Dr. Dr. Reinhard Kallenbach | Landeskundliche Forschung
   Dr. Dr. Reinhard Kallenbach | Landeskundliche Forschung

Teil 4

Stadterweiterung und Entsorgung an Rhein und Mosel

 

1.  Erste Kanalisationsprojekte

 

Schon im alten Rom war die Abfuhr von Fäkalien lizenziert. Sie brachte den Städten Einnahmen, weil der Inhalt der Latrinen einer landwirtschaftlichen Verwertung zugeführt werden konnte. Das System funktionierte vielerorts bis weit in die Frühe Neuzeit hinein. Allerdings geriet das gewachsene System bereits mit der technischen Revolution des Spätmittelalters ins Wanken. Der steigende Bedarf erforderte es, das Wasser auf künstlichem Wege in die Stadt zu bringen. Einfach versickern konnte es nach Gebrauch jedoch nicht mehr. In vielen Fällen wurde es unkontrolliert abgeleitet und als Kloake missbraucht. Die Folge: Trübe, schlammige und faulige Massen wälzten sich durch offene Gräben. Der Gestank war ein weiteres Indiz dafür, dass das in Antike und Mittelalter gewachsene System Schritt für Schritt zusammenbrach.1

 

Die Zunahme der Wohndichte in den deutschen Städten des 19. Jahrhunderts führte zwangsläufig zu Entsorgungsproblemen. Schon um 1850 waren vielerorts derartige Mengen von Unrat angefallen, dass die kommunalen Verwaltungen kaum noch geeignete Gegenmaßnahmen treffen konnten. Es waren nicht nur die menschlichen Exkremente, die die Gesundheit der Bevölkerung bedrohten. Mist von Pferden und Vieh stellten die Verantwortlichen ebenfalls vor schier unlösbare Probleme. Hinzu kamen Tierkadaver, Asche von den Öfen und Hausmüll. Allein in Hamburg fielen um die Jahrhundertmitte rund 20.000 Tonnen Abfall und andere Stoffe an!2 Solche frühen Umweltprobleme waren auch in anderen Städten nicht unbekannt. So entsorgten 1876 in Freiburg 4000 bis 5000 Menschen ihren Unrat in den Gewerbebach.3 Diese Zustände und der damit verbundene Ausbruch des neuen Seuchenzeitalters entfachte natürlich nicht nur die Diskussion um den Bau von modernen Trinkwasserversorgungssystemen. Auch der Ruf nach einer möglichst hygienischen Entsorgung wurde immer lauter – und das schon vor Beginn der Choleraepidemien. Eine Vorreiterstellung nahm dabei wieder einmal die Hygienebewegung in England ein. Hier hatten Experten bereits in den 30er-Jahren des 19. Jahrhunderts auf die Möglichkeit hingewiesen, Schmutzwasser und Jauche in Berieselungsfeldern zu reinigen. Später begannen die Ingenieure damit, die herkömmlichen Schwemmkanäle punktuell dahingehend zu modifizieren, dass sie die Fäkalien nicht mehr direkt in die Wasserläufe, sondern auf sogenannte Berieselungsfelder leiteten.4 Auch in Paris wurde nach den verheerenden Folgen der Choleraepidemie von 1832 mit den unterschiedlichsten Entsorgungssystemen experimentiert. Wurden die Abwässer über die neu angelegten Kanäle in die Seine geleitet, stellte man das System unter dem Einruck der Londoner Weltausstellung von 1851 infrage. Aus England „importierte“ man nicht nur das Konzept, die großen Kanäle künftig eiförmig anzulegen, sondern auch Ideen zur Verbesserung der Entsorgungssysteme. Handlungsbedarf gab es genug: Zum einen hatte das Wasserklosett nach bescheidenen Anfängen um 1810 seinen Siegeszug angetreten und sich am Ende des Jahrhunderts  überall durchgesetzt5 (was allerdings die bestehenden Systeme an ihre Leistungsgrenze führte), zum anderen sollte auf Wunsch des Kaisers Louis Napoleon ein neues Stadtbild entstehen.

 

Der Präfekt und Stadtplaner George-Eugène Haussmann (1809–1891) kümmerte sich nicht nur um die Stadtgestalt (wobei der Durchbruch großer Boulevards auch aus Gründen der inneren Sicherheit erfolgte), sondern auch um die Fäkalienentsorgung. Ein Vorschlag war, flüssige und feste Abtrittsstoffe voneinander zu trennen und letztere unterirdisch zu sammeln und für die landwirtschaftliche Verwertung abzufahren. Haussmann verglich sein System selbst mit einem menschlichen Organismus. Dennoch konkurrierten mehrere Systeme miteinander. Die Folge: Die Verschmutzung der Seine durch Direkteinleitungen sollte weiterhin zum Alltag gehören. Erst 1894 wurde durch neue Vorschriften gegengesteuert.6

 

Auch in Deutschland wurde vor dem Hintergrund der Choleraepidemien bereits früh über die Trinkwasserfrage und die Entsorgungsprobleme diskutiert. Selbst die preußische Regierung schaltete sich aktiv ein. So ernannte Landwirtschaftsminister Werner von Selchow in den 1860er-Jahren eine Kommission, die die sanitären Verhältnisse in europäischen Städten untersuchen sollte. Dem Gremium gehörten C. von Salviati, Generalsekretär des Landes-Ökonomie-Kollegiums, der Königliche Landmeliorations- und Wasserbau-Inspektor O. Roeder und Dr. H. Eichhorn, Professor und Lehrer der Agrikulturchemie am Königlichen landwirtschaftlichen Lehrinstitut in Berlin, an. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit lag dabei auf London. Der Bericht der Kommission lag schließlich am 10. Dezember 1864 vor und setzt sich vor allem mit der Londoner Schwemmkanalisation kritisch auseinander.7

 

Die Auseinandersetzungen über die Stadthygiene waren mitunter sehr heftig und hatten lokale Folgen. In Osnabrück zum Beispiel wählten die Bürger nach den Cholerajahren 1859 und 1866 die alte Stadtspitze einfach ab, weil man ihr vorwarf, die stadthygienischen Probleme nicht in den Griff zu bekommen.8 Auf überregionaler Ebene wurde bereits darüber diskutiert, ob es wirklich sinnvoll war, Abwässer in die Gewässer zu leiten. Dr. Georg Varrentrapp hatte sich 1872 bei seinem Vortrag im Frankfurter Verein für öffentliche Gesundheitspflege dafür ausgesprochen, die Abwässer nicht mehr direkt in die Flüsse zu leiten, sondern zuerst dem Boden zuzuführen, der die organischen Dungstoffe aufnehmen sollte. Diese Forderung wirkte sich 1875 auch auf die Frankfurter Kanalisation aus, denn die umliegenden Gemeinden hatten erfolgreich gegen eine direkte Einleitung der Abwässer in den Main protestiert: Auch die königlich-wissenschaftliche Deputation für das Medizinalwesen war gegen die „direkte Entsorgung“ eingestellt. Zwar führte der große Widerstand nicht zur Einrichtung von Berieselungsfeldern, doch immerhin kam es zur nachträglichen Errichtung einer mechanischen Klärvorrichtung.9

 

Trotz der Verbesserungsbestrebungen bleibt festzuhalten: Die Schwemmkanalisation ohne Klärvorrichtungen – eine Entwicklung britischer Ingenieure – blieb Vorbild. William Lindley, nach dem Hamburger Stadtbrand von 1842 in den folgenden Jahren maßgeblich an der Verwirklichung einer zentralen Wasserversorgung und der nach einem einheitlichen Plan erbauten Kanalisation beteiligt, wurde vielerorts um Rat gefragt, so in Düsseldorf, Krefeld und Chemnitz. Auch die 1868 in Betrieb genommene Frankfurter Kanalisation war eine Entwicklung des Engländers, dessen Hamburger Projekte lange Zeit als die modernsten in Europa galten. Allerdings sah sich Lindley immer öfter mit Widerständen konfrontiert. So formierte sich in Frankfurt eine regelrechte Widerstandsbewegung. In der Stadt hatte es nämlich mehrere Konzepte gegeben.10

 

Die Entwicklungen in Deutschland, England und Frankreich wurden gleichfalls in der Schweiz aufmerksam verfolgt. Dort bestand dringender Handlungsbedarf. Das aufstrebende Zürich war beispielsweise immer wieder von Typhusfällen betroffen. Bereits 1863 war für den gesamten Kanton ein neues Baugesetz verabschiedet worden, das immerhin die Kanalisation von Neubaugebieten vorschrieb. Dass dies nicht ausreichte, bekamen die Züricher im Winter 1865/66 zu spüren, als 143 Menschen an Typhus erkrankten. Die Verantwortlichen handelten schnell. Bereits im März 1867 stimmte die Gemeindeversammlung der Stadt Zürich für eine umfassende Sanierung der Abwasserentsorgung.11

 

Wie eng Wasserversorgung und Kanalisation zusammenhängen, zeigt sich am Beispiel Berlins. Dort plante James Hobrecht von 1872 an ein selbststständiges Kanalsystem nach dem Londoner Vorbild.12 Bereits 1816 hatte man in der preußischen Hauptstadt die Anlage einer Wasserleitung gefordert, die ausschließlich dazu verwendet werden sollte, die Rinnsteine auszuspülen. Das System war nicht neu, hatte es doch schon im Mittelalter und der Frühen Neuzeit in einigen Städten bereits Versuche gegeben, derartige Verfahren zu etablieren. Und so existierten im Berlin der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mehrere Entwässerungskonzepte, denen allerdings zumindest in den ersten Jahrzehnten nur wenig Erfolg beschieden war. 1838 wurden diese alten Konzepte wieder aufgegriffen und den neuesten technischen Entwicklungen angepasst. So sollten Dampfmaschinen, Hochbehälter und gusseiserne Rohre für den notwendigen Wasserdruck sorgen, um die Straßen Berlins sauber zu halten. Die Pflasterung der Stadt war seit 1829 systematisch vorangetrieben worden. Doch das modifizierte System hatte einen entscheidenden Nachteil: Es eignete sich nicht zur Abführung von Fäkalien. Es blieb zunächst dabei: Der Unrat wurde einfach weiter in die Spree gekippt. Allein im Bereich der Jungfernbrücke wurde zwischen 1820 und 1830 schätzungsweise auf diese sorglose Weise jährlich der Inhalt von 200.000 Eimern „entsorgt“. Eine Lösung der Berliner Probleme rückte erst mit dem Ausbau der zentralen Wasserversorgung und Einführung der Kanalisation in den 60er- und 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts in greifbare Nähe.13

 

Trotz der immensen technischen Fortschritte hatte man auch am Ende des 19. Jahrhunderts die sanitären Probleme nicht gelöst. Die Ver- und Entsorgungssysteme waren vielerorts verbesserungsbedürftig. Und: Von nach einheitlichen Standards entwickelten Netzen konnte beim besten Willen keine Rede sein. Das hat Jürgen Büschenfeld am Beispiel preußischer Städte aufgezeigt. Zwar waren an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert 180 preußische Städte ganz oder teilweise kanalisiert, doch sagt diese Zahl noch gar nichts über die tatsächliche Qualität aus. Dafür sprechen auch die statistischen Angaben von 1900. Demnach gab es 147 „planmäßig“ und 32 „wild“ kanalisierte Gemeinden. Tatsächlich dürfte die Zahl der verbesserungswürdigen Systeme wesentlich höher gewesen sein: Auch wenn vielerorts Rahmenplanungen für Kanalisationen existierten, wurden künftige Erweiterungsmöglichkeiten nicht eingearbeitet. Die Folge: „Wildwuchs“ von nachträglich angefügten Anlagen in den Stadterweiterungsgebieten. Jürgen Büschenfeld nennt Gründe, die er mit zeitgenössischen Quellen untermauert. Demnach waren für die Kommunen und ihre Stadtbaumeister des 19. Jahrhunderts – die sich meistens bei Hochbaumaßnahmen profilieren wollten – Straßen- und Kanalbaumaßnahmen von untergeordneter Bedeutung. Das lag auch daran, dass es für den Kanalisationsbau lange keine allgemein anerkannten Regeln der Technik gab und somit mehrere Verfahren miteinander konkurrierten. Und schließlich spielte der städtische Tiefbau frühestens seit den 1880er-Jahren in der akademischen Ausbildung eine Rolle14, wobei sich Otto Ewich bereits 1871 kritisch mit den englischen Entsorgungssystemen auseinandersetzte.15 Später fand auch einschlägige Literatur im Sinne von „Bauanleitungen“ weite Verbreitung, wie zum Beispiel das Standardwerk von E. Dobel zeigt, das mehrfach aufgelegt wurde.16

 

Ein weiteres Problem im 19. und auch im frühen   20. Jahrhundert war das Fehlen ausreichender gesetzlicher Grundlagen. Hatte man in Preußen und später im Deutschen Kaiserreich in den Gewerbeordnungen von 1845 und 1871 bereits frühzeitig Aspekte des Immissionsschutzes verankert, blieben die Probleme des Gewässerschutzes und der Abwasserbeseitigung außen vor. Der Staat intervenierte nicht oder nur unzureichend, weil Wasserversorgung, Abfall-, Abwasser- und Fäkalienbeseitigung entweder private oder rein kommunale Aufgaben waren. Grundsätzlich sollte sich diese Auffassung erst seit dem Ende des 19. Jahrhunderts ändern. Bis dahin gab es zum Beispiel in Preußen nur punktuelle Regelungen, die noch nicht einmal landeseinheitlich galten. Michael Kloepfer nennt als Beispiele die „Allerhöchste Kabinettsordre“ vom 24. Oktober 1816, die das Hineinwerfen fester Stoffe in Flüsse und Kanäle untersagte, sowie das Gesetz über die Benutzung der Privatflüsse vom 28. Februar 1843. Letzteres verbot die Verunreinigung durch Färbereien, Gerbereien oder Walkereien. Ansonsten wurde die Gewässerbenutzung nach unterschiedlichen Wasserrechtssystemen geregelt, die wiederum auf uneinheitlichen Gewässereinteilungen und Eigentumsverhältnissen basierten. Allerdings sollte bei der Betrachtung dieser rechtlichen Lücken nicht übersehen werden, dass die Situation in den deutschen Staaten längst nicht so dramatisch war wie in England, wo bereits 1857 der legendäre „Great Stink“ der Themse selbst die Londoner Parlamentarier aufgeschreckt hatte.17 Diese Feststellung gilt besonders für Koblenz, das wegen seiner Lage an zwei Flüssen noch als relativ sauber galt. Weil zudem der Mittelrhein bis weit in das 20. Jahrhundert im Vergleich zu anderen Abschnitten des Stroms relativ unbelastet war, glaubte man, die Klärung der Abwässer mit Segen des Staates möglichst lange hinauszögern zu können. Allerdings entschied man sich im Falle der neuen Kanalisation für ein sehr vorausschauendes Konzept, das nachträgliche Erweiterungen und auch die Anbindung an eine Kläranlage möglich machte. Dennoch war es bis zu einer vernünftigen Stadtentwässerung ein weiter Weg, wie in den folgenden Abschnitten aufgezeigt werden soll.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2. Frühe Entwässerungssysteme in Koblenz

 

A

uf welche Weise das Oberflächenwasser im mittelalterlichen Koblenz abgeführt wurde, entzieht sich weitgehend unserer Kenntnis. Anscheinend hat man sich jedoch nicht mit der Anlage von Schächten zur Aufnahme der Fäkalien begnügt. Vielmehr bestanden – zumindest in einigen Straßen der Altstadt – Ableitungsrinnen und -röhren, vielleicht auch kleinere Kanäle. Einen Anhaltspunkt für diese Vermutung lieferten die Ausgrabungen in der Burgstraße Anfang der 1980er-Jahre. Hier legten Archäologen des Landesamtes für Denkmalpflege18 eine Abwasserrinne frei, die durch die spätantike Kastellmauer gebrochen worden war und zur Mosel führte.

 

Insgesamt gesehen fehlen allerdings die Beweise, die für eine Rekonstruktion der Verhältnisse in der Stadt vor Anbruch des 18. Jahrhunderts erforderlich sind. Eine Ausnahme bildet der ehemalige Graben des spätantik-frühmittelalterlichen Kastells, der stellenweise auch noch im 18. Jahrhundert offen war. Für diese Anlage existieren noch schriftliche Quellen, die einen Einblick in die Situation während der Frühen Neuzeit ermöglichen. So schrieb zum Beispiel Kurfürst Johann Vl. von der Leyen 1563 an den Koblenzer Rat, der vor allem im Entenpfuhl immer noch offen stehende Graben sei „[...] der Stadt sunderlich nichts dhienlich, da man jederzeit von der Mosell [...] Wassers genug haben kan. [...]“19 Der Brief zeigt, dass der im Bereich Altengraben, Entenpfuhl und Kornpfortstraße einst bestehende Graben nicht nur zur Aufnahme des Oberflächenwassers, sondern auch als Kloake diente. Der Entenpfuhl20 lag noch um 1760 so tief, dass sich hier bei Hochwasser der Mosel das Grundwasser sammelte. Die hygienischen Verhältnisse in diesem Bereich waren bedenklich, denn die Koblenzer benutzten diese Straße auch noch zu jener Zeit zur Beseitigung ihrer Abwässer. Zu den schlechten Bedingungen trug aber auch der Unrat aus den Gardestallungen bei. In einem Brief vom Mai 1760 beschrieb der Magistrat die Situation: „[...] der Änten Puttel um daher genennet zu werden pfleget, weilen vorhin das Wasser aus der Stadt daselbsten zusammen geflossen und ein blose cloac vorgestellt hat. [...]“21

 

Obwohl bereits Kurfürst Franz Georg von Schönborn (1729–1756) erste Verhandlungen über die vorzunehmenden Veränderungen eingeleitet hatte, geschah nichts. Die Angehörigen des Rates beschwerten sich deswegen bei Schönborns Nachfolger Johann Philipp von Walderdorf (1756–1768). In einem Brief wiesen die Vertreter der Stadt darauf hin, dass „die Misthaufen mitten in der Stadt“ lagen und beteuerten, nichts an den Verhältnissen im Entenpfuhl ändern zu können, „[...] so lang die guarden pferdtställe nicht von diesem mitten in der stadt und an der passage gelegenen platz hinweg geschaffet, so forth derselbe von unflath gereiniget werde, all übriger Aufwand um sonst seye [...]“.22  Trotz der Beschwerden des Magistrats blieb die Obrigkeit untätig. Besonders Hofkammer und Hofrat widersetzten sich der Beseitigung der Stallungen und ihrer anschließenden Verlegung nach Ehrenbreitstein. Erst als der Stadtrat einlenkte und die Neuerrichtung der Gardestallungen im Bereich des Koblenzer Burggrabens im westlichen Bereich der Altstadt anregte, kam es im Januar 1765 zur Wiederaufnahme der Verhandlungen.23 Erst ein Jahr später erfolgte der Abbruch. Die Bekämpfung der schlechten sanitären Verhältnisse und der Bau neuer Häuser konnten beginnen.24 Aber auch abseits des Entenpfuhls gab es eine Reihe von problematischen Stellen. Dazu gehörte vor allem das Moselufer. Die Zustände in diesem Bereich schilderte der kurfürstliche Geheimrat Haack wie folgt: „Die von der Korn- bis zur Schwanen pfort zwischen der Stadt und fortifications Mauer an der Mosel hergehende Straße war ehedessen bekanntlich so voll morast und unflath, theils von dem ausschütten aus den häußeren, theils von dem stehen gebliebenen regen wasser; das solche [...] allein nicht zu passieren, sondern auch um so unausstehlicher gestank daselbst war, daß jeder einen abschäu für dießer gegend tragen muste. Weder warn die unflat oder das wasser aus mangel genugsamer abflüssen abzuführen. [...] Die Mosel Baraque ware so baufällig, daß man täglich derselben Einsturz befürchten muste, und war anbey nur der aufenthalt alter soldaten weiher mit ihren Döchteren, welche mehristen Theils von dem liederlichen leben profession nachgehen. [...]“25

 

Die Obrigkeit beseitigte die Missstände, indem sie die alte Soldatenbaracke abbrechen, die Straße pflastern, die zur Mosel führenden Abwasserrinnen überwölben und den erst 1764 erbauten Viehhof abbrechen ließ.26 Während der Herrschaft des letzten Trierer Kurfürsten, Clemens Wenzeslaus von Sachsen (1768–1794/1802), verbesserten sich die sanitären Verhältnisse auch allgemein: Im Zuge des Neubaus des Kurfürstlichen Schlosses in Koblenz, der Einebnung eines Teiles der Festungsanlagen und der Schaffung eines neuen Stadtteils in den beiden letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts befasste man sich mit dem Bau von Kanälen. Beratungen und Planungen galten nicht nur den Neustadtstraßen. Auch die Altstadt – vor allem die Görgengasse und die Kastorgasse – wurde in die Überlegungen einbezogen.27 Bereits 1772 hat es in der Görgengasse einen  überwölbten Kanal gegeben, der in den alten Stadtgraben mündete. Die Situation muss allerdings weiterhin sehr unbefriedigend gewesen sein.28 Trotz dieser Unzulänglichkeit leiteten weder Stadt noch kurfürstliche Verwaltung wirksame Maßnahmen ein. Auch die erneute Verhandlung der Sache am 13. Juni 1786 brachte zunächst keine entscheidenden Verbesserungen.29 Schwierigkeiten gab es auch in der Rheinstraße. Dort klagten die Anwohner über den unerträglichen Gestank, der von den neuen überwölbten Kanälen ausging.30

 

Vor dem Baubeginn des die ganze Stadt umfassenden Kanalsystems (1892) war die Entwässerung der Stadt mangelhaft. Sie erfolgte – wie bereits in den Abschnitten zuvor dargestellt – meist oberirdisch durch die Straßenrinnen. Kurzum: Die wenigen vorhandenen Kanäle waren völlig unzureichend und zum Teil defekt. So wurden die Gebiete im Bereich des Rhein- und Moselufers durch Stichkanäle entwässert. Da die Spülung mangelhaft war und das Gefälle nicht ausreichte, war die Funktion dieser Kanäle regelmäßig durch Schlammmassen beeinträchtigt. Darüber hinaus gab es einen noch aus kurfürstlicher Zeit stammenden Hauptkanal. Dieser war einst zur Entwässerung eines Teils der Neustadt angelegt worden. Er begann am Altlöhrtor und führte über Clemensstraße und die Nordseite des Clemensplatzes bis zum ehemaligen Freihafen am Rheinufer, der sich auf Höhe des Regierungsgebäudes (heute Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung) befand.31

 

Im kurfürstlichen Stadterweiterungsgebiet waren im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts weitere Kanäle angelegt worden. Sie führten unter dem Schloss hindurch zum Rhein. Über diese Kanäle wurde das Oberflächenwasser der Neustadt, des Schlossrondells und der Schlossstraße abgeleitet. Von einer Kanalisation im heutigen Sinne konnte allerdings nicht die Rede sein. Das Ganze war uneinheitlich geplant worden und hatte daher erhebliche Mängel. So wurde in der Schlossstraße das Wasser über Rinnen abgeführt, die im Winter vereisten.32 Weitere Kanäle wurden im Bereich des ersten preußischen Stadterweiterungsgebietes angelegt. Einer dieser Kanäle führte vom Löhrrondell und dem angrenzenden Gelände über einen alten Graben der kurfürstlichen Stadtbefestigung zum Moselufer. Ein weiterer Kanal wurde im Bereich des heutigen Friedrich-Ebert-Rings angelegt. Die Entwässerung erfolgte über einen Graben der zur Pfaffendorfer Brücke führenden Verbindungsbahn.33 Da dieses Gebiet im Zuge der Aufgabe der Festung und der Entstehung der Südlichen Vorstadt völlig umgestaltet wurde, ist die exakte Situation heute schwer zu rekonstruieren.

