Man wird nicht jünger! Das Scheitern meiner geplanten großen Radtour 2018 von Koblenz in Richtung Ostpreußen nach steigungsreichen 475 Kilometern bei Bad Harzburg zwang mich zum Umdenken. Mein mehrfach operiertes rechtes Knie macht die großen Belastungen am Berg offenbar nicht mehr mit. Darüber hinaus hatte ich mir eine Magen-Darm-Inektion eingefangen. Nichts ging mehr.
Die Konsequenz: Es fiel die Entscheidung, ein Pedelec zu kaufen. Eigentlich sollte es erst im Rentenalter so weit sein. Aber lieber so als keine Radtouren mehr! Im Folgenden werde ich deshalb meine Erfahrungen mit Pedelecs zum Besten geben, die ich in den Jahren 2018 bis 2025 gefahren bin. Kleiner Hinweis: Inzwischen bin ich auch mit Fahrrädern ohne Motor wieder gut unterwegs. Was Zweirad-Ideologen nur selten auf dem Schirm hat: Über das E-Bike-Fahren findet man oft zum Purismus motorloser Fahrten zurück. Beide Welten machen einfach Spaß, wenn man sie richtig zu kombinieren weiß.
Doch nun der Reihe nach, im Folgenden setze ich der Einfachheit halber auf eine chronologische Abfolge.
Im Oktober 2018 kaufte ich mir ein Giant Explore E +1 (Modell 2018). Tolles Teil, reduziert bei Fahrrad Franz von 2699 auf 2499 Euro. Dafür gab es einen starken Yamaha-Motor und 20 Gänge (vorne gibt es einen zweiten Zahnkranz). Das ist nicht mit jedem Antrieb möglich. Dazu starke 80 Newtonmeter Drehmoment. Da machte es sogar Spaß, im Winter „Ausritte“ zu übernehmen. Nach 1000 Kilometern Test plante ich schon wieder Größeres. Doch oh Schreck, auf einmal war das Fahrrad weg! Irgendeinem Langfinger hatte das Giant so gut gefallen, dass er sogar aus dem Hausflur heraus gestohlen hatte. Ermittlungen der Polizei blieben erfolglos.
Nun war guter Rat teuer. Die Versicherung (WWK) zahlte zwar innerhalb von fünf Tagen, doch ich fragte mich, ob ich das sehr auffällige Giant noch mal ordern sollte. Das war inzwischen nur noch als Modell 2019 erhältlich und deshalb 300 Euro teurer. Im Vergleich zum Vorgängermodell hat es eine optimierte Elektronik. Ich entschied mich für eine unauffälligere Lösung: Das schlicht gestaltete, rund 500 Euro preiswertere Modell Cube Touring Hybrid 500. Die Einschränkung: Nur noch neun Gänge, dazu ein Bosch Motörchen Aktive Plus mit einem Drehmoment von nur 50 Newtonmetern. Auf den ersten Blick also ein deutlicher Rückschritt. Doch nach weiteren 1000 Kilometern bin ich zu einem erstaunlichen Ergebnis gekommen. Nachstehend ein kleiner Vergleich.
Grundsätzliches
Wer von einem klassischen Tourenrad auf ein Pedelec umsteigt, verändert seine Touren und fährt ab sofort sehr gerne bergauf (was ich als klassischer Flusstal-Reisender früher nach Möglichkeit vermieden habe) – vor allem die Steigungen, bei denen man früher schieben musste. Steigungen waren für mich immer ein notwendiges Übel – jetzt machen sie richtig Spaß (zumindest sehr oft). Wer meint, dass man nichts mehr tun muss, irrt sich gewaltig - inzwischen haben ja sogar medizinische Studien den erstaunlichen Effekt des E-Bike-Fahrens belegt.
Egal, ob schwächerer oder stärkerer Motor: Der einheitlich 250 Watt starke Antrieb ist eine Ergänzung, es ist also kein Problem, nach einer Spritztour einen Muskelkater zu bekommen, vor allem wenn man die Technik dosiert einsetzt.
Gemeinsamkeiten
Egal ob Bosch oder Yamaha: Man muss taktisch und vor allem ökonomisch fahren, wenn man mit Unterstützung möglichst weit kommen möchte. Die schweren Pedelecs ohne Motor zu fahren, kann mitunter sehr anstrengend werden. Beide Modelle, die ich gefahren habe, sind mit starken 500er-Akkus ausgestattet, was theoretisch Reichweiten von rund 150 Kilometern pro Ladung erlaubt. Die Praxistests zeigten jedoch sehr schnell, dass diese Werte illusorisch sind, wobei es mir zumindest mit dem schwächeren Bosch-Motor gelungen ist, mit sparsamen Fahren diesen Wert tatsächlich zu erreichen.
Vorteile Giant/Yamaha
Streng genommen ist das Explore kein klassisches Tourenrad mit Motor. Viele Vorzüge aus der Welt der Moutainbikes sind integriert, was sich optisch schon an den breiten Reifen gut erkennen lässt. Und auch die Hinterrad-Übersetzung ist so wie bei einem Mountainbike ausgelegt. Damit kommt man gut im Gelände voran, auch wenn man auf diesem Terrain keine Erfahrung hat. Der starke Motor gibt tolle Unterstützung bei Steigungen. Es gibt folgende Stufen: Eco, Eco+, Normal sowie zwei Berggänge. Damit schafft man fast alles. Das war zumindest mein Eindruck, nachdem ich in Koblenz und näherer Umgebung so ziemlich alles getestet habe, was steil ist. Doch Kraft hat ihren Preis: Man kann quasi zuschauen, wie die Leistungsanzeige im Display laufend abnimmt. Ich hatte mich allerdings im Vorfeld informiert und wusste, dass bei hügeligen Touren eine Maximalreichweite von 60 bis 70 Kilometern realistisch ist. Und diese Voraussage kann ich nach meinen Praxiserfahrungen auch bestätigen. Aber auch, wenn man nur an den Flussufern fährt, kann von den versprochenen 150 Kilometern nur träumen. 110, maximal 120 Kilometer sind realistisch.
