Dr. Dr. Reinhard Kallenbach | Landeskundliche Forschung
   Dr. Dr. Reinhard Kallenbach | Landeskundliche Forschung

1. Zerstörte Stadt


1.1 Probleme der Nachkriegszeit

 

1.1.1 Bruch mit der Vergangenheit


„Der bauliche Zustand vor der Zerstörung darf beim Aufbau selbstverständlich nicht Leitbild sein; denn dieser ist früher schon als Zwangsjacke empfunden worden und würde heute, wenn er wieder entstände, für die Wirtschaft der Stadt geradezu katastrophale Folgen haben müssen.1 Ökonomische Notwendigkeiten waren es also, die in den 50er- und 60er-Jahren die Planer zwangen, den Bau einer autogerechten Koblenzer Innenstadt voranzutreiben. Angesichts der zahlreichen Behelfsbauten, die den Platz der vielen schwerbeschädigten oder vernichteten Wohn- und Geschäftshäuser eingenommen hatten, schien die Entscheidung der Verantwortlichen für großzügige Straßen und moderne Gebäude durchaus vertretbar. Dieser Bruch mit der Vergangenheit führte in einigen historischen Quartieren zur Aufgabe des alten Grundstücksgefüges und damit auch zu einer Veränderung des über Jahrhunderte gewachsenen Stadtgrundrisses.


Angesichts der örtlich konkurrierenden Wiederaufbaukonzepte der Nachkriegszeit2 musste sich die nur ungenügend ausgestattete Denkmalpflege in den verwüsteten Städten Deutschlands damit begnügen, „alles Erhaltenswerte aus dem Schutt herauszuschälen, inselartige Quartiere der Erneuerung um eine Kirche, um ein Rathaus, um einen Marktplatz, um Baugruppen, die noch verhältnismäßig gut auf uns gekommen sind, zu schaffen, sie wieder zum Pulsieren zu bringen und dann von diesem Kristallisationspunkten aus die Lücken zu füllen, in denen alles zermalmt wurde, und zwar so, daß das Neue zum Alten gestimmt wird [...] nicht äußerlich, sondern im Geiste des Wesentlichen.“3


Während der Phase des Neubeginns und des wirtschaftlichen Wiederaufstiegs konnten selbst bescheidene Ziele nicht immer durchgesetzt werden. In vielen deutschen Gemeinden – wie zum Beispiel in Frankfurt – gingen historische Bauwerke verloren, weil man ihren besonderen Wert für das Stadtbild zu spät oder gar nicht erkannte.4 Vor allem die zwischen 1871 und 1914 geschaffenen Häuser fielen dem Ideal einer vom Ornament „befreiten” Baukunst zum Opfer. Das störte zunächst niemanden, denn die wilhelminische Architektur war lange Zeit auch in der Fachwelt umstritten. Dies wird besonders im Falle von Würzburg deutlich, wo die Planer die Spuren der Bautätigkeit des 19. und frühen 20. Jahrhunderts verwischen und verstärkt an die mittelalterlich-frühneuzeitlichen Wurzeln der im März 1945 durch Brandbomben weitgehend zerstörten Stadt erinnern wollten. Die Verantwortlichen interessierten sich damals nur wenig für die Erhaltung der zahlreichen noch stehen gebliebenen Fassaden aus der Zeit des Historismus. Die Zeugen aus dieser Stilepoche sind seitdem vorwiegend auf einige Großbauten beschränkt.5


1.1.2 Wiederaufbau in Koblenz


In Koblenz lagen die Verhältnisse ähnlich wie in Würzburg: Von 1942 bis Ende 1944 hatten Brandbomben die Innenstadt weitgehend zerstört.6 In den meisten Fällen überstanden nur Teile der Fassaden die Katastrophe. Insgesamt waren im Zentrum zwischen Rhein und Mosel 54 Prozent der Gebäude völlig zerstört, weitere 33 Prozent schwer beschädigt worden.7 In der gesamten Stadt hatten von den 25.635 Wohnungen nur 1.500 die Luftangriffe weitgehend unversehrt überstanden. Von den ursprünglich rund 89.000 Koblenzern (Stand 1939) lebten 1945 nur noch 12.000 an ihrem Heimatort.8