 

Insgesamt müssen die Verhältnisse jedoch sehr unbefriedigend gewesen sein, da die Abflussrinnen oft ganz offen lagen und bestenfalls mit Holzbohlen abgedeckt waren. Dafür spricht auch folgende Beschwerde der Fortifikation Koblenz über Probleme in der südöstlichen Altstadt bei Oberbürgermeister Abundius Maehler vom Juni 1837: „[...] Die aus der Straße genannt Vogelsang vor dem Proviantamt vorbeiführende Clemensplatz-Straße hinabfließende Rinne trifft dort etwa rechtwinklig in die mit recht gutem Gefälle versehene Rinne der letzteren Straße ein, und der Abfluss, das mit sehr vielen Seifentheilen beständig verunreinigten Wassers geht […] unter einem [...] Bohlenbrückchen links ab. Wenn diese Balken nicht täglich gehoben und dieser verdeckte Rinnentheil nicht täglich gereinigt wird, womit ein Stadtknecht [...] beauftragt ist, so verdickt sich dieses Seifenwasser so sehr, daß es nachher auch in der offenen Rinne sehr schlecht abfließt und einen sehr üblen Geruch unmittelbar vor dem Proviantamtgebäude verbreitet. [...]“34

 

Erst 1883 wurde eine erste Kanalstrecke im heutigen Sinne angelegt, die später in das neue System der Stadt integriert wurde. Das Konzept stammte aus der Feder des Koblenzer Stadtbaumeisters Hermann Antonius Nebel (1816–1893). Das Material lieferte die Firma Dykerhoff & Widmann. Gebaut wurde ein eiförmiger Betonkanal mit einer Höhe von 1,20 Metern und einer Breite von    80 Zentimetern.35 Eingebunden wurden genau die Bereiche der Altstadt, in denen die Entwässerung schon immer Probleme bereitet hatte. Dieser Kanal begann in der Kornpfortstraße und führte über Entenpfuhl und Görgenstraße zum Altlöhrtor. Die Maßnahmen führten dazu, dass man in diesem Bereich zumindest das Regenwasser in den Griff bekam. Alle anderen Probleme mussten aber im Zuge einer umfassenden Gesamtplanung gelöst werden. Auch als Hermann Antonius Nebel sein Projekt vollendet hatte, war es so, dass Häuser und Höfe bestenfalls über verdeckte Rinnen entwässert wurden, die direkt aus den Hausfluren kamen. Die Regel war aber nach wie vor, dass Abwasser und Unrat in Senkgruben geleitet werden mussten, die meistens undicht waren und spätestens, wenn sie überliefen, den Untergrund verseuchten. Die Situation sollte sich erst grundlegend ändern, als die Aufgabe der preußischen Stadtbefestigung den Weg für ein Gesamtkonzept frei machte.36

 

3. Wohin mit Abfall und Fäkalien?

 

I

n kurfürstlicher Zeit waren in erster Linie die Bürger verpflichtet, die Straßen reinzuhalten. Doch diese erfüllten ihren Verpflichtungen entweder nachlässig oder überhaupt nicht. Das geht aus einer Bestandsaufnahme von Peter Andreas Bourmer vom Februar 1793 hervor. Der kurfürstliche Hofrat bemängelte, dass Hauseigentümer ihre Reinhaltepflicht auf den Straßen nicht erfüllten und erinnerte an einen entsprechenden kurfürstlichen Erlass vom Dezember 1769.37 Dass die schlechten hygienischen Verhältnisse in der Stadt auf Dauer kein Zustand sein konnten, war den Verantwortlichen durchaus bewusst. So stellte der kurfürstliche Hofrat und Landphysikus J. J. Foelix im Juli 1794 gleich einen ganzen Forderungskatalog auf. In einem Brief an den Kurfürsten wies er darauf hin, dass er in den vergangenen Jahren bereits mehrmals auf die Missstände in der Stadt hingewiesen hatte und betonte, dass es schon allein aus Gründen der Gesundheitsvorsorge erforderlich war, die Luft reinzuhalten und die Qualität der Lebensmittel zu überwachen. Vor allem für die warmen Sommertage forderte er die regelmäßige Reinigung und Befeuchtung der Straßen. Darüber hinaus plädierte er für eine klar geregelte Abfuhr des Kehrichts und das Vorhandensein von sogenannten „Straßeneimern“ als Behälter für den abzufahrenden Unrat. Foelix forderte darüber hinaus ein Verbot der Unsitte, Fäkalien und Abwässer aus den Häusern über die Rinnsteine zu entsorgen. Als besonders schlecht kritisierte der Landphysikus die Verhältnisse im Bereich des Barbaraklosters, wo nicht nur der frühe Hospitalbetrieb, sondern auch ein Gefängnis für unerträgliche Zustände „[...] zum Nachtheil dieses Klosters und der Nachbarschaft [...] sorgte. […]“38 Die kritischen Beobachtungen des Landphysikus zeigen, dass die ausgedehnten Diskussionen des 18. Jahrhunderts um die Einführung oder eine Verbesserung der sogenannten „Medicinalpolizey“ auch in der kurfürstlichen Residenzstadt Koblenz angekommen waren. Kein Wunder: Die breite Debatte um das öffentliche Gesundheitswesen hatte gerade im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts zu einer umfassenden Fachpublizistik geführt, in der sich neben Staatsphilosophen und Kameralisten vor allem aufstrebende Ärzte hervortaten. Ganz so neu, wie es scheint, waren die Gründe für die wissenschaftliche Auseinandersetzung allerdings nicht. Erst kürzlich hat Caren Möller darauf hingewiesen, dass bereits im 16. und 17. Jahrhundert Schriften erschienen waren, die den Schutz der Gesundheit zunächst dem städtischen, später dem landesherrlichen Aufgabenbereich zuwiesen. Die Autoren im Zeitalter der Aufklärung konnten somit auf bestehenden Ideen aufbauen. 39

 

Zu den herausragenden Autoren, die die Notwendigkeit einer öffentlichen Gesundheitspflege propagierten, gehörte der bereits von seinen Zeitgenossen hoch geschätzte Johann Peter Frank (1745–1821). Zwar ist dem deutschen Mediziner gerade in der jüngsten Forschung seine herausragende Stellung als Begründer der öffentlichen Hygiene abgesprochen worden, doch bleibt es Franks Verdienst, dass er sich nicht auf Einzelprobleme konzentrierte, sondern alles unter die Lupe nahm, „was von der Erzeugung bis zum Tode und zur Beerdigung der Sterblichen die öffentliche Gesundheitspflege betrifft“.40 Trotz ihres kritischen Ansatzes räumt auch Caren Möller ein, dass der spätere Leibarzt des russischen Zaren Alexander I. die damalige Diskussion maßgeblich beeinflusst hat. Dafür spricht auch der große Erfolg seines sechsbändigen Werkes „System einer vollständigen medicinischen Policey“, das 1779 veröffentlicht wurde. Eine Neuauflage der ersten drei Bände erfolgte bereits 1787. Und nicht vergessen werden darf, dass Professor Frank, der in Göttingen und Pavia lehrte, die grundlegende Modernisierung des Allgemeinen Krankenhauses in Wien prägte.41 All diese Fakten waren auch in Koblenz bekannt. Es kommt nicht von ungefähr, dass in kurfürstlicher und auch in französischer Zeit immer wieder auf die hygienischen Zustände in Koblenz geachtet wurde. Trotz dieser Vorstöße dauerte es noch weit bis ins 19. Jahrhundert hinein, bis es so etwas wie eine geregelte Reinigung der örtlichen Straßen gab. Und auch die französische Besatzungszeit änderte trotz der fortschrittlichen Gesetzgebung in der Ära Napoleons an dieser Tatsache wenig.

 

Es ist bezeichnend, dass eine der ersten Taten der Preußen im Rhein-Mosel-Departement der Versuch war, das Problem unsauberer Straßen und Gewässer in den Griff zu bekommen. Bereits im Mai 1814 erließ der „General-Gouverneurs-Commissaire für das Rhein-Mosel-Departement“, Ludwig Freiherr von Vincke, eine Verordnung, um „Frevel“ auf Straßen und an Bächen zu verhindern, weil „[...] sehr viele Eigenthümer den Gesetzen und Polizei-Verordnungen, welche für die Erhaltung der Straßen und Bäche ergangen sind, zuwiderhandeln, daß sich diese Frevel allgemein verbreitet haben, wodurch der so nachtheilige Fall eintreten könnte, daß in wenig Jahren die Straßen, Leinen-Pfade, Freiufer und Brücken dergestalt verwüstet werden, daß man zu ihrer gänzlichen Wiederherstellung bedeutende Summen verwenden müsste. [...]“42 Vinckes Anordnung mit insgesamt zehn Einzelvorschriften zielte nicht nur auf die Zustände in den Gemeinden. Er wollte auch verhindern, dass die Gräben an den Landstraßen als „Deponien“ für Hausabfälle und Bauschutt missbraucht wurden. Streng untersagt war es weiterhin, Wasserläufe auf eigene Faust zu ändern. Das war vor allem eine Warnung an die Müller.43 Und dem Koblenzer Oberbürgermeister Mazza hatte der „Commissaire“ bereits im März klargemacht, dass Unterhaltung und Säuberung der Koblenzer Straßen ausschließlich eine Sache der Gemeinde war.44 Die Praxis sah anders aus. Man hielt am Prinzip aus kurfürstlicher Zeit fest, die Sorge um die Reinheit der Straßen den Hauseigentümern zu überlassen. Allerdings wurden private Fuhrunternehmen oder Landwirte beauftragt, den zusammengekehrten Unrat abzufahren. Die Polizeiverordnung vom 15. November 1816 ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass das Prinzip auch für den „Winterdienst“ galt. Die Vorgaben waren nicht neu. Es ging darum, „[...] dem Publikum [...] seit längerer Zeit schon bestehende zweckmäßige Vorschriften in Erinnerung zu bringen. [...]“45 Die Verordnung hatte folgende Kernpunkte:

 

* Jeder Grundeigentümer wurde verpflichtet, vor seinem Grundstück auf der ganzen Länge der Straßenfront den Bürgersteig, den Rinnstein und die Straße selbst zu reinigen.

* Die Reinigung musste dreimal in jeder Woche erfolgen, und zwar dienstags, donnerstags und samstags jeweils in den Morgenstunden spätestens bis neun Uhr.

* Der Rinnstein sollte „aufgeschippt“ werden. Das galt auch bei Frost und ganz besonders bei Tauwetter. Unrat von Bürgersteigen und Straßen sollte ebenso wie das „aufgehauene Eis“ im Rinnstein zu Haufen zusammengefegt werden.

* Die Verpflichtung zur Reinigung der Fahrbahn galt jeweils für die halbe Fahrbahnbreite. Gab es unmittelbar gegenüber keine Nachbarn oder öffentliche Plätzen und Ufer, mussten die Hauseigentümer die gesamte Fahrbahn in ihrem Abschnitt reinigen. Eigentümer von Eckhäusern waren darüber hinaus zur vorschriftsmäßigen Reinigung der Straßen längs beider Häuserfronten verpflichtet.

* Die Karren zur Abfuhr der „zusammengefegten Kothhaufen“ fuhren dienstags, donnerstags und samstags um 9 Uhr durch die Stadt. Die Fuhrleute kündigten sich mit einer Glocke an. Die Haus- und Grundeigentümer waren verpflichtet, den Fuhrleuten beim Aufladen zu helfen.

* Sobald die Straßen mit Glatteis überzogen waren, bestand eine Räum- und Streupflicht.

* Haushaltsabfälle und Scherben durften auf keinen Fall auf die Straße geschüttet werden, Gleiches galt für Flüssigkeiten.

* Konnten die Hauseigentümer ihre Verpflichtungen nicht erfüllen, mussten die Aufgabe Wirte oder Mieter übernehmen. Natürlich hatten die Eigentümer auch die Möglichkeit, einen Verwalter einzusetzen, der dann ihre Verpflichtungen übernahm.

 

Die Polizeidirektion gab deutlich zu verstehen, dass es um die Gesundheit sowie die „öffentliche Sicherheit und Bequemlichkeit der Einwohner“ gehe. Für den Fall des Zuwiderhandelns kündigte die Polizeidirektion strenge Strafmaßnahmen an, die unnachsichtig angewendet werden sollten.46

 

Später sollten die Vorschriften weiter verfeinert werden, wobei man aus anderen Städten wie zum Beispiel Köln oder Trier Musterverordnungen anforderte. Am Prinzip der „Bürgerbeteiligung per Erlass“ und dem Abtransport des Unrats durch private Fuhrunternehmer oder Landwirte aus der unmittelbaren Umgebung änderte sich jedoch nichts. Letztere sammelten den Unrat von den Straßen – das war in der Regel der Kot von Schweinen und Pferden – und düngten damit ihre Felder. Von einer geregelten Abfuhr und Straßenreinigung konnte jedoch in Koblenz lange nicht die Rede sein. Das zeigen auch die Ausführungen von Abundius Maehler. Der Oberbürgermeister hatte noch in der Sitzung der Stadtverordneten am 1. Februar 1819 über die Unzuverlässigkeit der Abnehmer des „Gassendüngers“ geklagt. Die kamen in der Regel aus der Nachbargemeinde Neuendorf. Die nachlassende Qualität des natürlichen Düngers ließ jedoch das Interesse von Landwirten und Fuhrleuten schwinden.

 

Die Gründe für diesen Qualitätsverlust lagen auf der Hand: Polizeidirektor Johann Heinrich Weber hatte es nämlich bereits 1816 untersagt, Schweine auf der Straße herumlaufen zu lassen – die Haltung von Schlachttieren in der Innenstadt war bis dahin noch an der Tagesordnung gewesen. Nach diesen behördlichen Beschränkungen war die Stadt gezwungen, Fuhrleute für die Abfuhr des Unrats zu bezahlen. Allerdings scheint der ursprünglich eingeplante Lohn für diese Arbeit nicht sonderlich hoch gewesen zu sein. Nur mit Mühe fand der Oberbürgermeister 1819 einen Fuhrunternehmer aus Neuendorf, der bereit war, die Aufgabe zu übernehmen. Der Fuhrmann setzte sogar eine beachtliche Entlohnung in Höhe von 1200 Francs jährlich durch. Da es zu dieser Zeit keine Alternative gab, segneten die Stadtverordneten die Forderung des Neuendorfers ab. Auf Dauer war den Stadtvätern diese Lösung jedoch zu teuer, sodass man bereits ein Jahr später dazu überging, die „ausgeschriebenen“ Leistungen öffentlich zu versteigern. Ein anderer Neuendorfer erhielt schließlich den Zuschlag – er erledigte die Arbeit für 780 Francs jährlich. 1838 zahlte die Stadt 53 Taler für die gleiche Aufgabe.47 Doch dieser Preis war auf Dauer nicht zu halten, weil nicht nur die Abfallmengen wuchsen, sondern auch die Qualität des „Naturdüngers“ ständig sank. Ein Grund hierfür war die Tatsache, dass immer mehr Menschen mit Kohle anstatt mit Holz heizten. Die verbrannte Braun- oder Steinkohle wurde einfach auf den Straßen „entsorgt“. Dazu kam eine enorme Zunahme von Scherben, da Keramik längst zu einer industriell gefertigten preiswerten Massenware geworden war. Die Reinigungskosten stiegen für die Stadt rapide an.

 

Es war allerhöchste Zeit, verbindliche Vorschriften zu erlassen, die den tatsächlichen Verhältnissen auch wirklich entsprachen. Nach der Trennung von Polizei- und Gemeindeverwaltung entstand schließlich die Straßenreinigungsordnung, die am 2. Dezember 1852 als Polizeiverordnung erlassen wurde. Eine Folge der schärferen Bestimmungen war, dass die Fuhrunternehmer neue Verträge durchsetzten, weil nun mehr Arbeit auf sie zukam. Die jährlichen Kosten für die Abfuhr stiegen von 80 Talern zeitweise auf 2348 Taler, bevor es in den 1860er-Jahren gelang, das Honorar wieder auf 800 bis 1000 Taler zu senken. 1866 übernahm Freiherr von Chlendowski, ein Gutsbesitzer auf dem Oberwerth, die Abfuhr für 800 Taler.48

Nicht nur für den „Naturdünger“ von den Straßen, sondern auch für die allgemeine Straßenreinigung musste auf Dauer eine Lösung gefunden werden. Noch im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts war es üblich gewesen, den gesamten Unrat und Kehricht aus Häusern und Küchen einfach auf die Straße zu schütten. Allerdings sorgte die Stadt dafür, dass die Hausabfälle dreimal wöchentlich mit einem Karren abgefahren wurden – wohl ohne die Bürger an den Kosten zu beteiligen. Erklang eine Schelle, waren Hauseigentümer und -bewohner allerdings verpflichtet, beim Aufsammeln dieser Abfälle zu helfen. Aus dem Juli 1829 ist überliefert, dass die Stadt einen Mann verpflichtete, der für einen Lohn von jährlich 120 Talern alle öffentlichen Plätze, Straßen und Kanäle reinigen musste. Dennoch: Das achtlose Fortwerfen des Unrates konnte kein Dauerzustand sein und wurde deshalb auch konsequenterweise verboten. Die Anlieger mussten sich nun verpflichten, die Abfälle in Körben oder anderen Gefäßen zu sammeln und an die Haustüren zu stellen. Von dort wurde der Unrat zusammen mit dem Straßenschmutz abgefahren.49

 

Später fuhr die Stadt den Hausmüll mit geschlossenen Kehrichtwagen ab, die eigens zu diesem Zweck angeschafft worden waren. Wie diese Wagen aussahen, kann mithilfe der Akten nicht ausreichend erschlossen werden. Es dürfte sich um Kastenwagen mit schiefstehenden Wänden und Klappdeckeln gehandelt haben, wie sie der frühere Direktor der Stadtreinigung in Nürnberg, Dr. Rolf Pohle, beschrieben hat. Der Nachteil: Die Fuhrwerke waren nicht 100-prozentig dicht, zudem fiel der Müll beim Leeren der Gefäße (die damals noch nicht genormt waren) auf die Straße.50 Zu Beginn des 20. Jahrhunderts versuchte man deshalb vielerorts ein staubsicheres System einzuführen: Asche machte damals auch in Koblenz noch einen wesentlichen Teil der Hausabfälle aus. Das Vorhandensein einer geregelten Abfuhr sagte allerdings noch lange nichts über die Straßenreinigung aus. Im Gegenteil: Die Stadt nahm die Anlieger in die Pflicht. Sie sollten die Straßen selbst kehren. Der Kehricht musste so angehäuft werden, dass er problemlos abgefahren werden konnte. In der Praxis funktionierte das System der Bürgerbeteiligung jedoch nicht. Man hätte die Anlieger der jeweiligen Straßen ständig überwachen müssen, ob sie ihre Aufgaben vorschriftsmäßig erfüllten. Und so beschlossen die Stadtverordneten am 29. November 1911 endlich die Errichtung einer städtischen Kehrichtabfuhranstalt. Am 1. April 1912 folgten das entsprechende Ortsstatut und eine Gebührenordnung.51 Dieses Statut wurde Anfang April 1915 durch eine Neufassung abgelöst. Darin wurden unter anderem Hauseigentümer, Mieter und Gastwirte verpflichtet, die neue Abfuhranstalt gegen Gebühr in Anspruch zu nehmen.52

 

Trotz der insgesamt recht schleppenden Entwicklungen sollte man sich davor hüten, die Koblenzer Innenstadt generell als ungepflegt darzustellen. In den Haushalten war der Wiederverwertungsgrad nämlich wesentlich höher als heute. Abfall fiel nur dann an, wenn Materialien wirklich keinen Nutzen mehr brachten. Ein Blick auf viele Aufnahmen des ausgehenden 19. Jahrhunderts im Fotoarchiv des Stadtarchivs Koblenz zeigt: Abgesehen von den Spuren des regen Fuhrverkehrs in der Innenstadt dürften die Straßen nicht schmutziger gewesen sein als heute, zumal die Fäkalien eben nicht in den Straßenraum geleitet wurden. Für die Aufnahme von Exkrementen waren auf vielen Grundstücken gemauerte Abtrittsgruben angelegt worden. Die Verhältnisse in Koblenz unterschieden sich also nicht von denen in anderen deutschen Kommunen. Carl Hugo Lindemann stellte bereits 1901 fest, dass die Fäkalien in 80,33 Prozent der deutschen Städte in Gruben landeten. Berechnungsgrundlage waren 564 Städte im damaligen Deutschen Reich mit einer Größe ab 5000 Einwohnern. Das erstaunliche Ergebnis: Nur in 18 der untersuchten Kommunen (3,19 Prozent) wurden die Fäkalien direkt in die Schwemmkanalisation geleitet. Ebenfalls eine untergeordnete Rolle spielte die Einleitung der Fäkalien in transportablen Tonnen. Lediglich 24 Gemeinden (4,25 Prozent) hielten zum damaligen Zeitpunkt an diesem System fest. Dem standen 69 Städte (12,23 Prozent) mit einem gemischten System gegenüber – also mit getrennten Kanälen für Fäkalien und anderen Abwässern.53

 

Auf Gruben setzte man auch im Falle der Müllentsorgung. Ein Motiv hierfür mag gewesen sein, dass eine Abfuhr zu unzuverlässig und perspektivisch zu teuer war. Wie die Ausgrabungen des Landesamtes für Denkmalpflege im Gebiet der Koblenzer Altstadt belegen, gab es für diesen Unrat oft eigene Gruben, die auch noch Ende des 19. Jahrhunderts genutzt wurden. In Koblenz war es also nicht anders als in den meisten deutschen Städten, in denen man nach wie vor Gruben anlegte, um den Hausmüll zu sammeln. Diese Gruben wurden – wenn überhaupt – nur in unregelmäßigen Abständen geleert. Konkrete Zahlen sind aus München überliefert. 1854 gab es in der bayerischen Hauptstadt noch 1735 Müllgruben, in denen „Viehdünger“, Asche und Kehricht lagerten. Diese Gruben wurden nur einmal im Jahr geleert. Dabei wurde der Müll einfach in Körbe oder Karbidtrommeln geschaufelt und in offenen Wagen abtransportiert. Feinmüll wie zum Beispiel Asche rieselte durch und blieb liegen. Auch dort, wo die Müllgruben durch eine geregelte Abfuhr ersetzt worden waren, offenbarten sich schnell die Mängel des Systems. Die Abfuhrwagen waren ebenfalls offen und undicht, sodass der Abtransport oft wie im Falle der Senkgruben in die Nachtstunden verlegt wurde.54

 

Auch wenn der Zusammenhang von verseuchtem Grundwasser und Krankheiten wissenschaftlich noch nicht eindeutig erklärt und eine Beurteilung der Wasserqualität bis zum Ende der 1870er-Jahre nur nach Farbe, Geruch und Geschmack möglich war55, drängte auch die Koblenzer Verwaltung zunehmend auf die Beseitigung der Abfallgruben und auf einen absolut dichten Ausbau der Fäkaliengruben. Vor allem Landrat Freiherr von Frentz, der gleichzeitig auch der für Koblenz zuständige Polizeidirektor war, setzte sich für einschneidende Maßnahmen ein. Sein „Vortrag über die sanitätspolizeilichen Verhältnisse der Stadt Coblenz, mit Rücksicht auf die Trinkwasser-Frage“ wurde sogar gedruckt. Kein Wunder: Der Landrat referierte vor dem Zweigverein für öffentliche Gesundheitspflege. Der Herausgeber seiner Schrift ist der Frankfurter Arzt Dr. Georg Varrentrapp, der als der wichtigste Initiator des „Deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege“ und als einer der engagiertesten Vertreter der Hygienebewegung gilt.

 

Die Ausführungen des Landrats zeigten, dass die im ganzen Reichsgebiet gewonnenen neuen Erkenntnisse eben nicht spurlos an Koblenz vorbeigingen. In dem Aufsatz heißt es unter anderem: „[...] Während man bisher bemüht gewesen ist, alle Kirchhöfe aus den Städten zu entfernen, um nicht die nächstgelegenen Brunnen durch Fäulnisprozesse zu vergiften, ist man wegen der ähnlichen Gefahr bezüglich der Schlinggruben gänzlich gleichgültig geblieben: obgleich man von manchen Städten sagen kann, dass sie mitten auf einem von Fäulnis strotzenden Boden stehen; also ebenso schlimm daran sind, als ob ihre Häuser auf einem Kirchhofe ständen. Da die Schlinggruben selten gereinigt werden, so füllen sie sich stark mit Fäulnisgasen an, welche bei unvollständigem Abschlusse des Abtrittsitzes sich in dem Closett und in die Wohnstuben verbreiten. Man muss erstaunen, wie unvorsichtig und nachlässig man in dieser Beziehung in großen Städten ist und eine große Quelle der schädlichen Gase in den Wohnungen duldet. [...] Hier in Coblenz ist nur die Anlage von Schlinggruben im Wege der Polizeiverordnung eingeführt; freilich nicht für die Excremente, aber um das Ausgießen des Küchen-, Blut-, Wasch- und Farb-Wassers in die Straßenrinnen zu verhüten. Man übersah bei dieser Anordnung, dass hierdurch eine viel größere Gefahr für die Brunnen herbeigeführt wurde; denn selbst eine Schlinggrube für solche Ausgangsstoffe unterscheidet sich im Wesentlichen nicht viel von einer Kothschlinggrube, da ein solches Wasser stets animalische und andere Abfälle mit sich führt, welche denselben Fäulnisprozess wie die Excremente durchlaufen. [...]“56

 

Die Kritik des Landrates kam nicht von ungefähr. Die nach wie vor geltende Polizeiverordnung vom 2. Dezember 1852 regelte nur das Reinigen, Ausleeren und Abfahren der Abritte, Kloaken, Senken und Düngergruben. Diese Leerung musste auf polizeiliche Anordnung sofort erfolgen, andernfalls nach Anmeldung beim zuständigen Revier-Sergeanten, wobei eine Frist von sieben Tagen zu beachten war. Geleert werden durfte in den Sommermonaten erst nach 0 Uhr, in den Wintermonaten nach 23 Uhr. Die Räumung der Gruben musste saisonabhängig spätestens um 5 oder 6 Uhr beendet sein. Die Hauseigentümer hatten darauf zu achten, dass die Straßen mit Wasser gereinigt wurden.

