlich auch daran lag, dass sich der Gemeinderat lange gegen die Angebote möglicher Privatinvestoren widersetzte. Erst im Oktober 1895 wurde ein Grundwasserwerk in Betrieb genommen, das mit einer Tagesabgabe von lediglich 2600 Kubikmetern nur halb so leistungsfähig war wie die Koblenzer Anlage. In der Folgezeit musste die Wasserversorgung der aufstrebenden Industriestadt laufend ausgebaut werden.146 Vergleicht man die Entwicklungen in Koblenz mit denen im Regierungsbezirk, stellt sich schnell heraus, dass die Stadt im Gemeindevergleich recht gut abschnitt. Legt man die Aufstellung von Ernst Grahn von 1898 zugrunde, auf der auch Tabelle 5 basiert147, fällt auf, dass sich im Bezirk das Grundwasser immer noch nicht durchgesetzt hatte. Die deutliche Mehrheit der Gemeinden setzte nach wie vor auf Quellwasserleitungen, die zum Teil schon seit Jahrzehnten bekannt waren. Dies dürfte nicht nur an der örtlichen Versorgungssituation gelegen haben, sondern am „Imageproblem“, das Grundwasserwerke vor allem in ländlichen Regionen noch lange haben sollten – was später noch am Stolzenfelser Beispiel gezeigt wird.

 

Laut Abrechnung im Verwaltungsbericht 1888/89 betrugen die Gesamtkosten für das erste Koblenzer Wasserwerk und seine Anbindung 987.673 Mark.148 Das neue Wasserversorgungssystem wurde schließlich in der Festschrift zur 27. Hauptversammlung des Vereins Deutscher Ingenieure in Koblenz vorgestellt.149 Das neue Wasserwerk wurde als kommunaler Regiebetrieb eröffnet, wie es in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg die Regel war. Abgerechnet wurde über einen Sonderhaushaltsplan, der mit dem Kommunalhaushaltsplan synchronisiert war.150 Da es viele fachliche Parallelen zur Gasversorgung gab, lag es nahe, an die Spitze der Wasserwerksverwaltung den Direktor der kommunalen Gasversorgung zu stellen. Zudem war das neue System so überschaubar dimensioniert, dass sich die Einrichtung einer eigenen Gesellschaft noch erübrigte. Eine private Alternative stand erst gar nicht zur Debatte. Wie in vielen anderen Städten auch, hatte man mit der Privatisierung nicht unbedingt gute Erfahrungen gemacht.

 

Gerade im Bereich der Gasversorgung hatten sich auswärtige Unternehmen als wenig geeignet erwiesen, dem steigenden Energiebedarf gerecht zu werden und gleichzeitig eine attraktive Preisgestaltung zu bieten. Hintergrund: Kostenintensive Investitionen sollten nach Möglichkeit vermieden werden. Schließlich hatte man sich auch in Koblenz dazu entschieden, die Gasversorgung in die eigene Hand zu nehmen. Auch in anderen rheinischen Gemeinden wurde dieses Verfahren seit den 1860er-Jahren zur Norm, wobei Essen, Elberfeld und Düsseldorf den Anfang machten. Köln folgte 1873, Barmen 1876.151

 

Die Motive, das neue kommunale Wasserwerk dem städtischen Gaswerk anzugliedern, dürften auch einen sozialen Hintergrund gehabt haben – auch wenn in Koblenz nicht so offen wie in anderen Städten darüber gesprochen wurde. Anders der Düsseldorfer Oberbürgermeister Ludwig Hammers (1822–1902) der bereits 1866 forderte, „schon der ärmeren Klassen wegen die Herbeischaffung eines so unentbehrlichen Bedürfnisses nicht an Private überlassen, sondern seitens der Gemeinde dafür gesorgt werden solle.“152 In Koblenz erfüllte man genau diese Forderung. E. Bentzen, der 1884 Paul Friedrich Thieme153 als Direktor des städtischen Gaswerks abgelöst hatte, leitete auch das neue Koblenzer Wasserwerk, das mit der besonderen topografischen Lage der Stadt und den daraus resultierenden Höhenunterschieden fertig werden musste. Zu diesem Zweck war für den weiteren Weg des Wassers eine Hochdruckleitung zu einem am Fuße der Karthause gelegenen Hochreservoir erbaut worden, um das kostbare Nass von dort in ein ringförmiges, die ganze Stadt erschließendes Versorgungssystem einzuleiten.154

 

Welche bescheidene Kapazität das frühe Wasserversorgungssystem aus heutiger Sicht hatte, wird an folgenden Angaben Bentzens deutlich: Das Werk konnte täglich eine Wassermenge von maximal 6000 Kubikmetern fördern. Der Karthäuser Hochbehälter – nicht zu verwechseln mit dem erst in jüngerer Zeit abgebrochenen Eisenbahn-Wasserturm am Fuße der Feste Konstantin – fasste sogar nur 2400 Kubikmeter. Die Verteilungsleitung im Stadtgebiet hatte zunächst eine Länge von insgesamt 27 Kilometern und war mit 220 Feuerlöschhydranten versehen. In den folgenden Jahren wurden die neuen Stadtteile schrittweise an das neue Versorgungssystem angeschlossen. Sogar das Restaurationsgebäude auf dem Rittersturz im Stadtwald erhielt einen eigenen Anschluss. Bis 1925 sollte das Leitungsnetz auf 92 Kilometer gewachsen sein. Auch die neuen Stadtteile waren längst in das Netz eingebunden. So sorgte eine Druckerhöhungsstation dafür, dass auch in Lützel der Wasserdruck stimmte. Ohne eine solche Anlage wäre es nicht möglich gewesen, den für eine reibungslose Wasserversorgung der Stadtteile erforderlichen Druck zu gewährleisten.  Um auf Katastrophenfälle besser vorbereitet zu sein, wurden in das Versorgungssystem auch 631 Feuerlöschhydranten und 603 Absperrschieber integriert.155

 

Die eigentliche Versorgung im ersten Koblenzer Wasserwerk erfolgte zunächst über den ehemaligen Versuchsbrunnen, der 14 Meter tief war und einen Durchmesser von drei Metern hatte, sowie einen weiteren Brunnen von ähnlichen Dimensionen. Die Pumpstation war mit drei durch Gasmotoren angetriebenen Kolbenpumpen ausgestattet. Die Leistung der aus der Gasmotorenfabrik Deutz stammenden Maschinen lag bei jeweils rund 30 Kilowatt (40 PS). Das zum Betrieb erforderliche Gas lieferte das damals noch bestehende kleine Gaswerk in der Laubach.156

 

Die neue Pumpstation muss mit größter Präzision errichtet worden sein. Bei der 45. Jahresversammlung des Deutschen Vereins von Gas- und Wasserfachleuten in Koblenz (1905) schwärmte Direktor Bentzen: „Ich habe das Wasserwerk jetzt ca. 20 Jahre in Betrieb und bin einer Lage zu sagen, daß so ein meisterhaftes Wasserwerk hier angelegt ist, wie ich ein besseres nie gesehen habe. Ein Beweis hierfür dürfte auch sein, dass ich in den 20 Jahren nicht ein einziges Mal gezwungen war, mich an die Fabriken zu wenden. Die Reparaturen, die selbstverständlich mit der Zeit nötig waren und ja immer vorkommen, haben wir mit unseren eigenen Leuten vorgenommen. Das ist meiner Auffassung nach zugleich ein Beweis für die Güte der Lieferungen."157

 

4.2 Die weitere Entwicklung

 

Der hohe Qualitätsstandard, den Ernst Grahn von Anfang gefordert und verwirklicht hatte, änderte jedoch nichts daran, dass wegen der Eingemeindung ehemals selbstständiger Gemeinden nach Koblenz Erweiterungen fällig wurden. 1903 begann die Stadt – ohne zunächst eine baupolizeiliche Genehmigung zu besitzen!158 – mit der Erweiterung der Grahn’schen Anlage durch die Kesselbrunnen IIl und IV sowie durch ein zusätzliches Pumpwerk mit einer Stundenleistung von 450 Kubikmetern. Der Generatorraum mit Turmausbau nahm am 11. November 1904 den Betrieb auf.159 Seine drei Deutz-Motoren mit einer Leistung von jeweils 37,5 Kilowatt (50 PS) waren für den Betrieb mit Leucht- und Sauggas ausgelegt. Viel Freude hatte man mit dem neuen Werk jedoch nicht. Der Stadtbaurat und Wasserwerksdirektor Hermann Ludwig Einsmann (1880–1955) schrieb 1925: „Leider wurden bei dieser Erweiterung die Fortschritte der Wissenschaft und die Erfahrungen, die die Zwischenzeit gebracht hatte, nicht berücksichtigt, sodaß das neu begonnene Werk nicht gleich dem ersten ein Meisterstück genannt werden kann.“160

 

Gründe für dieses harte Urteil nannte Hermann Ludwig Einsmann nicht. Fest steht, dass das Pumpwerk II nicht ausreichte, um den Wasserbedarf in der wachsenden Stadt zu decken. Schließlich musste man drei Filterbrunnen und die mit zwei Dieselmotoren ausgestattete Pumpstation III hinzufügen. Die Leistung der Maschinen lag bei jeweils 105 Kilowatt (140 PS).161 Im Februar 1916 war die Erweiterung abgeschlossen. Sie kam rechtzeitig, um die Wasserversorgung für die Koblenzer Krankenhäuser und Lazarette zu sichern.162

 

Bedingt durch die wirtschaftlichen und materiellen Auswirkungen des Ersten Weltkrieges wurde die Pflege des Wasserwerkes stark vernachlässigt, sodass ein Rückgang der Kapazitäten nicht lange auf sich warten ließ. Diese Vernachlässigung lag vielleicht nicht nur an den damaligen Verhältnissen im Rheinland, sondern vielleicht an der Tatsache, dass nach dem Ausscheiden des Direktors Karch, der Nachfolger von Bentzen war, das Wasserwerk einige Zeit ohne Führung auskommen musste. Die undankbare Aufgabe, Gas- und Wasserwerk kommissarisch zu verwalten, fiel dann dem Oberingenieur Johannes Wienke zu, der im April 1918 in städtische Dienste eingetreten war.163 Im Sommer 1919 war die Führungsmannschaft des städtischen Gas- und Wasserwerkes wieder komplett. Zu dieser Zeit trat Hermann Ludwig Einsmann seinen Dienst an. Der ehemalige Oberingenieur der „Gas- und Wasserwerke Halle an der Saale“ hatte an der Technischen Hochschule Karlsruhe studiert und sich als Konstrukteur bei der Werkserweiterung in Halle einen Namen gemacht. Er blieb bis zum März 1945 im Dienst.164

 

Die amerikanische Besatzung165 drängte 1919 auf die Errichtung einer vierten Pumpstation mit einer Leistung von 250 Kubikmetern in der Stunde. Allerdings liefen die Dieselmotoren sehr unbeständig, sodass man bereits in den Jahren 1920 und 1921 umfassende Umbauten an den bestehenden Stationen vornahm. Trotz aller Maßnahmen gab es nur wenig Spielraum. Im Sommer steigerte sich der Tagesverbrauch in Koblenz auf rund 20.000 Kubikmeter – das Wasserwerk hatte die Grenze seiner Leistungsfähigkeit erreicht.166 Die Wasserqualität scheint zu diesem Zeitpunkt allerdings noch weitgehend in Ordnung gewesen zu sein. Noch 1925 schrieb Hermann Ludwig Einsmann: „Ungeachtet der technischen Mängel des alten Werkes liefert das Coblenzer Wasserwerk ein hygienisch vollkommen einwandfreies Trinkwasser, das überdies der Kontrolle des Medizinal-Untersuchungsamtes untersteht. Selbst bei Hochwasser ist das Trinkwasser frei von schädlichen Keimen. Die von der Natur so sehr bevorzugte Stadt Coblenz kann somit durstigen Seelen nicht nur eine vorzügliche Flasche Rhein- oder Moselwein vorsetzen, sondern auch einen guten Tropfen Wasser.“167 Ungeachtet dessen zog man zu diesem Zeitpunkt neue Erweiterungsmaßnahmen im Bereich Oberwerth Süd in Betracht. Um diesen Bereich für den Ausbau der Trinkwassergewinnung zu sichern, verbot nun die Verwaltung die Errichtung neuer Gebäude und erließ eine „Polizeiverordnung zur Sicherung des Wasserwerks auf dem Oberwerth“.