Ein großer Vorteil des Giant gegenüber vielen anderen Pedelec-Modellen ist seine Belastbarkeit. Der Hersteller gibt ein Gesamtgewicht von 156 Kilogramm für Fahrer, Fahrrad und Gepäck an (was da andere Hersteller bieten, ist sehr oft schlicht und ergreifend eine Unverschämtheit). Standard sind immer noch 130 Kilo. Und wirklich: Das Giant ist stabil und empfehlenswert. Es hat dennoch kleinere Nachteile, die sich allerdings nur bei mehrtägigen Touren auswirken.
Cube/Bosch
Trotz der kleinen Kritikpunkte dürfte das Cube mit Bosch-Antrieb auf dem ersten Blick einem ernsthaften Vergleich mit dem Giant gar nicht standhalten. Doch der Praxistest zeigte, dass die Entwickler ganze Arbeit geleistet haben – auch deshalb, weil das Cube mit seinen 23,8 Kilogramm etwa 2 Kilo leichter ist als das Giant. Das macht dieses Pedelec etwas wendiger als das von Giant. Es unterscheidet sich, anders als das Giant, optisch nur sehr wenig von einem klassischen Reiserad. Das liegt daran, dass Bosch den Akku „geschrumpft“ hat, der problemlos im Rahmen versteckt werden kann und zusätzlich durch einen Kunststoffdeckel geschützt wird. Und auch der Motor ist deutlich leichter und kleiner als der von Yamaha. Zudem hat auch die Elektronik ihre Vorzüge. Die Reichweiten werden ständig neu berechnet, was dem Fahrer vor unangenehmen Überraschungen bewahrt. Ich wollte es genau wissen und fuhr den Akku so leer, dass nur noch 0 Kilometer Reichweite angezeigt wurden. Und trotzdem gingen Licht und Motor noch. Eine kleine Reserve wurde also einkalkuliert.
Der Hauptvorteil des kleineren Motors ist jedoch seine Reichweite: Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass Bosch im Vergleich mit Yamaha im Durchschnitt mindestens 20 Kilometer weiterkommt. Am Flussufer heißt das: Von Koblenz nach Rüdesheim und zurück mit einer Ladung sind locker drin, zumal man das Fahrrad problemlos ohne Motorunterstützung fahren kann. Auf gerader Strecke fährt sich das Cube wie ein normales Tourenrad. Dazu kommt, dass man die Motorenunterstützung kaum wahrnimmt. Der schwache Motor ist also deutlich leiser als der starke.
Bleibt die Frage, wie sich der schwächere Motor am Berg verhält. Und das war die Überraschung. Ich bin alle Steigungen, die ich mit dem Giant gefahren bin, auch mit dem Cube problemlos hochgekommen.
Am langen Osterwochenende 2019 wurde ich dann wagemutig und habe 400 Kilometer abgespult. Nicht nur an Rhein und Mosel, sondern auch im Mittelgebirge. Von Koblenz über Ochtendung nach Polch, dann weiter nach Mayen, von dort nach Monreal und dann über Kaisersesch nach Cochem. Die „Bergtour“ war 89 Kilometer lang, die Akkuladung reichte. Allerdings muss man auch sagen, dass es lange Abfahrten gab, umgekehrt aber auch anspruchsvolle Steigungen, bei denen ich trotz Motor ins Schnaufen gekommen bin. Hier hätte der Yamaha-Motor mit Sicherheit stellenweise eine bessere Unterstützung gegeben, wobei das Risiko bestand, ständig "ohne Saft" dazustehen.
Fazit 2018/2019
Welches Fahrrad ist besser? Das hängt vom Fahrertyp und seinem individuellen Bedürfnissen ab. Für diejenigen, die es regelmäßig in bergigere Regionen zieht, ist das Giant Explore mit Sicherheit eine gute Wahl. Die hohe Belastbarkeit des Materials und der starke Yamaha-Motor haben ihre Vorzüge.
Für klassische Radreisende, die sich an Flussläufen orientieren, gerne einmal ohne Motor fahren und eine unspektakuläre Unterstützung am Berg schätzen, ist das Cube nicht nur eine gute Alternative, sondern es ist vor allem wegen seiner Reichweite auf diesem Terrain der Testsieger.
Natürlich bietet Cube ähnliche Tourenräder mit der stärkeren Bosch-Performance-Line an, doch dann liegen die durchschnittlichen Reichweiten im Bereich der Yamaha-Motoren. Die einfache Formel: Je mehr Unterstützung, desto höher ist der Verbrauch.
Man muss also wissen, was man will. Für mich war das Cube mehr als ein Ersatz.
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Update 2020
Ich bin mit dem Cube-Elektrorad zwischen dem 7. März 2019 und dem 15.April 2020 genau 7065 Kilometer gefahren. Die gute Bewertung für das Produkt bleibt. Dennoch ein Hinweis: Wer sich auf ein Elektrorad einlässt, sollte wissen, dass die Unterhaltungskosten deutlich höher sind als bei konventionellen Rädern. Das liegt im Mehrgewicht und der grundsätzlichen Mehrbelastung der Komponenten begründet. Schon der Basispreis einer Inspektion liegt bei rund 100 Euro, dazu kommt das Material. Die Inspektionen (im 1000-Kilometer-Rhytmus) sind notwendig, um den Garantieanspruch zu erhalten. Fast immer müssen dabei die Bremsbeläge der Scheibenbremsen gewechselt werden. Nach den mehr als 7000 Kilometern musste dann richtig gearbeitet werden: Zahnräder und Kette mussten zusätzlich erneuert werden - und auch der Mantel des Hinterrades war fällig. Aber nach dieser Dauerbelastung fährt sich auch ein Schwalbe Marathon Tour ab.