 

Weiterhin hieß es: „[…] Die Ausführung und Abladung darf nur nach polizeilich zulässigen Stellen außerhalb der Städte erfolgen. Die zur Abführung dienenden Karren müssen dicht und wohl verschlossen sein, der Transport flüssiger Jauche darf nur in fest verschlossenen Fässern und Bütten erfolgen. Die Eigentümer der ausgeräumten Gruben sowie Arbeiter sind für alle Contraventionen und Verunreinigungen solidarisch verhaftet, sowohl hinsichtlich der Beseitigung als der Bestrafung. […]“57

 

Hinsichtlich der Abfallgruben ließ die Polizeiverordnung reichlich Interpretationsspielraum. Ein weiterer Mangel war, dass kein Turnus für die Grubenleerung vorgeschrieben war. Und schließlich wurde das Problem von der Straße weg verlagert. Das belegen auch entsprechende Notizen in den damaligen Koblenzer Tageszeitungen immer wieder. Demnach hatten die in den Innenhöfen gelegenen, nur selten geleerten Fäkaliengruben eine nur unzureichende Bretterabdeckung. Hin und wieder erfahren wir aus Berichten, dass Hausbewohner in diese Gruben hineinstürzten und beinahe ertrunken wären, wenn beherzte Nachbarn sie nicht gerettet hätten.58

 

Wenn überhaupt, wurden die Gruben von Landwirten und Fuhrunternehmern geleert, die den Unrat einfach in Fässer füllten und dann abtransportierten. Der Inhalt der Abortgruben diente zur Düngung der Felder in der Umgebung. Auch in diesem Fall waren es Bauern aus Neuendorf, die den „Naturdünger“ aus der Stadt nutzten.59 Erst Anfang der 1870er-Jahre setzte sich in Koblenz ein von der Kommune errichtetes Institut für die mechanische Entsorgung durch.60 Die dazugehörigen Maschinen wurden im Frühjahr 1872 angeschafft. Hersteller war die Kölner Firma Friedrich Duden & Comp. Die neuen Geräte waren zwar städtisches Eigentum, wurden aber nicht von kommunalen Bediensteten bedient. Im Mai 1872 schloss die Stadt Koblenz zunächst einen Dreijahresvertrag mit dem Metzger Josef Römer, dem Fuhrmann Heinrich Wallenborn, dem Ortsvorsteher Johann Höfer und dem Ackerer Jakob Grebel aus Metternich. Die Männer sollten für eine ordnungsgemäße Latrinenreinigung mit den neuen Maschinen sorgen. Wer den Reinigungsdienst in Anspruch nehmen wollte, musste sich in Listen eintragen. Wo diese ausgelegt waren, wurde in der Tagespresse bekannt gegeben. Der Einsatz folgte dann nach der Reihenfolge der Anmeldungen.61

 

Auch die neue Technik hatte ihre Tücken. So berichtete die „Coblenzer Volkszeitung“: Bei der in der Stadt eingesetzten „sogenannten geruchlosen Latrinenreinigungs-Maschine erwies sich, wie dies leider schon oft geschehen, die Ironie dieser Bezeichnung einmal wieder in der ekelhaftesten Weise, indem das Odeurfass platzte und gänzlich auseinander ging. Die demselben entströmenden Wohlgerüche füllten für einige Stunden die Luft mit einem unaussprechlichen Parfüm, vor welchem Thor und Thür, Fenster und Luftklappe geschlossen wurden und die Menschen mit geflügelten Schritten die Nase in der Hand Reißaus nahmen.“62 Meldungen wie diese waren kein Einzelfall. Schließlich sah sich die Königliche Polizeidirektion genötigt, die Polizeiverordnung vom 2. Dezember 1852 zu erweitern. In der „ergänzenden Polizeiverordnung“ vom 23. Juni 1881 durften Latrinen nur noch dann von Schlauch-Pumpapparaten gelehrt werden, wenn dies von der örtlichen Polizeibehörde genehmigt war. Darüber hinaus wurde vorgeschrieben, 24 Stunden vor der Latrinenreinigung den Inhalt mit „holzessigsaurem Eisenoxyd oder Carbolsäure“ zu desinfizieren.63

 

Wie es mit den öffentlichen Toiletten in der Stadt aussah, ist in den Quellen nur sporadisch überliefert. Fest steht, dass Ende des 19. Jahrhunderts öffentliche Bedürfnisanstalten errichtet wurden. Dass es früher ambulante Abtrittanbieter mit verstecktem Eimer wie zum Beispiel in Edinburgh, Frankfurt am Main oder Hamburg gab64, dürfte angesichts der recht bescheidenen Dimensionen der Stadt auszuschließen sein. Allerdings gab es auch im Koblenz des ausgehenden 19. Jahrhunderts mehrere öffentliche Bedürfnisanstalten, zum Beispiel am Plan, auf dem Görresplatz und am Löhrrondell. Es handelte sich um sogenannte Pissoirs, die ausschließlich Männern vorbehalten waren. Diese Anlagen bestanden aus Blech und wurden nicht ständig gewartet, sodass in unmittelbarer Nähe unangenehme Gerüche entstanden. Bis es in der Stadt Anlagen für Frauen und Männer mit ständiger Wartung gab, sollte es noch bis in die 1950er-Jahre hinein dauern. Wie andernorts auch setzte man in Koblenz bis weit in die 1880er-Jahre hinein darauf, das Reinigungs- und Entsorgungsproblem den Bürgern und privaten Anbietern zu überlassen. Lange beschränkte man sich darauf, Straßenreinigung und Müllbeseitigung mit Ortsstatuten und Polizeiverordnungen zu regeln. Sie waren der rechtliche Rahmen, in dem die beauftragten Unternehmen überwacht werden sollten. Mit zunehmendem Wachstum der Kommunen – wie es sich auch am Beispiel der Koblenzer Stadterweiterung zeigt – stellte sich schnell heraus, dass die private Organisation der Entsorgung viel zu leistungsschwach war. Auf der anderen Seite fehlten den Gemeinden die finanziellen Mittel, um leistungsfähige kommunale Strukturen aufzubauen. Es gab lange Zeit einfach keine einheitliche rechtliche Handhabe, die Bürger an den Entsorgungskosten zu beteiligen. Das sollte sich mit dem preußischen Kommunalabgabengesetz vom 14. Juli 1893 radikal ändern.65 Von nun an war es möglich, von den Bürgern Gebühren für Straßenreinigung und Müllabfuhr zu erheben. Diese Neuerung gab den Kommunen überhaupt erst die Möglichkeit, im Rahmen ihres Aufbaus der Leistungsverwaltung stufenweise starke Eigenbetriebe für die Stadtreinigung aufzubauen. 66 Ein anderer Aspekt war, dass man die Bürger nun auf einer gesicherten rechtlichen Grundlage verpflichten konnte, bestimmte kommunale Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Dies dokumentiert auch die Koblenzer Polizeiverordnung vom März 1896, in dem Grundeigentümer endgültig dazu verpflichtet wurden, ihre bebauten Parzellen an die neue städtische Wasserleitung anschließen zu lassen.67 Erstaunlich lange hielt sich dagegen das alte Prinzip, die Bürger praktisch an der Reinhaltung ihrer Stadt zu beteiligen. Dieser Grundsatz wurde in der Polizeiverordnung vom Juli 1902 noch einmal betont68 und im Juni 1905 auf die neuen Stadtteile ausgedehnt.69 Immerhin kümmerte sich die Stadtverwaltung auch weiterhin um die Abfuhr des von den Bürgern angehäuften Kehrichts. So wurden im März 1902 zwölf von der Firma Salubrita hergestellte Kehrichtwagen gekauft und am 1. April im ganzen Stadtgebiet in Betrieb genommen.70

 

In Koblenz arbeitete man nach einem ähnlichen Prinzip wie in Bonn. Weil man noch die Gründung eines Eigenbetriebes oder Amtes für Stadtreinigung und -entsorgung scheute, nahm man nur die unbedingt erforderlichen Investitionen vor. So kam es zu der aus heutiger Sicht sehr merkwürdigen Konstruktion, dass die Stadt zwar die Kehrichtwagen stellte, die Zugtiere und das zur Bedienung der Geräte und zur Reinigung der öffentlichen Plätze benötigte Personal aber weiterhin von privaten Unternehmern gestellt wurden. Der Tatsache, dass dies nur eine Übergangslösung sein konnte, war man sich durchaus bewusst. So übernahm man in Bonn bereits am 1. April 1902 die eingesetzten Arbeiter in städtische Dienste.71 Während sich in den größeren Städten wie zum Beispiel Nürnberg relativ schnell kommunale Betriebe bildeten, die nach der Einführung der Müllabfuhr der Abfallentsorgung in den Gruben der Hinterhöfe ein schnelles Ende bereiteten, sollte es in Koblenz noch einige Zeit dauern, bis die Stadt die Entsorgung selbst übernahm – und das, obwohl man sich bereits früh in anderen preußischen Städten, zum Beispiel in Aachen, Duisburg, Köln und Mülheim an der Ruhr, über die Organisation des dortigen Abfuhrwesens informiert hatte. Dennoch vertraute man weiterhin den privaten Fuhrunternehmen. Immerhin machte die Polizeiverordnung vom Juli 1902 endgültig den Weg für das damals noch relativ neue System der „staubfreien“ Abfuhr frei. Damit setzte sich endgültig die regelmäßige Abfuhr des Hausmülls durch. Die Gefäße konnten nun in geschlossenen Müllkutschen entleert werden. Dieses System hatte sich 1905 auch in Koblenz etabliert.72 Wie diese Pferdefuhrwerke aussahen, hat Rolf Pohle wie folgt beschrieben: „Die oben offenen Kastenwagen waren auf Federn gebaut und mit einem durchlaufenden Vordergestell versehen. Auf beiden Seiten und an der Rückfront waren Doppeltüren für den Belade- und Entleerungsvorgang angebracht. Die Kastenhöhe betrug 4 m, die Breite 1,35 m und der Laderaum 4 cbm. Die Gesamthöhe von Grund bis Kastenoberkante lag bei 2,05 m und das Leergewicht [bei] 1,74 t. Am Kastenwagen befand sich ein mit Rollen verschiebbarer Rahmen, auf dem ein viertelkreisförmiges Schutzgehäuse angebracht war. In diesem drehte sich eine Kippmulde zur Aufnahme des zu entleerenden Müllgefäßes. Am hinteren Rahmen bildete ein Querschütz den Abschluß. Der vordere Rahmenteil stand in Verbindung mit einem Wellblechrolladen. Beim Verschieben des Rahmens nach rückwärts wurde der Rolladen nachgezogen und somit war der Kastenwagen deckelartig nach oben abgeschlossen und eine ,staubfreie Abfuhr‘ erreicht. Diese Rolladenkonstruktion war patentiert (DRP). Beim Beladevorgang stand ein Mann an der Kippmulde im Wagen, dem ein zweiter Mann das volle Müllgefäß übergab. Das Müllgefäß wurde in die Kippmulde eingeschoben. Mit einer Kurbel erfolgte eine halbe Umdrehung zur Entleerung der Gefäße. Zunächst wurde im Fahrzeug selbst das erste Drittel des Kastens befüllt. Dann mußte mit einer Winde der Rahmen mit Schütz- und Kippvorrichtung nach hinten verschoben werden. Hierbei zog sich gleichzeitig der Rolladen nach und dichtete den Wagen nach oben staubdicht ab. Im Zuge der weiteren Beladung konnte in gleicher Weise auch das letzte Drittel befüllt werden. Bei der Entleerung des Fahrzeuges auf der Mülldeponie öffnete das Personal die drei Türen nach vorheriger Entfernung des Schutzes und entsprechender Verschiebung des Rahmens, wobei der Rolladen sich selbsttätig wieder aufrollte.“73 Eine Alternative zum beschriebenen System war das sogenannte Wechseltonnensystem, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts erstmals in Kiel eingeführt wurde. Wie der Name schon sagt, tauschte man volle „Einheitsmülltonnen“ in einem fest geregelten Turnus gegen leere aus. Auch in Koblenz liebäugelte man zunächst mit diesem System und ließ sich Unterlagen aus Freiburg kommen. Allerdings entschied man sich am Ende doch für die „staubfreien“ Abfuhrsysteme. Beide Varianten führten am Ende dazu, dass die Müllgefäße genormt waren und damit einheitliche Größen erhielten.

 

In allen Fällen handelte es sich um eine deutsche Weiterentwicklung eines Müllentsorgungssystems, das seine Anfänge ebenfalls in England genommen hatte. Von entscheidender Bedeutung waren auch die Fortschritte in der Fahrzeugtechnik, die eine staubfreie Entsorgung des Hausmülls – der meistens einen starken Anteil von Heizrückständen aus den Öfen enthielt – überhaupt erst möglich machte. Erledigten die Aufgabe des Transports lange Zeit die Pferdefuhrwerke, wurde 1911 mit der Inbetriebnahme eines elektrisch angetriebenen Wagens eine neue Ära eingeleitet. Kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurden in Hamburg die ersten Müllabfuhr-Automobile in Betrieb genommen. Nach dem Krieg war es dann die Friedrich Krupp AG, die die ersten Großraum-Müllfahrzeuge herstellte.74 Trotz aller ungelösten Umweltprobleme sollte sich Deutschland in den 1920er-Jahren zu einem Vorbild entwickeln, denn die geregelte und staubfreie Entsorgung von Müll in standardisierten Gefäßen war längst nicht überall selbstverständlich.75 Und auch im Deutschen Reich selbst hatten längst nicht alle Städte dieses System eingeführt. So hatten sich 1934 nur 28 der 51 deutschen Städte über 100.000 Einwohner für die staubfreie Müllentsorgung entschieden, von den 48 größeren Mittelstädten sogar nur 22. In den 164 kleinen Mittelstädten mit einer Größe von 20.000 bis 50.000 Einwohnern sah die Relation noch schlechter aus: Nur 44 dieser Städte hatten sich für das System entschieden. Eine zu vernachlässigende Größe waren die Kleinstädte. Nur 31 von ihnen entsorgten ihren Müll staubfrei.76

 

Das Frankfurter Beispiel zeigt, dass der Trend zur kommunalen Entsorgung schon lange vor der entsprechenden Gesetzgebung eingesetzt hatte. Bereits 1872 wurde in der Stadt ein eigenes Fuhramt gegründet, aus dem sich 1902 schließlich ein städtischer Eigenbetrieb bildete. Dort gab es anfangs vor allem ein Problem nicht – die Müllberge vor den Toren der Stadt. Die enormen Mengen von Hausmüll im heutigen Sinne sollten erst mit der fortschreitenden Industrialisierung und dem Trend zum Fertigprodukt entstehen. Ursprünglich war die Deponierung durchaus geeignet, den meist natürlichen Müll in den Griff zu bekommen. Und wieder war es in Frankfurt, wo bereits früh Alternativen zu den wachsenden Müllhalden vor den Toren der Stadt entwickelt wurden. Bereits 1901 dachte man über den Bau einer Verbrennungsanlage nach, um die wachsenden Mengen des nicht verwertbaren Mülls Herr zu werden. In England war man zu dieser Zeit noch wesentlich weiter. 1896 waren auf der Insel bereits 70 Müllverbrennungsanlagen in Betrieb. Die erste deutsche Müllverbrennungsanlage wurde 1894 in Hamburg errichtet. Sie hatte 36 Ofenzellen.77 Weitere Anlagen folgten zum Beispiel 1904 in Beuthen, 1905 in Kiel und Wiesbaden. Ebenfalls 1905 beschloss man in Frankfurt, das im Bereich der Abwasserreinigung im Deutschen Reich eine Vorreiterstellung eingenommen hatte, den Bau einer kombinierten Müll- und Schlammverbrennungsanlage. Dieses System sollte auf dem europäischen Kontinent das erste seiner Art sein. Vier Jahre später wurde die neuartige Anlage in Betrieb genommen. Schließlich wurden 60 Prozent des Hausmülls dort verbrannt. Allerdings galt die Technologie der Anlage schnell als teuer und überholt, sodass sie 1923 abgestellt wurde. Die Müllverbrennungsanlagen jener Zeit arbeiteten nur dann reibungslos, wenn ihnen erhebliche Mengen Brennstoff zugeführt wurden. Die Heizabfälle reichten dazu bei Weitem nicht aus, weil in Deutschland überwiegend mit Braunkohle geheizt wurde. Anders England: Dort wurde überwiegend mit Steinkohle geheizt, deren Rückstände sich in den Verbrennungsanlagen besser verwerten ließen.78 Schließlich schwenkte die Frankfurter Verwaltung auf das Konzept stadtnaher Deponien um, das sich wiederum zu einer erheblichen Belastung entwickeln sollte.79 Mit diesem Problem stand Frankfurt natürlich nicht allein. Auch andere Städte rückten von der Müllverbrennung ab oder verzichteten auf den Bau entsprechender Anlagen. Ein Beispiel hierfür ist Nürnberg, wo man ursprünglich auf die thermische Müllverwertung zur Energieerzeugung setzte, sich aber spätestens 1934 von den ehrgeizigen Plänen verabschiedete.80

 

1910 ergab eine Umfrage der Zentralstelle des Deutschen Städtetags, dass von 120 Städten mit mehr als 25.000 Einwohnern 115 auf die Müllablagerung ohne besondere Schutzmaßnahmen setzten – und das, obwohl schon damals Hygieniker vor dramatischen Folgen für Wasser, Boden und Luft warnten.81 Über viele Jahre wurde der Müll einfach in abgebaute Kies- und Tongruben gebracht oder in aufgegebenen Steinbrüchen und nicht mehr genutzten landwirtschaftlichen Flächen gelagert. Gab es im Umland keine Möglichkeit, den Unrat auf diese Weise zu entsorgen, entstanden Müllhügel, wie dies zum Beispiel in Leipzig der Fall war.82

 

Auch wenn sich in den meisten Städten die unkontrollierte Deponierung durchgesetzt hatte, dachte man schon sehr früh intensiv über eine Wiederverwertung von Abfällen nach. So wurde bereits 1907 in Charlottenburg nach dem amerikanischen Vorbild die geteilte Müllabfuhr eingeführt, und dreiteilige Müllbehälter wurden aufgestellt. Asche und Kehricht sowie Küchenabfälle und sonstiger Müll wurden getrennt abgefahren.83 Die ersten frühen Systeme zur Mülltrennung wurden schließlich ausgebaut – vor allem in Notzeiten, als sich infolge der Kriegsvorbereitung und -führung der Rohstoffmangel bemerkbar machte. Eine teilmechanische Sortieranlage wurde bereits 1898 von einem privaten Unternehmen in Puchheim bei München in Betrieb genommen. Das Verfahren wurde ebenfalls aus den USA importiert, wo es sich durchgesetzt hatte. In Deutschland blieb diesen Systemen eine flächendeckende Einführung verwehrt, weil sie im Vergleich zu Deponierung, Kompostierung und Verbrennung nicht wirtschaftlich genug erschienen. Somit wurden wieder einmal die Weichen in eine falsche Richtung gestellt, zumal in den Deponien – wenn überhaupt – die Probleme rund um Sickerwasser und Geruchsbelästigung nur unter Einsatz sehr primitiver Untergrundabdichtungen gelöst wurden. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die ersten „geordneten“ Deponien mit einer Basisabdichtung aus Lehm und Kunststoffplanen angelegt.84

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4. Der städtische Fuhrpark

 

M

it dem traditionellen System, die kommunalen Entsorgungsverpflichtungen privatwirtschaftlich zu lösen, war die Stadtverwaltung sehr unzufrieden, zumal es keine Kostentransparenz gab. Darüber hinaus belegen die Akten seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert immer wieder, dass die Fuhrleute die Abfuhr des „Straßenkehrichts“ mehr schlecht als recht erledigten. Umgekehrt machte die örtliche Fuhrherren-Vereinigung immer wieder Druck. So beschwerte sie sich darüber, dass die Stadt Aufträge unter der Hand an Billiganbieter vergab.85

 

Oft musste seitens der Stadt wesentlich mehr gezahlt werden, als eigentlich vereinbart war. Das zeigte zum Beispiel auch die Rechnungsprüfung vom Mai 1918. Das Rechnungsamt bemängelte, dass der Fuhrunternehmer Jäckel für seine Leistungen im Jahr 1916 mehr Geld erhalten hatte, als ihm vertragsmäßig zustand. Doch die Sache war rechtmäßig. Entsprechende Belege waren im Tiefbauamt ausgestellt und an die Stadtkasse zur Auszahlung weitergegeben worden.86 Das Beispiel zeigt: Art und Umfang privater Leistungen standen nicht umsonst immer wieder auf dem Prüfstand. Schon allein aus Kostengründen entschied man sich ausgerechnet im extrem schweren Kriegsjahr 1917 zur Gründung eines eigenen Fuhrparks. Das Personal rekrutierte man aus 20 kriegsuntauglichen Fuhrleuten und Arbeitern. 16 Pferde standen zur Verfügung, um die Kehrichtwagen zu bewegen.87 Finanziert wurde das Ganze nach dem kommunalen Abgabengesetz über Abfuhrgebühren. Der neue Fuhrpark und seine Mitarbeiter waren allerdings nicht so leistungsfähig, dass man ganz auf private Fuhrunternehmer verzichten konnte. Diese übernahmen zum Beispiel die Müllabfuhr in den zahlreichen Hotels der Stadt. Doch die Schwierigkeiten ließen nicht lange auf sich warten, denn auch die Privatunternehmen kamen mit den Müllbergen nicht zurecht, die die amerikanische Besatzung seit Kriegsende hinterließ. Die hatte nämlich eine Reihe von Hotels für ihre Zwecke beansprucht. Die Stadtverwaltung versuchte, die Amerikaner zu disziplinieren, indem sie die Müllabfuhr an den Hotels zeitweise ganz einstellte. Der Protest der Hoteleigentümer ließ nicht lange auf sich warten, die völlig zu Recht darauf verwiesen, dass sie pünktlich ihre Abfuhrgebühren bezahlten. Schließlich musste die Stadtverwaltung auf Druck der Amerikaner ihren „passiven Müllwiderstand“ aufgeben.88

 

Der neue kommunale Fuhrpark, zu dem auch 18 Gespanne zur Müllabfuhr gehörten, wurde zunächst auf dem Gebiet des Schlachthofes untergebracht und blieb bis Ende 1922 ein Regiebetrieb des städtischen Tiefbauamtes. Bereits ein Jahr nach seiner Gründung wurde der Fuhrpark auf ein vom Militärfiskus gepachtetes Gelände am Kaiserin-Augusta-Ring (heute Moselring) verlegt. Dort konnte die Stadt Stallungen, Schuppen und Reitbahnen des früheren Feldartillerie-Regiments 23 umbauen und nutzen.89 Zu Beginn des Jahres 1923 wurde der Fuhrpark vom Tiefbauamt unabhängig und zu einer eigenen städtischen Dienststelle, die unter Leitung eines Fuhrparkdirektors stand. Innerhalb von zwei Jahren wuchs die neue Einrichtung beachtlich. In einem weiteren Schritt wurde 1938 auch der Bereich Stadtentwässerung aus dem Tiefbauamt herausgelöst und in ein eigenes Amt umgewandelt.90 Anfang März 1940 folgten die Abteilungen Straßenreinigung und Müllabfuhr, die das neue Amt für Straßenreinigung und Müllbeseitigung bildeten.91

 