 

lm Wasserschutzgebiet waren fortan „die Ablagerung von Abfallstoffen aller Art, von Müll, Kehricht, Mist und sonstigem Unrat, das Düngen mit derartigen Stoffen, die Vornahme menschlicher Entleerungen jeder Art, jede Verunreinigung durch menschliche oder tierische Exkremente, das Halten und Weiden von Vieh, das Reiten, das Befahren mit Tierfuhrwerk und das Umherlaufen mit Tieren aller Art“ strengstens verboten.168 Trotz der Vorbereitung wurde schon allein aus finanziellen Gründen aus der Erweiterung nicht. Allerdings beschritt man Ende der 1920er-Jahre auf dem Gebiet der Wasseraufbereitung neue Wege. Überprüfungen hatten – anders als noch in den optimistischen Ausführungen von Ludwig Einsmann zu lesen – ergeben, dass die Uferfiltration nicht immer eine ausreichende bakterielle Reinigung des Wassers gewährleistete. Aus diesem Grunde waren die Ingenieure bereits frühzeitig dazu übergegangen, das geförderte Wasser mit Chlorgas zu behandeln, um für die Bevölkerung kein Gesundheitsrisiko entstehen zu lassen.169

 

Dass man fortan noch genauer auf die hygienischen Verhältnisse in den Wasserwerken achtete, hatte gute Gründe; erst 1926 war in Hannover eine Typhusepidemie ausgebrochen. Die Verwaltung sah sich nun gezwungen, auch die Trinkwasserversorgung in Preußen einer verschärften Überwachung zu unterziehen. Der zuständige Kreisarzt hatte Ende 1926 auch im Bereich des Wasserwerkes auf dem Oberwerth gravierende Mängel festgestellt. Bedenklich waren vor allem die in nächster Nähe der Pumpbrunnen bestehenden großen Spiel- und Sportplätze, auf denen sich regelmäßig größere Ansammlungen von Zuschauern einfanden.170

 

Im Zuge der bereits oben genannten Polizeiverordnung wurde dieser Missstand jedoch durch Einzäunungen und durch die Ausweisung eines Wasserschutzgebietes behoben. Auch von den in den Rhein eingeleiteten Abwässern war zum damaligen Zeitpunkt keine Gefahr für das Koblenzer Trinkwasser zu erwarten. Im August 1925 hatte die „Preußische Landesanstalt für Wasser-, Boden- und Lufthygiene“ in Berlin festgestellt: „Die Abwässer von Coblenz werden durch das Wasser der Mosel verdeckt, so dass sich die Abwässer nicht bemerkbar machen. Auch unterhalb der Stadt Bonn war ein nennenswerter Einfluss der Abwässer auf den Rhein bei den bisherigen Untersuchungen in chemischer Beziehung nicht festzustellen.“ Die Gutachter fügten jedoch warnend hinzu: „Trotzdem ist es als wahrscheinlich anzunehmen, dass durch die oberhalb zugeführten Abwässer der beiden genannten Städte wie auch im allgemeinen die der vielen kleineren Verschmutzungsquellen für die flussabwärts allmählich zunehmenden Verunreinigungen des Rheins vorbereitet werden.“171

 

Trotz aller Untersuchungen und Schutzmaßnahmen war die Hauptgefahr für das Wasserwerk nicht beseitigt: verunreinigtes Hochwasser, das bei extrem hohen Pegelständen des Rheins in Brunnen und Maschinenräume einzudringen drohte. So wurde während der Hochwasserkatastrophe vom Januar 1920 die Bevölkerung dazu aufgefordert, Leitungswasser vor dem Gebrauch abzukochen.172 Am 19. Januar meldete die „Coblenzer Volkszeitung“: „Der hohe Wasserstand am Wasserwerk hat zur Folge gehabt, dass geringe Mengen der dort verwendeten Teeröle, die in den Brunnen eingedrungen waren, sich dem Wasser mitgeteilt haben. Dadurch hat das Wasser einen Geruch und Geschmack angenommen. Das Wasser, das zur Zeit ohnehin bekanntlich abgekocht werden muß, ist nicht gesundheitsschädlich, wenn auch Geruch und Geschmack durch das Abkochen nicht verschwinden. Mit dem bisher üblichen Chloren steht der Mangel nicht in Verbindung.“173 Während der Hochwasserkatastrophe wurde die Bevölkerung über Trinkwassertanks versorgt, die auf Lastwagen montiert worden waren. Für die Menschen in der Altstadt stand immer noch das Wasser aus der alten kurfürstlichen Wasserleitung bereit.174

 

Ein Ausbau des Wasserwerks und die Schaffung moderner Klärvorrichtungen waren in Koblenz angesichts der schwierigen politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse jener Zeit nur schwer möglich. Zuschüsse des Reichs waren nicht zu erwarten, da die öffentlichen Mittel zu dieser Zeit in den Aufbau zentraler Wasserversorgungssysteme in die ländlichen Regionen flossen. Anders sah es im Bereich der Verwaltung aus. Hatte die Stadt bereits Anfang 1887 mit der Aufstellung einer für Gas- und Wasserwerk gemeinsamen Geschäftsordnung die Grundlage für die Kontrolle von Technik und Verwaltung durch die Gemeinde geschaffen,175 rückte man 1930 endgültig von diesem Modell ab. War bereits 1928 mit der Gründung der „Gasfernversorgung Mittelrhein“ – heute Energieversorgung Mittelrhein (EVM) – die Gasversorgung einer privatrechtlich organisierten Gesellschaft übertragen worden, folgte nun das Wasserwerk. Am 29. Oktober 1930 machte die Stadt das Unternehmen zur Betriebsführerin für die Wasserversorgung und schloss mit ihm einen Vertrag, der folgende Bestimmungen enthielt:

 

  • Die Gasfernversorgung Mittelrhein war als Betriebs- und Geschäftsführerin für alle Einrichtungen der ehemals kommunal verwalteten Wasserversorgung zuständig.
  • Die Wasserversorgungsanlagen mit den dazugehörigen Grundstücken, dem gesamten Leitungsnetz und allem sonstigen Zubehör blieben Eigentum der Stadt.
  • Die Betriebsführerin sollte alle künftigen Erweiterungen durchführen. Auch bei diesen Neuanlagen sollte die Stadt Eigentümerin bleiben. Alle Investitionen mussten aus der Wasserwerkskasse finanziert werden. Erst wenn diese Mittel nicht ausreichten, war die Stadt verpflichtet, die erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen.
  • Die Betriebsführerin übernahm die Verpflichtung, die Anlagen gegen Erstattung der Kosten pfleglich zu behandeln und betriebsfähig zu erhalten.
  •  Die Gasfernversorgung Mittelrhein übernahm das ehemals in Diensten der Stadt stehende Wasserwerkspersonal.
  • Die Beschlussfassung über die das Wasserwerk berührenden Dinge lag weiterhin bei den „verfassungsmäßigen Instanzen“ der Stadt.
  • Sämtliche Erweiterungen und Neubauten bedurften der Genehmigung des Wasserwerksausschusses und der Stadtverordnetenversammlung in Koblenz, soweit es sich nicht um die Herstellung von Hausanschlüssen handelte.176

 

Die Entscheidung war nicht ungewöhnlich. Sie fiel in eine Zeit, in der man einige Organisationsmuster der frühen Leistungsverwaltung infrage stellte und damit begann, die kommunale Ver- und Entsorgung in Eigenbetrieben neu zu ordnen. Diese Reprivatisierungen erfolgten meistens in Form von Aktiengesellschaften (AG) oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH), wobei die Kommunen Mehrheitsgesellschafter blieben. Die erste Stadt, die nach diesem Muster verfuhr, war seit den frühen 20er-Jahren Königsberg. Treibende Kraft war Oberbürgermeister Hans Lohmeyer, der von 1919 bis 1933 an der Spitze der örtlichen Stadtverwaltung stand.177

 

Die Reprivatisierungen jener Zeit sind aber nur zum Teil darauf zurückzuführen, dass die einzelnen Bereiche der Leistungsverwaltung zunehmend kritischer betrachtet wurden. Es ging nämlich auch darum, der Notverordnungspolitik von Reichskanzler Heinrich Brüning zuvorzukommen, der 1931 die Kommunen schließlich völlig von den Kapitalmärkten abschnitt, indem er Sparkassen und Kreditinstituten untersagte, Städte und Gemeinden zu unterstützen. Diese reagierten mit der Gründung eigener, aber privatrechtlich organisierter Unternehmen, die voll handlungsfähig waren und somit in den Genuss der für Ausbau und Unterhalt der Netze erforderlichen Kredite zu kamen.178

 

Koblenz hatte zur Zeit der Übertragung der Betriebsführung der Wasserversorgung an die Gasfernversorgung Mittelrhein rund 59.000 Einwohner. Die Dimensionen des Systems waren damals noch relativ überschaubar. 1929 förderten die Pumpwerke auf dem Oberwerth zusammen eine Tagesmenge von maximal 18.000 Kubikmetern. Davon wurden rund 3000 bis 4000 Kubikmeter an den Zweckverband der Gemeinden Kesselheim und St. Sebastian abgegeben. Die gleiche Menge wurde in das bis 1937 selbstständige Pfaffendorf „exportiert“. Der durchschnittliche Wasserbrauch lag bei aus heutiger Sicht erstaunlich hohen 195 Litern pro Tag und Kopf. In Spitzenzeiten konnte der Durchschnitt sogar auf 300 Liter pro Kopf und Tag steigen. Das städtische Tiefbauamt begründete die Werte, die erheblich über den heutigen Pro-Kopf-Verbrauchswerten liegen, mit dem enormen Wasserbedarf der zahlreichen Weinkellereien in der Stadt. Außerdem hob die Abteilung Kanal hervor, dass die örtlichen Kasernen mit umfangreichen Badeeinrichtungen ausgerüstet seien. Dagegen spielten Industrie und Gewerbe beim Wasserverbrauch nur eine untergeordnete Rolle, auch wenn es in der Stadt durchaus Maschinen- und Gerätefabriken gab. Dagegen zählte der städtische Schlachthof zu den Einrichtungen, die extrem viel Wasser benötigten.179