Bereits am 22. Juni 1945 veröffentlichte Oberbürgermeister Wilhelm Kurth „Richtlinien für die Instandsetzung beschädigter Gebäude im Stadtbezirk Koblenz”. Darin hatten neben der Trümmerbeseitigung die Sicherstellung des Bedarfs der französischen Besatzung und die Wiederherstellung der Gas-, Wasser- und Stromversorgung oberste Priorität. Keinesfalls durften „[...] private Interessen das knappe Baumaterial und die Arbeitskräfte verzehren [...]“9, weil das Allgemeinwohl vorging. Deshalb musste jeder Hauseigentümer und jeder öffentliche Auftraggeber Instandsetzungsarbeiten von der Stadtverwaltung genehmigen lassen. Die Bauvorhaben wurden in Klassen eingestuft und mit Dringlichkeitsnummern versehen. Die Freigabe hing von der Lage des Arbeits- und Baustoffmarktes ab.10


Mit dem Erlass der rheinland-pfälzischen Regierung vom 1. November 1947 startete ein neues Sofortprogramm, welches die Systematisierung des Wiederaufbaus in der Stadt fördern sollte. Hatte vor der Veröffentlichung des Programms noch die Wiederherstellung der Versorgungseinrichtungen Vorrang, kam jetzt der Wohnungsbau zum Zuge. Bereits 1948 waren 3.550 städtische Wohnungen wieder bezugsfähig.11


Neben der Bewältigung der unüberwindbar erscheinenden Trümmerberge12 mussten in den Jahren nach dem Krieg vor allem die nicht unbedeutenden Bauvorhaben der Besatzungsmacht ausgeführt werden, was eine Verknappung der Baustoffe bewirkte. Die finanzielle Situation und das Fehlen von Materialien zwangen zur Wiedererrichtung der völlig zerstörten Häuser in mehreren Bauabschnitten. In vielen Fällen wurden zunächst nur die Erdgeschosse wieder aufgebaut, weil die Einrichtung von Geschäften besonders wichtig war. Die anderen Etagen folgten oft erst im Laufe der Jahre. Im Entenpfuhl und in der Fahrstraße gibt es auch noch heute ein- oder zweigeschossige Gebäude, die an die Provisorien der Nachkriegszeit erinnern.13


Als die Stadtverwaltung 1948 daran dachte, ihren „Wirtschafts- und Aufbauplan” umzusetzen, beabsichtigte sie, aus der Altstadt – also jenem Bereich innerhalb der mittelalterlichen Stadtmauern – möglichst viele Wohngebiete in andere Stadtteile zu verlegen, um damit Raum für die Neuschaffung und Ausbreitung kleinerer Gewerbegebiete zu schaffen. Das Vorhaben ähnelte den Konzepten von 1937, die für Wohnbereiche in diesem Abschnitt nur wenig übrig hatten.14

 

Die Idee spielte später keine entscheidende Rolle mehr. Man beschränkte sich auf die Veränderung von Straßenzügen im Herzen der Altstadt. Die Ingenieure beabsichtigten, Görgenstraße, Plan, Entenpfuhl, Jesuitenplatz, Kornpfortstraße, Marktstraße, „An der Moselbrücke” und Altengraben in besonders engen Abschnitten zu verbreitern.15 Die Gründe für die Maßnahmen lagen auf der Hand: In diesen engen Straßen war es immer wieder zu gefährlichen Verkehrssituationen gekommen.16


Tief greifende Folgen für das Stadtbild hatte die Entscheidung der Stadtväter, neue Trassen für den Verkehr anzulegen. So sollte zum Beispiel die Pfuhlgasse als Verlängerung der Clemensstraße völlig neu gestaltet werden. Darüber hinaus strebte man die Schaffung einer autogerechten Zubringerstraße zur Balduinbrücke an (die spätere Hohenfelder Straße). Im Inneren der Altstadt planten die Verkehrsexperten eine neue Verbindung zwischen Eltzerhof- und Kastorpfaffenstraße.17