Meine Empfehlung: Wer im Rahmen einer Festanstellung arbeitet, sollte unbedingt das Modell des Jobrads anstatt eines Kaufs wählen. Außerdem kann man die Raten so wählen, dass die Inspektionen ebenso enthalten sind wie eine vernünftige Versicherung. Wer selbstständig ist, sollte mit dem Steuerberater sprechen. Auch wenn ich das Cube überwiegend beruflich genutzt habe ,war es aus meiner Sicht müßig, ein Fahrtenbuch zu führen (da schreibt man mehr als man fährt), zumal die Inspektionen im Falle einer Selbstständigkeit voll abgesetzt werden können. Fazit: So oder so, ein Elektrorad ist keine billige Sache. Es schadet nichts, wenn man die Standardfahrten mit dem guten alten Drahtesel macht. Das schont den Geldbeutel.
Das Cube Touring Hybrid 500 ist übrigens in der 2020er-Version noch interessanter geworden. Inzwischen hat man auf den Active-Line-Motor verzichtet und stattdessen den Performance-Motor der neuen Generation eingebaut. Den gibt es in mehreren Stärkestufen, im Touring Hybrid wurde der "schwächste" Motor dieser Reihe eingebaut. Dadurch steigt die Leistung von bisher 50 auf 70 Newtonmeter (eine Kollegin fährt nach meiner Empfehlung genau dieses Rad und ist sehr zufrieden). Das ist vor allem am Berg ein großer Vorteil. Wie sich das auf die Gesamtreichweite auswirkt, muss jeder selbst rausfinden, das ist ja auch eine Frage des Eigengewichts. Der 500er-Akku des Vorgängermodells wurde nicht verändert. Inzwischen wurde das Cube Touring Hybrid mehrmals überarbeitet. Auch wenn ich die Nachfolgemodelle nicht gefahren bin, rate ich, sich diese Modelle genau anzuschauen. Die schweren "Panzer" der teureren Reihen sind keine wirkliche Option - vor allem für diejenigen, die zwischen Bahn und Radweg wechseln.
Übrigens: Mein Fahrverhalten hat sich seot 2020 leicht verändert, ich fahre auf Kurz- und Mittelstrecken bis 70 Kilometer jetzt wieder öfter motorlos. Meine Radreisen 2024 und 2025 habe ich wieder komplett mit einem motorlosen Reiserad gemeistert (Giant Toughroad). Doch der Übergang "zurück zu den Wurzeln" war gar nicht so leicht. Um mich für die "Rolle rückwärts" zu motivieren, habe ich mir im April 2020 ein ATB, also ein Mountainbike mit Straßenausstattung gekauft. Meine Wahl fiel wieder auf die Firma Cube, auch weil ich nicht übermäßig viel Geld ausgeben wollte.
Meine Wahl fiel auf das Modell Aim mit Hydraulik-Scheibenbremsen und 28-Gang-Deore-Schaltung. Listenpreis 699 Euro (ohne Straßenausstattung und Gepäckträger deutlich preiswerter). Für diese Preisklasse sind Fahrverhalten und Ausstattung ausgezeichnet. Mit zwei Ausnahmen: Griffe und Pedale sollte man am besten sofort ersetzen. Letztere fangen bereits nach 250 Kilometer an zu "bröseln", und die Griffe "perforieren" die Hand mehr als sie helfen. Ansonsten: Ein robustes Rad mit ausgezeichnetem Fahrverhalten - es ist überraschend leichtgängig. Wer ein alltagstaugliches Rad sucht, das auch bei Touren am Wochenende Spaß macht, braucht nicht mehr Geld auszugeben. Im November 2022 habe ich noch ein weiteres Tourenrad aus dem Hause Cube gekauft. Mit Ergänzungen habe ich rund 800 Euro ausgegeben. Es war das Cube Touring Pro - ein stabiles, pflegeleichtes Rad, das noch nicht einmal eine Inspektion brauchte. Es gab nur einen Platten. Zur Vorsicht tauschte ich nicht nur den Schlauch, sondern auch den Mantel. Ansonsten prima!
Update 2023
Alles ist endlich, auch das Leben eines Pedelecs. Stand 1. März 2023 hatte ich mit meinem Cube Touring Hybrid genau 19.400 Kilometer erreicht. Bis zu diesem Zeitpunkt lagen zahlreiche Reparaturen hinter mir, wobei sich das Hinterrad als Schwachpunkt erwies. Es musste mehrfach ausgetauscht werden, auch deshalb, weil es wegen der Lieferengpässe der Jahre 2021 und 2022 nichts gab, was meinem Gewicht standhielt. Fahrrad Franz war jedoch sehr kulant und baute mir am Ende sogar gratis ein Rad ein, das hielt.
Dennoch kam ein neues Problem: Der Akku schwächelte mehr und mehr, sodass ich Anfang 2023 mit einer Ladung nur noch rund 45 Kilometer weit kam. Auch wenn es normal ist, dass saisonbedingt bei Akkus die Reichweiten vorübergehend nachlassen, war dieser Leistungsabfall eben nicht so, wie es eigentlich zu erwarten war. Der Lebenszyklus des Akkus war abgeschlossen, die von Optimisten in Aussicht gestellten 25.000 Kilometer waren bei weitem nicht erreicht worden (allerdings wird die durchschnittliche Lebenszeit oft mit vier Jahren angegeben, was wiederum passte). Dazu muss man aber auch sagen, dass ich dem Fahrrad einiges abverlangt hatte, es war selten bei den Standardtouren geblieben (siehe meine Reiseberichte).