 

5. Ehrenbreitstein

 

Ehrenbreitstein ist wohl der Koblenzer Stadtteil, in dem die Geschichte einer funktionsfähigen zentralen Wasserversorgung am weitesten zurückreicht. Bereits in einer Kellereirechnung des Jahres 1629 ist von der Renovierung einer großen Zisterne und dem Bau einer neuen Leitung mit Tonröhren die Rede. Das benötigte Wasser lieferten in der Gemarkung des Dorfes Arenberg gelegene Quellen. Die Burg Ehrenbreitstein scheint bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts über ein Röhrensystem mit Wasser versorgt worden zu sein.180 Die erste Quellfassung für zivile Zwecke soll zwischen 1670 und 1680 erfolgt sein. Eine erste Leitung begann in den „Daubachs Wiesen“ im Bereich der heute noch so benannten Kniebreche (auf dem Weg in die heutigen Stadtteile Niederberg und Arenberg). Sie erhielt ihr Wasser aus zwei Quellkammern. Bereits in den frühen Aufzeichnungen wird eine zusätzliche Brunnenstube im Bereich der „Korn’s Quellen“ im Mühlental erwähnt.181

 

Aus der stadtteilgeschichtlichen Literatur ist nur wenig über die frühere Ehrenbreitsteiner Wasserversorgung zu erfahren. Von ihr ist meistens nur indirekt die Rede, vor allem dann, wenn es um die Bürgerhäuser im Stadtteil und ihre Bewohner geht. Ein Beispiel sind die beiden Barockhäuser Friedrich-Wilhelm-Straße 160/161, die von 1703 bis 1705 im Auftrage des Festungskommandanten Heinrich Klein erbaut wurden. Durch diese Häuser ging die Wasserleitung, die Kurfürst Johann Hugo von Orsbeck vom Helfenstein durch die Kellereibotsgasse zum Kapuzinerkloster und den beiden Kameralhäusern in der Kirchstraße (heute Humboldtstraße) hatte legen lassen.182

 

Später baute der Brunnenmeister Maximilian Heinrich Ludwig Philippard eine Abzweigung von der Wasserleitung in ein 1725 in der Hofstraße errichtetes Haus – das spätere Geburtshaus des Romantikers Clemens Brentano.183 Direkt am Anfang der nassauischen Zeit (1802) begann auch die Fassung und Ableitung einer Arenberger Quelle in die Brunnenstube. Von dieser gingen mehrere Abzweigungen aus. Eine führte in das einst kurfürstliche Dikasterialgebäude und in die Pagerie, eine weitere in das Hofstallgebäude und in den Hofgarten. Auch der Junkerhof und andere Ehrenbreitsteiner Häuser profitierten von der Neuerung. Eine besondere Bedeutung kam dem sogenannten Trottschen Hause zu, denn hier befand sich ein „Wasserregulativ“. Dabei handelte es sich um ein großes Bassin im ersten Stock des Hauses, aus dem noch mehrere andere Bauten ihr Wasser erhielten – und das, obwohl das Gebäude einzustürzen drohte. Der schwere bleierne Wasserbehälter war in einem dem Haus angebautem Turm untergebracht. Über und unter diesem Reservoir befanden sich die Räumlichkeiten von Behörden.184

 

5.1 Die ersten Quellwasserleitungen

 

Obwohl Ehrenbreitstein mit Johann Jacob Kirn einen erfahrenen Experten für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Wasserversorgung hatte, waren die Verhältnisse im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts alles andere als ideal. Am 4. Juli 1835 schrieb der Bürgermeister von Ehrenbreitstein: „[...] Seit mehreren Jahren sind die hiesigen Wasserleitungen in einem solchen mangelhaften Zustand, dass ungeachtet der so reichhaltigen Quellen die öffentlichen Brunnen, besonders bei anhaltenden Regengüssen, längere Zeit nicht benutzt werden können. [...]“185 Schon einen Tag vorher hatte Kirn die Begründung dieses Missstandes geliefert. In seinem Brief an die Königliche Regierung hieß es: „[...] Bekanntlich werden die zwei oberen Quellen der dahiesigen Wasserleitungen, an dem alten Wege nach Arenberg in der sogenannten Kniebreche [...] gefaßt und durch Thönerne Röhren ohnweit der Brunnenstub der Korns-Mühle vorbei gefürt. Dieser Theil der Röhrleitung ist aber bekanntlich schon seit 20 bis 30 Jahren in sehr schlechtem Zustand [...] Diesem Umstande, der nun größer und bedenklicher ist, als wirklich dadurch die Einwohner der Straße genötigt sind, an zu wenig gebrauchte und aber mit schlechtem oder verdorbenem Wasser angefüllten Zug-Brunnen, ihre Zuflucht zu nehmen [...] ist aber nicht anderes abzuhelfen als mit der Aufgrabung der alten Wasserleitung durch die Daubachs-Wiese und Ergänzung der da befindlichen Brunnen-Röhr – oder besser [...] und gewisser anzurathen durch Legung einer neuen Eysen Röhrleitung. [...]“186

 

Eigentümer der Wasserleitung, die ihre Anfänge noch unter den Trierer Kurfürsten genommen hatte, wurde nach dem kurzen nassauischen Zwischenspiel Preußen als Rechtsnachfolger dieser beiden Staaten. Bis 1848 sah es so aus, dass die Stadt keine eigene Wasserleitung hatte. Gemeinde und Privatleute hatten ein gewisses Nutzungsrecht. Zu den Nutznießern gehörte auch die jüdische Gemeinde, die das für das Frauenbad in der Kellereibotsgasse benötigte Wasser aus der fiskalischen Leitung bezog.187 Der Staat gab das überschüssige Wasser zunächst nicht ab, sondern sammelte es im Mühlteich an der „Korn’s Mühle“. Dieser auf Dauer unhaltbare Zustand verbesserte sich mit einer Verfügung der Königlichen Regierung vom 21. Juni 1858. Fortan war es der Stadt Ehrenbreitstein (widerruflich) gestattet, das ablaufende Quellwasser aufzufangen und in einer besonderen Wasserleitung fortzuleiten.188

 

Nach dem Tode Kirns übernahm Johann Langenbach einen wichtigen Part beim Ausbau der Ehrenbreitsteiner Wasserversorgung. Wie aus einem Brief des Brunnenmeisters vom 21. September 1850 hervorgeht, wurden die Wasserleitungen aus den Quellen „Daubachs Wiesen“ und „Korn’s Quellen“ gespeist. Aus einer Beschreibung vom 11. August 1818 ist zu entnehmen, dass die Daubacher Leitung an einer Stelle begann, die Kniebreche genannt wurde und als Straßenname auch heute noch besteht. Diese Leitung wurde von insgesamt drei Quellen gespeist. Sie lieferte das Wasser in Brunnen und Häuserreservoire. Das Wasser lief entweder durch tönerne oder gusseiserne Röhren. Mitte des 19. Jahrhunderts hatte die Leitung insgesamt 32 „Ausläufe“. Die Nutzungsrechte musste sich die Stadt Ehrenbreitstein allerdings mit dem Militärfiskus teilen. Erst 1910 trat der Staat seine Hälfte an den Daubachquellen an die Kommune ab.189

 

5.2 Trinkwasser für die Festung

 

Die Ver- und Entsorgung in den zahlreichen militärischen Gebäuden in Koblenz ist ein besonderes und vor allem umfangreiches Kapitel in der Stadtgeschichte. Da in dieser Studie die kommunalen Projekte im Vordergrund stehen, kann dieser große Bereich nur angeschnitten werden. Exemplarisch werden an dieser Stelle die wichtigsten Fakten der Trinkwasserversorgung der Festung Ehrenbreitstein vorgestellt.

 

Bereits im Jahr 1160 ließ der Trierer Erzbischof Hillin (1152–1169) auf dem Ehrenbreitstein eine Zisterne bauen. Es ist unbekannt, ob die Burg damals einen Brunnen besaß. Ungeklärt ist die Frage, wie die neue Zisterne gefüllt wurde. Auf jeden Fall wird die Wasserversorgung auf der Burg Ehrenbreitstein im 15. Jahrhundert als unzureichend bezeichnet. Diese Tatsache spricht für das Vorhandensein von lediglich einer Regenwasserzisterne. Und so ließ Erzbischof Johannes II. von Baden (1456–1503) von 1481 bis 1483 einen Brunnen bauen. In rund 57 Metern Tiefe entdeckte man schließlich tief im Fels eine ergiebige Quelle. Trotz dieser deutlichen Verbesserungen reichten die Kapazitäten schnell nicht mehr aus, weil die Burg Ehrenbreitstein zu Beginn des 16. Jahrhunderts erheblich ausgebaut wurde.

 

Unter Erzbischof Richard von Greiffenclau (1511–1531) wandelte sich die Burg zur Festung. Dort wurden nun Soldaten stationiert, um die Geschütze zu bedienen. Angesichts des steigenden Bedarfs ging man dazu über, von außerhalb Wasser in die Festung zu leiten. Zu diesem Zweck fasste man eine Quelle, die wahrscheinlich in der Arenberger Gemarkung lag. Von 1528 an stellte Meister Wilhelm von der Tocken Gehölz und Eisenwerk für eine hölzerne, mit Eisen verstärkte Leitung her. Er errichtete auch das erforderliche Mauerwerk. Meister Velten Ulner aus Lützel lieferte schließlich die tönernen Brunnenröhren. Spätestens 1535 war das Werk vollendet. Damals wurde im Festungshof ein von der neuen Leitung gespeister Fließbrunnen errichtet.190

 

Im Dreißigjährigen Krieg musste die Wasserversorgung der Festung erneut verbessert werden. 1628 wurde nicht nur die große Zisterne saniert, sondern auch eine weitere Wasserleitung gelegt, die ihr Wasser wohl aus einer weiteren Quelle in der Nähe des heutigen Stadtteils Arenberg bezog. Weitere Baumaßnahmen folgten zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Im Sommer 1710 fasste der kurtrierische Hofbrunnenmeister Max Heinrich Phillippart eine 600 Meter nördlich der Festung gelegene Quelle.