1925 gehörten zum Bestand des städtischen Fuhrparks 30 schwere Arbeitspferde, zwei Ochsen, zwei Krupp’sche Auto-Müllwagen, zwei Auto-Straßensprengwagen, zwei Auto-Straßenkehrmaschinen, eine Auto-Straßenschrubbermaschine und ein kleiner Personenkraftwagen. Hinzu kamen die dazugehörigen Werkstätten, darunter eine für die Reparatur von Autos sowie Schmiede, Schlosserei, Stellmacherei, Sattlerei und Anstreicherei. Der Personalstamm war auf 54 „vollarbeitsfähige“ Arbeiter und vier Bürobeamte gewachsen.92 Zu diesem Zeitpunkt hatte die gesamte Stadtverwaltung eine Personalstärke von 634 Mitarbeitern.93 Der Fuhrpark stellte die Wagen für alle Aufgaben der Stadtreinigung und Entsorgung. Er stellte aber auch anderen städtischen Dienststellen Pferde und Fahrzeuge zur Verfügung. Es lag in der Natur der Sache, dass Straßenreinigungs- und Müllabfuhranstalt dem Fuhrpark angegliedert waren und von der Fuhrparkdirektion verwaltet wurden. Interessant sind die Zahlen, die Direktor Möckel für das Jahr 1925 zusammentrug. Demnach wurden damals für die Reinigung der Koblenzer Straßen zwei Krupp’sche Auto-Straßenkehrmaschinen und eine Benz’sche Straßenwaschmaschine eingesetzt. Insgesamt mussten städtische Flächen in einer Größenordnung von 500.000 Quadratmetern gereinigt werden. Neben den Maschinen waren 59 Arbeiter im Einsatz, um die Aufgaben zu bewältigen. Darüber hinaus waren täglich drei Gespanne erforderlich, um den Straßenkehricht abzufahren. Jedes Gespann bewältigte drei Fuhren.94

 

An die städtische Müllabfuhranstalt waren 1925 etwa 15.000 Koblenzer Haushalte angeschlossen. Damals wurden für die Abfuhr des Mülls noch Gespanne eingesetzt. Täglich waren 20 dieser Gespanne unterwegs, um den Müll abzufahren. Die Verwaltung rechnete seinerzeit aus, dass damals jährlich rund 12.000 Fuhren erforderlich waren. Das gesamte Aufkommen an Hausmüll in der Stadt betrug rund 36.000 Kubikmeter jährlich.95 Möckel gab allerdings nicht an, wohin der Hausmüll gebracht wurde. Dem systematischen Deponieren außerhalb der Stadt scheint man damals noch geringe Bedeutung beigemessen zu haben. Man begnügte sich mit Provisorien. Das zeigen auch die zahlreichen in den Akten dokumentierten Beschwerden über „wilde“ Deponien, die nicht nur von privaten Fuhrunternehmen, sondern eben auch von der Stadt angehäuft wurden. Exemplarisch sei hier die Lützeler Firma Gebrüder Stumm genannt, die sich im Juli 1919 darüber beschwerte, dass „städtische Fuhrleute“ Müll auf dem unternehmenseigenen Gelände abluden.96

 

Allerdings war dem Leiter des Fuhrparks sehr wohl bewusst, „ daß es wohl kaum ein Gebiet gibt, das den Städten so große Schwierigkeiten bereitet, wie die Frage der Sauberhaltung der Straßen und die Müllabfuhr.“

Möckel schrieb weiter: „Es ist dies eine Aufgabe, die der Erhaltung und Förderung der Volksgesundheit dient und somit eine der vornehmsten Pflichten der Stadtverwaltungen und der von diesen mit der Leitung dieser Betriebe Beauftragten, tatkräftig auf dem Gebiete der Städtereinigung weiterzuarbeiten, in dem Bewußtsein, daß hierdurch nicht nur wertvolle Kulturarbeit geleistet, sondern auch wesentlich zur Gesundung der Volkswirtschaft beigetragen wird.“97 Schließlich kamen zum städtischen Fuhrpark auch Fahrzeuge für die Reinigung der Kanäle dazu, die in den Kriegsjahren und in der ersten Zeit der Besatzung stark vernachlässigt worden war. So entschlossen sich die Stadtverordneten im Januar 1929 zum Kauf eines „Motorschlammwagens“. Das Fahrzeug war bereits Ende 1927 und Anfang 1928 in den Probebetrieb genommen worden. Das Chassis lieferte die Deutsche Last-Automobilfabrik Ratingen (DAAG), während die Aufbauten das Koblenzer Unternehmen Gebrüder Gerhard übernahm. Bereits ein Jahr zuvor hatte das Tiefbauamt das vom Mannheimer Apparatebauer Max Kirchner hergestellte Reinigungsgerät „Iltis“ in Betrieb genommen. Das Geld für die Investitionen stammte aus dem „Rücklagefonds der Kanalisation“.98

 

Die Reinigung der Kanäle erfolgte zuerst von Hand.99 Hierzu musste eine Verbindung von Schacht zu Schacht hergestellt werden. Bei ausreichender Wasserführung wurde eine Kordel mit einem Korken in die Haltung gebracht. Der Korken schwamm dann bis zum folgenden Schacht. So konnte man das Seil nachziehen und mit einer Seilwinde verbinden. Man war dann in der Lage, die Reinigungsgeräte wie Eimer, Schaber und Bürste einzusetzen und die Ablagerungen zum Schacht zu ziehen. Von dort wurden sie mit einem Eimer hochgeführt und in einen bereitstehenden Wagen geladen und abtransportiert. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg setzte man Motorwinden ein. Waren die Ablagerungen zu stark und die Wasserführung zu gering, musste die Verbindung mit verschraubbaren Bambusstäben und später mit Eisenstangen hergestellt werden. Große Kanäle wurden zur Reinigung begangen. Erst in den 1950er-Jahren wurde der Betrieb nach und nach auf maschinelle Reinigung umgestellt. Zunächst wurde ein Unimog mit einer aufgebauten Motorwinde beschafft. So konnte man auch die Mannschaftswagen schnell zum Einsatzort bringen und die Kastenwagen mit den Ablagerungen abfahren. Später wurden Schlammsaugwagen und dann Hochdruckspüler angeschafft.

 

Die auch noch heute eingesetzten Hochdruckspüler sind mit einer Hochdruckpumpe ausgestattet und haben einen Tank für mehrere Kubikmeter Wasser. Unter hohem Druck (mehr als 100 bar) wird dann ein Schlauch mit einer entsprechenden Düse in den Kanal eingeführt, der sich dann durch den hohen Druck in die Haltung hineinzieht und den Schmutz und die Ablagerungen aufwirbelt. Der Schlauch wird dann mit einer im Fahrzeug befindlichen Schlauchwinde zurückgezogen. Die unter hohem Druck aus der Düse austretenden Wassermassen ziehen dann die gelösten Ablagerungen in den Schacht. Dort werden sie von einem Schlammsaugwagen abgesaugt. Hierfür ist eine Vakuumpumpe installiert, die einen Unterdruck erzeugt. Theoretisch kann auf diese Weise Schlamm bis zu einer Tiefe von zehn Metern angesaugt werden. Durch Reibungsverluste beträgt die tatsächliche Förderhöhe rund neun Meter. In der Regel ist dies in der Praxis ausreichend. Bei der Stadtentwässerung sind Schlammsaugwagen, Hochdruckspüler und kombinierte Schlammsaug- und Hochdruckspüler sowie ein Kanalfernauge im Einsatz.

 

Die Arbeit in Abwasseranlagen ist mit vielerlei Gefahren verbunden. Deshalb muss das Personal entsprechend ausgerüstet und ausgebildet sein. Mittlerweile ist der Beruf eines Entsorgers für Abwasser ein anerkannter Ausbildungsberuf mit einer dreijährigen Ausbildungszeit. Auch an die Hygiene werden besondere Anforderungen gestellt. Der Kanal darf nur betreten werden, wenn vorher untersucht wurde, ob keine explosiven oder giftigen Stoffe in der Umluft sind. Die Person, die einsteigt, muss gesichert sein und Hilfskräfte müssen über Tage bereitstehen. Selbstretter und schweres Atemschutzgerät müssen ebenso wie Schutzkleidung vorgehalten werden. Die Reinigung der Ausrüstung erfolgt im Betrieb und nicht im Privathaushalt der Mitarbeiter. Entsprechende Unfallverhütungsvorschriften schreiben diese Maßnahmen vor. Die Straßenabläufe werden heute mit einem Schlammsaugwagen gereinigt. Hierbei wird zuerst der Schmutzfänger leer gesaugt und der im Ablauf befindliche Schmutz abgespült.

 

Abläufe sind Bestandteil der Straße. Sie sorgen dafür, dass bei Regen die Verkehrssicherheit gewährleistet ist. Da der Betrieb der Kanäle auch wesentlich über die Abläufe beeinträchtigt wird und eine Belüftung zur Vermeidung von Geruchsbelästigungen wichtig ist und weil das fachkundige Personal mit allen notwendigen Geräten bei der Stadtentwässerung zur Verfügung steht, wird auch von hier die Reinigung dieser Anlagen vorgenommen.

 

Die Kosten übernimmt die Straßenunterhaltung, denn sie dürfen nicht dem Abwassergebührenzahler angelastet werden. Schätzungen zufolge sind in Koblenz mehr als 10.000 Abläufe in den Straßen eingebaut – vor allem dort, wo Laubbäume stehen. Diese Abläufe müssen mehrmals im Jahr gereinigt werden.

5. Der neue Schlachthof

 

E

rst 1890 wurde im heutigen Stadtteil Rauental ein öffentlicher Schlachthof seiner Bestimmung übergeben. Bis dahin stellten die 72 bestehenden Schlachtereien die Behörden vor schier unlösbare Probleme, denn die Betriebe lagen überwiegend in den Hinterhäusern der Alt- und Innenstadt. Die meisten Metzger ließen Abwässer und Blut in die Straßenrinnen laufen, Abfälle und Gedärme wanderten einfach in die Abtritte. Hinzu kam, dass viele Gruben undicht waren. Besonders beliebt war es, die Gruben so weit abzuteufen, dass sie bis auf die Kiesschichten des Rheines und der Mosel hinabreichten. Das bedeutete eine echte Gefahr für die Qualität des Grundwassers. In einigen Fällen wurden sogar die nur für das Oberflächenwasser gedachten Kanäle aus kurfürstlicher Zeit „angezapft“ und somit die Entsorgung von Problemabfällen auf „elegante Weise“ gelöst. Verschmutztes Wasser konnte dann durch die lockeren Kiesschichten in die Brunnen eindringen. Dass im Koblenz des 19. Jahrhunderts die Seuchen meist nicht so wüteten wie in anderen Städten, ist sicherlich seiner Lage an Rhein und Mosel zu verdanken. Die Strömung der beiden Flüsse sorgte meistens für den Abtransport des Unrates.100

 

Obwohl die Behörden bereits früh von einer möglichen Gefährdung der Verbraucher durch das Fleisch aus den kleinen Innenstadtschlachtereien ausgingen, gehört der lange Streit um ein zentrales Schlachthaus mit hygienisch einwandfreien Arbeitsbedingungen für die örtlichen Fleischer zu den wenig rühmlichen Kapiteln der Koblenzer Stadtgeschichte. Von den ersten Überlegungen in napoleonischer Zeit bis zur tatsächlichen Ausführung sollten gut 80 Jahre ins Land ziehen. Der Grund: Innerhalb der Festungsmauern gab es keinen Platz, der sich wirklich für den Bau eines Schlachthauses eignete.101 Und vor den Toren der Festung Koblenz wollte die Kommune wegen der strengen preußischen Rayonbestimmungen nicht investieren. In Krisenfällen musste man damit rechnen, die teure Anlage auf eigene Kosten beseitigen zu müssen. Dabei waren in Koblenz zentrale Einrichtungen für das Schlachtvieh nicht unbekannt. Am Moselufer war bereits 1764 ein Viehhof errichtet worden, der sich freilich nicht lange hielt. Das passte gut zu den Entwicklungen in anderen deutschen Städten, wo sich bereits im Dreißigjährigen Krieg der Niedergang der schon im Mittelalter bekannten zentralen Schlachtstätten bemerkbar machte.102 Auch die Franzosen vermochten nicht, die in Koblenz klaffende Lücke zu schließen. Zwar hatte man bereits 1807 die Florinskirche für einen Umbau zum Schlachthof auserwählt und an die Stadt geschenkt, doch sollten die Pläne nicht umgesetzt werden. Das Gotteshaus blieb ein Stall, bevor es 1824 durch den preußischen Staat an die evangelische Gemeinde übergeben wurde. Der Vorgang zeigt, wie weit Anspruch und Wirklichkeit in der Praxis auseinanderlagen. Dabei hatte man in Frankreich bereits 1791 die Vieh- und Fleischbeschau eingeführt. Napoleon war sogar noch einen Schritt weitergegangen: Der Kaiser schrieb 1810 für alle größeren und mittleren Städte den Bau von Schlachthäusern und die Einführung des Schlachthauszwanges vor.103 Dieser Ansatz wurde in den deutschen Staaten erst nach der Jahrhundertmitte verfolgt. Entscheidend war hierbei der medizinische Fortschritt: Durch mikroskopische Untersuchungen fand man heraus, dass die Epidemien der 1850er- und 1860er-Jahre oft durch verdorbenes Fleisch verursacht worden waren. Erst jetzt forderten Wissenschaftler die Einführung einer verpflichtenden Fleischbeschau durch Veterinäre und den Bau von öffentlichen, streng überwachten Schlachthäusern. Erneut war es der „Deutsche Verein für öffentliche Gesundheitspflege“, der sich in der Debatte hervortat.104 

 

Auf staatlicher Ebene waren die gesetzlichen Grundlagen relativ früh geschaffen worden. Vorreiter war wieder einmal Preußen, das 1868 ein Schlachthausgesetz erließ, das bald von anderen deutschen Staaten übernommen wurde. Das Gesetz gab Kommunen eine rechtliche Handhabe, durch ein Ortsstatut die Einrichtung von Schlachthäusern vorzuschreiben. Mit dem Gesetz war auch der Zwang verbunden, Schlachtvieh in diesen Häusern tierärztlich untersuchen zu lassen.105 Da der preußische Staat die Umsetzung der neuen gesetzlichen Vorschriften den Kommunen überließ, sollte es recht lange dauern, bis das Recht überall umgesetzt war. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts verbesserte sich die Lage entscheidend. Von 78 deutschen Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern hatten 1908 immerhin 72 zentrale Schlachthöfe. Darüber hinaus gab es 47 kommunale Viehhöfe.106

 

In Koblenz selbst hatte Landrat von Frentz in seiner Eigenschaft als Polizeidirektor immer wieder auf die indiskutablen Zustände in den Privatschlachtereien und bereits 1865 – also drei Jahre vor Inkrafttreten des entsprechenden preußischen Gesetzes – den Bau eines zentralen Schlachthauses gefordert. Von Frentz verwies auf die jüngste Revision durch die Sanitätskommission und die Forderungen der Königlichen Regierung aus den Jahren 1857 und 1859. Besonders interessant: Der Polizeidirektor betonte ausdrücklich, dass auch die örtlichen Fleischer die Notwendigkeit des Schlachthausbaus längst erkannt hatten. Entsprechende Berichte über den Bau von Schlachtanlagen in Aachen, Bonn, Köln und Düsseldorf lagen seit 17. Februar 1859 vor. Der Landrat räumte ein, dass man in der Polizeidirektion schon zu diesem Zeitpunkt fälschlicherweise über Zwangsmaßnahmen gegen die Stadt Koblenz nachgedacht habe. Die Königliche Regierung hatte bereits am 2. März 1859 derartige Maßnahmen abgelehnt und hervorgehoben, dass die Stadt grundsätzlich mit dem Bau eines Schlachthauses einverstanden war. Zu diesem Zeitpunkt gab es jedoch das grundsätzliche Problem, dass kein geeignetes Grundstück zur Verfügung stand. Die Polizeidirektion hatte sich unmittelbar nach der Antwort der Bezirksregierung verpflichtet, bei der Vermittlung geeigneter Bauplätze behilflich zu sein. Am 12. März 1859 schlug die Direktion drei solcher Bauplätze vor, weitere Angebote folgten am 24. und 28. Oktober sowie am 24. November 1859. Gleichzeitig forderte man Informationen über die neuen Schlachthäuser in Speyer und Worms an und kam schließlich zu dem Ergebnis, dass die Grundstücke107 für das Projekt ungeeignet waren. Alle Beteiligten beschlossen, die Sache vorläufig auf sich beruhen zu lassen.108 Die lange Zeit unbeantwortete Frage, ob man in Zukunft mit oder ohne Stadtbefestigung leben würde, verzögerte gerade in Koblenz die Realisierung eines zentralen Schlachthofes, obwohl das Reichsgesetz über den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genussmitteln und Gebrauchsgegenständen vom 14. Juni 1879 eigentlich eine ganz andere Richtung vorgab. Es lag nicht nur im Interesse der Allgemeinheit, einen einwandfreien öffentlichen Schlachtplatz zu schaffen, sondern auch im Interesse der einzelnen Fleischer. Die herrschenden Zustände waren bestens geeignet, dass sich alle Beteiligten gegenseitig diskreditieren. Das zeigt das Beispiel des Metzgers Ohligschläger, mit dem sich die Koblenzer Stadtverordneten mehrmals befassten. Wie ein Brief des betroffenen Metzgermeisters zeigt. Ohligschläger setzte sich gegen hartnäckige Gerüchte zur Wehr, dass er minderwertiges Fleisch unter indiskutablen Umständen verarbeitet hatte. Da derartige Vermutungen früher wie heute oft den wirtschaftlichen Ruin der Betroffenen bedeuten, beeilte sich Ohligschläger, die Herkunft seines Fleisches nachzuweisen und auch seinen Bonner Geschäftspartner zu nennen.109

 

Da auch Klagen der Metzger nicht selten gewesen sein dürften, kam jetzt doch relativ schnell Bewegung in die Sache. 1884 erwarb die Stadt das gesamte Gelände des Bassenheimer Hofes110. Dort wollte man endlich das schon lange geforderte Schlachthaus einrichten. Entsprechende Pläne wurden ausgearbeitet und dann bei der Bezirksregierung als „Oberer Genehmigungsbehörde“ eingereicht. Ähnlich wie in der heutigen Bauleitplanung musste das Projekt offengelegt werden. Die Bedenken gegen das Schlachthaus an dieser exponierten Stelle der westlichen Altstadt ließen nicht lange auf sich warten. Oberstabsarzt Dr. Herzer, Chef des benachbarten, im früheren Dominikanerkloster eingerichteten Garnisonslazaretts, erhob Einspruch wegen der zu erwartenden Geruchs- und Lärmbelästigungen. Schließlich befasste sich das preußische Ministerium für Handel und Gewerbe mit der Angelegenheit. In Berlin sah man die Dinge ganz ähnlich und lehnte im Bescheid vom 28. Februar 1885 den Bau eines Schlachthauses an dieser Stelle vorläufig ab. Begründung: Die zu erwartenden Ausdünstungen, die die Gesundheit der Patienten gefährden könnten. Gleichzeitig nahm das Ministerium die Stadt in die Pflicht, Verhandlungen über einen besseren Standort außerhalb der Festungsumwallungen aufzunehmen. In Berlin ließ man durchblicken, dass der Militärfiskus gegebenenfalls zu erheblichen Zugeständnissen bereit war. „Zu Folge dieses Rescriptes wurde das Vorhaben, das städtische Schlachthaus in den Bassenheimer Hof zu verlegen, endgültig fallen gelassen, was als ein wahres Glück zu betrachten ist, da der eng begrenzte Raum und die Lage inmitten eines dicht bevölkerten Stadtviertels und in unmittelbarer Nähe des Garnisonslazareths so viel Übelstände mit sich gebracht haben würden, dass die schlachthauslose Zeit schließlich noch bei Weitem den Vorzug verdient hätte“, lautete schließlich das positive Fazit von Oberbürgermeister Emil Schüller.111

 

Im heutigen Stadtteil Rauental, am sogenannten „Hundspfad“, wurde man schließlich fündig. Die Stadt erwarb „zu mäßigem Preise“ ein rund drei Hektar großes Grundstück, das rund 800 Meter von der „inneren Stadtgrenze“ entfernt lag. „Eine solche Fläche bot allein die Möglichkeit, ein öffentliches Schlachthaus mit allen sich an das eigentliche Schlachtgebäude nothwendigen oder wünschenswerthen Anlagen und Bequemlichkeiten, wie sie in der Neuzeit bei allen größeren städtischen Schlachthäusern sich vorfinden, zu errichten“, heißt es dazu im Verwaltungsbericht.112 Sofort begannen die Planungen. Für das Projekt war der damalige kommissarische Stadtbaumeister Georg Breiderhoff verantwortlich. Die Planungsphase war 1886 abgeschlossen. Wie vom Ministerium bereits angekündigt, zeigte sich die örtliche Militärbehörde entgegenkommend und gestattete die Errichtung massiver Bauten auf dem neuen Schlachthofgelände im Rauental.113 Die Entscheidung fiel den Militärs leicht – mit dem Ende des Deutsch-Französischen Krieges 1871 hatte die Festung Koblenz ihre einst hervorragende strategische Bedeutung verloren.

 

Die Planungen von Georg Breiderhoff wurden schließlich von Friedrich Wilhelm Ludwin Mäckler (1852–1913) umfassend überarbeitet. Der neue Regierungsbaumeister und Stadtbaurat hatte 1886 sein Amt angetreten und wirkte in dieser Funktion bis 1913.114 Am 22. Februar 1888 machten die Koblenzer Stadtverordneten endgültig den Weg für den Bau des Schlachthofes frei, der – laut Berechnungen Mäcklers – rund 400.000 Mark kosten sollte. Die Genehmigung der Königlichen Regierung als Obere Genehmigungsbehörde folgte am 27. April.115 Der Bau konnte beginnen: Am 4. Juli wurde der Grundstein gelegt. Die folgenden Bauarbeiten erledigten ausschließlich Koblenzer Unternehmen. Eine Ausnahme waren die Steinmetzarbeiten von Mathias Luxem aus Mayen.116

 

Mit dem Baubeginn wurden endlich lange Auseinandersetzungen zu den Akten gelegt. Allerdings war das stetige Verzögern des Schlachthofes keine Koblenzer Spezialität. Auch in anderen Städten tat man sich schwer, den Anfang zu machen, wie das Göttinger Beispiel zeigt. Dort wurde 1883 ein städtisches Schlachthaus in Betrieb genommen.117 Überhaupt gab es in Preußen nur zehn Städte, die das neue Gesetz mit dem Bau neuer Schlachthöfe zügig umsetzten. Die zögerliche Haltung anderer Gemeinden ist nicht eine Folge ungeklärter Stadtentwicklungsfragen, sondern das Ergebnis einer Gesetzeslücke. Die neue Rechtslage ließ völlig offen, wie mit eingeführtem Fleisch zu verfahren war. Für diese Ware gab es nämlich keinen Untersuchungszwang. Dieser unhaltbare Zustand wurde erst durch die Gesetzesnovelle vom 9. März 1881 beseitigt. Zuvor hatte es Protestaktionen und Petitionen preußischer Städte gegeben, wobei sich auch gemeinnützige Vereine hervortaten.118 Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass nicht nur militärische Gründe Ursachen für die zögerliche Haltung der Stadtverwaltung waren. Auf jeden Fall entstand am Ende eine Anlage, die alle aktuellen Standards der damaligen Zeit erfüllte.