Die Verantwortlichen wollten die historische Altstadt in erster Linie nur in den historischen Quartieren erhalten, die ursprünglich innerhalb der spätrömischen Kastellmauer lagen. Gemeint war das Viertel, dessen äußere Grenze auch heute noch Altengraben, Plan, Entenpfuhl und Kornpfortstraße bilden. Mit Ausnahme von Firmung-, Eltzerhof- und Görresstraße standen dagegen die Gebiete der mittelalterlichen Stadterweiterung für die völlig Neuplanung zur Verfügung. Die Ingenieure wollten es möglich machen, den Verkehr direkt an das innere Stadtgebiet heranzuführen.18 Diese Entscheidung führte vor allem in den 60er-Jahren nicht nur am Wöllershof und in der Pfuhlgasse, sondern auch im Bereich des heutigen Zentralplatzes zur Beseitigung des mittelalterlich-frühneuzeitlichen Grundstücksgefüges.


„Das zweite größere Gebiet der Innenstadt, das völlig neu geordnet werden muß und gegenüber früher zugleich eine strukturelle Umwandlung erfahren wird, das Altstadtviertel St. Castor, hat bis heute eine ganz andere Entwicklung genommen [...] Es liegt im Hochwasserbereich von Rhein und Mosel und hat darüber hinaus nach dem Kriege auch durch den endgültigen Wegfall der Schiffbrücke über den Rhein manche Einbuße erlitten, so daß es seine frühere wirtschaftliche Bedeutung bisher nicht zurückerlangen konnte. Der Anreiz, dort wieder zu bauen, war demzufolge schon von vornherein gering, besonders aber, wenn man noch berücksichtigt, daß Neubauten nur im Zusammenhang mit einer Hochwasserfreilegung zulässig sind und sich daneben auch außerordentlich teuere Gründungen als notwendig erwiesen haben. Hinzu kam als weiteres Bebauungshindernis die starke Aufsplitterung des Geländes in kleine und kleinste Parzellen. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß der Trümmerstatus dort bis in die jüngste Zeit hinein nicht überwunden werden konnte. Vom gesamtstädtischen und besonders vom Standpunkt der betroffenen Eigentümer aus mochte das stets bedauert werden [...] Es wäre [...] völlig falsch, sich bei dieser Sanierung von früheren Vorstellungen irgendwie beeinflussen zu lassen und dort eine Art von Pseudo-Altstadtmillieu anzustreben mit verträumten Höfen, Winkeln und Ecken, wenn auch aufgelockerter als früher [...] Denn in Koblenz ist der eigentliche Altstadtkern noch erhalten, und er dürfte eines Tages kaum anders als unter weitgehender Schonung der baulichen Substanz saniert werden. Es wird also immerhin eine echte Altstadt da sein, der man wirklich keine synthetische an die Seite zu stellen braucht [...]“19


Die Gründe für eine völlige Neuanlage des im Krieg weitgehend zerstörten Kastorviertels schienen einleuchtend, als man sich 1951 an die Verwirklichung der bereits seit 1946 bestehenden Pläne machte. In den folgenden Jahren wurde das gesamte Gebiet aus Gründen des Hochwasserschutzes höher gelegt. Die Reste der vor dem Krieg wegen ihrer großen Zahl noch erhaltener mittelalterlich-frühneuzeitlicher Bürgerhäuser baugeschichtlich wohl interessantesten Straße von Koblenz verschwanden undokumentiert unter den Abraummassen.20


Unumstritten blieb die Maßnahme nicht, denn die Stadtväter waren dem Aufbauwillen der Hauseigentümer in der Kastorstraße mit einem Bauverbot entgegengetreten,21 um die Neugestaltungspläne nicht zu gefährden.22 Bereits vor dem Krieg wollte man auf dem historischen Gelände Lagerhäuser für den damals noch am Moselufer bestehenden Hafen errichten.23