 

Doch auch diese Maßnahme reichte nicht aus, sodass der Baumeister schließlich die Leitung verlegte. Das Wasser wurde nun vom Eselsbach bei Arenberg herangeführt. Zu diesem Zweck plante Hofbaumeister Josef Honorius Ravensteyn einen Minengang, der dann in den Fels gesprengt wurde. Durch den neuen Gang wurden eiserne Röhren gelegt. Die Tatsache, dass Trinkwasser von außen herangeführt werden musste, offenbart eine Schwäche der Festung Ehrenbreitstein. Dies zeigte sich bei der Belagerung der kurtrierischen Anlage durch französische Truppen in den Jahren von 1794 bis 1799. Die Franzosen konnten damals problemlos die Wasserversorgung unterbrechen.191 Aus diesem Grund wurde während der Belagerung 1797 eine zweite Zisterne angelegt. Darüber hinaus waren 1795 und 1796 auf dem Festungsgelände in einem Minengang und in Neudorf nördlich der Festung zwei weitere Quellen entdeckt worden.192

 

Beim Neuaufbau der 1801 von den Franzosen gesprengten Festung wurde die Wasserversorgung von Anfang an besser geplant. Zwar musste man das Trinkwasser immer noch von den Quellen in der Nähe heranführen, doch wurden nun die Speicherkapazitäten erheblich vergrößert. Bereits 1816 machte man sich in den Ruinen der kurfürstlichen Festung auf die Suche nach den alten Brunnen und Zisternen, um diese in das Versorgungssystem der neuen Anlage zu integrieren. Im Gesamtplan zum Wiederaufbau auf dem Ehrenbreitstein von 1820 wurden schließlich auch die Eckpunkte der Wasserversorgung festgelegt.193

 

Sechs Jahre später war das neue Wasserversorgungssystem der Festung fertiggestellt, die ihrerseits für eine Kapazität von 1500 Soldaten und 80 Geschützen ausgelegt war.194 Eine der nun genutzten Quellen befand sich am westlichen Rand des Plateaus vor der Festung. Nördlich der kleinen Gemeinde Neudorf am östlichen  Rand des Festungsplateaus fasste man eine weitere Quelle. Südlich von Neudorf kamen dann noch der „Süße Born“ und dem „Kühle Born“ dazu. Es ist wahrscheinlich, dass man zu dieser Zeit auch die Quellen genutzt hatte, die während der langen Belagerung entdeckt worden waren.195

 

Vom westlichen Rand des Festungsplateaus im Bereich des Nöllenkopfs führte ein unterirdischer Gang in die Festung, die darüber hinaus über einen Kanal mit den Neudorfer Quellen verbunden war. Beide Anlagen vereinigten sich am Festungsglacis. Von dort aus führte eine Röhrenleitung zum Turm „Ungenannt“ im nördlichen Eingangsbereich der Festung, wo das Wasser in einer Zisterne im Graben des Turms gesammelt wurde. Dieser Graben war bereits 1819 in den Felsen gesprengt worden. Neben dieser Sammelstelle wurde später eine dampfbetriebene Druckpumpe installiert. Um die gesamte Anlage auch im Kriegsfall ausreichend mit Trinkwasser zu versorgen, wurde 1838 darüber hinaus auf dem Niederehrenbreitstein ein Brunnen gebohrt. Zwei Jahre später war ein Druckwerk fertiggestellt, mit dessen Hilfe das Wasser in die höher gelegenen Bereiche der Festung gehoben werden konnte.196

 

Ähnlich wie in Koblenz bestanden auch in Ehrenbreitstein Nutzungsvereinbarungen über das aus den Quellen der Umgebung stammende Wasser zwischen Staat, Gemeinde und Militärfiskus. Über die Kostenbeteiligung gab es allerdings immer wieder Differenzen zwischen Gemeinde und Militär. Als zum  Beispiel bei der Überwölbung des Wambaches und der Verlegung einer Rohrleitung an einem Gebäude Schäden entstanden waren, verweigerte die Kommandantur von Koblenz und Ehrenbreitstein eine Beteiligung an der Begleichung der Schäden. Der Grund: Aus der Wambach-Leitung wurde nur ein militärisch genutztes Gebäude versorgt. Dagegen standen sieben zivile Gebäude.

 

Die Kommandantur wies – wohl in Erinnerung des Trinkwassermangels in der Garnison vom Mai 1823197 – darauf hin, dass sie kaum die Hälfte des ihr rechtlich zustehenden Wassers beanspruchte. In der Tat bestand zwischen Gemeinde und Militärfiskus die Vereinbarung, dass beide Partner jeweils 50 Prozent des Wassers erhalten sollten. Jedoch hatte sich die Kommandantur verpflichtet, die Hälfte der Unterhaltungskosten der Leitung von der Daubachsquelle und von der Korn’s Quelle zu tragen.198 Besondere Abmachungen bestanden für die Festungsanlagen. Zur Sicherung der Versorgung hatte die Militärverwaltung das Recht, das Wasser aus dem von der Riddelsbornquelle gespeisten Eselsbach „[...] zu ihren Zwecken zu benutzen, nach Guthalten die früher bestandene Wasserleitung von derselben wiederherzustellen [...]“ Der Fiskus besaß außerdem die Eigentumsrechte auf die zur ehemaligen Leitung erbauten Kanäle und sollte auch noch „[...] gewisse Rechte auf diejenigen Terrainstellen haben, unter welchen die Canäle liegen oder die Röhrleitung gelegen hat. [...]“199

 

Die ständigen Reibereien mit der Zivilgemeinde führten dazu, dass das Militär immer wieder versuchte, die Wasserversorgung der rechtsrheinischen Festungswerke auf eine solidere technische und rechtliche Grundlage zu stellen. Es gab nämlich akuten Handlungsbedarf. Trotz der Quellenerschließung und der aufwendigen Baumaßnahmen reichte das Wasserdargebot für den Ehrenbreitstein nicht aus, zumal neue Festungsbauten wie die Arzheimer Schanze (1866/67) errichtet wurden.

 

Im Cholerajahr 1866 kaufte die Fortifikation Koblenz von der Witwe Johann Schneider ein südlich von Arenberg gelegenes Grundstück mit der sogenannten Riddelsbornquelle, die in den Eselsbach floss. Die dortigen Mühlenbesitzer erhielten eine einmalige Abfindung. Die Verbindung zur Festung wurde über eine neue Leitung hergestellt, wobei ein unterirdischer Kanal der 1794 zerstörten alten Riddelsborn-Leitung einbezogen werden konnte. Im Zuge der weiteren Verstärkung der Festungswerke auf der rechten Rheinseite sollte sich herausstellen, dass die Kapazitäten der Riddelsbornquelle nicht ausreichten. Der Militärfiskus schloss deshalb 1893 einen Vertrag auf 30 Jahre mit der Gemeinde Arzheim. Gegen Zahlung eines jährlichen Pauschalbetrages von 666,67 Mark wurde dem Militär gestattet, eine fiskalische Leitung an das Arzheimer Wasserversorgungssystem anzuschließen. Die Vereinbarung ermöglichte es, den Wassermangel in den Festungswerken Rheinhell und Asterstein zu beheben.200

 

Um die Wasserversorgung für den Ehrenbreitstein langfristig zu sichern, schloss die Fortifikation Koblenz mit der Gemeinde Arenberg 1909 einen Vertrag über die Nutzung der sogenannten „Meerkatzquelle“. Das Wasser aus dieser Quelle wurde zunächst zu einem Waldstück beim Kloster Arenberg geleitet, wo sich bereits zwei Wasser-Hochbehälter der Gemeinde Arenberg befanden. Um die Versorgung für die Festung sicherer zu machen, ließ die Militärverwaltung an gleicher Stelle einen eigenen Hochbehälter errichten. Von dort wurde eine einfache Fließleitung zur Festung gelegt, die in etwa parallel zur alten „Riddelsborn-Leitung“ lief.201 Die Baumaßnahme zahlte sich aus: Indem einfach das Gefälle erhöht wurde, stieg auch der Wasserdruck deutlich.202

 

Mit der Zeit stellte sich heraus, dass die neue Anbindung nicht mehr erforderlich war, obwohl die „Meerkatzquelle“ als Hauptversorgungsquelle der rechtsrheinischen Befestigungen eingeplant war. Die Festung Ehrenbreitstein wurde in das öffentliche Wasserversorgungssystem von Arenberg eingebunden. Der Betrieb der verschiedenen Zisternen auf dem Festungsgelände war bereits 1912 entfallen.203 Der Wasserverbrauch war genau festgelegt, durfte aber im Brandfall überschritten werden. Die Vereinbarung zwischen Gemeinde und Militär führte dazu, dass auch die Riddelsbornquelle nicht mehr für die Versorgung des Ehrenbreitsteins benötigt wurde. Und so erhielt die Stadt Ehrenbreitstein bereits 1910 das Recht, das Überlaufbecken der Riddelsbornquelle zu nutzen, die vom Militär nur noch für die Versorgung des Forts Asterstein benötigt wurde.204

 

Der Riddelsborn fließt in den Eselsbach. Von dort wurde das Wasser über ein Pumpwerk im Fort Asterstein verteilt, das darüber hinaus über die Arzheimer Wasserleitung versorgt wurde. Das Überlaufwasser aus der Riddelsborn-Quelle wurde unentgeltlich an die Kommune abgegeben. Auf Verlangen der amerikanischen Besatzung musste der Staat schließlich das gesamte Wasser aus der Riddelsbornquelle an die Stadt Ehrenbreitstein abtreten, um die örtliche Wasserversorgung abzusichern. 1920 wurde die ausschließlich vom Militär genutzte neuere Riddelsborn-Leitung ganz vom Netz genommen und trockengelegt.

 

Die neue Anbindung an die Wasserversorgung von Arzheim war so gut, dass das Wasser aus den dortigen Quellen dreimal gereicht hätte, um den Bedarf in den von der Besatzung genutzten Festungsbauten zu decken.205 Man bedenke: Zu dieser Zeit hatten die preußischen Festungsanlagen längst ihre strategische Bedeutung verloren. Ihnen drohte sogar die Schleifung gemäß den Bestimmungen des Versailler Vertrages, die in Koblenz aus denkmalpflegerischen Gründen nur in Teilen vollzogen wurde.