Was also tun? Der Bosch Powerpack 500 ist richtig teuer, die Preise liegen im Internet in der Regel bei 569 bis 589 Euro. Eine Alternative ist der Zelltausch, wobei Platinen und Gehäuse vom bisherigen Akku weiter genutzt werden. In der Werkstatt riet man mir von dieser Alternative, die um die 399 Euro kostet, ab. Begründung: Dieses Verfahren sei sehr störungsanfällig, man empfahl mir also einen Neukauf. Angesichts des dramatischen Wertverfalls eines E-Bikes lohnte sich das nicht so richtig. Andererseits kann man ein Pedelec mit einem "ausgelutschten" Akku auch nicht mehr verkaufen. Und: In Zahlung genommen wird das Rad nur bei einem Bar-Neukauf, der Händler bot mir 175 Euro, die bei einem Neukauf verrechnet würden.
Eine Alternative wäre gewesen, noch mal in das Touring Hybrid zu investieren, zumal das Rad nach gründlicher Reinigung noch ordentlich aussah. Neuwertige Griffe, Pedale und einen Sattel hatte ich noch im Fundus, sodass es ans große Aufhübschen gehen konnte. Am Elektromotor selbst war nichts dran. Beim Blick auf das Modell, das ich danach erworben habe, hätte ich besser die etwa 1000 Euo für eine Runderneuerung in Kauf genommen.
Ich entschied mich aber, das Touring Hybrid zu verkaufen. Ich wollte via Jobrad ein neues E-Bike mit größerer Reichweite erwerben, um 2023/24 eine anspruchsvolle Tour in Österreich, Schweiz und Kroatien zu fahren. Jobrad deshalb, weil ich inzwischen meinen kleinen Betrieb geschlossen und ins Angestelltendasein zurückgekehrt war. So viel zur Theorie. In der Praxis habe ich dann die große Radreise aus guten Gründen mit dem konventionellen Giant-Reiserad gemacht.
Dass Cube Touring Hybrid 500 habe ich schließlich für 200 Euro verkauft. Mehr ging nicht, weil auch auch noch Zahnkränze und weitere Kleinteile ersetzt werden mussten. Natürlich war auch noch eine Inspektion fällig. Mein Fazit nach 50 Monaten und fast 20.000 Kilometern mit dem selben Rad: E-Bike-Fahren bedeutet auch Kapitalvernichtung. Ein Wertverlust von 2200 Euro in dieser überschaubaren Zeit ist schon stramm.
Ich schaffte nun ein das Cube Kathmandu Hybrid One 750 mit Bosch-Motor an.
Cube Kathmandu Hybrid one 750
Rückblickend auf mein Pedelec-Premierenjahr 2018 (Herbst) muss man schon sagen, dass die Preise sogar bei Einsteigermodellen inzwischen recht hoch sind (nach dem Rekord-Absatz der Hersteller in den Corona-Jahren haben selbige richtig hingelangt).
In meinem Falle sollte es, wie bereits erwähnt, nun ein Modell mit stärkerem Motor und einem Akku mit mehr Reichweite und trotzdem mit einem guten Preis-Leistungsverhältnis sein. Ich entschied mich für das Cube Kathmandu Hybrid one 750 zum Preis von 3349 Euro. Im April 2023 habe ich das Rad bei Fahrrad Franz in Koblenz gekauft.
Es gibt noch weitere Varianten, das nächstteure Modell "pro" ist für etwa 3690 Euro zu haben. Das hat dann statt einer Zehn- eine Elfgang-Schaltung und das farbige Kiox-Display mit vielen nützlichen und überflüssigen Features. Dazu gibt es eine bessere luftgefederte Gabel. Was beide Varianten gemeinsam haben: Sie sind scheinbar sehr stabil gebaut und haben deutlich breitere Reifen.
Für beide Varianten gibt es Apps fürs Mobiltelefon, sodass die Displays fast entfallen können. Ich entschied mich letztendlich für das preiswertere Modell mit der neuen Anzeige Intuvia 100. Die App bietet nicht nur Aufzeichnungs- und Navigationsfunktionen, die sich mit Komoot synchronisieren lassen, sondern auch die Möglichkeit, den Motor auf invididuelle Bedürfnisse abzustimmen. Sogar eine elektronische Diebstahlsicherung ist dabei.
Um es vorwegzusagen: Versucht man, die App zusätzlich auf einem Ersatz-Mobiltelefon zu installieren, fängt der Zirkus richtig an. Die App funktioniert nicht mehr, Kontakte mit Bosch sind nur per elektronischer Nachricht möglich. Das strapaziert richtig die Nerven. Deswegen habe ich inzwischen auch ein gespaltenes Verhältnis zu Produkten von Bosch. Man kann Dinge auch übertechnisieren. Meine Meinung: Wer im Vergleich zur chinesischen Konkurrenz satte Aufschläge nimmt, sollte persönlichen Service bieten.
Weil ich den Arbeitgeber wechseln wollte, entschloss ich mich, meinen Neukauf über Jobrad für Selbstständige zu leasen, weil ich mein altes Kerngeschäft (Landeskundliche Forschung) nebenberuflich weiterführen konnte. Gegenüber der Neuanschaffung ist das - auf drei Jahre gerechnet - ein teurer Spaß, den ich nicht mehr wiederholen würde. Der steuerliche Effekt ist minimal, dazu kommt, dass das Rad unter dem Strich nach drei Jahren im Vergleich zum Kauf rund 1000 Euro teurer ist. Aber die Aussicht auf einen 85-NM-Motor und einen 750er Akku war mir das Wagnis wert (wer hat schon 3300 Euro einfach so rumliegen?). Hoffte ich doch auf eine deutliche Reichweitenerhöhung. Außerdem schien dieses Rad deutlich stabiler zu sein, hatte stärkere Felgen und eine breitere Bereifung.