Im Kastorviertel wurden weder die geplanten Lagerschuppen noch das gefürchtete Villengebiet jemals gebaut. Vielmehr entstand ein neues Wohngebiet mit ausgedehnten Grünflächen. Die radikale Beseitigung der Vergangenheit legt aber den Verdacht nahe, dass man im Zuge der allgemeinen Neubaubegeisterung auch in Koblenz nur allzu gerne die Gelegenheit wahrnahm, ein ungeliebtes historisches Wohn- und Geschäftsviertel von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Vielleicht hätten die Verantwortlichen mit einer anderen Grundeinstellung noch die eine oder andere historische Fassade retten oder zumindest dokumentieren können. Dies gilt vor allem für das ehemalige Franziskanerkloster, in dem 1805 das städtische Hospital eingerichtet wurde.


1.2 Fragestellungen und Lösungsansätze


In Koblenz gab es am Ende des 18. Jahrhunderts innerhalb der mittelalterlichen Stadtmauern über 900 Häuser. Dazu kam eine Vielzahl bedeutender Kirchen, Klöster und Kapellen. Will man die Entwicklung der Stadt und die Geschichte ihrer Gebäude in der frühen Neuzeit untersuchen, sind Beschränkungen notwendig. In dieser Studie werden daher alle kirchlichen Gebäude ausgeklammert, weil sich Fritz Michel bereits vor dem Krieg eingehend mit diesen Baudenkmälern auseinandergesetzt hat.24 Gleiches gilt auch für die Adelshöfe und alle öffentlichen Bauten, die in der Koblenzer Stadtgeschichtsschreibung schon immer ein beliebtes Thema waren.


Dringend notwendig ist neben der Erforschung der Veränderung von Straßenzügen und Plätzen auch die Berücksichtigung der Bürgerhäuser in Koblenz. Aber gerade in diesem Bereich haben die Bombenangriffe viele Möglichkeiten zunichte gemacht. Geblieben sind rund 200 Gebäude, die sich im Inneren der alten Römermauer sowie in der Firmungstraße und ihrer Nachbarschaft konzentrieren. Sie werden in dem überwiegend vor der Zerstörung der Stadt entstandenen Kunstdenkmäler-Inventar nur äußerst knapp behandelt.25 Bei der Erstellung seines Werkes klammerte Fritz Michel vor allem die Häuser des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts aus, denn sie waren für ihn angesichts der fehlenden zeitlichen Distanz „Neubauten”. Vorliegende Dissertation soll diese Lücke schließen.


Fassaden sagen oft nichts über das tatsächliche Alter von Gebäuden aus. Vielfach wurden Häuser im 19. Jahrhundert – oder bereits früher – völlig neu gestaltet oder aufgestockt. Auf diese Weise haben sich im Laufe der Zeit etliche Koblenzer Wohnbauten immer wieder verändert. Diese Feststellung gilt auch für die Phase des Wiederaufbaus nach den Bombardements des Zweiten Weltkrieges. So verbirgt sich zum Beispiel hinter einigen modernen Fassaden gründerzeitliche Substanz, deren kunsthistorischen Wert man lange Zeit nicht erkannt hat.26


Bei einer Erforschung der noch bestehenden Häuser helfen stilgeschichtliche Unterscheidungsmerkmale nur bedingt weiter. Da kaum ein Haus in seinem ursprünglichen Zustand erhalten ist, müssen historische und neuere Bauakten berücksichtigt werden. Aber auch diese Methode hat Grenzen. So kann die Geschichte des frühen Wohnbaus des 17. und 18. Jahrhunderts mithilfe der Ratsprotokolle nur unzureichend dokumentiert werden. Eine wichtige Hilfe sind daher die Bestandsaufnahmen der seit Anfang der 70er Jahre bestehenden Koblenzer Sanierungsstelle. Für den Bereich zwischen der Straße „An der Moselbrücke” und der „Florinspfaffengasse” gibt es jetzt wenigstens Zeichnungen von Grundrissen, Schnitten und Fassaden, die die Situation vor Beginn der Altstadtsanierung widerspiegeln. Eine wichtige Rolle für die Erforschung der Innenstadt spielen ebenfalls die Untersuchungen des Koblenzer Amtes für Archäologie.27