 

Die Stadt Ehrenbreitstein unternahm schließlich einen Vorstoß, die Riddelsbornquelle vollständig zu erwerben. Sie erklärte sich in ihrem Schreiben an das Reichsvermögensamt vom 26. Oktober 1926 grundsätzlich bereit, die Riddelsbornquelle in ihr Eigentum zu überführen. Als Gegenleistung wollte die Stadt das Wassergeld für die von der Gemeinde versorgten reichseigenen Liegenschaften ermäßigen. Im Reichsvermögensamt stand man dem Vorschlag grundsätzlich positiv gegenüber. Schließlich wurden die Verhandlungen über die Details eingeleitet. Die Behörde hatte erkannt, dass die Riddelsbornquelle für das Reich nur noch einen geringen Wert besaß.206

 

Trotz der entscheidenden Verbesserungen in der Wasserversorgung der Festung Ehrenbreitstein lebte die Besatzung auch weiterhin sehr spartanisch. Allerdings gab es für sie seit dem Ende des 19. Jahrhunderts die Möglichkeit, die Körperpflege zu verbessern, weil 1884 im Turm „Ungenannt“ eine Badeanstalt eingerichtet wurde.207 In der „Langen Linie“ sollte kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges eine weitere Badeanstalt dazukommen. Dagegen hatte man bis 1918 auf den Einbau von Toiletten mit Wasserspülung verzichtet. Erst die amerikanische Besatzung setzte gegen den Widerstand der deutschen Behörden eine „Nachrüstung“ durch. Der Grund dafür, dass sich die Verwaltung widersetzte, war einleuchtend: Die Festung war nicht an die Kanalisation angeschlossen. Erst 1990 sollte der Ehrenbreitstein in das Koblenzer Kanalsystem eingebunden werden.208

 

5.3 Kurort mit Brunnen und Bädern?

 

Kohlensäuregashaltiges Wasser war schon früh wegen seiner Frische und seines Wohlgeschmacks beliebt. Es war aber keine Alternative zu dem aus Brunnen gewonnenen Trinkwasser, weil es für die Menschen einfach zu teuer war. Das „Sauerwasser“ wurde eher als Heilwasser gesehen.209 Auch in Ehrenbreitstein gibt es eine solche Sauerwasserquelle: den „Dähler Born“. Dieser Mineralbrunnen spielte aber nur lokal eine gewisse Rolle, weil er weder qualitativ noch quantitativ eine Konkurrenz zu den großen Quellen in Eifel und Taunus darstellte, die die Voraussetzungen für die im 19. und 20. Jahrhundert aufblühende Mineralwasserindustrie sein sollten. Allerdings war die Ehrenbreitsteiner Quelle schon sehr lange bekannt, worauf auch der Name hinweist. Darin steckt das Wort „Dahl“, was für den alten Namen „Tal“ steht, den die kleine Residenzstadt einst führte.

Das Wort „Born“ entstand im Mittelalter aus dem Wort „Bronn“, das ursprünglich genau die Stellen bezeichnete, an denen Wasser aus dem Boden trat oder in kleine Flussläufe abfloss. Mit Sicherheit lässt sich die Geschichte des Dähler Borns bis weit in das Mittelalter zurückverfolgen. Allerdings war das Quellwasser ursprünglich nicht unter der heutigen Bezeichnung bekannt.

 

Die Quelle wird zum ersten Mal 1327 „als Schwalborn“ urkundlich genannt, dürfte aber in Wirklichkeit noch viel älter sein. Denn neben der Quelle hatte ein gewisser Ritter Heinrich seinen Sitz. Er wird bereits 1294 erstmals genannt.210 Später fügte Heinrich seinen Namen den Zusatz von „Schwalborn“ an. Die älteste Quellfassung wurde 1837 entdeckt, sie bestand wohl – wie in der ganzen Region üblich – aus Basaltlava, die üblicherweise von Niedermendig am Laacher See stammte. Die Erdarbeiten am Dähler Born waren damals nötig, um die Quelle neu zu fassen. Es waren Klagen laut geworden, dass weder die Qualität des Wassers noch dessen Schüttung ausreichten. Und da man verhindern wollte, dass sich „süßes“, unreines Oberflächenwasser mit dem kohlensäurehaltigen reinen Wasser aus tieferen Erdschichten vereinigte, führte man umfassende Arbeiten aus.

 

Die Koordination und die kaufmännische Überwachung des Projektes übernahm der für die Wasserversorgung in der Bürgermeisterei Ehrenbreitstein zuständige Ingenieurhauptmann Johann Jacob Kirn, der in seiner Aufstellung vom 15. Juli 1837 bemerkte, dass die Stadt für Planung und Ausführung des Projektes den Wasserbaumeister van den Bergh211 gewonnen hatte. Unter seiner Leitung hatten die Arbeiten bereits am 26. April begonnen.

 

In einem ersten Schritt wurde ein neuer Kanal angelegt, mit dessen Hilfe das Brunnenwasser umgeleitet wurde. Nun war der Weg frei, die eigentliche Quelle neu zu fassen. Darüber hinaus wurde eine Ableitung für das überschüssige Wasser in den Wambach angelegt, der durch die gleichnamige Straße floss. Denn der „Sauerbrunnen“ war nicht die einzige Quelle im Obertal. Eine Situationsskizze zeigt, dass sich in unmittelbarer Nähe des „Dähler Borns“ eine „kalte Quelle“ befand, aus der man wohl das Wasser zum Reinigen der Tonkrüge bezog.

 

Die wichtigsten Maßnahmen erfolgten im Bereich der Hygiene. Der Brunnen, der ursprünglich nur von Mauern und dem recht kleinen Brunnenhaus umgeben war, wurde endlich mit einer leichten Konstruktion überdacht. Darüber hinaus wurde eine Pumpanlage für die Füllung der Krüge installiert. Das unhygienische manuelle Abfüllen der Gefäße entfiel somit.212

 

Dass die Arbeiten ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt ausgeführt wurden, war kein Zufall. In dieser Zeit träumte man in der einstigen kurtrierischen Residenzstadt davon, eine bedeutende Bäderstadt mit heilsamen warmen und kalten Quellen zu werden. Hintergrund: Nachdem die Kurfürsten die Stadt verlassen hatten, ging ihre ursprüngliche Bedeutung verloren. Man brauchte einen Ersatz – auch wenn das preußische Militär zunehmend eine Rolle spielte. Hoffnungen machte man sich zudem deshalb, weil der bekannte Geologe Christian Leopold von Buch (1774–1853) im August 1834 Ehrenbreitstein besucht und eine realistische Chance gesehen hatte, im Dahl auf Thermalquellen zu stoßen.213

 

Der Optimismus von Buchs, der auch heute noch als bedeutendster Geologe seiner Zeit gilt, war nicht unbegründet. Das schon im Mittelalter als Kurort geschätzte Bad Ems mit seinen 17 Quellen war nicht weit entfernt. Und die geologischen Zusammenhänge zwischen Ehrenbreitstein, den heutigen Koblenzer Höhenstadtteilen und den Gemeinden an der Lahn waren bekannt. Entsprechend schnell handelten die Ehrenbreitsteiner Stadtväter. Bereits im Herbst 1834 wurde der Bonner Oberbergrat Oeynhausen mit einem Vorgutachten beauftragt. Er schätzte die Grundkosten für eine Bohrung nach heißen Quellen auf rund 4000 Taler. Das erschien ein hoher Preis, weil der Oberbergrat, der quasi als beratender Ingenieur die Bohrungen vorbereiten sollte, von Anfang an für eine Gestängebohrung plädierte.214 Doch die kommunalen Kassen waren leer, die Stadt Ehrenbreitstein konnte nur 2000 Taler für diesen Zweck zur Verfügung stellen.215

 

Bürgermeister Johann Jakob Josef von Eyß (1803–1874), der von 1832216 bis zu seinem Tod an der Spitze der örtlichen Kommunalverwaltung stand, wollte schließlich das Projekt über eine Aktiengesellschaft finanzieren, über die Bürger das nötige Geld einbringen sollten. Im Februar 1836 wurde ein entsprechender Aufruf veröffentlicht.217 Die Resonanz war überraschend groß. Nach der Empfehlung des hoch angesehenen Geologen glaubten viele an den Erfolg des Projektes und eine Zukunft Ehrenbreitsteins als Bäderstadt. Bereits am 23. Februar 1836 gab es eine Gesellschaftsordnung. Noch wichtiger schien ein Vertrag mit der Stadt zu sein, der das gleiche Datum trägt. In dem Kontrakt verpflichtete sich die Stadt, den Grund und Boden für die Errichtung von „Badgebäuden“ abzutreten. Für den Fall, dass man  auf „kaltes Wasser“ stoßen würde, sollte die Gesellschaft einen Teil des Wassers als Entschädigung an die Kommune abtreten.218

 

Die neue Aktiengesellschaft brachte am 28. April 1836 ihre Statuten auf den Weg.219 Mehr als 190 Aktionäre glaubten an die Zukunft Ehrenbreitsteins als Stadt der Bäder und stiegen in die Gesellschaft ein. Unter den Aktionären befanden sich illustre Namen wie der der Fabrikantenfamilie d’Ester, der die Sayner Hütte und eine Lederfabrikation in Vallendar gehörte.220 Vor diesem Hintergrund wird deutlich, warum die Stahlwerke im heutigen Bendorfer Stadtteil Sayn mit Aufträgen zur Herstellung der Bohrausrüstung bedacht wurden. Die engen Verbindungen erklären auch, dass Oberinspektor Althans als „Vorgesetzter“ Kirns’ quasi eine Aufsichtsfunktion über die Bohrungen erhielt. Er war der Familie d’Ester freundschaftlich verbunden. Es steht zwar nicht in den Quellen, doch dürften die d’Esters als „Gegenleistung“ dafür gesorgt haben, dass das erforderliche Kapital von 10.000 Talern bereits – wie Ingenieurhauptmann von Kirn in seinem Tagebuch bemerkt – in der zweiten Generalversammlung der zu gründenden Aktiengesellschaft am 1. April 1836 komplett war.221

 

Die Suche nach den warmen Quellen begann im Januar 1837 in der nach Arenberg führenden Kniebreche. Zunächst wurde ein Brunnen „auf 10 Fuß Tiefe und vierseitig 10 Fuß Breite“ gegraben und ausgemauert. Doch richtig kam man nicht voran, weil „Berater“ Oeynhausen anderweitig verpflichtet war und sich wohl auch unglücklich darüber zeigte, dass seine Empfehlung einer Gestängebohrung nicht aufgenommen wurde. Schließlich übernahm Oberinspektor Althans auch offiziell die Leitung der Bohrversuche. Die Bohrspitzen kamen indessen weiter aus Bonn, der Rest wurde dagegen in der Sayner „Maschinenfabrik“ hergestellt und vorbereitet.222

 

Die weiteren Schritte sind in den Tagebüchern und Akten über die Bohrversuche, die heute im Stadtarchiv Koblenz aufbewahrt werden, sehr gut dokumentiert. Exemplarisch seien an dieser Stelle die Aufzeichnungen von Althans und von Kirns für das Jahr 1839 genannt. Darin werden exakt Bohrfortschritte und Rückschläge dokumentiert. Demnach begannen ernsthafte Bohrversuche erst am 7. November 1837. Entgegen der Empfehlungen des Oberbergrates Oeynhausen hatte man sich aus Kostengründen gegen das Bohren mit Gestängen und für das billigere Verfahren mit Seilwinden entschieden. Entsprechend langsam ging es voran. Schiefer- und Grauwacke-Schichten konnten nur mit Mühe und vor allem mit hohem Verschleiß bewältigt werden. Am 20. Juni 1838 wurde gerade mal eine Tiefe von 103 Fuß erreicht, was in etwa 32,82 Metern entsprach. Anfang Januar hatte man eine Tiefe von 150 Fuß erreicht.223

 