Da ich inzwischen mehrmals wöchentlich nach Mainz pendeln musste, war klar, dass ich 2023 nicht mehr die Kilometerleistungen der Vorjahre erreichen würde. Daraus ergab sich der Vorteil, dass ich nicht mehr so oft zu den teuren Inspektionen muss. Außerdem ließen bei dem Cube Kathmandu One 750 die Inspektionsintervalle weiter auseinander. Mein Fazit nach den ersten 1600 Kilometern: Das neue E-Bike ist eine Riesenenttäuschung. Es fährt sich zwar bequem und sicher, doch ist schon allein die Reichweite frustrierend. Nach 100 Kilometern (bei Bergetappen 60 bis 70 Kilometer) ist eine Tour in der Regel zu Ende, wenn man auf flacher Strecke am Rhein entlangfährt, nach maximal 120 Kilometern. Doch da braucht man eigentlich kein E-Bike. Der stärkere Motor "frisst" also so viel Strom, dass die Reichweite meines alten Touring Hybrid bestenfalls ansatzweise erreicht wurde.
Das Schlimmste ist jedoch, dass Cube zunehmend auf Billig-Komponenten setzt. Das fängt schon bei der Bereifung an. Die Schwalbe Big Ben taugten nichts, nach 900 Kilometer habe ich sie durch Schwalbe Marathon E-Plus ersetzen müssen. Denn nach einer kleinen Tour am Rhein war der Hinterradmantel sofort und total kaputt - und das nur wegen eines kleinens Glassplitters. Das nächste war das Abfallen einer Tretkurbel, zuvor ein Riss der Kette, wohl gemerkt ebenfalls bei einer Fahrt auf flacher Strecke. Das ist mir in meiner 50-jährigen "Fahrradfahrerkarriere" bis dahin noch nie passiert.
Als Journalist habe ich in der Sache die Pressestelle von Cube per E-Mail angeschrieben. Ich wollte wissen, worauf die Qualitätsmängel bei Cube zurückzuführen sind. Was ich erhielt? Auf jeden Fall kein Bedauern. Stattdessen eine automatische E-Mail, in der auf die Zuständigkeit des Händlers verwiesen wurde. Was kann denn der Händler dafür, wenn der Hersteller Mist baut? Diese Frage wird wohl nie beantwortet werden. Offenbar sitzen in den Pressestellen Leute, denen es vor allem um ihre Work-Live-Balance geht und weniger um das Wohl des Unternehmens, das ihre Gehälter bezahlt - mit dem Geld der Kunden.
Ich war richtig sauer! Inzwischen habe ich meinen "Cube-Fuhrpark" von zeitweise vier Modellen auf null reduziert - und habe mich entschlossen, diesen Hersteller nicht mehr zu beehren. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass Cube grundsätzlich gern bei Sattel, Griffen und Pedalen spart - das kannte ich ja schon von den anderen Modellen. Diese Komponenten auszutauschen, war für mich bislang nie ein großes Ding gewesen: Das Preis-Leistungsverhältnis stimmte - oberflächlich betrachtet - ja immer noch. Doch dieses Mal ging es um Pannen, die mich auf eine Radreise leicht in Schwierigkeiten hätten bringen können.
Qualität runter, Preise hoch: Dieses Vorgehen beobachtet man übrigens nicht nur bei Fahrradherstellern, sondern in allen Bereichen, vor allem in der Gastronomie. Angesichts der Tatsache, dass überall über den Niedergang des Wirtschaftsstandorts Deutschland gejammert wird, wäre die einfachste Sanierungsmaßnahme, wieder verstärkt an der Qualität zu arbeiten - und sich damit mehr in den Dienst der Kunden zu stellen. Mit Mehrkosten kann man sich ja leicht abfinden, wenn die Leistung stimmt. Aber die stimmt eben nicht mehr. Es reicht eben nicht, nur über die Politik zu lamentieren. Ich meine, die deutschen Fahrradhersteller machen es sich zu einfach. Komponenten aus Asien bestellen, hier zusammenzubauen und mit Mängeln teuer zu verkaufen reicht eben nicht mehr. Mir tun mir die Händler leid, die diesen bedenklichen Kurs gegenüber ihren Kunden vertreten müssen - und nicht selten aus eigener Tasche drauflegen, weil sie Käufer nicht final verprellen wollen.
In einem zarten Alter von fast 62 Jahren musste ich mich nun doch entscheiden, wie ich in den kommenden Jahren unterwegs sein wollte. Nach einer erfolgreichen Tour durch sechs Länder (2024) folgte eine weniger erfolgreiche Tour durch Bayern und Tschechien (2025). Ich musste mir eingestehen, dass ich künftig wohl nicht mehr lange Touren ohne Motorunterstützung fahren kann. Auf der anderen Seite empfinde ich die E-Bikes deutscher Hersteller der neuen Generation als überteuerte, schwerfällige Panzer. Wie schwerfällig diese Räder sind, erlebt man immer wieder, wenn man mit dem Zug unterwegs sind und Radler mit ihren schwerfälligen Geräten zusteigen. Und sehr oft haben diese Radler ihre schweren Räder nicht im Griff, sodass man helfend eingreifen muss. Für mich hieß das: Ein deutlich leichterer Kompromiss musste her, zumal ich seit Abschaffung meines Autos sehr viel mit dem Zug unterwegs bin. Wenn der Aufzug zum Bahnsteig kaputt ist oder einfach nicht vorhanden ist, werden Pedelecs, die sehr oft rund 29 Kilogramm wiegen, zu unhandlichen Begleitern.