 

Der Koblenzer Schlachthof bestand aus einem Viehhof und dem eigentlichen Schlachthof. Beide Bereiche waren durch eine Mauer getrennt. Zum Schlachthof gehörten eine Schlachthalle für Groß- und Kleinvieh, die Schweineschlachthalle, Stallungen, die Kaldaunenwäsche, das Kühlhaus, das Maschinengebäude sowie das Verwaltungsgebäude mit den daran anschließenden Stallungen und Schuppen – auch für das kranke Vieh. Der Viehhof enthielt neben Stallungen auch einen Gastronomiebetrieb.119

Zum „Stammpersonal“ der neuen kommunalen Einrichtung gehörten neben dem Direktor Renner ein Rechnungsführer, zwei Hallenmeister, ein Pförtner, mehrere Trichinenschauer, die Maschinisten und mehrere Hilfsarbeiter. Der Direktor hatte im Verwaltungsgebäude eine Dienstwohnung.120 Der neue Schlachthof wurde wie in den meisten anderen deutschen Kommunen von der Stadt selbst betrieben und am 15. Mai 1890 feierlich eingeweiht, wobei sich die Koblenzer Metzgerinnung mit einem Umzug beteiligte. Sofort begann der Schlachtbetrieb: Bis zum 1. April 1891 wurden bereits 3967 Stück Großvieh und 19.480 Stück Kleinvieh geschlachtet.121 Damit wurde auf Anhieb die Leistungsfähigkeit aller Koblenzer Metzgereien übertroffen. Zum Vergleich: 1865 waren in der Stadt 2011 Ochsen und Stiere, 13.346 Kälber, 3881 Schweine und 2049 Schafe geschlachtet worden.122

 

Bereits im Berichtsjahr 1891/92 stieg die Zahl der geschlachteten Tiere auf insgesamt 33.615. 1892/93 wurde mit 33.951 Schlachtungen ein erster Höhepunkt erreicht. Allerdings war man mit der Qualität des Fleisches nicht zufrieden. Die Verwaltung führte diese Entwicklung auf die „abnormen Witterungsverhältnisse“ mit einem strengen Winter und einem heißen Sommer zurück. Eine Folge war die ungünstige Heu- und Kleeernte. Viele Landwirte waren gezwungen, „alle nur irgendwie entbehrlichen Viehstücke zu jedem annehmbaren Preise abzusetzen, während es andererseits den Metzgern kaum möglich war, gut gemästete Tiere zu beschaffen.“123 Trotz dieser Tatsachen blieb man wachsam. So wurden 1892/93 53 Schlachttiere beschlagnahmt und durch Verbrennung vernichtet.124

 

Das Kühlhaus des neuen Schlachthauses war besonders beliebt. Die Koblenzer Metzger mieteten alle die für sie zur Verfügung stehenden Flächen. Die Stadtverwaltung lieferte zu dieser Feststellung auch gleich die passende Begründung: „So werden die Metzger durch die Benutzung des Kühlhauses in den Stand gesetzt, günstige Handelskonjunkturen ohne Rücksicht auf Konsum- und Witterungsverhältnisse auszunützen und zudem zu jeder Zeit vollständig küchenreifes Fleisch liefern zu können.“ Ein weiterer Vorteil des neuen Schlachthofes: Die moderne Technik machte es möglich, Kristalleis in großen Mengen herzustellen. Im Berichtsjahr 1892/93 wurden 19.378 Zentner produziert.125

 

Die Eröffnung des Schlachthofes leitete auch das Ende der traditionellen Fleischmärkte in der Altstadt ein. Endgültig verboten wurde das offene Feilbieten von Fleisch auf den Straßen mit Erlass der Polizeiverordnung vom Februar 1899. Allerdings gab es Ausnahmen: Auf Wochen- und Jahrmärkten war der Verkauf nach wie vor erlaubt. Aber auch in diesen Fällen war der Verschluss des Fleisches zum Transport vorgeschrieben. Grundsätzlich galt: Fleisch durfte nur in hellen, sauberen Räumen verkauft werden.126 Immer wieder erneuert wurde auch der Schlachtzwang im neuen Schlachthof. Details wurden in den Ortsstatuten von Dezember 1901, März 1902 und schließlich in der Neufassung vom März 1905 festgelegt. Die Bestimmungen galten für einen Radius von 50 Kilometern. Alles, was in diesem Bereich nicht im Schlachthaus geschlachtet wurde, durfte nicht mehr verkauft werden. Die Regelung galt für das Schlachten von Rindern, Schweinen, Schafen, Ziegen, Pferden, Eseln, Maultieren, Mauleseln und Hunden. Notschlachtungen außerhalb der Einrichtung waren nur dann zulässig, wenn die Gefahr bestand, dass Tiere auf dem Transport zum Schlachthause verendeten „oder daß das Fleisch des Tieres durch Verschlimmerung des krankhaften Zustandes wesentlich an Wert verlieren werde, oder wenn das Tier infolge eines Unglücksfalles dort getötet werden muss“. Auch das Abhäuten und Ausweiden des Viehes war – mit Ausnahme des Abhäutens von Kälbern – nur im Schlachthaus zulässig. Gleiches galt für das Entleeren und Reinigen von Gedärmen und Eingeweiden sowie für das Brühen des geschlachteten Viehs. Dazu kam, dass alles Schlachtvieh der Fleischbeschau unterlag.127 Dieses Ortsstatut wurde im Juni 1912 noch einmal erneuert und 1920 durch eine Verordnung über die Beseitigung von Tierkörpern in der Verwertungsanstalt im Schlachthof ergänzt. 128

 

Seit der Eröffnung des Schlachthofes war die Obrigkeit nicht nur bemüht, klare Regeln für die Metzger aufzustellen, sondern Vorschriften für das ganze Nahrungsmittelhandwerk auf den Weg zu bringen, die vor allem die Geschäfte betrafen. So erließ Oberpräsident Dr. Clemens Freiherr Schorlemer-Lieser im Juli 1907 Vorschriften für die Einrichtung von Bäckereien. Darin war genau festgelegt, wie und wo die Öfen aufzustellen waren. Darüber hinaus wurde festgelegt, dass die Arbeitsräume der Bäcker in keinem direkten Zusammenhang mit Bedürfnisanstalten oder Ställen stehen durften.129 Im Frühjahr 1909 folgte eine neue Polizeiverordnung über die Einrichtung von Fleischereien. Darin wurde endgültig verboten, die Räumlichkeiten für Metzgereien unter Straßenniveau anzulegen. Außerdem schrieb man „wasserdichte Böden“ und die Kachelung der Räume vor.130 Reglementiert wurden auch die Betriebe, die auf die Entsorgung oder Weiterverarbeitung von tierischen Abfällen spezialisiert waren. Die im Oktober 1906 erlassene Polizeiverordnung gestattete die Errichtung von entsprechenden Betrieben nur im nordwestlichen Bereich des Stadtbezirks. Dies waren zum Beispiel Knochenmühlen und Knochenkochereien oder Gerbereien. Das Gebiet, in dem die Einrichtung solcher Anlagen gestattet war, reichte bis an die Gemarkungsgrenzen der damals noch selbstständigen Gemeinden Bubenheim, Kesselheim und Metternich heran. Auch für den in der Polizeiverordnung genau beschriebenen Bereich gab es Einschränkungen. So musste beim Bau von Lagern und Anlagen ein Abstand von mindestens 50 Metern von der Landstraße Koblenz-Köln eingehalten werden. In der Nähe des Klosters Maria Trost durften solche Betriebe gar nicht errichtet werden.131

Zweifellos brachten der Bau des Schlachthofs und die zahlreichen neuen Polizeiverordnungen nicht nur aus hygienegeschichtlicher Sicht Verbesserungen und eine deutliche Entspannung der Situation in den engen Altstadtquartieren. Trotz allem war das Entsorgungsproblem noch längst nicht gelöst. Die Schlachtabfälle wurden ohne Vorbehandlung über einen gemauerten Kanal direkt in die Mosel geleitet. Er wurde im Volksmund „Blutkanal“ genannt und führte ein Stück unterhalb der heutigen Staustufe in den Fluss hinein.132 Auch bei den später flussaufwärts errichteten Krankenhäusern Marienhof und Kemperhof lief es nicht besser: Die Klinikabfälle wurden über den sogenannten „Eiterkanal“ direkt in die Mosel geführt – und zwischen Marienhof und Schlachthaus befand sich bis zur Moselkanalisierung eine Stelle, die zwar keine offizielle Badeanstalt war, aber dennoch gerne von den Koblenzern wegen des leichten Zugangs zum Wasser genutzt wurde. Trotz dieser widrigen Umstände  soll das Flusswasser sehr klar gewesen sein.133

 

Auch nach den erheblichen Erweiterungen von 1911/12 sollte der Schlachthof noch einmal vergrößert werden. Das Wachstum von Koblenz infolge der Eingemeindungen und die Wiederherstellung der Militärpräsenz an Rhein und Mosel machten 1938 umfassende Bauarbeiten erforderlich. Am 1. Mai begannen die Arbeiten zur Vergrößerung der Rinderschlachthalle. Zudem wurden Boxen für Kälber gebaut. Schließlich wurde auch die Kaldaunenhalle erweitert.134 Im Zuge der Luftangriffe von 1944/45 wurde der Koblenzer Schlachthof schwer beschädigt. Die französische Militärbehörde beschlagnahmte schließlich das Areal, sodass der Betrieb zur Versorgung der Zivilbevölkerung bis 1948 nur eingeschränkt möglich war. 1957 begannen die Planungen für einen neuen Schlachthof, der dann innerhalb von fünf Jahren in mehreren Bauabschnitten vollendet wurde. Die umfassende Modernisierung ermöglichte noch einmal eine deutliche Steigerung der Schlachtzahlen. 1983 wurde schließlich mit 82.000 Stück der absolute Höchststand erreicht.135

 

Zu Beginn der 1980er-Jahre hatte der Schlachthof bereits seinen Zenit überschritten. Zwischenzeitlich waren die Schlachtzahlen so weit gesunken, dass die Rentabilitätsvorgaben der EWG nur knapp eingehalten werden konnten. Ergebnis: Bereits 1975/76 verlor der Schlachthof seine Großmarkteigenschaft. Rechtliche Grundlage war ein entsprechender Beschluss des rheinland-pfälzischen Ministeriums für Landwirtschaft, Weinbau und Umweltschutz. Schließlich meldete die Einrichtung ein jährliches Defizit zwischen 100.000 und 400.000 DM. Vor diesem Hintergrund verzichtete die Stadt Koblenz auf die von der EU geforderten umfassenden Ausbau- und Modernisierungsmaßnahmen, nachdem zuvor alle Privatisierungsversuche gescheitert waren. Am 18. Juni 1993 wurde der Koblenzer Schlachthof endgültig geschlossen. Später wurde die Anlage fast vollständig abgebrochen, um Platz für ein neues Gewerbegebiet zu machen. Erhalten ist nur noch die Nutzviehhalle von 1912.136

 

 

6. Politik, Technik und Hygiene

 

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ass trotz der relativ überschaubaren Größe der Stadt dringend eine neue Kanalisation gebaut werden musste, wussten die Behörden in Koblenz sehr früh. Die großen Choleraepidemien seit den 1830er-Jahren hatten auch an Rhein und Mosel bleibende Eindrücke hinterlassen – obwohl man, abgesehen von den Epidemien von 1849/50 und 1866, glimpflich davongekommen war. Einen ersten Impuls gab die Königliche Regierung bereits 1858. Wie bereits im ersten Teil geschildert, hatte die Bezirksregierung schon früh damit begonnen, Hygienestandards zu definieren. Nun drängte man auf den Bau unterirdischer Kanalsysteme, um den schädlichen Einfluss der Abwässer auf das Grundwasser und damit vor allem auf die Brunnen in der Stadt zu vermeiden. Die Initiative blieb jedoch fruchtlos, weil Koblenz zu dieser Zeit nicht genügend Wirtschaftskraft hatte, um solch ein Großprojekt zu finanzieren. Staatliche Zuschüsse waren nicht zu erwarten, außerdem fehlten damals noch die rechtlichen Instrumente, zumindest einen Teil der Ausbau- und Erschließungskosten auf die Hauseigentümer umzulegen. Und so verwundert es nicht, dass das Projekt zwar in der städtischen Baukommission beraten, aber von den Stadtverordneten aus Kostengründen abgelehnt wurde.137 In Koblenz entschied man sich dafür, erst einmal die Erfahrungen aus anderen Städten abzuwarten. Diese Entscheidung ist auch aus heutiger Sicht verständlich. Konkurrierten doch damals die unterschiedlichsten Systeme, über deren Sinn und Unsinn vor allem in den großen deutschen Städten erbitterte Diskussionen geführt wurden.138 Dazu kommt, dass in Koblenz der Bau einer wirklich zukunftsfähigen Kanalisation über weite Strecken des 19. Jahrhunderts wegen der militärischen Gegebenheiten überhaupt nicht möglich war und man sich ganz bewusst mit den bereits vorhandenen Provisorien begnügte. Die Realisierung einer „modernen“ und an den tatsächlichen topografischen Verhältnissen orientierten Kanalisation war an Rhein und Mosel unmittelbar mit der Frage nach der künftigen Stadtentwicklung verknüpft. Und über viele Jahrzehnte sah es eben so aus, dass die Stadt an Rhein und Mosel ihren Festungsgürtel nicht sprengen konnte. Erst als feststand, dass sich – wie nachstehend noch ausführlich geschildert wird – die seit den 1850er-Jahren angestrebte Stadterweiterung doch noch durchsetzen ließ, gingen Stadtvorstand und Kommunalpolitik nicht nur die Realisierung einer vernünftigen Trinkwasserversorgung an, sondern eben auch den Bau einer erweiterungsfähigen Kanalisation, an die später auch Systeme zur Abwasserbehandlung angeschlossen werden konnten. Es ist also kein Zufall, dass die Koblenzer Stadtverordneten am 31. Oktober 1888 den „Weg für die Ausarbeitung eines Planes zur Kanalisation der Stadt und des Bezirkes vor den Toren der Stadt“ beschlossen und ein Jahr später damit den Ingenieur Adolf André in Krefeld beauftragten.

 

 

6.1 Die Schwemmkanalisation

 

Am Beispiel der großen europäischen und deutschen Metropolen ist in jüngerer Vergangenheit immer wieder aufgezeigt worden, dass die über Jahrhunderte gewachsene kommunale Infrastruktur den Herausforderungen der neuen Zeit nicht mehr gewachsen war. Erst seit einiger Zeit rücken die kleineren Städte zunehmend in den Mittelpunkt der Betrachtungen. Dabei zeigt das Koblenzer Beispiel, dass das Erstarken der Hygienebewegung seit der Mitte des 19. Jahrhunderts durchaus lokale Auswirkungen hatte, die allerdings vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Zwänge in den Kommunen nicht überschätzt werden sollten. Dennoch begann auch in anderen Festungsstädten die Diskussion um die grundsätzliche Neuordnung der unzureichenden Ver- und Entsorgungssysteme. Im badischen Rastatt zum Beispiel, das damals rund 11.500 Einwohner hatte, wurden bereits kurz nach dem Ende des preußisch-österreichischen Krieges von 1866 die ersten Maßnahmen in die Wege geleitet. Zum Vergleich: In Koblenz lebten damals rund 24.000 Menschen. Für Rastatt legte Oberingenieur Julius Eisenlohr, Vorstand der örtlichen Wasser- und Straßenbau-Inspektion, Anfang März 1869 ein Gutachten vor, in dem der Bau einer unterirdischen Kanalisation im Mittelpunkt stand.139

 

Anders als in Koblenz, wo entsprechende Überlegungen – wie bereits geschildert – bis ins Jahr 1858 zurückreichen, nahmen die Vorüberlegungen schnell deutliche Konturen an: Gemeinderat und Großer Bürgerausschuss machten bis Mitte April 1869 den Weg für den Bau einer Kanalisation frei, in die Abwasser aus Küchen, Waschküchen und Niederschlagswasser geleitet werden durften, während Aborte ausdrücklich ausgeschlossen waren. Nachdem im Mai 1869 ein entsprechender Vertrag mit der Firma Lang in Karlsruhe abgeschlossen worden war, konnten die Arbeiten beginnen, wobei es bis weit in die 1890er-Jahre dauerte, bis alle Stadtteile angeschlossen waren.140 Das Abwasser wurde zunächst in die Murg geleitet, doch zwangen die Industrieansiedlungen schon um die Jahrhundertwende dazu, über den Bau einer Kläranlage nachzudenken, die dann aber doch erst am 3. Juli 1913 in Betrieb genommen wurde.141

 

Auch das Rastatter Beispiel steht dafür, wie sich bei Projektierung und Einrichtung von neuen Kanalsystemen im          19. Jahrhundert in deutschen Städten zunehmend die sogenannte Schwemmkanalisation durchsetzte, die gelegentlich auch Vollkanalisation genannt wird. Dabei handelt es sich um ein unterirdisches Rohrsystem, in dem feste und flüssige Stoffe durch die Schwemmwirkung des Wassers transportiert werden. Hierzu bedarf es besonderer Konstruktionsprinzipien. Hatten die älteren Kanäle noch rechtwinklige Querschnitte, erhielt die Kanalisation der neuen Generation die Form eines Eis, dessen Spitze nach unten gekehrt war. Diese eigenwillige Gestaltung, die auch heute noch üblich ist, bewirkte, dass auch bei niedrigen Wasserständen die Schwemmwirkung erhalten blieb. Bei der Schwemmkanalisation gibt es zwei Varianten: Das Mischprinzip und das Trennsystem. Nach dem Mischprinzip werden Regen- und Schmutzwasser in einem gemeinsamen Kanalsystem „abgeschwemmt“. Dagegen gibt es beim Trennsystem separate Kanäle für Regen- und Schwemmwasser.142

 

Die Einführung einer Schwemmkanalisation bedeutete jedoch nicht zwangsläufig, dass auch Fäkalien in die örtlichen Systeme eingeleitet wurden. Im Gegenteil: Zumindest in der Anfangszeit war vielerorts genau das ausdrücklich verboten – die Fäkalien mussten in turnusgemäß zu leerenden, wasserdichten Gruben gesammelt werden. Ein Musterbeispiel hierfür ist Erlangen, wo die Kanalisation bereits um 1872 neu geordnet wurde, es aber noch 25 Jahre dauern sollte, bis die Trockentoiletten allmählich durch Wasserklosetts abgelöst wurden.143 Erlangen war kein Einzelfall. Selbst in den größeren Städten sollte es Jahrzehnte dauern, bis sich das WC durchgesetzt hatte. So waren 1871 in Berlin erst 11,6 Prozent der Vorderhäuser mit Wasserklosetts ausgestattet. Bei den Hinterhäusern lag die Quote sogar nur bei 3,1 Prozent.144

 

Als sich auch in den deutschen Städten das Wasserklosett durchsetzte145, stieß diese Regelung jedoch oft an ihre Grenzen, weil – bedingt durch den steigenden Wasserverbrauch – die Kapazitäten der Abortgruben nicht mehr ausreichten. Man ging dazu über, die Fäkalien in die Schwemmkanalisation einzuleiten. Dabei setzte man auf die Selbstreinigungskraft der Gewässer – der Bau von wirksamen Kläranlagen setzte sich vielerorts erst nach dem Zweiten Weltkrieg durch. Das Londoner Vorbild stand übrigens am Anfang dieser folgenreichen Fehlentwicklung. Als die erste europäische Millionenstadt in den Jahren von 1858 bis 1865 als Reaktion des „Great Stinks“ der Themse von 1857 eine Schwemmkanalisation erhielt, war diese für die Aufnahme von Fäkalien bestimmt, die über Abfangkanäle in die Außenbezirke der Stadt und dann direkt in die Themse geleitet wurden.146 Trotz der immensen Investitionen ist aus heutiger Sicht unverständlich, warum nichts für die Klärung der Abwässer getan wurde. Dabei war es gerade ein Engländer, der bereits anlässlich der Londoner Choleraepidemien von 1848 und 1854 auf den Zusammenhang von Cholerainfektionen und verschmutztem Trinkwasser hingewiesen hatte: Lord John Snow (1813–1858) gilt in der medizinhistorischen Literatur als erster Epidemiologe, dem dieser Nachweis gelang. Snow hatte sich dabei auch statistischer Methoden bedient und nach der Untersuchung von Brunnen darauf hingewiesen, dass die tödliche Infektionskrankheit durch Kleinstlebewesen übertragen wurde.147

 

Auch wenn John Snows Erkenntnisse nicht wirklich in die medizinische Diskussion in Deutschland einflossen, war dort die Praxis umstritten, Abwässer einfach ungeklärt in die Flüsse zu leiten. Das lag auch daran, dass es bereits Untersuchungen gab, deren Ergebnisse gar nicht so weit von den Erkenntnissen Lord Snows entfernt waren. Zu nennen ist vor allem der Privatdozent Cohn, der bereits 1853 die Ergebnisse seiner mikroskopischen Untersuchungen veröffentlichte. Cohn war bei der Breslauer Choleraepidemie von der örtlichen Sanitätskommission mit der Untersuchung der Brunnen beauftragt worden.148 Nicht überall wollte man dem Londoner und Hamburger Vorbild folgen, wie zum Beispiel die Auseinandersetzungen um die Neuorganisation der Baseler Entsorgung zeigen, die bislang über Kanäle und Bäche erfolgte. Die Entscheidung brachte im Juni 1876 eine Volksabstimmung. Ergebnis: Das kommunale Gesetz zur Einführung der Schwemmkanalisation wurde abgelehnt.149 Auch in Deutschland gab es Widerstand. Das zeigen zum Beispiel die Auseinandersetzungen um den Neubau der Berliner Kanalisation nach Plänen von Eduard Wiebe (1804–1892). Auch in der preußischen Hauptstadt war zunächst geplant, Abwässer und Fäkalien ungeklärt in die Spree zu leiten. Die Kritiker warnten vor der Verunreinigung und dem Gestank des Flusswassers. Ihr Hauptargument: Der Verlust wertvollen Düngers für die Landwirtschaft. Dabei beriefen sie sich auf die Erkenntnisse des renommierten Chemikers Justus von Liebig (1803–1873) und seiner „Raubbautheorie“. Der Gießener Professor hatte 1862 seine Schrift „Einleitung in die Naturgesetze des Feldbaus“ veröffentlicht, in der er auf den Zusammenhang von Bevölkerungsentwicklung und der Fruchtbarkeit der Böden hingewiesen hatte. Justus Liebig mahnte zu einem pfleglichen Umgang mit den menschlichen Abgangsstoffen im Sinne der Aufrechterhaltung eines natürlichen Kreislaufes und machte von der „Entscheidung der Kloakenfrage der Städte die Erhaltung des Reichtums und der Wohlfahrt der Staaten und die Fortschritte der Cultur und Zivilisation“ […] abhängig.150 Dieser Gedanke wurde 1891 auch von August Bebel aufgenommen. Der „SPD-Urvater“ behauptete: „Die höchste Entwicklung des Bodenertrags und seine Erhaltung in fruchtbarem Zustande hängt in erster Linie von genügenden Dungstoffen ab, es wird also die Gewinnung und Aufbewahrung derselben auch für die neue Gesellschaft eine der wichtigsten Aufgaben sein.“151

 

 

6.2 Tonnen- und Kübelsysteme

 

Auch wenn die Vorbilder London und Hamburg die Einführung der Schwemmkanalisation in vielen europäischen Städten forcierten, wollte man sich nicht überall mit einer Technik anfreunden, die wertvollen Naturdünger verschwendete und einfach in die Flüsse leitete. So entschied sich die Züricher Gemeindeversammlung am 3. März 1868, nicht für die in Deutschland favorisierte Schwemmkanalisation nach dem englischen Vorbild, sondern für das Tonnensystem nach dem Pariser Vorbild (Fosses mobiles à Diviseur). Dabei wurde jeder Abtritt an einen Kübel angeschlossen. Es spielte keine Rolle, ob ein Abort mit oder ohne Wasserspülung ausgestattet war. Im Inneren dieser Tonnen befand sich ein Sieb, das alle festen Stoffe zurückhielt, während Urin und Spülwasser in die Kanalisation flossen. Der Grund der Entscheidung für dieses System war nicht nur die mögliche Gewinnung von Dungstoffen. Auch der Gewässerschutz spielte bereits eine wichtige Rolle – man wollte die Limmat nicht übermäßig verschmutzen. Das System hatte einen weiteren entscheidenden Vorteil: Es ließ sich mit einer Schwemmkanalisation kombinieren. Der Nachteil: Die Stadt musste einen eigenen Abfuhrbetrieb gründen.152

 

In den meisten Städten war das Tonnensystem wesentlich einfacher konstruiert. Der gesamte Unrat wanderte demnach in Tonnen, die in der Regel in den Kellern der Häuser aufgestellt waren. Von Zeit zu Zeit wurden die Tonnen abgefahren, wobei jedes Mal das Fallrohr neu abgedichtet werden musste. Und es war an der Tagesordnung, dass die Tonnen einfach überliefen. Dennoch hielt sich dieses Verfahren erstaunlich lange – in Heidelberg sogar bis 1923. Deswegen heißt dieses System, das übrigens auch zur Entsorgung der Fäkalien im Koblenzer Bürgerhospital eingesetzt wurde, auch „Heidelberger Tonnensystem“. Noch simpler war die Entsorgung nach dem sogenannten „Kübelsystem“: Die Exkremente wanderten dabei in kleinere Kübel. Waren sie voll, wurden sie morgens möglichst früh vor das Haus gestellt. Der Inhalt wurde dann einfach in einen offenen Abfuhrwagen gekippt. Da diese Wagen oft erst in der Mittagszeit kamen, verbreitete sich ein unerträglicher Gestank. Mitte des    19. Jahrhunderts war dieses Verfahren zum Beispiel in Bremen üblich. Die Verzögerungen bei der Abfuhr galten als Ärgernis ersten Ranges.153

 

Die regelmäßige Verpestung der Luft war der Hauptgrund, warum sich Kübel- und Tonnensysteme auf Dauer nicht hielten. Dazu kam, dass die Fäkalien zu stark verdünnt waren, sodass sie erst aufbereitet werden mussten, damit sie überhaupt als Dünger verwendet werden konnten. Bereits Max von Pettenkofer hatte auf die Unwirtschaftlichkeit solcher Verfahren hingewiesen und kritisiert, dass die in Tonnen fließenden Fäkalien Luft und Böden der Häuser verpesteten.154 Dieses Urteil ist gerade auch deshalb bemerkenswert, weil sich Pettenkofer während der Baseler Auseinandersetzungen noch gegen die Einführung einer Schwemmkanalisation ausgesprochen hatte. Der Hygieniker war dort 1866 als Gutachter eingeschaltet worden.155 An der Entwicklung zugunsten der Schwemmsysteme konnte auf lange Sicht auch das von Charles Liernur (1828–1893) im Auftrag des Prinzen Heinrich der Niederlande entwickelte Verfahren nichts ändern – obwohl das technisch sehr anspruchsvolle System heute als ein Vorläufer der Vakuumentwässerung gilt. Vereinfacht gesagt, bestand das 1865 vom niederländischen Ingenieur entwickelte System aus zwei verschiedenen „Ableitungssträngen“. Auf der einen Seite stand ein Rohr, in das Haus-, Regen- und Gewerbeabwasser flossen, auf der anderen Seite luftdicht miteinander verbundene Rohre, in die Fäkalien aus privaten Abtritten, öffentlichen Toiletten, Krankenhäusern, Schlachthöfen, Kasernen und anderen Einrichtungen flossen. Die Fortbewegung des Unrats in Zwischenreservoirs wurde schließlich über dezentrale Vakuumpumpstationen erreicht. 156 Von dort flossen die Fäkalien in einen Haupttank. Der Inhalt konnte nach der Weiterverarbeitung – zum Beispiel Poudrettierung – in der Landwirtschaft als Dünger eingesetzt werden. In der Praxis zeigte sich jedoch, dass sich Charles Liernurs pneumatisches System zwar durch einen geringen Wasserverbrauch auszeichnete, sonst aber sehr aufwendig und störanfällig war. Es kam somit nie über den versuchsweisen Betrieb hinaus. Einsatzorte waren die Städte Hanau, Prag, Leiden, Dordrecht und Amsterdam.157 Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es am Ende des 19. Jahrhunderts weitere Alternativen zu Liernurs System gab, die sich vor allem durch erhebliche Wassereinsparungen hervortaten. Besonders bemerkenswert war das von Wilhelm Beetz entwickelte „wasserfreie Urinal“, bei dem Öl als „Verschluss“ für den abfließenden Urin diente.158 Seit einiger Zeit erfährt dieses geruchlose System an Autobahnraststätten eine Renaissance.