Auch zwei Jahre nach Beginn der Bohrungen gerieten die Arbeiten immer wieder ins Stocken. Anfang Februar 1839 mussten sich Althans und Kirn mit der mangelnden Güte der Bohrer auseinandersetzen, die von der „Maschinenfabrik“ an der Sayner Hütte geliefert wurden. Die Fabrik beeilte sich, eine verbesserte Qualität der Bohrer zu versichern. Doch das Problem blieb. Schließlich zog man sogar in Betracht, die Bohrstelle zu verlegen.224

 

Die langen Unterbrechungen führten schließlich dazu, dass man am Ende doch zur Gestängebohrung überging, wobei sich der Beginn der Umstellung trotz der detaillierten Tagebuchaufzeichnungen nicht exakt datieren lässt. Die begleitenden Skizzen lassen jedoch darauf schließen, dass die Umstellung im Laufe des Jahres 1839 erfolgte. Die Bohrgesellschaft stand nämlich allmählich unter Erfolgsdruck, weil einzelne Aktionäre spätestens im Frühjahr 1839 damit begannen, unangenehme Fragen zu stellen. Es kam nicht von ungefähr, dass sich am 28. Juni ein anonymer Aktionär in der Rhein- und Mosel-Zeitung zu Wort meldete.225 Doch es gelang, die Aktionäre zu beschwichtigen. Wie die Rhein- und Moselzeitung meldete, war man in der Aktionärsversammlung vom 27. Mai 1840 mit dem Fortgang der Arbeiten sehr zufrieden. Man strebte eine Bohrtiefe von rund 600 Fuß an. Immerhin hatte man bis Ende Dezember 1840 eine Tiefe von 252 Fuß (= 80,3 Meter) erreicht.226

 

Auch in den folgenden Jahren schwankten die Aktionäre zwischen Hoffen und Bangen. Da man im Verlauf der Bohrungen auch auf gasführende Schichten gestoßen war, ging man fest vom Erfolg des Unternehmens aus. Nur so ist es zu erklären, dass die Suche nach heißen und kalten Quellen zehn Jahre lang aufrechterhalten werden konnte. Und man stieß in immer größere Tiefen vor. Das geht aus der Einladung des Bürgermeisters von Eyß hervor, der in seiner Eigenschaft als Sekretär des Vorstandes der Direktion für den 30. Mai 1844 zu einer Generalversammlung einlud. In der Ergänzung zur Bekanntmachung hieß es: „[…] Die Herren Aktionaire der Gesellschaft der Bohrversuche zu Ehrenbreitstein werden darauf aufmerksam gemacht, dass man in einer Tiefe von 619 Fuß 4 Zoll auf eine Quelle gestoßen ist, die sich als ein Eisen-Säuerling erwiesen hat und deren nähere Bestandteile jetzt näher geprüft werden. Auf diese Weise ist also die Ansicht des Hrn. Von Buch, in  dessen Gutachten ein solcher Säuerling vorhergesag wurde, zur Freude der Gesellschaft bisher vollkommen gerechtfertigt. […]“227

 

Die Bohrungen sorgten übrigens auch überregional für Aufsehen. Sogar der bekannte Naturforscher und Geograf Alexander Freiherr von Humboldt (1769–1859) fand sich im Rahmen seines Besuchs bei der ebenso bekannten Familie Mendelssohn in Horchheim am 29. August 1845 an der Bohrstelle ein und hatte „[…] die Bohrversuche beehrt und sehr befriedigend sich ausgesprochen."228 Doch der Besuch von bedeutenden Wissenschaftlern und Ingenieuren, die sogar bis aus Skandinavien angereist waren, änderte nichts an der Tatsache, dass die Stimmung in Ehrenbreitstein immer schlechter wurde. „Wie nur dem Kopf nicht alle Hoffnung schwinde, der immerfort an sich schon Zeuge bleibt. Mit gieriger Hand nach Schätzen gräbt. Und froh ist, wenn er Regenwürmer findet“, notierte der resignierende Ingenieurhauptmann Kirn Anfang April 1845.229 

 

Etwas hoffnungsvoller hörten sich dagegen die Berichte in der Tagespresse an, wie folgender Ausschnitt zeigt: „Die öffentlichen Blätter haben bereits öfter Mittheilungen über den Fortgang und die Erfolge der hiesigen Bohrversuche nach Mineralquellen enthalten, und das auswärtige Publikum hat immer mit der größten Spannung die Nachrichten darüber verfolgt, was außer der Bedeutung, die dieses Unternehmen für den hiesigen Platz an sich schon einnimmt, ein hinlängliches Zeugniß dafür liefert, welches Interesse dasselbe in Hinsicht auf die Wissenschaft und Kunst bietet. Freilich haben sich dabei mitunter bedeutende Schwierigkeiten entgegengestellt und es gehörte viel Kraft und Ausdauer dazu, um den Muth nicht sinken zu lassen und solche zu beseitigen, allein desto ehrenvoller wird auch, im Falle dass gewünschte Resultat erlangt wird, solches für die Unternehmer sein. Wenn wie nun bereits mehrfach Erscheinungen bemerken, welche uns zu günstigen Hoffnungen berechtigen, so mag solches jetzt um so mehr der Fall sein, als erst in letztvergangenen Tagen auf der ersunkenen Sohlen-Teufe in 680 bis 683 Fuß [= rund 216 Meter] in hängender Formation eine Quelle von 13 Grad Réaumur [= 16,25 Grad Celsius] erbohrt wurde, die einstweilen auf der Seite des Bohrstocks nach einem Abzugskanal eingeleitet worden ist. Bei der chemischen Untersuchung des Wassers fand sich, dass dasselbe eine Menge fester alkalischer Bestandteile, dagegen gar keine Eisentheile enthielt. Ein solches Phänomen ist von großer Wichtigkeit und aller Beachtung werth, und wir glauben daher mit Gewissheit erwarten zu können, dass in der auf den 26. d. M. anberaumten General-Versammlung die Aktionäre gewiß keine Bedenken tragen werden, durch Zeichnung neuer Beiträge die Fortsetzung des Unernehmens zu sichern, um nicht im entgegengesetzten Falle durch leichtes Aufgeben desselben, so bedeutende Geldsummen und so viele gemachte praktische Erfahrungen, die zur Förderung desselben für die Zukunft so wichtig sind, nutzlos gehen zu lassen.“230

 

In der Tat brachte die Generalversammlung den gewünschten Erfolg. Noch einmal waren die Aktionäre bereit, neue Anteile zu zeichnen. In der Presse heißt es dazu: „Trotz mancher böswilligen Anfeindungen in verschiedenen öffentlichen Blättern haben die Actionäre der Gesellschaft für die Bohrversuche nach Mineralquellen in Ehrenbreitstein die Fortsetzung des Unternehmens und die Zeichnung neuer Beiträge mit entschiedener Stimmenmehrheit votiert, auch die fernere Leitung der Versuche dem seitherigen Vorsteher dem vormals kurtriereischen Ingenieurhauptmann von Kirn abermals anvertraut, um demselben so eine Anerkennung für unerschuldete Verfolgungen zu gewähren.“231

 

Die mit großem Aufwand betriebenen Bohrungen brachten am Ende doch keinen Erfolg, weil man die Kosten für die Erschließung der bei den Bohrungen angeschnittenen Mineralquelle scheute. Wie aus dem Schriftverkehr zwischen Gemeinde, Aktiengesellschaft und übergeordneten Behörden hervorgeht, ruhten die Arbeiten im Februar 1847. Zu diesem Zeitpunkt waren die zur Verfügung stehenden Mittel ausgeschöpft. Zudem blieb die erhoffte Unterstützung durch den preußischen Staat aus. Schließlich ließ das Interesse der Aktionäre an den Bohrungen derart nach, dass sie schließlich eingestellt wurden.232

 

Der Dähler Born floss unterdessen weiter. Allerdings hatte sich inzwischen herausgestellt, dass die Maßnahmen zur Neufassung und Überdachung der Quelle von 1837 unzureichend waren. Man entschied sich im November 1882 noch einmal zu einer umfassenden Brunnensanierung und legte die Auftragsvergabe auf den 16. Januar 1883 fest.233 Die Entscheidung kam nicht von ungefähr. Immer wieder hatten sich die Pächter über die mangelnde Güte und Qualität des Sauerbrunnens beklagt, die in keinem Verhältnis zur hohen Pacht stand. Im Juni 1883 war die Brunnensanierung weitgehend abgeschlossen. In der Bürgermeisterei stellte man zufrieden einen „gesteigerten Consum“ fest.234

 

Die Baumaßnahmen waren recht umfangreich. Man wollte nicht mehr hinnehmen, dass der Brunnen immer noch offen stand.235 Aus diesem Grunde wurde das Bassin tiefergelegt und zugemauert. Das Wasser sollte fortan über seitlich angebrachte Röhren entnommen werden. In dieser Zeit wurde wohl die gesamte Entnahmestelle überwölbt und damit das schmale Haus der Brunnenpächter nach hinten verlängert. Trotz der umfangreichen Maßnahmen häuften sich die Klagen der Pächter, deren Verhältnis zur Stadt Ehrenbreitstein auf Grundlage der Polizeiverordnung vom 1. Oktober 1858 geregelt war. So stellte der Pächter Steireif am 4. Juli 1884 fest, dass wegen der andauernden Hitze die Ergiebigkeit des Mineralbrunnens so weit zurückgegangen war, dass kein Wasser mehr abgegeben werden konnte. Steireifs Nachfolger Johann Schuy legte am 26. August 1896 nach und bemängelte einen „schlaffen Geschmack“, der so gravierend war, dass Krüge nicht für den Versand fertig gemacht werden konnten. Einer Intensivierung der Reinigung wollten sich die Pächter aber wegen der hohen Betriebskosten von vornherein entziehen.236

 

Was sich zunächst wie eine Ausrede anhört, erscheint bei näherer Betrachtung verständlich. Zu Beginn des      20. Jahrhunderts kam es immer öfter vor, dass Pacht und Betriebskosten die Einnahmen aus der Mineralwasserabgabe überstiegen. Dies geht aus einer Aufstellung des Pächters Johann Schuy für die Jahre von 1896 bis 1911 hervor.237 Noch einmal versuchte die Stadt, dem Bedeutungsverlust durch kleinere Baumaßnahmen zu begegnen, die 1918 geplant und durchgerechnet wurden.238 Im Zuge dieser Arbeiten erhielt der „Dähler Born“ im Wesentlichen seine heutige Gestalt. Die Maßnahmen konnten den weiteren Bedeutungsverlust des Brunnens nicht verhindern. Die übermächtige Konkurrenz der ergiebigeren Quellen in der Eifel und in Hessen war zu groß. Immerhin wurde noch in den 1930er-Jahren das Quellwasser aus dem Dahl in zylinderförmigen Steinzeugflaschen ausgeliefert. Und das, obwohl sich der industrielle Abfüllbetrieb und der Einsatz von billigeren und hygienischen Glasflaschen längst durchgesetzt hatten.

 

Eine Zäsur markierte der Zweite Weltkrieg. Mit der ersten Sanierung des Quellhauses im Obertal 1970 kehrte der Dähler Born wieder ins allgemeine Bewusstsein zurück. Seit der zweiten Renovierung des Gebäudes in den Jahren 1994 und 1995 ist es wieder üblich, gelegentlich Dähler Wasser im Steinzeugkrug zu servieren.