Wie auch in anderen Städten haben in Koblenz Gemeinde, Privateigentümer und Bewohner immer wieder versucht, die Bausubstanz ihren Bedürfnissen gemäß umzuformen und die alten Gassen den neuen Verkehrsbedingungen anzupassen. Eine ausschließlich an stilgeschichtlichen Kriterien orientierte Untersuchung würde daher den Realitäten in der Altstadt nicht gerecht werden. Bauherren, Architekten oder Handwerker mussten sich zwangsläufig nach den bestehenden Grundstücksverhältnissen richten. Ihre beschränkten finanziellen Möglichkeiten schlössen eine konsequente Verwirklichung gestalterischer Ideale aus. Auch den Landesherren waren die Hände gebunden: Pläne zu einer umfassenden Neugestaltung der Stadt wurden nur in Ansätzen verwirklicht.


Ziel ist es, am Koblenzer Beispiel Veränderungen historisch gewachsener Stadtkerne und ihrer Bausubstanz aufzuzeigen. Dabei sollen auch die Lebensbedingungen der Bevölkerung und stadthygienische Aspekte Berücksichtigung finden. Diese Abhandlung setzt deswegen zunächst mit einer Bewertung der noch erhaltenen mittelalterlichen Quellen und einem Abriss der ersten Phasen der Stadtentwicklung ein. Es folgt ein Kapitel, in dem die Untersuchung einiger mittelalterlich-frühneuzeitlicher Keller im Sanierungsgebiet Gemüsegasse–Mehlgasse–Florinspfaffengasse mithilfe archäologischer, baugeschichtlicher und historischer Methoden im Mittelpunkt steht. Anschließend wird die bauliche Entwicklung der Altstadt im 16. und 17. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung der Ratsprotokolle und der frühen Bauvorschriften dargestellt.


Streng genommen gehört eine Untersuchung der frühneuzeitlichen Holzschnitte und Kupferstiche nicht zum Thema. Dennoch kann die kritische Betrachtung dieser Kunstwerke Gegenstand einer Arbeit zur örtlichen Topografie sein, denn in den lokalen heimatkundlichen Schriften werden diese Bildquellen immer wieder gerne verwendet, wenn es darum geht, eine Vorstellung vom mittelalterlichen Koblenz zu vermitteln. Die kritische Auseinandersetzung mit diesen Grafiken soll deutlich machen, dass sich Stiche und Schnitte nur sehr bedingt für die Rekonstruktion der älteren Koblenzer Gebäude eignen.


Neben der kritischen Auseinandersetzung mit schriftlichen, archäologischen und bildlichen Quellen bildet die Darstellung der baulichen Entwicklung in der Koblenzer Altstadt im 18. und 19. Jahrhundert einen Schwerpunkt. Von besonderem Interesse sind in diesem Zusammenhang auch Beschreibung und Untersuchung von Grundrissen und Fassaden. Darüber hinaus sollen die Dokumente Berücksichtigung finden, die die Lebensbedingungen der Menschen in der Altstadt widerspiegeln. Zusätzlich werden Ausführungen über die Sanierung der 80er-Jahre Aufschlüsse über das Schicksal der historischen Bausubstanz in den Kernbereichen geben.


Ähnlich wie bei den im Rahmen der „Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland” erschienenen Inventaren sind im abschließenden Katalogteil neben den Baubeschreibungen auch Informationen über die Geschichte einzelner Häuser enthalten. Für die Gebäude im Sanierungsgebiet zwischen Florinspfaffengasse und der Straße „An der Moselbrücke” fanden zusätzlich die Höhe der einzelnen Etagen, die Geschoss- und Wohnflächen sowie die Grundstücksgrößen Berücksichtigung, weil für diese Bereiche aktuelle Maße vorliegen. Zur Illustration des Katalogs dienten maßstabgetreue Umzeichnungen der Bestandsaufnahmen der Sanierungsstelle sowie der Pläne aus den Bauakten des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts.