 

 

6.3 Die Rieselfelder

 

Die in vielen Städten erbittert geführte Diskussion um den Sinn und Unsinn der Schwemmkanalisation warf auch die Frage auf, wie Fäkalien und Unrat aller Art zu entsorgen waren. Dass die Flüsse nicht unbegrenzt aufnahmefähig waren, hatte sich spätestens mit dem „Great Stink“ der Themse gezeigt. Es kam nicht von ungefähr, dass Justus Liebig mit einem Gutachten beauftragt wurde, das das Entsorgungsproblem in London lösen sollte. Der Chemiker empfahl, die bestehende Schwemmkanalisation beizubehalten, aber auf die Ableitung der Abwässer in die Themse zu verzichten. Stattdessen sollte das gesammelte Abwasser auf Äckern und Wiesen verrieselt werden.159 Auch in Deutschland entstanden schon früh solche Rieselfelder. 1869 machte Danzig den Anfang. Die Stadt galt lange als ungesündeste Stadt Preußens, da die durchschnittliche Lebenserwartung um 1850 gerade mal bei 24 Jahren gelegen hatte.160 Bereits 1870 folgte Münster, 1873 Berlin. Der große Flächenbedarf von Rieselfeldern hatte zur Folge, dass sie eben nicht überall angelegt werden konnten. So dachte man in Hamburg laut über den Bau großer Becken nach, in denen sich der unlösliche Schmutz absetzen konnte. Ein anderer Aspekt ist, dass die Rieselfelder wegen des zu erwartenden störenden Gestanks unpopulär waren. Der Vorsatz, auf den Feldern Gemüse anzubauen, wurde wieder aufgegeben, weil keiner die Erzeugnisse essen wollte.161 Und: Der Unterhalt war so unangenehm, dass Sträflinge für die Arbeit zwangsverpflichtet werden mussten.162 Wie die Aufstellung Hermann Salomons von 1906 zeigt, gab es zu Beginn des 20. Jahrhunderts nur wenige Rieselfelder. Genannt werden Darmstadt, Dortmund, Freiburg und Mülhausen. Dazu kamen Systeme zur Wiesenberieselung in Enkirch, Laasphe, Pfalzburg, Schwelm und Witten. In Idstein und Königstein wurden die Abwässer nach vorheriger biologischer Behandlung verrieselt.163

 

Auf ganzer Linie konnten sich die Rieselfelder nie durchsetzen. Und dafür gab es nicht nur wirtschaftliche Argumente, was man zu Beginn des 20. Jahrhunderts längst erkannt hatte. So wiesen Heinrich Deininger und Hermann André 1903 wie folgt auf den Hauptmangel hin: „Es sind jedoch nicht nur außerordentlich große Flächen Landes erforderlich, sondern auch die Qualität des Bodens spielt eine ebensolche Rolle, wenn nicht in ganz kurzer Zeit eine Übersättigung und Versumpfung des Bodens stattfinden soll. Die Beschaffung solchen für Rieselzwecke geeigneten Landes ist aber eine höchst schwierige Aufgabe und gestaltet sich zum Beispiel für Berlin geradezu zur Unmöglichkeit, da die umliegenden Ortschaften selbst das verfügbare Land zu ihren eigenen ähnlichen Zwecken mehr oder weniger dienstbar machen müssen. Die klimatischen Verhältnisse verbieten im Winter, so der Boden gefroren ist, eine Berieselung überhaupt – dieselbe ist deshalb nur als ein hygienischer Notbehelf zu betrachten und besitzt volkswirtschaftlich gar keinen Wert, da die Unkosten den Gewinn übersteigen.“164

 

Die vernichtende Bilanz des Chemikers und des Ingenieurs hatte aber noch einen ganz anderen Grund: Deininger und André hatten ein eigenes System entwickelt. Demnach sollten Abwässer in Reservoire einer „Fabrik“ fließen, in der Filterung, Klärung und Verdampfung möglich waren. Mit ihrer Erfindung bewarben sich die beiden Wissenschaftler auch in Koblenz – ohne Erfolg.165

6.4 Beschaffenheit der Gruben

 

In der Frühzeit der Schwemmkanalisation war es vielfach verboten, Fäkalien in die neuen Systeme einzuleiten. Die Exkremente wurden weiterhin in besonderen Gruben gesammelt, die turnusmäßig leer gepumpt wurden. Die neue Generation der Gruben sollte sich von der älteren dadurch unterscheiden, dass theoretisch keine Feuchtigkeit durch die Grubenwände durchsickern konnte. Man setzte auf die Eigenschaften des neuen Portland-Zements. Doch bereits der Essener Baukommissar Ludwig Brandis bemängelte, dass von „100 cementirten Gruben, welche älter als 6 Jahre sind, wenigstens 75 undicht sind.“166 Brandis führte die Mängel vor allem darauf zurück, dass Zement für die Abdichtung von Gruben gänzlich ungeeignet war, weil Jauche und Gase die „Isolierung“ im Laufe der Zeit zersetzten. Trotz der offensichtlichen Mängel waren im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts  zementierte, überwölbte Gruben fortan baupolizeilich vorgeschrieben, ebenso der Schutz der Reinigungsöffnungen durch Sandstein- oder Metallplatten. Die in den Gruben entstehenden Gase wurden durch bis zum Dach führende Dunstrohre abgeleitet. Geruchsverschlüsse sollten garantieren, dass sich die Gase in den Aborträumen nicht ausbreiten konnten.167 

 

Auch die Reinigung der Gruben stand bereits bei den Zeitgenossen in der Kritik. Nicht umsonst klagt Ludwig  Brandis:  „Die gegenwärtig bei der Reinigung meist gebräuchlichen Apparate sind entweder einfache Pumpen oder luftleere Gefäße, beide mit langen Schläuchen versehen. Bei den am meisten üblichen Pumpen werden die Grubenstoffe angesogen und in die Abfuhrtonne gedrückt, ein kleiner Ventillationsofen soll zur Verbrennung übelriechender Gase dienen. Häufig ersparen sich jedoch die Arbeiter die Mühe, den Ofen zu heizen in der Meinung, dass der Segen des Ofens nur gering sei, oder dass es einer Ventillation überhaupt nicht bedürfe. Die Reinigung einer Grube mit Hülfe einer Pumpe dauert oft mehrere Stunden. Während welcher durch den Duft der aufgeführten Stoffe die Athmungsorgane der Passanten und Hausbewohner in der unbarmherzigsten Weise gequält werden. Die Grubenreiniger sind zudem im allgemeinen wenig zuverlässige Arbeiter, welche mehr als nöthig durch den Genuß von Spirituosen sich zu stärken suchen und welche zu Ausschreitungen geneigt sind. Kein Wunder daher, dass sie ab und zu zur Ersparung von Zeit die Fäcalien nicht dem erhaltenen Auftrage gemäß aus der Stadt fahren, sondern bei der ersten besten Gelegenheit den ganzen Inhalt des Fasses innerhalb des bebauten Stadtgebietes ausschütten, wo derselbe wochenlang die nächste Umgebung belästigt. Im Winter wird die Reinigung noch durch den Frost erschwert. Nur mit Mühe sind die Grubendeckel aufzuheben, die Pumpen frieren ein, sodaß für Wochen die Möglichkeit abgeschnitten ist, die Gruben reinigen zu lassen. In Folge dessen werden viele Gruben übermäßig voll und geben einen Theil ihres Inhalts an benachbarte Keller ab.“168 Vor diesen Hintergründen brachte Ludwig Brandis das System der sogenannten Druckluft-Gruben ins Spiel, die absolut dicht waren, weil sie aus „Eisen“ hergestellt wurden. Diese Gruben konnten so angelegt werden, dass es möglich war, sie von der Straße her zu leeren. Das sollte mit Wagen erfolgen, die mit Druckluftbehältern ausgestattet waren.169

 

 

7. Die Zeit der Stadterweiterungen

 

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ie Konzentration aufstrebender Betriebe in den Städten und die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse durch den Bau der Eisenbahn eröffneten neue, ungeahnte Möglichkeiten. Das Zusammenwirken von Produktion, Handel und Verkehr, das sich vor allem in der Ausdehnung des Schienennetzes sowie der Expansion der Maschinen- und Elektroindustrie äußerte, führte zur Entstehung von Ballungszentren.

 

Städtebauliche Veränderungen waren allerdings innerhalb der historisch gewachsenen Kernstädte nur bedingt durchführbar. Gelegenheiten zur Lösung des Problems boten Stadterweiterungen nach der Beseitigung der völlig veralteten Befestigungsanlagen. An ihrer Stelle sollten Stadtteile entstehen, die den neuen Verkehrsverhältnissen gerecht wurden. Die Idee, diese Anlagen zu beseitigen, war nicht neu. Bereits im 18. Jahrhundert fielen die Berliner und Mannheimer Befestigungsanlagen, die Fortifikationen in Düsseldorf170, Bremen, Hamburg, Lübeck und Wien (Volksgarten) folgten zwischen 1801 und 1819. Zunächst entstanden nicht nur neue Stadtteile, sondern auch landwirtschaftliche Flächen oder Grüngürtel.171 Dieser frühen Phase schloss sich seit den 1860er-Jahren der Beginn des eigentlichen Urbanisierungsprozesses in Städten und Gemeinden an, wo man es als Befreiung empfand, überkommene Strukturen zu überwinden.172

 

In Berlin leitete der Bau des preußischen Eisenbahnnetzes die Entwicklung zur Großstadt ein. Bereits 1862 stellte der Baurat James Hobrecht im Auftrage des Prinzregenten Wilhelm für die inzwischen auf 500.000 Einwohner angewachsene preußische Hauptstadt den „Bebauungsplan der Umgebung Berlins“ fertig. Hobrecht ging von Boulevards mit Sternplätzen aus, schuf aber wegen der geplanten breiten Straßen und der tiefen Grundstücke günstige Voraussetzungen für eine dichte Bebauung. Die detaillierten Planungen zeigten den Spekulanten, wo sie ihr Geld gewinnbringend anlegen konnten. Das bewirkte eine Steigerung der Bodenpreise. Investoren nutzten deshalb die Grundstücke beim Bau ihrer Mietshäuser optimal aus, ohne auf Gesundheit und Bedürfnisse der künftigen Bewohner zu achten. Die Folge: Eine Konzentration möglichst vieler kleiner, dunkler und ungesunder Wohnungen auf dem teueren Baugelände. Ungünstig wirkte sich vor allem die 1853 eingeführte Bauordnung aus, die bei einer Mindeststraßenbreite von 15 Metern keinerlei Höhenbeschränkungen festsetzte. Selbst die Vorschriften für die Hofabmessungen waren minimal. Auch die Bauordnung von 1887 änderte nicht viel. Um die Jahrhundertwende lebten in Berlin 47 Prozent der Bevölkerung in Hinterhäusern.173

 

Auch in Wien kam es zu schwerwiegenden Eingriffen. Man beschränkte sich nicht nur auf den Bau neuer Ringstraßen, der 1857 begann. Auch bestehende Straßen wurden verbreitert, zahlreiche Durchbrüche ausgeführt. Auf den Wiener Baugrundstücken gab es für die rückwärtig gelegenen Bereiche keine Fluchtlinien. Die Folge war ein Überbauungsgrad bestehender Parzellen bis zu 85 Prozent. Bessere Wohnbedingungen herrschten dagegen in den schachbrettartig angelegten Erweiterungsgebieten. Dort bemühte man sich um die Schaffung von möglichst vielen zur Straße hin gerichteten Wohnungen, was den Investoren höhere Mieterträge garantierte. Bei dieser Bauweise blieben aber die verschiedenen Nutzungen einzelner Viertel unberücksichtigt. Erst von 1893 an flossen funktionelle Gesichtspunkte in die Stadtplanung ein. Es kam zu einer Differenzierung von Geschäftsvierteln, Arbeitsstättenvierteln und auch von sozial abgestuften Wohnvierteln.174

 

In Köln begann die Diskussion um eine Stadterweiterung schon 1861. Damals machte man sich über die Verteidigungskraft der alten Fortifikation längst keine Illusionen mehr, denn inzwischen hatte die Militärtechnik derartige Fortschritte erzielt, dass die bestehenden Anlagen für die modernen Geschütze kein Hindernis mehr darstellten. Doch erst 1881 war in Köln eine moderne vorgeschobene Fortkette fertiggestellt worden. Jetzt konnte die Schaffung neuer Viertel beginnen. Die Voraussetzungen für die Verwirklichung der Erweiterung wurden durch einen städtebaulichen Wettbewerb geschaffen, den Karl Henrici und Joseph Stübben mit ihrem gemeinsamen Plan für sich entschieden. Keiner der 22 eingereichten Vorschläge kam zur Ausführung. Sie dienten lediglich als Anregungen für weitere Konzepte. Die Stadt brauchte jedoch für die Verhandlungen um den Ankauf des militärfiskalischen Geländes eine Planungsgrundlage. Diesen vorläufigen Bebauungsplan legte Wilhelm Willmeroth im Januar 1881 vor. Anschließend begann die Erweiterung Kölns, mit deren Leitung Joseph Stübben beauftragt wurde. Es sollte noch bis 1910 dauern, bis Planungen und Ausbauarbeiten in der Neustadt im Wesentlichen abgeschlossen waren.175

 

Der systematische Ausbau einer Haupt- und Residenzstadt wird besonders gut am Beispiel Münchens deutlich. Dort nahmen die Könige bereits früh großen Einfluss auf die Planungen. Unter Max I. Joseph (1756–1825) wurden wegen der großen Wohnungsnot Stadterweiterungspläne geschmiedet, und ein erster Generallinienplan wurde erstellt. Unter Ludwig I. (1786–1868) verwirklichten Architekten wie Leo von Klenze (1784–1864) repräsentative Bauten, die auch heute noch die Struktur und das Aussehen der Innenstadt bestimmen. Damit war die Zeit der Umgestaltungen und Erweiterungen längst nicht vorbei. 1854 überschritt München die 100.000-Einwohner-Grenze. Diese Steigerung der Einwohnerzahlen brachte alle für Großstädte typischen Schwierigkeiten mit sich. Neben der Verbesserung der hygienischen Bedingungen erhielt vor allem die Verkehrsplanung Priorität. Dabei orientierte man sich am Pariser Vorbild.176 Für Koblenz als Militär- und Behördenstadt ist der Vergleich mit den Städten interessant, die von der Industrialisierung und der damit verbundenen Bevölkerungsexplosion nur mittelbar betroffen waren. So hatte zum Beispiel Bonn überwiegend eine Bildungs- und Erholungsfunktion. Dies ist auf die einstige landwirtschaftliche Prägung und die 1818 erfolgte Gründung der Universität zurückzuführen.

 

Trotz der im Gegensatz zu den Wirtschaftszentren eher gemächlichen Entwicklung gab es im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts Ansätze für eine Ausdehnung der Stadt über den mittelalterlichen Kern hinaus. 1825 begann man damit, die frühneuzeitlichen Befestigungsanlagen abzutragen. Fünf Jahre später entstanden die ersten Landhäuser. Um die bauliche Entwicklung der Erweiterungsgebiete zu fördern, verschenkte die Stadt sogar Gelände an die Investoren. Obwohl schon 1859 ein Bebauungsplan vorlag, erfolgte die Bebauung der neuen Quartiere aus Kostengründen ohne planerisches Konzept. Allmählich kristallisierten sich zwei größere Bereiche heraus. In der Südstadt investierten vorwiegend die wohlhabenden Schichten. Im Gegensatz dazu stand das nördliche Erweiterungsgebiet. Hier lebten vorwiegend Arbeiter, Handwerker und kleine Angestellte.177 Auch Trier gehört zu den Städten, die am Wirtschaftswachstum des 19. Jahrhunderts nur einen geringen Anteil hatten. Im Gegenteil: Mit dem Verlust des nahe gelegenen Frankreichs als Absatzmarkt machten sich dort nach der preußischen Besitznahme Niedergangserscheinungen bemerkbar. Auch der reichsweite steile Aufwärtstrend der Gründerzeit ging an Trier vorbei. Trotzdem wurde auch hier ab 1875 die Ausdehnung der Stadt notwendig. Die Erweiterung erfolgte ohne planerische Vorgaben. Man beschränkte sich auf die Bebauung bereits vorhandener Feldwege, die verbreitert oder begradigt wurden. 1886/87 setzte in der Stadt an der Mosel eine intensive Bautätigkeit ein, die in den späten 1890er-Jahren ihren Höhepunkt erreichte. Erst dann ergab sich für die Verwaltung die Notwendigkeit, die Ausdehnung Triers zu steuern. Die vollständige Umsetzung eines Bebauungsplanes scheiterte jedoch am Widerstand der Trierer Bürger.178

 

 Als weiteres Beispiel für die Epoche der Erweiterungen sei Mainz angeführt, das im Gegensatz zu Trier in der französischen Zeit vom Niedergang geprägt war. Zwar erklärten die neuen Herren das traditionsreiche Zentrum am Rhein zur Departementshauptstadt, doch machten sie keine   Anstalten, die stark in Mitleidenschaft gezogene Bausubstanz zu erneuern. Alle Planungen blieben im Ansatz stecken. Die schlechte Situation änderte sich auch nicht nach dem Abzug der Truppen Napoleons. Die Stadt fiel jetzt an das Großherzogtum Hessen und wurde eine Festung des deutschen Bundes, die abwechselnd eine preußische und österreichische Besatzung erhielt. Die Wohnsituation verschlechterte sich durch den Neubau von Kasernen und die Einrichtung von Produktionsstätten laufend. 1870 galt Mainz als die am dichtesten besiedelte deutsche Festungsstadt. Ein entscheidender Durchbruch gelang erst nach dem Deutsch-Französischen Krieg, denn 1872 kam es zu vertraglichen Regelungen zwischen der Stadt und dem neu gegründeten Reich. Jetzt erst konnten die Erweiterungsaktivitäten beginnen und die alten Befestigungsanlagen niedergelegt werden.179

 

Die wenigen Beispiele zeigen, dass die Neuordnung und Erweiterung von Städten nicht zwangsläufig zur Verbesserung der allgemeinen Lebensbedingungen führten. Vielerorts trat genau das Gegenteil ein. Die Mängel wurden bereits früh erkannt. Schon 1840 setzte in den deutschen Staaten die Rezeption der englischen und französischen Literatur zur Wohnungsfrage ein. Mit dem „Centralverein für das Wohl der arbeitenden Classen“ im unmittelbaren Anschluss an die Berliner Gewerbeausstellung des Deutschen Zollvereins von 1844 bildete sich ein erstes Sprachrohr für die benachteiligten Klassen, das später in „Der Arbeiterfreund“ umbenannt wurde. Diesem neuen Verein stand der protestantische Sozialreformer Victor Aimé Huber nahe, der heute als Begründer der wissenschaftlichen Literatur über die Wohnungsfrage in Deutschland gilt.

Auch der 1873 gegründete und heute noch bestehende Verein für Socialpolitik180 wurde zu einem Sprachrohr für diejenigen, die offen die Zustände im Wohnungswesen anprangerten. In der ersten Phase der Reformbewegung liegen auch die Wurzeln gemeinnütziger Baugesellschaften. Und der Anfang wurde dort gemacht, wo das Wohnungselend am bekanntesten war – in Berlin.181 Von den Zuständen in den großen Städten war man in Koblenz weit entfernt, auch wenn es immer wieder Berichte über Missstände gab. Und so sollte die große Stunde der gemeinnützigen Baugenossenschaften und Siedlervereine, die freilich ganz andere Motive hatten als die ersten Zusammenschlüsse, erst in der Zwischenkriegszeit schlagen.

 

 

7.1 Eisenbahn und Wachstum

 

Auch in Koblenz war der Siegeszug der Eisenbahn das entscheidende Motiv, das Ende der Stadtbefestigung und die Erschließung neuer Stadtteile zu fordern. Bereits 1858 und 1859 dachte man an die Erweiterung des Stadtbezirks, denn inzwischen hatte die neue Bahnlinie am Rhein ihren Betrieb aufgenommen. Innerhalb von Koblenz gab es aber nur für den Personenbahnhof im Bereich der heutigen Fischelstraße (Eisenbahnstraße) ausreichend Platz. Der sich allmählich entwickelnde Geschäftsverkehr war auf den Güterbahnhof im nördlich der Mosel gelegenen Lützelkoblenz angewiesen. Ebendiese Trennung von Personen- und Güterbahnhof war vom preußischen König Wilhelm I. am 12. April 1858 angeordnet worden.182

 

Der ebenfalls von den preußischen Befestigungsanlagen umgebene heutige Stadtteil bildete damals zusammen mit dem ländlich geprägten Neuendorf einen Gemeindeverband. Ein hoher Prozentsatz der Erwerbstätigen in Lützel war von der Rheinischen Eisenbahn und den sich allmählich ansiedelnden größeren Betrieben abhängig. Deswegen erhoffte man sich hier von einer Vereinigung mit dem wirtschaftlich bedeutenderen Koblenz große Vorteile. Am 7. Januar 1859 beschlossen die Stadtverordneten, ein Gesuch zur Eingliederung des Nachbarortes an die Staatsregierung in Berlin zu richten. Obwohl ein Anschluss Lützels den Bestand der Festung Koblenz nicht gefährdet hätte, verliefen die Verhandlungen im Sande.183

 

Trotz des Rückschlages in der Eingemeindungsfrage entbrannte in den 1860er-Jahren die Diskussion um die Beseitigung der Befestigungsanlagen erst richtig. Ratsmitglieder und Handelskammer betrachteten die Sprengung des beengenden Festungsgürtels als Minimalvoraussetzung für eine erfolgreiche Entwicklung der Wirtschaft in Koblenz. Durch eine Erweiterung sollte auch der dringend notwendige Platz für neue Häuser geschaffen werden. Doch der Vorstoß brachte nichts.