 

5.4 Qualitätsproblem beim Grundwasser

 

Die Qualität des Ehrenbreitsteiner Quellwassers muss im Großen und Ganzen zufriedenstellend gewesen sein. Trotzdem gab es keinen Grund, die Untersuchung des wichtigsten Lebensmittels zu vernachlässigen. Gerade am Ende des 19. Jahrhunderts wurden angesichts der noch nicht lange zurückliegenden Choleraepidemien immer wieder Untersuchungen an Ort und Stelle vorgenommen. Im Herbst 1899 berichtet ein Mitarbeiter der Behörde: „[...] Bei der Untersuchung der Kornschen Brunnenstube fand sich an der Oberfläche des Wassers die flockenartige Ausscheidung vor, welche schon früher als unschädlich betrachtet worden ist. Aus dem Quellenzuflussrohr in der Südostecke der Brunnenstube ragte etwa 16 cm lang ein weißes, tropfsteinartiges Gebilde in das Wasserbecken hinein [...]“239 Das auf diesen Bericht folgende Gutachten des Chemikers Dr. Samelson brachte Klarheit über die Wassergüte: Die aus dem Zuleitungsrohr hervorgewachsene Absetzung enthielt neben Kalk, Magnesium, Eisen- und Tonerdesalzen auch eine beträchtliche Menge Bleisalz, die als gesundheitsschädlich  eingestuft wurde.240

 

In den folgenden Wochen wurde die Garnisonsverwaltung in die Angelegenheit eingebunden. Am 24. November 1899 folgte zusammen mit dem „Brunnenmacher“ Friedrich Wilhelm Langenbach ein weiterer Ortstermin. Ergebnis: „[...] Das Brunnenwasser ist so klar, sodass durch dasselbe die Fugen der Fliesen erkennbar sind. In das Bassin wird von vier Röhren aus ebenso viel Quellen Wasser zugeleitet. Aus einer dieser Röhren soll tropfsteinartig fester Schlamm herausgeragt haben, welcher bei der Untersuchung [...] sich als bleihaltig erwiesen hätte. Jetzt waren nur noch geringe festsitzende Krusten im Inneren des Rohres bemerkbar. [...]“241

 

Fazit: Die Einschätzung, das Ehrenbreitsteiner Quellwasser sei gesundheitsschädlich, war verfrüht. Das Quellwasser und auch das Wasser des in der Nähe gelegenen Mühlenbaches enthielten keine nennenswerten Mengen an Bleisalzen. Dennoch konnte die Situation in der Brunnenstube nicht mehr hingenommen werden. Und das betraf nicht nur die verkrustete Zuleitung: Die Belüftung dieser Kammer war schlecht. Außerdem bestand bei schweren Regenfällen die Gefahr, dass das Wasser des stark verunreinigten Mühlenbachs in „Korn’s Quellen“ lief.242 Das war auch der Grund, warum die Behörden keine Entwarnung gaben. So heißt es im Bericht des Oberstabsarztes Hünermann: „[...] Es lässt sich nicht übersehen, ob der Bleigehalt des Quellwassers nicht zeitweise so stark wird, dass hierdurch der Genuss des Wassers Gesundheitsstörungen hervorruft. Aber auch hiervon abgesehen, besteht jedenfalls die große Gefahr, dass wie im Jahre 1893/94, als die Kornsquellen in Folge der Verunreinigung der Brunnenstube die Ursache für eine größere Typhusepidemie bei der Militär- und Civilbevölkerung wurden, auch jetzt das Wasser der fiskalischen Leitung durch beigemengte Schmutzstoffe zur Ursache der heftigsten Krankheiten wird. [...]“243

 

Die scheinbar drohenden Gefahren waren der Anlass, im Folgejahr erneut Untersuchungen vorzunehmen. Doch sowohl für die Daubachquellen als auch für die „Korn’s Quelle“ gaben die Behörden Entwarnung. Nennenswerte Ablagerungen wurden nicht mehr gefunden, das Trinkwasser wurde als unbedenklich eingestuft. Gleiches galt für die Brunnenstube Mühlenbach. Allerdings regte man damals an, das Wasser im Mühlgraben durch eine geschlossene Leitung fließen zu lassen, um Verunreinigungen der benachbarten Quellen künftig auszuschließen.244

 

In den Blickpunkt geriet auch der Mühlenbach selbst. Er sollte „abgedichtet“ werden, um die Trinkwasserversorgung nicht zu gefährden. Auch die Brunnenstube, in der sich das Wasser aus den Korn’schen Quellen vereinigte, geriet nun in den Mittelpunkt der Kritik. Sie befand sich nämlich in einem inzwischen dicht bebauten Gebiet im Bereich einer großen Verkehrsstraße (der ehemaligen Bundesstraße 49 und heutigen L 127 in Richtung Niederberg). Außerdem lagen in der unmittelbaren Nachbarschaft zwei Kirchhöfe. Und: Das Quellwasser lief durch Bleiröhren, was alles andere als förderlich für die Gesundheit war. Man entschied sich zunächst dafür, die Korn’schen Quellen von der Trinkwasserversorgung auszuschließen. Besser sah es im Falle der Daubachquellen aus. Hier waren sich alle beteiligten Behörden darüber einig, dass dort in puncto Wasserqualität nichts einzuwenden war, nachdem der „Königliche Garnisonsarzt von Coblenz und Ehrenbreitstein“ chemische und bakteriologische Analysen veranlasst hatte.245

 

Die Behörden entschieden sich letzten Endes dafür, die Korn’schen Quellen am Netz zu lassen, da „[...] inzwischen seitens der Stadt der Mühlbachabfluss auf der ganzen Chausseestrecke von der Bürgermeisterei bis zum Mühlbachthal in einem genügend weiten Cementrohrkanal gefaßt worden [war], so daß Nachtheile durch den Mühlenbach nicht mehr entstehen [konnten]. [...]“246 Schließlich war im Laufe des Jahres 1901 die in der Nähe der Chaussee nach Niederberg befindliche Brunnenstube umfassend saniert worden, sodass vorerst keine Gefahr mehr für die Gesundheit von Bürgern und Soldaten bestand.247 Und endlich war der Mühlteich an der Quellstube vorbeigeführt worden.248

 

Schließlich befasste man sich auch eingehend mit den Daubachquellen. Dort hatte im Sommer 1903 ein Gewitterregen die Quellstube der unteren Daubachquelle so stark mit Niederschlagwasser aus dem höher gelegenen Gelände überflutet, dass das Wasser der fiskalischen Leitung stark getrübt war. Um eine Wiederholung derartiger Vorkommnisse zu verhindern, war der abfallende Rand des Weges an der „Kniebreche“ durch Steinpackungen erhöht und waren das Gewölbe und die Außenwände der Quellstube durch Zementputz abgedichtet worden.249

 

Die Aufgabe der über viele Jahrzehnte genutzten Quelle und der fiskalischen Wasserleitung stand nicht zur Debatte, weil lange nicht zufriedenstellend geklärt war, ob die inzwischen von der Stadt Ehrenbreitstein errichtete und das nach mehreren Verzögerungen am 1. September 1899 in Betrieb genommene kleine Wasserwerk250 überhaupt eine ausreichende Wasserqualität gewährleisten konnte. Grund zum Misstrauen gab es genug. Hatte man doch schon bereits Erfahrungen mit Krankheiten gemacht, die wahrscheinlich auf verunreinigtes Trinkwasser zurückzuführen waren.

 

So erinnerte Pfarrer Johann Jacob Wagner, der sich in zahlreichen gedruckten und ungedruckten Schriften als Ortschronist betätigt hatte, an den „Unterleibstyphus“, der von Juli bis September 1891 in der Stadt wütete. Der Ausbruch dieser gefährlichen Krankheit war damals zum Anlass genommen worden, den Bau einer neuen Pumpstation ins Auge zu fassen. Die schließlich am Ausgang des Teicherts errichtete Anlage war ein Projekt der Gemeinde – das freilich von Anfang an zu klein dimensioniert war. Da man das Uferfiltrat auch an die Nachbargemeinde Pfaffendorf verkaufen wollte, nahm man Ende 1900 eine weitere Motorpumpe in Betrieb. Angenehmer Nebeneffekt: Man hatte jetzt eine Ersatzmaschine für den Fall, dass die erste Pumpe ausfiel.251 Die Aussage des Ortschronisten Johann Jacob Pfarrer Wagners, das Wasser sei direkt dem Rhein entnommen, ist falsch. Nach den schlimmen Erfahrungen der Hamburger Cholera-Epidemien war man im ganzen Reichsgebiet schon längere Zeit zur Grundwassergewinnung übergegangen, wie das Wasserwerk „Oberwerth“ am linken Rheinufer beweist. Und so nennt auch Hermann Salomon 1906 ein Ehrenbreitsteiner Pumpwerk, das Wasser aus einem Grundwasserbrunnen entnahm, der 40 Meter vom Rheinufer entfernt gelegen war.252

 

Die Qualität des gewonnenen Uferfiltrats muss allerdings bedenklich gewesen sein. Johann Jacob Wagner ging richtigerweise davon aus, dass die Ehrenbreitsteiner Typhusepidemie von 1908 in engem Zusammenhang mit dem kommunalen Grundwasserwerk stand, das sehr klein war und – wie es damals noch die Regel war – auch keine Anlagen zur Wasseraufbereitung besaß. In der Zeit von Juni bis September erkrankten 162 Zivilisten und 86 Angehörige des örtlichen Militärs an Typhus. Zehn Zivilisten und fünf Soldaten starben.253 Der erneute Ausbruch der Seuche hatte Konsequenzen: Die Pumpstation im Teichert wurde außer Betrieb gesetzt. Die Stadtväter entschlossen sich, die Pumpstation wieder aufzugeben und sich auf die Suche nach neuen Möglichkeiten zu machen, das Quellwasser in der näheren Umgebung zu nutzen.254

 

Bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges war das Ehrenbreitsteiner Wasserversorgungssystem in drei Zonen aufgeteilt. Die obere Zone wurde aus dem Hochbehälter der Gemeinde Arzheim versorgt. Die mittlere Zone erhielt ihren Zufluss aus der „Riddelsbornquelle“, die einen weiteren, auf dem Asterstein gelegenen Hochbehälter speiste. Die Versorgung der unteren Zone erfolgte über die Daubachsquelle mit dem dazugehörigen Hochbehälter. Untere und mittlere Zone waren miteinander verbunden, sodass bei eintretendem Wassermangel ein gewisser Ausgleich erzielt wurde. Die „Korn’s Quelle“ scheint damals ihre ursprüngliche Bedeutung verloren zu haben – wenn sie überhaupt noch genutzt wurde.255

 

Auch wenn die geschilderte Zoneneinteilung auf den ersten Blick überzeugend wirken mag, hatte Ehrenbreitstein fortwährend unter Wassermangel zu leiden. Immer wieder mussten die Stadt Koblenz und vor allem Arzheim einspringen. Als die Bomben des Krieges auch das Notsystem gefährdeten, waren die Verantwortlichen gezwungen, die Sache völlig neu zu überdenken. Doch mit diesem Problem stand Ehrenbreitstein nicht allein. Die ganzen 1930er-Jahre waren vor allem in den kleinen und ländlichen Gemeinden des Regierungsbezirks Koblenz (heute Region Mittelrhein) von einem regelrechten Wassernotstand betroffen.