Leicht E-Bikes gehören übrigens zu den neuen Trends, zumal es Herstellern gelungen ist, Akkus und Motoren zu "schrumpfen". Produzenten wie ZF haben sogar neu Motoren mit der Größe einer Coladose entwickelt. Doch beim Blick auf die Preise kann einem anders werden. Lichtblick ist ein Leicht-Pedelec aus dem Hause Bergamont mit fest verbautem Akku (auch das ist ein neuer, nicht unbedingt sinnvoller Trend). Kosten: Rund 3000 Euro, und ich hätte es sofort gekauft, wenn der Händler meines Vertrauens nicht auf ein zulässiges Gesamtgewicht von 130 Kilogramm hingewiesen hätte.
Was neu war: Garantieeinschränkungen selbst bei einer leichten Überschreitung des Gesamtgewichts werden schriftlich auf der Rechnung fixiert. Wer solche Räder kauft, darf maximal 90 Kilogramm wiegen, zumal ein "Puffer" empfehlenswert ist. Da ich jenseits der 100 Kilogramm wiege, schied das schöne Leicht-Rad von Bergamont aus. Echte halbwegs erschwingliche Alternativen von deutschen Herstellern gab es für mich nicht - auch nicht bei Canyon (das Fahrrad, das für mich infrage kam, wäre deutlich teurer gewesen). Dort hat man ja überwiegend eine sportivere Zielgruppe im Blick.
Warum schaffen es deutsche und österreichische Hersteller eigentlich nicht, die Gesamtbelastung auf rund 160 Kilogramm auszulegen? Giant aus Taiwan (inzwischen gibt es auch Werke in Ungarn und in den Niederlanden) bekommt das problemlos hin. Andere sind dagegen richtig dreist: Als ich mein Cube Kathmandu erworben habe, wurden 150 Kilogramm als Gesamtgewicht genannt. Auf einmal hieß es 135+15 Kilogramm und dann nur noch 135 Kilogramm. Ich meine: Eine solche Salamitaktik taugt wenig zur Kundenbindung. Die Konsequenz: Ich schaute zum ersten Mal ernsthaft im Internet, was die Konkurrenz zu bieten hat. Mein erster Eindruck: Wenn die Chinesen so weitermachen, werden sie die deutsche Fahrradindustrie perspektivisch zerstören. Die Ursache hierfür ist eben nicht die Politik. Es ist allerhöchste Zeit, dass die deutschen Hersteller endlich von ihrem hohen Ross herunterkommen!
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es im Netz viel Wildwuchs gibt! Die Preise sind interessant, in Teilen sogar verführerisch. Doch es bleibt neben Qualitäts- und Sicherheitsaspekten die Frage, welcher Hersteller sich tatsächlich auf Dauer auf dem europäischen Markt etablieren will. Und dazu gehört offenbar der Hersteller von Pedelecs der Marke Deruiz.
Eine komplette Übersicht und Beschreibung der Modelle gibt es hier: Deruiz E-bike Store: This time, beyond
Das chinesische Unternehmen arbeitet ganz ähnlich wie Canyon, allerdings ohne Fertigung in Deutschland. Die Räder kommen direkt aus Asien, können aber in der Zentrale in Mönchengladbach allesamt getestet und natürlich auch gekauft werden. Werkstatt ist am Ort, wer in der Zentrale kauft, bekommt also ein komplett endmontiertes Rad. Dazu kommt, dass Deruiz gerade sein bundesweites Vertriebspartner- und Servicenetz ausbaut. Für den Raum Koblenz-Neuwied ist das der Handwerksbetrieb Kfz-Instandsetzung Brüning im Neuwieder Stadtteil Irlich (ein seriöser Fachbetrieb mit sehr freundlichem Chef, der auch mal gern Fahrrad fährt und die Deruiz-Räder auch beschaffen kann). Perspektivisch dürften weitere dazukommen.
Ich entschied mich also, von meiner bisherigen Praxis abzuweichen und an einem freien Tag (31. Juli 2025) nach Mönchengladbach zu fahren. Im "Showroom" in einem Gewerbegebiet am Rande der Innenstadt mit angeschlossener Werkstatt war es zwar nicht schick wie bei Canyon in Koblenz, doch wurde ich freundlich empfangen, sogar alkoholfreie Getränke wurden gratis angeboten - das kannte ich bislang nur aus Autohäusern. Das kleine Team war international und quirlig, wobei in der Werkstatt Asiaten den Ton angaben.
Weil ich "von Haus aus" Touren- und Reiseradfahrer bin, hatte ich mich bei meinen Vorrecherchen vor allem auf das eben nicht martialisch wirkende Modell Turmali konzentriert. Der Name leitet sich vom Col Du Tourmalet ab - der höchsten Passstraße bei der Tour de France. Das passt zur Strategie des Herstellers. Das Produkt soll europäisch wirken, aber keine Kopie sein. Und das ist es auch nicht, wenngleich der italienische Hersteller Nokobike eine ganz ähnliches Pedelec anbietet.
Beim Turmali handelt es sich um eine Mischung aus Touren- und Gravelbike mit voller Straßenausstattung. Beworben wird es bescheiden als Cityrad, das auch mal eine Tour ins Grüne aushält. Das entspricht aber nicht der Wirklichkeit. Das Turmali macht sich in jedem Terrain gut, also auch auf holprigen Feldwegen, und ist schon allein wegen seiner guten Reichweite und stabilen Bauweise samt Alu-Schutzblechen auch für mehrtägige Touren geeignet. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass diejenigen, die gern in bergiger Umgebung und querfeldein unterwegs sind, besser auf SUV-E-Bikes ausweichen sollten.
Die technischen Daten zum Turmali Premium gibt es hier: Turmali-Premium M/L 2025 - Deruiz ebike
Angeboten wird das Fahrrad in zwei Varianten: Die preiswertere mit Riemenantrieb, aber ohne mechanische Gangschaltung, die rund 200 Eure teurere mit einer klassischen Kettenschaltung. Beide Varianten haben eines gemeinsam: einen Antrieb mit Heckmotor mit 35 beziehungsweise 40 Newtonmeter. Der herausnehmbare Akku erscheint mit 305 Wattstunden sehr schwach, macht aber erst den optischen Eindruck eines Tourenrads möglich (später sollte sich herausstellen, dass die Reichweite erstaunlich ist).