 

Das Militär bestätigte zwar den akuten Wohnungsmangel, gab aber zu verstehen, dass „auch die geringsten Hoffnungen als unberechtigt zu bezeichnen“ waren, da weder dem Staat noch der Gemeinde Geldmittel für die Bauarbeiten zur Verfügung standen.184 Auch eine spätere Erweiterungsforderung des Stadtrates vom Januar 1866 beeindruckte das Militär nicht.185 Der geplante Bau der Eisenbahnstrecke Koblenz–Trier ermutigte 1873 Oberbürgermeister Karl-Heinrich Lottner zu einem Versuch, erneut die Erweiterung der Rhein-Mosel-Stadt ins Gespräch zu bringen.186 Dieses Mal unterstützte auch die Koblenzer Bezirksregierung die Absichten der Gemeinde und leitete das Gesuch Lottners an das Kriegs- und das Innenministerium in Berlin weiter. Sie erinnerte an die ohnehin beim Bau der neuen Bahnlinie notwendigen fortifikatorischen Veränderungen, die man mit der Schaffung von neuen Vierteln hätte verbinden können. Gleichzeitig wies die Regierung auf die beschränkten finanziellen Möglichkeiten der Stadt hin und regte zur Verminderung der Kosten die Wiederverwendung von Baumaterialien der alten Befestigungswerke an. Voraussetzung für die Verwirklichung dieser Vorschläge war neben einer vorläufigen Aufstellung der erforderlichen Mittel vor allem die Überprüfung der Frage, ob eine Hinausrückung der Festungsanlagen aus militärischer Sicht vertreten werden konnte.187

Das Oberpräsidium der Rheinprovinz bewertete den Plan, anstelle zweier unabhängiger Bahnhöfe für die Rheinstrecke und die Linie Koblenz–Trier außerhalb der Befestigungslinien eine zentrale Anlage einzurichten, als eine vorläufig letzte Möglichkeit, das Stadterweiterungsproblem zu lösen.188 Alle Bemühungen blieben vergebens, denn auch dieses Mal änderte die preußische Staatsregierung ihre Haltung nicht. Vor allem Kriegsminister Albrecht Graf von Roon zeigte sich nach Abschluss der Ermittlungen der Ingenieurbehörden von den Nöten der Koblenzer unbeeindruckt. Er war der Meinung, der Mangel an Wohnungen für Offiziere und Beamte mache eine Stadterweiterung nicht notwendig. Nach seiner Ansicht gab es innerhalb der Befestigung noch eine Anzahl elender Baracken, die durch wohnliche Häuser ersetzt werden konnten.189

 

Zu den Kosten einer möglichen Erweiterung nahmen das Innenministerium sowie das Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten in einem Brief an den Oberpräsidenten Dr. Heinrich Moritz Albert von Bardeleben Stellung. In dem Schreiben wurde die für die Durchführung der Erweiterung erforderliche Summe auf zwei Millionen Taler (= sechs Millionen Reichsmark) festgesetzt. Schließlich vergaß man nicht, die Hoffnung einer finanziellen Unterstützung aus den Kassen der Militär- und Eisenbahnverwaltung zunichtezumachen. Der Stadt wurden also alle Kosten aufgebürdet. Der Wert des neu gewonnenen Baugeländes in Höhe von 945.000 Talern hätte die Summe aller Aufwendungen erheblich unterschritten. Unter dem Strich wären auf Koblenz Mehrkosten von über einer Million Taler zugekommen. Diese Berechnung enthielt nicht einmal die entstehenden Entschädigungsleistungen im Falle der Umsetzung der Erweiterungsabsichten. Diese Belastungen konnte die verschuldete Gemeinde nicht tragen. Damit war die Ausdehnung der Rhein-Mosel-Stadt erst einmal vom Tisch.190

Unverändert streng blieben auch die Bestimmungen zur Beschränkung des Grundeigentums und zur Bauausführung. Diese waren im Reichsgesetz vom 21. Dezember 1871, das die Umgebung von Festungen in drei Bezirke (= Rayons) einteilte, neu formuliert worden. In allen Rayons waren folgende Baumaßnahmen nicht ohne Genehmigung der Kommandanturen zulässig: 

 

* die Anlage von Lehm- und Sandgruben, die Einrichtung von Stein- und Kalkbrüchen sowie die Schaffung von Lagerplätzen,  

* Neuanlagen von Dämmen, Deichen, Be- und Entwässerungsanlagen sowie alle sonstigen Wasserbaumaßnahmen,

* die Anlage und Veränderung von Chausseen, die Schaffung von Parkanlagen, Wegen, Eisenbahnen, Baumschulen und Waldungen,

* die Errichtung oder Veränderung von Kirch- und Glockentürmen.

 

Die härtesten Beschränkungen galten für den ersten Rayon, der das Terrain im Umkreis von 600 Metern einschloss. Verboten waren:

 

* Wohngebäude jeder Art,

* massive Fundamente, die das Terrain um mehr als 15 Zentimeter überragten,

* alle sonstigen Gebäude, die nicht aus Holz oder leicht zerstörbaren Eisenkonstruktionen bestanden,

* Keller und mit dem Boden fest zusammenhängende Feuerungsanlagen,

* Baulichkeiten mit einer Firsthöhe von über sieben Metern und Dächer, die nicht aus Holz, Stroh, Rohr, Dachpappe, Dachfilz, Zink oder Schiefer bestanden,

* die Aufstellung von fahrbaren, mit den Gebäuden verbundenen Dampf- und Kraftmaschinen,

* Denkmäler von Stein oder Eisen, die vorgeschriebene Abmessungen überschritten,

* die Anpflanzung „lebendiger Hecken“.

 

Mit einer besonderen Erlaubnis der Kommandanturen konnten zum Beispiel hölzerne Windmühlen und untergeordnete Gebäude gebaut werden. Der Genehmigung bedurften auch der Bau beweglicher Feuerungsanlagen, hölzerner und eiserner Einfriedungen oder Brunnen. Weitreichende Beschränkungen stellte der Gesetzgeber für den 375 Meter breiten Geländeabschnitt auf, der sich an die äußerste Grenze des ersten Rayons anschloss. In diesem Bereich mussten sämtliche Bauvorhaben – sogar die Anlage von Friedhöfen und Dampfschornsteinen – von der örtlichen Kommandantur genehmigt werden. Einem vollständigen Verbot unterlagen:

 

* alle Massivkonstruktionen von Gebäuden oder Gebäudeteilen mit Ausnahme massiver Feuerungsanlagen und höhere massive Fundamente,

* jede Art von Gewölbearten sowie Eindeckungen von Kelleranlagen mit steinerner und eiserner Konstruktion,

* die Anlage aller größeren Öfen für gewerbliche Zwecke.

 

Alle Gebäude sollten nur aus Holz oder einer nach dem Urteil der Militärbehörde leicht zerstörbaren Eisenkonstruktion bestehen. Die Obrigkeit konnte ihre Bauerlaubnis nicht versagen, wenn die Häuser in einer Fachwerkbauweise errichtet wurden. Die ausgemauerten Wände  durften allerdings eine Stärke von 15 Zentimetern nicht überschreiten. Ebenfalls zulässig waren die Deckung der Gebäude mit Ziegeln und die Einrichtung von Feuerungsanlagen, deren massive Fundamente das umliegende Terrain um weniger als 30 Zentimeter überragten. Der Gesetzgeber beschränkte die Höhe aller Bauten in diesem Rayon auf maximal 13 Meter. Außerdem ließ man für die Konstruktion von Kellerdecken nur hölzerne oder leichte eiserne Balken mit darüber befindlichen hölzernen Fußböden zu. Der dritte Abschnitt, für den Beschränkungen galten, umfasste bei allen Festungen das Terrain von der äußersten Grenze des zweiten Rayons bis zu einer Entfernung von 1275 Metern. Hier sollte vor der Umsetzung von Bebauungsplänen die Zustimmung der Reichsrayonkommission vorliegen. Geprüft wurden vor allem Breite und Ausrichtung der Straßen. Doch damit nicht genug: In allen Rayons mussten die Grundstücksbesitzer im Ernstfall mit der Aufforderung der örtlichen Kommandanturen zur Räumung und zum Abbruch ihres Eigentums rechnen. Paragraph 43 des Reichsrayongesetzes drückt dies folgendermaßen aus: „Wird die Armirung permanenter Befestigungen angeordnet, so sind die Besitzer der innerhalb der Rayons belegenen Grundstücke verpflichtet, der schriftlichen oder öffentlich bekannt gemachten Aufforderung der Kommandantur zur Niederlegung von baulichen oder sonstigen Anlagen, Wegschaffung von Materialien-Vorräthen, Beseitigung von Pflanzungen und Einstellung des Gewerbebetriebes nachzukommen. Wird dieser Aufforderung nicht in der gesetzlichen Frist genügt, so können die Besitzer der betreffenden Grundstücke durch administrative Zwangsmaßregeln hierzu angehalten werden. Eine gewisse Erleichterung für die Bürger brachten die Bestimmungen des Gesetzes über die Zahlung von Entschädigungen, die es zuvor nicht gegeben hatte. Immerhin war es jetzt den Haus- und Grundeigentümern im dritten Rayon möglich, im Falle des Abbruches baulicher Anlagen einen Ausgleich zu erhalten. Im ersten und zweiten Rayon hatten die Grundeigentümer schlechte Karten: Sie mussten nicht nur auf finanzielle Zuwendungen verzichten, sondern auch die Kosten für die Beseitigung ihrer Bauten übernehmen.191 Angesichts dieser einschneidenden gesetzlichen Bestimmungen wird verständlich, warum nur wenige in die Errichtung von Gebäuden vor den Toren von Koblenz investierten. Obwohl sich die Reichsgrenze nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 weit nach Westen verschoben hatte, gab es für die jetzt strategisch weniger wichtige Rhein-Mosel-Stadt vorerst keine Lockerung der Bestimmungen. Die Kenntnis der gesetzlichen Regelungen sowie der Verzögerungstaktiken von Staatsregierung und Militär ist nicht nur für die Entstehungsgeschichte der Südlichen Vorstadt wichtig. Die schleppende Entwicklung der Ausdehnungsmöglichkeiten hatte unmittelbare Auswirkungen auf die Gestalt der Häuser in der Altstadt. Viele Gebäude wurden in Folge des akuten Wohnungsmangels aufgestockt, erweitert oder in ihrem Grundriss so stark verändert, dass sich ihre ursprüngliche Gestalt nur noch indirekt erschließen lässt. Die Umgestaltungen beantworten auch die Frage, warum in der Koblenzer Kernstadt von den noch verbliebenen barocken und klassizistischen Bürgerhäusern nur ein geringer Teil im ursprünglichen Zustand erhalten ist.

 

 

7.2 Das neue Fluchtliniengesetz

 

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mussten die Gemeinden wegen der ständig zunehmenden Bauaktivitäten daran interessiert sein, die Erschließung neu geschaffener Straßen und Grundstücke in geordnete Bahnen zu lenken. Bauvorschriften allein reichten zur Förderung einer einheitlichen städtebaulichen und wirtschaftlichen Entwicklung nicht aus, denn sie bezogen sich nur auf das einzelne Objekt: Ein Haus, das alle Anforderungen hinsichtlich Ausführung und Gestaltung erfüllte, konnte ohne Weiteres den späteren Projekten im Wege stehen. Deswegen mussten auf rechtlichem Gebiet die Voraussetzungen geschaffen werden, die den Gemeinden die Ausführung ihrer Planungen sicherten. Nach und nach entstanden in den deutschen Ländern die dazu erforderlichen Bestimmungen. In Preußen wurden mit dem „Gesetz betreffend die Anlegung und Veränderung von Straßen und Plätzen in Städten und ländlichen Ortschaften“ die Weichen gestellt. Dieses Gesetz war am 2. Juli 1875 vom preußischen König unterschrieben worden. Dieses Fluchtliniengesetz, das im Kern bis 1960 gültig blieb, diente als rechtliche Grundlage für die Aufstellung von Bebauungsplänen und später auch für die Beteiligung der Anlieger an den Ausbaukosten.192 Es regelte ferner die Frage der Entschädigung von Grundeigentümern beim Bau neuer Straßen. Schließlich ermöglichte es ein Bauverbot an den Straßen, die noch nicht entsprechend der örtlich geltenden Bebauungspläne ausgebaut waren.193

 

 Im Gegensatz zu den früheren Bestimmungen gab das neue Gesetz den Gemeinden die Möglichkeit, das wilde Bauen innerhalb unfertiger Straßen zu verhindern und die Kosten der Wegebaulast in einem erheblichen Umfang auf die Anlieger abzuwälzen. Die Festsetzung von Fluchtlinien konnte für einzelne Straßen, für Straßenteile oder für größere Grundflächen erfolgen. Für die letztgenannte Möglichkeit wählte der Gesetzgeber die Bezeichnung „Bebauungsplan“. Der Zweck der Festlegung von Fluchtlinien musste immer die Anlegung einer öffentlichen Straße in der „näheren Zukunft“ sein. Die Proforma-Festsetzung neuer Straßenzüge zur Verhinderung baulicher Veränderungen war also unzulässig.194

 

Die Festsetzung des Fluchtlinienplanes übernahm der Gemeindevorstand. Dieser brauchte die Zustimmung der Gemeindeversammlung und der Ortspolizeibehörde.195 Stimmte man überein, musste der Plan anschließend öffentlich ausgelegt werden. Dies war eine Voraussetzung für die Erlangung der vollen Rechtsgültigkeit. Lagen Einwände der von den Veränderungen Betroffenen oder von Behörden196 vor, wurde über die Streitpunkte verhandelt. Kam eine Einigung nicht zustande, entschied die übergeordnete Instanz. In Koblenz nahm der Bezirksausschuss diese Funktion wahr. Danach hatte der Bebauungsplan endgültig Rechtskraft. Allerdings durften schon während der Offenlegung alle Bauvorhaben, die die äußere Grenze einer geplanten Straße überschritten, nicht mehr genehmigt werden. Diese Beschränkung der Baufreiheit schützte die Gemeinden davor, dass die von den neuen Fluchtlinien Betroffenen durch spätere bauliche Veränderungen den Wert ihres Eigentums und somit auch die Höhe der Entschädigungsleistungen künstlich in die Höhe treiben konnten.197 Obwohl die preußische Gesetzgebung nur die Festsetzung von Straßen- und Baufluchtlinien vorschrieb, sollten Bebauungspläne nicht nur der Förderung geordneter Verkehrsverhältnisse dienen, sondern auch die Schaffung von gesunden Wohnverhältnissen erleichtern. Deshalb wäre es erforderlich gewesen, auch die Grundstücksgrenzen in die Fluchtlinienpläne einzuschließen, um den Bau schiefer und winkliger Häuser zu vermeiden. Doch die Praxis sah anders aus, denn in den meisten Fällen wurden die Parzellen in den Bebauungsplänen nicht berücksichtigt.198

 

Vielerorts vernachlässigte die Obrigkeit die Kontrolle der Grundstücksaufteilungen. Da oft auch rückwärtige Baufluchtlinien fehlten, waren zu tiefe Baugrundstücke keine Seltenheit. In Koblenz nutzten Verwaltung und Stadtvorstand die Möglichkeiten des neuen Fluchtliniengesetzes, das ja in erster Linie geschaffen worden war, um die Gemeinden vor einer Kostenexplosion bei der Anlage dringend erforderlicher neuer Straßen und Plätze zu bewahren. Die Kommune hatte angesichts ihrer künftigen Erweiterungsabsichten die Möglichkeit, zur Dämpfung späterer Entschädigungsleistungen Baumaßnahmen einfach zu verbieten. Nach den älteren gesetzlichen Bestimmungen wäre dies nicht möglich gewesen, denn vor 1875 mussten die Gemeinden Grundstücke sofort ankaufen oder sich mit den Grundeigentümern gütlich einigen. Dies hätte der Stadt unbezahlbare finanzielle Belastungen gebracht, denn trotz der einschneidenden Rayonbestimmungen gab es Interessenten, die vor den Toren der Stadt Häuser in Leichtbauweise errichten wollten. Vor allem die Einrichtung der Moselbahn und des dazugehörigen außerhalb der Befestigungsanlagen gelegenen Bahnhofs führte zu einer lebhaften Bautätigkeit. In der Löhrchaussee (der Verlängerung der alten Löhrstraße) kam es zur Errichtung von Fachwerkbauten, die „regellos in die Feldmark gestellt“ worden waren und deswegen das Missfallen der Obrigkeit auf sich zogen.199

 

Diese Gebäude gaben den Anlass zur Schaffung eines Fluchtlinienplanes für den Bezirk vor den Toren. Den am 22. Juni angenommenen und am 12. August 1878 von der Regierung genehmigten Plan erarbeitete Kreisbaumeister Zweck.200 Um künftige überhöhte Entschädigungsleistungen zu vermeiden, brachte die Gemeinde mit dem Ortsstatut vom 17. Juli 1878 jegliche Bautätigkeit im zweiten und dritten Rayon zum Erliegen. Da man es versäumte, bestimmte Bereiche von den Bestimmungen auszuschließen, betraf das Verbot sogar die längst erschlossene Mainzer Chaussee (die spätere Mainzer Straße), an der private Investoren bereits 34 zum Teil herrschaftliche Villen hatten errichten lassen.201

 

Die Ankündigung der Koblenzer Stadtverwaltung, die Baukosten gemäß den neuen Möglichkeiten des Fluchtlinienrechts für projektierte Straßen anteilig auf die Grundstückseigentümer abzuwälzen, führte schließlich zum vollständigen Erliegen der Bautätigkeit im zweiten und dritten Rayon. Die negativen Auswirkungen des Statuts wurden auch im Stadtrat behandelt. Massive Proteste der Bauwilligen führten zur Überarbeitung der Bestimmungen. Die Verabschiedung des reformierten Ortsstatutes erfolgte am 23. Mai 1881. Fortan war die Errichtung von Häusern auch an noch nicht fertiggestellten Straßen möglich. Dabei mussten aber weitreichende Auflagen erfüllt werden.202

 

Da das neue Fluchtlinienrecht für private Grundstückseigentümer enorme Nachteile brachte, machten die Gesetzesgegner ihrem Ärger in Wort und Schrift Luft. In Koblenz schrieb ein anonymer Kritiker: „Die Motive des Gesetzentwurfes erklären selbst wiederholt, dass das Gesetz hervorgerufen sei durch das Bedürfnis der großen, rasch aufblühenden Städte, die enormen Kosten für neue Straßenanlagen los zu werden. Wachsen aber die Städte in normaler Weise oder gar abnorm langsam, wie z.B. Coblenz, dann tritt das Bedürfnis neuer Straßen nicht allzu häufig heran; in gesunden Verhältnissen nimmt an den Vortheilen solcher neu entstehender Straßen nicht blos der Bauunternehmer, der Spekulant, der anliegende Grundbesitzer theil, sondern die Gesammtheit; es ist für die Finanzen der Stadtgemeinde alsdann durchaus nicht unerschwinglich, die Kosten neuer Straßenanlagen aufzubringen.“ Eine große Ungerechtigkeit sah der anonyme Verfasser des Aufsatzes darin, dass die Gemeinden als Hauptinteressenten an der Anlage neuer Straßen keine Verpflichtung einzugehen brauchten, irgendeinen Beitrag zu leisten.203  

 

Ungünstig wirkte sich auch die Berechnung der Umlagen aus, denn sie orientierte sich nicht am Grundstückswert, sondern an dem Raum, den die Parzellen zur Straße hin einnahmen. Deswegen kamen die Eigentümer schmaler, aber tiefer Grundstücke bei der Kostenermittlung günstiger davon. Angesichts dieser schlechten Bedingungen schrieb der anonyme Kritiker: „[...] Ein solcher Zustand musste unhaltbar sein, denn Coblenz ist innerhalb der Enceinte ganz bebaut, in einzelnen Regionen übervölkert, für neue Häuser ist kein Raum mehr, es müßten denn gerade die wenigen Gärten und Höfe in der Stadt noch überbaut und die Häuser auf vier, fünf oder mehr Stockwerke gebracht werden. Die Wohnungsnoth hat freilich längst auf diese gefährliche Bahn getrieben. Die Straßen im neueren Stadttheile scheinen dem Vorübergehenden luftig, allein hinter den schönen Häusern findet man vielfach ein solches Gewirr von dumpfen Höfchen und feuchten Wohnungen, ohne genügend Licht- und Luftzutritt, eine solche Zusammenpferchung von Familien auf kleinstem Raum, daß Gesundheit und Sittlichkeit bedenklich gefährdet erscheinen. Die Miethpreise sind für den Mittelstand und niedere Stände auf eine unerschwingliche Höhe hinaufgeschraubt; der kleine Beamte und Handwerker zumal muß sich auf das allerkläglichste und in wahrhaft bedauernswerter Weise behelfen. So kam es, daß trotz aller Baubeschränkungen durch das Rayongesetz allmählich sehr viele Wohnungen vor den Thoren entstanden, daß Pfaffendorf und Horchheim Vorstädte von Coblenz geworden sind, wo besonders eine Masse in Coblenz stationirter Beamten wohnen. Andererseits leuchtet es ein, daß die Rayonbeschränkungen doch wieder so erheblich sind, daß die Bauthätigkeit vor den Thoren stets nur auf das dringende Bedürfnis beschränkt bleiben wird; das Entstehen ganzer Häuserreihen auf Speculation, wie in Bonn, Düsseldorf, überhaupt in offenen Städten, ist hier außerordentlich erschwert. Und doch ging das ganze Ortsstatut von solchen Voraussetzungen aus, als würden hier sofort z.B. Consortien sich bilden, welche mit Vergnügen die Fertigstellung ganzer Straßen für den Anbau übernehmen würden.“204 Obwohl zunächst keine Aussichten auf die Öffnung der Befestigungsanlagen bestanden, machte man sich in der Stadt im Vertrauen auf die Finanzkraft von Großinvestoren daran,  neben der Mainzer Chaussee fünf weitere Straßen für die künftige  Vorstadt zu planen. Der Anonymus beschreibt die Folgen der Umsetzung dieses Konzeptes in seiner Streitschrift wie folgt: „[...] Dieses Netz von sechs Straßen  beginnt erst 600 Meter vor dem Thor. Man watet also bis so weit durch Feldwege oder Communicationsstraßen und kommt dann mitten im Felde plötzlich an prächtige, breite, gepflasterte, mit Trottoiren, Bordsteinen, Rinnen, Laternen versehene Straßen von 12 bis 20 (!) Meter Breite. Zur Hauptstraße soll der obere Görgenweg werden,  welcher auf 20 Meter Breite gebracht wird; beiläufig gesagt, eine Straße, welche nach der Stadt zu nicht einmal gegen ein Thor mündet, sondern an einer ganz versteckten Stelle ins Glacis sich todtläuft. Es kann doch nun nicht gut die Absicht sein, gewissermaßen eine selbständige Stadt draußen zu schaffen, die durch einen kothigen, abends unerleuchteten, häuserleeren Wüstengürtel von 600 Metern streng von der Stadt geschieden ist.“205

Zwar war im Bebauungsplan eine Anbindung des Erweiterungsgebietes an die eigentliche Stadt vorgesehen, doch mussten die Voraussetzungen für eine Realisierung der Verbindungsstraßen erst in langwierigen Verhandlungen geschaffen werden. Solange kein zufriedenstellendes Resultat vorlag, konnte man vom Investitionswillen großer auswärtiger Baugesellschaften nur träumen.

 

 

7.3 Das Ende der Stadtbefestigung

 

Obwohl der Bau der Moseleisenbahn in Koblenz endlich die Verlagerung der Befestigungswerke ermöglichte, verweigerten Militär und zuständige Ministerien in Berlin bereits 1873/74 die finanzielle Unterstützung für die geplanten Erweiterungsmaßnahmen. Trotzdem brach man seitens der Stadt die Verhandlungen nicht ab. Nach den Vorstellungen der Gemeindevertreter sollten aus verkehrstechnischen Gründen die beiden neuen Bahnhöfe zur Bewältigung des Personen- und Güterverkehrs in unmittelbarer Nachbarschaft der Stadt entstehen. Eine Verwirklichung dieses Vorhabens hätte auch neue Chancen für eine begrenzte Stadterweiterung eröffnet. Im Herbst 1874 lagen bereits fünf verschiedene Pläne zur Anlage der neuen Station vor. Nicht im Sinne der Gemeindevertreter konnte der Vorschlag sein, den neuen Moselbahnhof weit außerhalb am Fuße der Karthause zu bauen. Dieses Projekt stand aber den bestehenden Befestigungsanlagen nicht im Wege und fand auch die Zustimmung der Eisenbahnverwaltung. Eine andere Möglichkeit war die Erweiterung der Stadt zur Aufnahme des Personenbahnhofs und die Auslagerung der Güterabfertigung an die Mosel. Die zusätzlich erforderlichen Mittel zur Realisierung dieser Variante in Höhe von 2,7 Millionen Reichsmark hätte die Kommune tragen müssen.206

 

Im Mai 1877 lagen insgesamt sieben Projekte vor, deren geschätzte Kosten in die Millionen gingen. Für die Stadtverordneten stellte sich nun die Frage, ob die Gemeinde in der Lage war, für die Erweiterung der Stadt und die Anlage des Personen- und Güterbahnhofes innerhalb des neuen Verteidigungsringes aufzukommen. Als Alternative bestand immer noch die Möglichkeit, den Personenbahnhof innerhalb der bestehenden Befestigungsanlagen zu bauen.207 Keine dieser beiden Lösungen ließ die Stadt wegen der für sie immensen Kosten jemals verwirklichen. Deshalb blieb es beim ursprünglichen Plan, den neuen Moselbahnhof im ersten Rayon vor den Toren von Koblenz anzulegen, ohne eine Stadterweiterung in Angriff zu nehmen.  