 

6. Die Not der 1930er-Jahre

 

Die Recherchen über die Anfänge der zentralen Wasserversorgungen in den ehemals noch selbstständigen Koblenzer Stadtteilen bereite große Schwierigkeiten. Oft fehlen geeignete Unterlagen. Auch die Akten der den kommunalen Verwaltungen übergeordneten Behörden geben in vielen Fällen wenig her. Zwar wurden besonders zu Beginn unseres Jahrhunderts im Regierungsbezirk Koblenz vielerorts Wasserversorgungsanlagen gebaut, doch warteten die meisten Gemeinden nicht bis zur endgültigen Bewilligung staatlicher Unterstützungen. Die Bezirksregierung Koblenz hatte nämlich mit den Herstellern von Gussröhren so große Vergünstigungen ausgehandelt, dass es nicht selten ungünstiger gewesen wäre, Beihilfen aus dem so genannten „Westfonds“ abzuwarten. Dieser Fonds war im Ersten Weltkrieg als wichtigstes Instrument landwirtschaftlicher Hilfe eigentlich für den Zweck geschaffen worden, die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln in der preußischen Rheinprovinz zu stabilisieren.256 Die Übereinkünfte mit dem „Gußröhrensyndicat“ verloren jedoch 1908 ihre Gültigkeit. Die Gemeinden wollten die ihnen verbleibende relativ kurze Frist nutzen, denn sie konnten nie sicher sein, öffentliche Zuschüsse zu erhalten. Ergebnis: Details über die örtlichen Wasserversorgungssysteme enthalten wahrscheinlich nur Privatakten, während Unterlagen der Behörden nur Bezuschussungsangelegenheiten behandelten.257

 

In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts verbesserte sich die Wasserversorgungssituation im Regierungsbezirk Koblenz merklich. Dies galt in besonderem Maße für die Orte links und rechts des Rheins auf der Strecke zwischen Bingerbrück und Koblenz. Auch in den Dörfern wurde das Wasser nicht direkt aus dem Rhein entnommen, sodass Katastrophen wie in Hamburg und Gelsenkirchen ausblieben.258 Dennoch waren die Bedingungen alles andere als ideal. In Gemeinden mit zentraler Wasserversorgung stellte sich schnell heraus, dass die Technik dem ständig steigenden Wasserbedarf entweder nicht gewachsen oder hoffnungslos veraltet war. Diese Einschätzung bestätigt die „Kölnische Zeitung“ im Frühjahr 1930. Darin heißt es: „Trotz des Fortschritts, den die zentrale Wasserversorgung durch so genannte Gruppenwasserwerke auch in den ländlichen Teilen der Rheinprovinz durch die gute Wirkung des Westfonds und die bedeutenden Zuschüsse der Provinzial-Feuerversicherung im Laufe des letzten Jahrhunderts genommen hat, bleibt in Zukunft noch viel zu tun. Von den rund 3,4 Millionen Einwohnern der Provinz, die in den Landstreifen wohnen, sind heute noch 900.000 Einwohner ohne jede zentrale Wasserversorgung. Hinzu kommen noch die Landbewohner, deren Wasserversorgung wegen des unzulänglichen Zustandes der bestehenden Wasserleitungen der Verbesserung bedarf [...] So sind zum Beispiel im Regierungsbezirk Koblenz 131 und im Regierungsbezirk 119 Gemeinden vorhanden, deren Wasserleitung der Erneuerung bedarf. Der Regierungspräsident schätzt die Kosten für die Sanierung solcher Leitungen in seinem Bezirk auf etwa 2,5 Millionen Mark. Aufgrund seines Wunsches, den die Vertreter der Staatsregierung auf der Westfonds-Konferenz am 4. April 1929 äußerten, hat die Provinzialverwaltung eine Zusammenstellung der Wasserleitungspläne gemacht, für die ein fertiger und ausgearbeiteter und von den zuständigen behördlichen Stellen ordnungsgemäß geprüfter Bauplan bereits vorliegt oder bis zum 1. Oktober 1930 vorgelegt werden kann, Es handelt sich um nahezu 400 Pläne mit einer Gesamtbaukostensumme (ohne Hausanschlüsse) von rund 30,5 Millionen Mark. Nach Fertigstellung dieser Pläne würden annähernd 320.000 Einwohner neu versorgt sein. Dann bleibt aber immer noch ein großer Teil der Provinz ohne Wasserversorgung, vor allem die Höhengebiete. Die vollständige Versorgung sämtlicher Landkreise würde sich einschließlich der 30,5 Millionen Mark auf rund 100 Millionen Mark belaufen. [...]“259

 

Die Forderung der Kölnischen Zeitung nach mehr öffentlichen Mitteln war wirkungslos. Es fehlte einfach das Geld. Bereits 1929 hatte der Provinzialausschuss nüchtern festgestellt, dass wegen der enormen finanziellen Schwierigkeiten die Verwirklichung der zentralen Wassersorgung im ländlichen Raum auf wachsende Probleme stößt. Die Mitglieder des Ausschusses waren sich darüber im Klaren, dass die für diesen Zweck im Westfonds vorgesehenen Mittel nicht ausreichten. Weitere staatliche Zuschüsse zu erhalten, war aber angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage der damaligen Zeit nur schwer möglich. Besonders betroffen von den Folgen dieses chronischen Geldmangels waren die „kleinbäuerlichen Notstandsgebiete der Eifel und des Hochwaldes“.260 Diese Einschätzung belegen die zu Beginn des Jahres 1929 für den Regierungsbezirk Koblenz ermittelten Daten. Von den 800.608 Einwohnern des Bezirks konnten 327.000 von einer zentralen Wasserversorgung bestenfalls träumen. Das Fehlen geeigneter Vorrichtungen sollte sich im Sommer 1929 rächen. Quellen und Brunnen trockneten aus, vor allem in den Höhengebieten litten die Menschen unter dem chronischen Wassermangel.261

 

Da wegen der fehlenden Mittel viele Projekte nicht verwirklicht werden konnten oder sich ihre Umsetzung über Jahre hinauszögerte, schien die Einrichtung eines Wasserleitungsfonds sinnvoll.262 Zusätzlich forderte Anfang Februar 1930 das Trierer Regierungspräsidium „[...] daß es den Gemeinden ermöglicht wird, verbilligte und möglichst langfristige Darlehen aufzunehmen. Ohne diese Voraussetzung wird die Finanzierung überhaupt unmöglich. Da die Gemeinden die erforderlichen Kredite bei den in Betracht kommenden Landesbanken und Sparkassen derzeit nicht erhalten und die heute üblichen hohen Zinsen nicht mehr tragen können, so müßte ihnen neben den Zuschüssen die Möglichkeit gegeben werden, die erforderlichen Darlehen zu vier Prozent Zinsen und mit einer Tilgungsfrist von 40 Jahren, die etwa der Lebensdauer einer wirtschaftsmäßig gebauten und unterhaltenden Wasserleitung entspricht, beim Staate, Reich, Provinz, Landesversicherungsanstalt usw. aufnehmen. Dadurch würden sich die erforderlichen Zuschüsse ganz wesentlich herabmindern lassen. [...]“263

 

In einem Brief vom Februar 1930 erläuterte der Koblenzer Regierungspräsident Walter von Sybel die schlechte Situation in den Höhenlagen der Rheinprovinz: „[…] In diesen Höhenlagen gibt es wenig Grundwasser und infolgedessen wenige nachhaltige Brunnen. Deshalb muß das Wasser von einer mehr oder weniger weit entfernten Quelle, meist aus dem Tale herangeholt werden. Im Sommer versagen auch diese Quellen und dann kann es vorkommen, daß ein Bauer weite Wege fahren muß, um die notwendige Wassermenge für seinen Haushalt zu finden. Daß ein rationeller Landwirtschaftsbetrieb unter solchen Umständen nicht möglich ist, leuchtet ein. Diese besonderen geologischen und hydrologischen Verhältnisse in der Rheinprovinz sind der Grund, weshalb gerade von hier aus immer wieder dringend der Bau von Wasserleitungen gefordert wird und hier auch vom Staate, wie von der Provinz Abhilfe erwartet wird [...] In der Wassernot bleibt schließlich dem Bauer nichts anderes übrig, als Wasser aus den offenen Bächen, Teichen oder flachen Brunnen zu entnehmen, die fast immer verseucht sind und sehr oft unmittelbar neben Dungstätten liegen. Als Folge treten dann die so häufigen Typhusfälle ein. [...]“264

 

Regierungspräsident Walter von Sybel füge am 18. Februar hinzu: „[...] Der Regierungsbezirk Koblenz hat mit Ausnahme eines Teiles des Kreises Neuwied nur Höhengebiete. Eifel, Hunsrück und Westerwald sowie der Kreis Wetzlar zeigen überall die gleichen schwierigen Wasserverhältnisse. Auch im Kreise Neuwied ist nur das sogenannte Neuwieder Becken zum Flachland zu rechnen. Hier befinden sich einige Gemeinden, die mit einwandfreien Brunnen versorgt werden. Überall aber, wo in den Höhengebieten Zentralwasserleitungen noch nicht gebaut sind, ist die Wasserversorgung hygienisch nicht so einwandfrei. Die vorhandenen Brunnen sind infolge der langjährigen Durchsetzung des Bodens mit Jauche verseucht und werden für den menschlichen Genuß nur in Anspruch genommen, weil anderes Wasser nicht vorhanden ist. Im Sommer versiegen sie vielfach ganz. [...]“265

 

Noch unter dem Eindruck der Typhusepidemie von 1926, die Hannover besonders schwer getroffen hatte, machte man sich auf die Suche nach neuen Quellen. Da viele dabei nicht gerade mit wissenschaftlichen Methoden vorgingen und Wünschelrutengänger in dieser Zeit auch im Regierungsbezirk Koblenz ihr Unwesen trieben, sah sich der Münchner „Verband zur Klärung der Wünschelrutenfrage“ 1928 genötigt, die Behörden in der Region zu warnen. Dieser Verband stellte fest: „[...] Leider wachsen die Ausgaben, von Rutengängern erwachsen, von Jahr zu Jahr, ohne oft den geringsten Gewinn zu erbringen. Bei den Ausgaben vieler Gemeinden spielen diese spekulativ angelegten Gelder für Bohrungen nach Wasser und Mineralquellen vor allem eine erdrückende Rolle. Es gibt momentan eine Reihe von Beispielen, wo wieder Hunderttausende für solche Zwecke ausgegeben werden. [...]“266

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