Es kommt nicht von ungefähr, dass im Internet bereits von "Stealth E-Bikes" die Rede ist. Der Hauptvorteil: Das Turmali wiegt nur 18,5 Kilogramm und lässt sich damit ohne Motor fahren wie ein ganz normales Tourenrad in der Liga des Cube-Touring. Genau das wollte ich haben, weil ich vom Haupttrend der vergangenen Jahre, die Pedelecs immer teurer, stärker und schwerer zu machen, wenig halte - schon allein deshalb, weil man heute sehr schnell in der Liga jenseits der 3500 Euro landet. Auch 4000 bis 5000 Euro sind heute kein Problem mehr. Die Frage, ob man sich da nicht lieber einen Gebrauchtwagen anschaffen sollte, erscheint angesichts dieser preislichen Dimensionen mehr als berechtigt.
Und das elegant gestaltete Turmali? Das schlägt mit 1799 beziehungsweise 1999 Euro zu Buche, ist also rund 1000 Euro preiswerter als das Vergleichsmodell von Bergamont, das allerdings einen kleinen Mittelmotor hat. Und: Als zulässiges Gesamtgewicht werden 140 bzw. 160 Kilogramm angegeben. Wie machen die das nur? Auch das ist eine berechtigte Frage, zumal das Turmali eben kein Billig-Rad ist. Verbaut wurden hochwertige Komponenten, wobei die Shimano Deore-Schaltung und hochwertige Brooks-Ledersattel hervorzuheben sind. Sogar an der Bereifung wurde nicht gespart. Deruiz hat seinem Turmali die Gravel-Reifen G-One RS Pro von Schwalbe verpasst. Der gehört zu den teuersten Reifen, die das deutsche Unternehmen mit Hauptfertigung in Indonesien im Programm hat. Schon beim Probefahren merkte ich, was ein geringer Rollwiderstand bedeutet - ich hatte früher nie auf diesen Punkt geachtet.
Kurzum: Schon beim ersten Test in Mönchengladbach brachte das wenige Turmali den Spaß am Radfahren zurück (meine Motivation war im laufenden Jahr noch nicht so doll gewesen). Ich hatte das Gefühl, auf einem hochwertigen normalen Fahrrad zu sitzen, zumal der Heckmotor in den ersten drei (von insgesamt fünf) Unterstützungsstufen kaum zu hören ist.
Die Konsequenz: Ich kehrte mit einem Turmali nach Koblenz zurück. Dabei hatte ich noch gar nicht vor zu kaufen. Jener 31. Juli 2025 wurde für mich noch aus einem anderen Grund historisch. Die Rückfahrt samt Fahrrad im Zug wurde infolge eines Sabotage-Aktes zu einem echten Abenteuer. In Remagen war dann endgültig alles so überfüllt, dass ich mich entschloss, mit dem neuen Rad direkt nach Koblenz zu fahren - das letzte Stück bei strömenden Regen. Das Turmali konnte also sofort zeigen, was es kann. Obwohl der Akku nur halb geladen war, schaffte ich die 50 Kilometer problemlos.
Einen Haken gab es aber: Und das waren die Griffe. Das sind zwar serienmäßig die teuren, schicken Griffe von Brooks mit Lederwicklung (69 Euro), doch stellte sich heraus, dass dieses Produkt nicht tourentauglich ist. Das Leder wird bei Feuchtigkeit glitschig, außerdem gibt es keine Auflage, sodass die Handgelenke nach einer längeren Tour nicht nur mir schmerzen dürften. Ich tauschte die Griffe direkt am folgenden Tag gegen Ersatz aus dem Hause Ergon. Die "Hörner" dieser Griffe ermöglichen Entlastung durch Umgreifen und sind zudem gedämpft, so dass eine Federgabel (die das Turmali ohnehin nicht hat) eigentlich nicht nötig ist.
Sensationell ist dagegen der Sattel von Brooks, der sich für mich auch ohne Einfahren perfekt anfühlte. Allerdings sei angemerkt, dass Ledersättel Pflege brauchen, es war also angebracht, sich ein Original-Pflegeset zu bestellen.
Ein weiterer Test zeigt, dass man mit durchgängiger Motorunterstützung locker von Mainz bis Koblenz kommt. Insgesamt liegt die Reichweite in einem Flusstal bei rund 105 Kilometern (auch bei Fahrern jenseits der 100 Kilogramm), vorausgesetzt, man fährt im Eco-Modus, der allerdings bereits eine angenehme Unterstützung bietet. Auf solchen Strecken offenbart sich der Hauptvorteil eines Heckantriebs, der deutlich sparsamer zu sein scheint als ein vergleichbarer Mittelmotor mit 60 bis 70 Newtonmeter. Entsprechend klein und leicht kann der Akku gehalten werden. Auch bei starken und stärkeren Anstiegen ist die Unterstützung sehr gut, wobei sich die Gesamtreichweite dann deutlich verringert. Aber das kennt man ja von den vermeintlich moderneren Mittelmotoren auch.
Die Vorschusslorbeeren, die verschiedene Youtube-Tester dem Turmali bereits verliehen haben, sind also berechtigt. Die präsentierten Filmchen geben in der Regel allerdings nur einen Überblick über die ersten 500 Kilometern. Ich hatte dagegen zwischen dem 31. Juli und 15. Oktober bereits rund 1700 Kilometer zurückgelegt - obwohl ich im gleichen Zeitraum auch mit meinen beiden verbliebenen anderen Fahrräder gefahren bin.