 

Im Falle der letztgenannten Dokumente bemühten sich Architekten und Techniker nicht gerade um Genauigkeit. Sie trugen Details gerne freihändig ein. Um den ursprünglichen Charakter dieser heute nur noch schlecht reproduzierbaren Fassadenansichten nicht zu verfälschen, wurden diese Unstimmigkeiten bei der Umzeichnung beibehalten. Historische Zeichnungen können wegen ihrer fehlenden Genauigkeit sowie der Abweichung von Planung und Ausführung aktuelle Bestandsaufnahmen nur bedingt ersetzen. Streng genommen wäre es erforderlich, für sämtliche Bürgerhäuser in der Altstadt Dokumentationen anzufertigen, aus denen die einzelnen Bauphasen der Gebäude hervorgehen. Zudem könnte man unter anderem die Raumaufteilungen der gründerzeitlichen Bauten in den Kernbereichen mit denen in den Stadterweiterungsgebieten vergleichen, um so eine für ganz Koblenz gültige Grundrisstypologie zu entwickeln. Auch wäre es durchaus möglich, den Katalog durch Beschreibungen der Innenräume zu erweitern. Der Erfüllung dieser Wünsche hätten jedoch finanzielle und zeitliche Vorgaben entgegengestanden.
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Anmerkungen:


1 Berg, Stadt Koblenz, S. 12.
2 Die unterschiedlichen Planungen der Nachkriegszeit werden in Kapitel 14 am Beispiel von Berlin und Mainz erläutert.
3 Beseler/Gutschow, Kriegsschicksale, S. XIV: Äußerung des bayrischen Konservators Georg Lill zu den Aufgaben der Denkmalpflege von 1946.
4 Vgl. Paul, Wiederaufbau, S. 119.
5 Schweikhart, Würzburg, S. 76/77.
6 Zur Chronologie der Katastrophe: Schnatz, Luftkrieg.
7 Schaefer, Koblenz, S. 40; Mahlburg, Stadt Koblenz, S. 21: Im gesamten Stadtgebiet waren 25,6 Prozent der Häuser total zerstört, 24,6 Prozent schwer und 43 Prozent leicht beschädigt worden.
8 StAK, Best. 623, Nr. 9357, S. 11: Die städtebauliche Entwicklung der Stadt Koblenz nach dem letzten Krieg. Konzept vom 17. September 1952.
9 Vgl. StAK, Best. 623, Nr. 6709: Monatsberichte an die Militärregierung. Diese Berichte betrafen vor allem die Wiederherstellung der Ver- und Entsorgungseinrichtungen, die Sorge um das Gesundheitswesen und die Aufrechterhaltung des Schulbetriebes.
10 StAK, Best. 623, Nr. 6235, S. 73.
11 Mahlburg, Stadt Koblenz, S. 97.
12 StAK, Best. 623, Nr. 6761, S. 46: Rede des Oberbürgermeisters Josef Schnorbach zur Eröffnung der Ausstellung „Koblenz baut auf” am 5. November 1948; vgl. StaK., Best. 623, Nr. 7329, S. S.Informationsblatt für den Wiederaufbau in Rheinland-Hessen-Nassau.
13 Diese Verfahrensweise geht aus den in den Akten der städtischen Aufsichtsbehörde vermerkten Bauabnahmeterminen hervor.
14 StAK, Best. 623, Nr. 9358, S. 6 (Wirtschafts- und Aufbauplan): Erläuterungsbericht vom 30. Juni 1945.
15 StAK, Best. 623, Nr. 9358, S. 13 (Wirtschafts- und Aufbauplan): Aufstellung des Planungsamtes vom 19. Oktober 1948.
16 So berichtete der „Koblenzer Generalanzeiger” am 1. August 1930, wie ein schwerer Lastwagen am Eingang der Jesuitengasse von der Straße abkam und in ein Geschäft fuhr. Die erheblichen Schäden machten die Abstützung des Hauses im Erdgeschoss erforderlich.
17 StAK, Best. 623, Nr. 9358, S. 13 (Wirtschafts- und Aufbauplan): Aufstellung des Planungsamtes vom 19. Oktober 1948. Alle genannten Straßen wurden später auch gebaut.
18 StAK, Best. 623, Nr. 9357, S. 11 (Wirtschafts- und Aufbauplan): Die städtebauliche Entwicklung der Stadt Koblenz nach dem letzten Krieg. Konzept vom 17. September 1952.
19 Berg, Stadt Koblenz, S. 48.
20 Vgl. Rhein-Zeitung, Ausgabe Koblenz, vom 5. Dezember 1951.
21 Wie Anm. 20.
22 StAK, Best. 623, Nr. 9011, S. 62-67: Brief des Johannes Born an Oberbürgermeister Josef Schnorbach vom 20. Oktober 1946. Das Schreiben an die örtliche Verwaltung spiegelt die gereizte Stimmung in den Reihen der einstigen Anwohner wider. Born wies auf Gebiete der Stadt hin, die sich weit besser für die Durchführung von Hochwasserschutzmaßnahmen eigneten. Er konnte nicht verstehen, warum die Kastorstraße ungestraft als Schuttabladeplatz verwendet werden durfte. Der Absender unterstellte der Stadt die Absicht, bereits vor dem Kriege die endgültige Beseitigung dieses Straßenzuges geplant zu haben. Als sichtbare Beweise für diese Vermutung galten für ihn 14 verkommene Häuser, die von der Stadt in einem ursprünglich weit besseren Zustand angekauft worden waren. Nach Ansicht des Schreibers wollte die Kommune die Lebensqualität in diesem historischen Viertel und auch den Wert der privaten Gebäude systematisch vermindern, indem sie ihre eigenen Häuser verfallen ließ. Der empörte ehemalige Anlieger bewertete dieses Vorgehen der Stadtväter als bewusste Aktion zur Schaffung günstiger Ankaufs- und Abbruchbedingungen.
23 StAK, Best. 623, Nr. 9011, S. 62-67: Brief des Johannes Born an Oberbürgermeister Josef Schnorbach vom 20. Oktober 1946. Born nannte noch andere Gründe für die gegen die alte Kastorstraße ausgerichtete Baupolitik. Er sprach vor allem den großen Widerstand der früher vorwiegend in der Kastorstraße lebenden Arbeiter gegen die Koblenzer Nationalsozialisten an. Dort sahen sich die Machthaber wiederholt dazu gezwungen, Zusammenstöße zu inszenieren, um einen Vorwand für das Vorgehen gegen Bewohner und Gebäude zu haben. Der Verfasser des Briefes erinnerte daran, „[...] daß die Braunen nie den Mut aufbringen konnten, die Madonnenbilder in den einzelnen Gäßchen zu entfernen und fügte hinzu: „[...]am Fronleichnamstag gab es weit und breit keine Straße, die so geschmückt und altarreich [war] wie diese [...] Das braune Stadtparlament hatte beschlossen, diese Straße ihres Widerstandes dem Erdboden gleich zu machen, auszutilgen. Hier war das Handwerk zu Haus, hier die arbeitende Bevölkerung. Soll es jetzt anders werden, will man hier eine Villenkolonie entstehen lassen und die Plätze dann zu teureren Preisen verkaufen und die Bewohner und Grundbesitzer, wer weiß wohin schaffen?
24 Michel, Kirchliche Denkmäler.
25 Michel, Kunstdenkmäler.
26 Beispiele sind die Häuser Entenpfuhl l und 11 sowie Firmungstraße 26.
27 Amt für Archäologie: Damals Landesamt für Denkmalpflege, Abteilung Archäologische Denkmalpflege, Amt Koblenz, heute Generaldirektion Kulturelles Erbe, Direktion Landesarchäologie, Außenstelle Koblenz.

 

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