Ergebnis: Ich bin immer noch sehr zufrieden, allerdings gibt es auch Kritik. So waren die Speichen am Hinterrad doch etwas zu leicht gespannt, sodass eine Nachjustierung erforderlich wurde. Das passiert aber bei anderen Fahrrädern auch, nicht umsonst raten Händler zu einer Erstinspektion nach 500 Kilometer, die zwar stark rabattiert, aber in der Regel eben nicht kostenlos ist. Ich war gespannt, wie sich Deruiz verhalten würde. Also hin zur Firma Brüning nach Irlich. Nach drei Tagen (nicht wie sonst nach einer bis zwei Wochen) hatte ich das Fahrrad wieder. Auf meine Frage "Was bin ich Ihnen schuldig?" erhielt ich die Antwort: "Das rechne ich direkt mit denen ab". Die Erstinspektion war also gratis.
Einen ersten wirklichen Dämpfer gab es dann nach rund 1300 Kilometern. Auf dem Fahrradweg von Mainz nach Bingen hatte ich kurz vor Gaulsheim einen ersten Platten - und wie immer natürlich im Hinterrad. Glück im Unglück: Zum Bahnhof brauchte ich schiebend nur noch zehn Minuten. Der Blick auf den Hinterreifen zeigte jedoch, dass das Profil der teuren G-One RS Pro (nach Liste jenseits der 55 Euro pro Reifen) von Schwalbe bereits die Hälfte abgefahren war.
Aus meiner Sicht ist es unter dem Strich wenig sinnvoll, Reifen, die sich im Leistungssport bewährt haben, aber nicht unbedingt für den "normalen" Allroundbetrieb zu empfehlen sind, zu verbauen. Das ich mit dieser Einschätzung nicht allein bin, zeigen Kommentare im Internet, die dem G-One RS Pro eine maximale Lebensdauer von 2500 bis 3000 Kilometer geben. Ein weiterer Punkt: Der sonst legendäre Schwalbe-Pannenschutz fällt eher lausig aus.
Ich entschloss mich, die beiden Mäntel früher auszutauschen, als es eigentlich erforderlich gewesen wäre. Womit ich aber nicht gerechnet hätte, ist das sehr begrenzte Angebot in der Kategorie 700x 622 mit einer Spurbreite von 45 Millimetern. Zwar hat Schwalbe ein Marathon-Format zu bieten, allerdings nur in Schwarz.
Ich wollte jedoch zumindest den Retro-Charme des noch jungen Rads erhalten und entschied mich für den braun-schwarzen Terra Trail von Continental. Der hat mehr Profil und einen besseren Pannenschutz, bin mal gespannt, wie lange die neuen Reifen halten. Ein Hinweis: Die Reifen in dieser Klasse haben wegen ihrer kompakten Bauweise fast immer keine Reflektorstreifen, was allerdings kein Beinbruch ist. Preiswerter Ersatz sind reflektierende Speichensticks, die im Vergleich zu den klotzigen und kurzlebigen Reflektoren auch noch ziemlich gut aussehen.
Jetzt musste ich nur noch montieren - was angesichts der Tatsache, dass ich das viele Jahre nicht mehr gemacht hatte, zu einer aufwendigen Sache wurde. Aus Faulheit hatte ich meine Räder bislang immer in die Werkstatt gegeben, aber mit Blick auf die nachlassende Finanzkraft im Alter wollte ich das frühzeitig ändern. Auf dem Weg zur Autarkie muss man aber auch Lehrgeld bezahlen, dieses Mal sollte es nicht anders sein.
Der größte Vorteil des Turmali, der Heckmotor, ist zugleich sein größter Nachteil. Das Hinterrad lässt sich nämlich nicht so ohne Weiteres komplett herausnehmen. Und so wurde das Ganze zu einer großen Wurschtelei, die allerdings mit einem Erfolg endete. Das Problem ist, das Deruiz alle Kabel gut im Rahmen versteckt und auch noch mit Kabelbindern fixiert hat. Andere Hersteller, zum Beispiel Fiido, machen das nicht, sodass man grundsätzlich gut an die Steckkontakte kommt. Hier muss Deruiz unbedingt nachbessern - gerade mit Blick auf eventuell erforderliche Reparaturen in freier Natur.
Lehrgeld habe ich, abgesehen vom Zeitaufwand, insofern gezahlt, weil ich vergessen hatte, die fest montierte Steuereinheit mit Display abzukleben. Die Folge: Es ist jetzt leider zerkratzt. Allerdings hatte die Einheit schon ab Werk schon eine kleine Macke. Die Kopplung mit der App klappte schon vorher von einem auf den anderen Tag nicht mehr - auch nicht nach Neuinstallation. Das war allerdings kein Beinbruch, weil ich ohnehin mit anderen Apps unterwegs sind (obwohl die Deruiz-App eigentlich gar nicht so schlecht ist, sofern alles funktioniert). Ein weiterer Punkt ist, dass der Gesamtstreckenzähler nach 1030 einfach auf Null sprang. Das kann ebenfalls nicht im Sinne des Erfinders sein. Auch hier sind mit Blick auf das Nachfolgemodell Nachbesserung erforderlich.
Mein Fazit nach 1700 Kilometern: Das Turmali ist eine echte Alternative, auch wenn es kleine Schattenseiten gibt. Bleibt die Frage nach dem Wertverlust. Wie wird sich das China-Bike schlagen? Ohne die Antwort zu kennen, weise ich darauf hin, dass mein Cube-Rad in 27 Monaten rund zwei Drittel seines Werts verloren hat. Dass es unter dem Strich bei allen Marken zu erheblichen Wertverlusten kommt, sollte jedem, der sich ein E-Bike anschafft, bewusst sein.
Was das Turmali betrifft: Ich werde weiter testen. 2026 stehen wieder mehrtägige Radtouren an. Ich bin gespannt, wie sich das Rad dann schlagen wird.
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