 

Das Ende aller Raumprobleme rückte erst in den 1880er- und 1890er-Jahren in greifbare Nähe. Dabei sah es zunächst sehr schlecht aus. Im Januar 1883 unternahm die Handelskammer erneut einen Vorstoß beim Ministerium für Handel und Gewerbe.208 Das Nein aus Berlin ließ nicht lange auf sich warten. Darin hieß es, „dass der nachtheilige Einfluss nicht verkannt werde, welchen die Festungswerke in ihrer gegenwärtigen Gestalt auf die Entwicklung des Handels und Gewerbes in der Stadt Coblenz ausüben, dass man aber gleichwohl Abstand nehmen müsse, den Antrag bei dem Herrn Kriegsminister zu befürworten, da eine Erweiterung der Stadtumwallung sehr erhebliche Kosten verursachen würde und es im hohen Grade zweifelhaft erscheine, ob diese Aufwendungen mit den zu erwartenden Vortheilen in einem richtigen Verhältnis stehen würden. Aber auch hiervon abgesehen könne der Militärverwaltung nicht angesonnen werden, lediglich im Interesse der Stadt Coblenz so bedeutende Aufwendungen zu machen, und ebensowenig könnten die Mittel aus allgemeinen Staatsfonds zur Verfügung gestellt werden, weil es sich in erster Linie um die Förderung städtischer Interessen handele. [...]“209

 

Eine gewisse Entspannung der Situation trat 1886 ein, als das Berliner Kriegsministerium Koblenz als minderwertige Großfestung einstufte.210 Äußeres Zeichen für diese neuen Entwicklungen zugunsten der Stadt war die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse an den Eingängen zur Stadt.211 Außerdem gaben wiederholte Festungsinspektionen dem Gerücht Nahrung, dass die uneingeschränkte Freigabe der drei Rayons für die Bebauung unmittelbar vor der Tür stand. Allein diese Annahme hatte für eine Belebung des Immobiliengeschäftes in den Bereichen außerhalb der Umwallung gesorgt.212 Ein Durchbruch im wahrsten Sinne des Wortes wurde mit der weitgehenden Beseitigung des Mainzer Tores im Frühjahr 1889 erzielt.213 Es folgten der Abbruch des Weißer Tores und die Niederlegung des Schiffertores. Der Durchbruch des Weißer Tores war vom Kriegsministerium ursprünglich abgelehnt worden. Ein erneuter Vorstoß der Stadt führte schließlich zum Ziel. Die Schaffung einer geeigneten Verbindung in Richtung Moselweiß war vor allem wegen des neuen Schlachthofes außerhalb der Stadt wichtig. Der Grundstein wurde am     5. Juli 1888 gelegt (vgl. S. 241ff.).214

 

Endgültig frei schien die Bahn für die Erweiterung von Koblenz im Oktober 1889 zu sein, als sich die Militärbehörden zur Aufgabe der Umwallungen längs des Rheines und der Mosel und zum Verkauf des Geländes an die Gemeinde entschlossen. In der Stadt nutzte man die Gunst der Stunde und beauftragte den Kölner Stadtbaumeister Joseph Stübben mit der Erarbeitung eines Entwurfes für den künftigen Bebauungsplan, der die Befestigungsanlagen und das davor liegende Gelände umfasste. Dieses erste Konzept reichte Oberbürgermeister Emil Schüller am 21. Februar 1890 beim Kriegsministerium in Berlin ein und bat um eine Stellungnahme.215 Endlich folgte die erhoffte Reaktion: Am 13. März 1890 verfügte eine „königliche Kabinetts-Ordre“ die gänzliche Aufgabe der Stadtbefestigung. Dieser Beschluss enthielt das Angebot an die Gemeinde, das vom Militär nicht mehr benötigte Gelände zu kaufen. Baubeschränkungen galten nur für den Bereich der weiterhin militärisch genutzten Festungen Konstantin und Alexander auf der Karthause.216    

        

Doch auch nach der uneingeschränkten Freigabe des Festungsgeländes zeigte sich, dass die Vorstellungen von Militär und Stadt über den Wert des Geländes auf der Landseite weit auseinander gingen. Die Verhandlungen liefen daher schleppend, weil die Stadt zunächst nicht über die erforderlichen Mittel verfügte. Die Handwerkskammer zeigte in ihrem Bericht für das Jahr 1891 Verständnis für die schwierige Lage der Kommune und stellte fest: „Der Kranz der Stadtbefestigung ist an der Landseite noch unversehrt, weil die Stadt das fragliche Gelände zu einem Preise ankaufen soll, den sie glaubt nicht bewilligen zu können. Es ist in der That eine harte Zumutung, daß die Stadt für die Befreiung von einer Last, die sie im Interesse des Gemeinwohls so lange getragen hat, noch Geldopfer bringen soll, die ihre wirthschaftliche Kraft gegenüber den anderweitig zu übernehmenden großen Aufgaben auf jeden Fall wesentlich schwächen müssen.“217

 

Zügiger verlief der Ankauf der Befestigung im Bereich der heutigen Altstadt. Bereits im Verlauf des Jahres 1890 kaufte die Stadt die Anlagen am Rhein- und Moselufer und ließ diese vollständig oder bis auf Brusthöhe einreißen. Weit schwieriger war die Situation für das Gelände südlich und westlich der Umwallungen. Zwar hatte Joseph Stübben in seinem Konzept ein komplettes Wegenetz berücksichtigt, das unmittelbar an die wichtigen Straßen in den älteren Stadtteilen anknüpfte, doch konnte mit den Detailplanungen nicht begonnen werden, weil der künftige Standort neuer Eisenbahneinrichtungen noch nicht feststand. Als Hauptproblem stellte sich der vorgesehene Bau eines Hauptbahnhofes heraus, der Rhein- und Moselbahnhof ablösen sollte. Erst 1894 einigten sich Stadt und Eisenbahnministerium über den Standort am Fuße der Karthause und den Kostenanteil der Gemeinde.218 Der Vertrag sah weiterhin die Stilllegung der Bahnstrecke Koblenz–Ehrenbreitstein in Richtung Pfaffendorfer Brücke vor. Der Hauptbahnhof wurde 1902 seiner Bestimmung übergeben.

Der Erwerb des ehemaligen Festungsterrains durch die Stadt sollte noch bis 1896 dauern. Dabei deutete ursprünglich alles auf einen früheren Abschluss der Verhandlungen hin. Bereits im Herbst 1892 lag eine Abschätzung vor, die den Preis für das Terrain auf rund 853.000 Mark festlegte. Die Gemeinde erkannte diese Schätzung an. Ein Vertrag kam allerdings nicht zustande, denn Anfang 1893 schloss die Heeresverwaltung angesichts geplanter Truppenvergrößerungen einige Abschnitte vom Verkauf aus. Erst im Herbst 1895 lag ein neuer Vertragsentwurf vor, dem die Stadtverordnetenversammlung am 18. Dezember trotz der enthaltenen Einschränkungen zustimmte. Am 12. März 1896 erfolgte der Abschluss des Kaufvertrages für den Ankauf eines größeren Teiles des angebotenen Festungsgeländes mit einer Fläche von über 20 Hektar. Der in vier Jahresraten zu zahlende Kaufpreis betrug 822.000 Reichsmark.219

 

Endlich stand einer sinnvollen Angliederung der neuen Vorstadt nichts mehr im Wege. Drei Jahre nach dem Kauf war der größte Teil des Festungsgürtels niedergelegt, und die Straßen waren bis zur Pflasterung vorbereitet. Danach setzte allmählich die Errichtung von Häusern ein.

 

 

7.4 Koblenz wächst weiter

 

Mit der Eingemeindung von Lützel und Neuendorf am   1. Juli 1891 löste Koblenz einen ersten Teil seiner räumlichen Probleme. Für die Neubürger in den beiden Stadtteilen war dieser Schritt nicht nur mit Vorteilen verbunden. Drohte ihnen doch nun eine Erhöhung der kommunalen Abgaben und Gebühren. Kein Wunder, dass die Gefühle in den neuen Stadtteilen gemischt waren. Auf der anderen Seite wussten auch die Kritiker, dass es keine Alternative zur Vereinigung gab.220 Nie hätten die beiden Gemeinden die auf sie zukommenden kostspieligen infrastrukturellen Herausforderungen ohne ein Zusammenwirken mit Koblenz lösen können. Außerdem reichten die engen Beziehungen beider Gemeinden nach Koblenz bis weit ins Mittelalter zurück. Mit dem Ausbau der Rheineisenbahn in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde in Lützel ein Güterbahnhof errichtet, weil es in der vom preußischen Festungsgürtel eingeschnürten heutigen Innenstadt nur Raum für einen Personenbahnhof gab. Die Baumaßnahme sollte einen tief greifenden Strukturwandel einleiten: Die Lützeler Bevölkerung wurde immer mehr vom Erfolg der Eisenbahn und den sich allmählich ansiedelnden Betrieben abhängig. Dieser Wandel passte nicht zur Entwicklung in Neuendorf. Dabei bildete dieser Ort lange einen Gemeindeverband mit Lützel. Nun passte dieses System nicht mehr, die Initiativen der Lützeler Gemeindevertreter, von Neuendorf loszukommen, nahmen zu. Die Entwicklungen wurden von den Koblenzer Stadtverordneten aufmerksam registriert. Bereits 1858/59 fassten sie eine Erweiterung des Stadtbezirks ins Auge, worauf die zuständigen Ministerien in Berlin jedoch noch nicht eingingen. Erst mit der Aufgabe der strengen Rayonbestimmungen am 13. März 1890 änderte sich die Situation grundlegend. Auch das von der Feste Franz geprägte Lützel blühte auf, die Zahl der Erwerbstätigen stieg binnen fünf Jahren von 393 auf 696. Im April 2007 lebten im Stadtteil genau 7825 Menschen.221

 

Auch die engen Beziehungen von Koblenz und Moselweiß reichen bis in das Mittelalter zurück. Die Nähe zur Garnisons- und Festungsstadt führten auch im ehemaligen Winzerdorf zu gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen. Da der Verschmelzungsprozess mit der Provinzhauptstadt längst eingesetzt hatte, lag es nahe, eine Eingemeindung anzustreben. Die Initiative ging dieses Mal eindeutig von Moselweiß aus. Dort waren sich die Verantwortlichen darüber im Klaren, dass sie die infrastrukturellen Herausforderungen auf Dauer nicht im Alleingang bewältigen konnten. Dennoch sollte es bis Anfang 1902 dauern, bis die Eingemeindung vollzogen war. Erst der Erlass des preußischen Königs Wilhelm II. vom 6. Januar legte die Vereinigung des Ortes mit Koblenz auf den 1. April fest. Der Grund für die Verzögerung war nicht bei den staatlichen Institutionen zu suchen, sondern bei den Koblenzer Stadtvätern selbst. Ihre Meinung war geteilt. Angesichts der erforderlichen hohen Investitionen in Lützel und Neuendorf scheuten sich viele, den nächsten Schritt zu gehen. Denn auch in Moselweiß gab es weder eine zentrale Wasserversorgung noch eine Kanalisation. Und in Koblenz selbst waren zu diesem Zeitpunkt die westlichen Stadterweiterungsgebiete noch längst nicht vollständig erschlossen. Diese Argumente spiegeln sich auch im Verwaltungsbericht über das Jahr 1900 wider, in dem Oberbürgermeister Karl Ortmann seine „Bemerkungen betreffend die Eingemeindung von Moselweiß” veröffentlicht.222 Am Ende setzten sich dann doch diejenigen durch, die für eine Eingemeindung plädierten. Die Entscheidung beschleunigte den Wandlungsprozess in der Gemeinde. Prägten einst Landwirtschaft und Weinbau das Dorf, so sind es nun die Krankenhausbauten. Auch in Moselweiß stieg die Bevölkerung schnell. Im März 2007 lebten dort 3096 Menschen.223 Erst die nach dem Ersten Weltkrieg aufgekommene Diskussion über den Bau eines neuen Industriehafens lenkte die Blicke auf die Landgemeinde Wallersheim und damit auf weitere Eingemeindungen. Die Initiativen der Stadt unter Führung von Dr. Karl-Heinz Russell blieben zunächst erfolglos. Trotzdem wollte der Oberbürgermeister auch noch die Eingemeindung der Nachbarorte Kesselheim und St. Sebastian erreichen. Beide Gemeinden widersetzten sich jedoch erfolgreich ihrer Eingemeindung. Für Wallersheim kam es dagegen anders: Der preußische Landtag verabschiedete am 29. September 1923 ein Gesetz über die Erweiterung des Stadtkreises Koblenz. Die Trennung der Gemeinde vom Landkreis Koblenz war nun offiziell. Trotz dieses großen Erfolgs für den Oberbürgermeister scheiterte der Bau des Rheinhafens, weil das Geld fehlte. Dennoch drängte Karl Russell weiter darauf, möglichst viele Orte aus dem Koblenzer Wirtschaftsgebiet in den Stadtverband einzugliedern. Aus diesen ehrgeizigen Projekten wurde jedoch nichts.224 Erst in der NS-Zeit erhielt Koblenz einen weiteren „Eingemeindungsschub“: 1937 verloren traditionsreiche Gemeinden ihre Selbstständigkeit und wurden in den Stadtverband aufgenommen. Die Rolle von Koblenz wurde im Vergleich zu Trier entscheidend gestärkt. Hintergrund: Koblenz hatte mehr NSDAP-Mitglieder und hatte bei den Wahlen auch bessere Ergebnisse als Trier aufzuweisen, das 1935 noch rund 14.000 Einwohner mehr als Koblenz hatte. Die günstige Situation für die Partei in Koblenz wurde mit der Erhebung der Stadt zur Hauptstadt des Gaus Koblenz-Trier belohnt. Regierungspräsident Friedrich Turner hatte bereits Ende März 1935 dem Oberbürgermeister Otto Wittgen und Landrat Struve mitgeteilt, dass er im Einvernehmen mit Gauleiter Gustav Simon die Vergrößerung des Stadtgebietes durch Eingemeindungen beabsichtigte. Ausgangspunkt der Überlegungen, die für Koblenz die Ziele der Verwaltungsreform von 1969/70 vorwegnahmen, war die Tatsache, dass Koblenz den alten Rang als Garnisonsstadt zurückerhalten sollte. Mit der endgültigen Militarisierung des Rheinlandes am 7. März 1936 wurden die Dinge beschleunigt. Nach Zustimmung des Reichskriegsministeriums vom    8. April 1937 und dem Erlass des Oberpräsidenten der Rheinprovinz vom         21. Juni wurden Ehrenbreitstein, Horchheim, Metternich, Niederberg, Neudorf und Pfaffendorf sowie Parzellen von Urbar und Arzheim am 1. Juli 1937 eingemeindet. Mit der Erweiterung erhöhte sich die Einwohnerzahl von Koblenz schlagartig um 18.153 auf 85.983. Die Stadtfläche vergrößerte sich von 3605 auf 5682 Hektar.225 Unabhängig von den politischen Hintergründen waren die umfassenden Eingemeindungen in der NS-Zeit – wie so häufig – eine logische Konsequenz aus den Strukturveränderungen, die sich im Laufe der Zeit in den früheren Vororten vollzogen hatten. Das beste Beispiel hierfür ist Metternich, dessen Einwohner früher von Acker- und Weinbau lebten. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts verlor der Ort jedoch seine landwirtschaftliche Prägung, Ziegeleien und eisenverarbeitende Betriebe und auch der Maschinenbau prägten fortan den Ort, der von ursprünglich 526 Einwohnern auf 2530 anwuchs.226 Die Erweiterung des heutigen Stadtteiles in den 1930er-Jahren und später in den 1960er- und 1970er-Jahren brachte einen weiteren Zuwachs. Im August 2006 lebten 9395 Menschen in Metternich (Stand März 2007), das damit nach der Karthause der zweitgrößte Stadtteil ist.227

 

Auch Horchheim war zum Zeitpunkt der Eingemeindung bereits seit Jahrhunderten im „Sog“ von Koblenz. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Horchheim von der Erschließung des Mittelrheingebietes für den Verkehr hart getroffen: Vor allem der Bau der Eisenbahn veränderte das Gesicht der früheren Bauern- und Winzergemeinde, in der der Weinbau in den 1920er-Jahren endgültig aufgegeben wurde. Im Zuge der Fertigstellung der Horchheimer Eisenbahnbrücke 1879 verloren die Landwirte wichtige Teile nutzbarer Flächen. Schließlich war auch ein profitabler Obstanbau nicht mehr möglich. Allerdings profitierten die Horchheimer von Koblenz. Sie verdienten ihren Lebensunterhalt in der Stadt. Ihr Dorf wandelte sich zum Wohnstadtteil, in den es zunehmend höhere Beamte und Offiziere zog. Entwicklungen wie diese sind auch der Grund dafür, warum die Eingemeindungen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht zurückgenommen wurden. Der Stadtbezirk von 1937 blieb – trotz des massiven Protestes in Ehrenbreitstein – erhalten. Allerdings kamen lange keine weiteren Stadtteile hinzu, auch wenn 1959 „eine Diskussion über den verwaltungsmäßigen Zusammenschluss der Gemeinden Arzheim, Arenberg, Urbar und Immendorf mit der Stadt zur Schaffung eines zusammenhängenden Verkehrs- und Wirtschaftsgebietes“ geführt wurde.228 Erst mit der rheinland-pfälzischen Verwaltungsreform kam ab 1963 Schwung in die Angelegenheit. Zwischen 1966 und 1974 wurden insgesamt 18 Landesgesetze zur Vereinfachung der Verwaltung verabschiedet.229 Das hatte auch Folgen für Koblenz: Ihre heutige Ausdehnung erhielt die Stadt 1969 und 1970 durch die Eingemeindung von Stolzenfels mit einem kleinen Teil der angrenzenden Rhenser Gemarkung, Kesselheim, Bubenheim, Rübenach, Güls (mit Bisholder), Arenberg (mit Immendorf), Arzheim. Nach der Reform gab es 120.000 Koblenzer – eine Zahl, die nie wieder erreicht wurde. Im September 2007 lebten 106.629 Menschen in der Stadt.230

 

 

8. Ingenieur Andrés Kanalisation

 

S

eit der Eröffnung des neuen städtischen Wasserwerks auf dem Oberwerth überschlugen sich die Ereignisse. Da sich die Anzeichen mehrten, dass Koblenz seinen Festungsgürtel perspektivisch verlieren würde, ging man nun auch zügig Planung und Neubau eines Kanalsystems an. Dieses sollte so angelegt werden, dass es der künftigen Stadtentwicklung angepasst werden konnte. Nach einem entsprechenden Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 31. Oktober 1888 erhielt der Ingenieur Adolf André aus Krefeld den Auftrag, die Vorplanungen zu übernehmen. Bereits im Mai 1888 hatte der damalige Oberbürgermeister Emil Schüller bei André in Krefeld angefragt, ob er sich vorstellen könne, das geplante Koblenzer Kanalisationsprojekt zu übernehmen. Daraufhin hatte sich der Ingenieur während eines mehrtägigen Aufenthaltes in der Provinzhauptstadt über die örtlichen Gegebenheiten informiert, vorhandene Pläne studiert und mit Unterstützung von Mitarbeitern des Stadtbauamtes Kellertiefen ermittelt. Auf Grundlage des bereits vorhandenen Stadtplans im Maßstab 1:400 entstanden schließlich „eine allgemeine Disposition eines zusammenhängenden Canalnetzes“ in vier Plänen, die der Stadtverordnetenversammlung bereits im November 1888 vorlagen.231 Adolf Andrés Konzept, das völlig unabhängig von der weiteren militärischen Entwicklung der Stadt funktionierte, überzeugte die Gremien so, dass er auch die Ausführung des Projektes übernehmen sollte. Wie es wenige Jahre zuvor Ernst Grahn getan hatte, zog auch André nach Koblenz, wo er sich nicht nur als Ingenieur, sondern auch als Tiefbau-Unternehmer hervortat.232

 

Adolf André arbeitete zügig, sodass sein Vorbericht bereits im Februar 1889 in gedruckter Form vorlag. Später folgte ein gedruckter Stadtplan im Maßstab 1:1000, der auf Initiative des Ingenieurs entstanden war. In seinem Vorbericht ging es neben einer Bestandsaufnahme vor allem um grundsätzliche Überlegungen zur Konzeption des neuen Kanalsystems. So legte Adolf André besonderen Wert auf eine Untersuchung der Geländeverhältnisse. Galt es doch, für das Projekt die Orte zu ermitteln, an denen das natürliche Gefälle genutzt werden konnte. Für dieses Vorgehen sprachen schon allein finanzielle Gründe. Immerhin hatte das Stadtgebiet innerhalb der Festungswälle eine Größe von 82 Hektar. Und der Ingenieur war sich bewusst, dass er möglichst kostengünstig bauen und gleichzeitig an künftige Erweiterungsmöglichkeiten denken musste. Insgesamt gesehen ging es um ein Areal von 308,60 Hektar.233

 

Als höchstliegendes Gelände im Arbeitsbereich wurde der Bereich der in den Grenzen der spätantik-frühmittelalterlichen Kastellanlage gelegenen Liebfrauenkirche ermittelt. Er befand sich demnach 74,60 Meter über dem Amsterdamer Pegel. Die anderen Bereiche lagen zwischen 71,60 und 72,60 Meter über dem Amsterdamer Pegel. Die größten Gefälle wurden in den Richtungen Rhein- und Moselufer sowie am Übergang von der Altstadt in die Neustadt im Bereich des heutigen Görresplatzes gemessen. Darüber hinaus lenkte Adolf André seinen Blick auch in die Bereiche südlich und westlich der heutigen Innenstadt. Es ging dabei nicht nur um mögliche Erweiterungen in der nicht kanalisierten Südlichen Vorstadt, sondern eben auch um das Moselweißer Feld. Auch hier galt es, das vorhandene natürliche Gefälle auszunutzen. Allerdings betonte André auch, dass die Kanalisierung vor allem in den südlichen Stadterweiterungsbereichen mit einer Gesamtgröße von etwa 91 Hektar keine Priorität hatte. „Die Mainzer Landstraße und der Görgenweg sind weitläufig, villenartig angebaut und ihre Entwässerung ist augenblicklich, im Vergleiche zu der der Stadt, von untergeordneter Bedeutung“, heißt es im Bericht wörtlich. Anders sah es im westlichen Stadterweiterungsbereich mit einer Größe von rund 136 Hektar aus, dem Adolf André schon allein wegen der gewerblichen und militärischen Nutzung in diesem Areal eine erheblich höhere Prioritätsstufe zubilligte. Ein Hauptargument war dabei der Bau der neuen Schlachthallen. Und: Auch im Westen der Stadt gab es genügend Möglichkeiten, das natürliche Gefälle auszunutzen. 234

 

Adolf André nahm bei der Materialzusammenstellung für sein Gutachten auch die bereits vorhandenen Kanäle in der Innenstadt unter die Lupe. Demnach gab es damals in der Stadt neben den oberirdischen Straßenrinnen zwei Hauptkanäle. Der erste Kanal dürfte recht alt gewesen sein und lief in „schlechter Beschaffenheit mit verschiedenartigen Profilen“ unter dem Oberpostamt am heutigen Clemensplatz und mündete im Bereich des Freihafens. Dieser Hafen befand sich ungefähr an der Grenze des heutigen Konrad-Adenauer-Ufers zu den Kaiserin-Augusta-Anlagen.

 

Der zweite von André beschriebene Kanal entsprach dem 1883 unter Leitung des Stadtbaumeisters Nebel geschaffenen Abschnitt. Dieser entwässerte die Görgenstraße, den Entenpfuhl und die Kornpfortstraße. Er mündete schließlich in die Mosel. „ Letzterer Canal, vor wenigen Jahren aus Cementbeton in Eiform 1,20 + 0,80 hergestellt, entwässert gegenwärtig ein großes Areal der Stadt und muß, da er nach den neuesten Prinzipien der Canalbautechnik ausgeführt wurde, unbedingt in das zu projectirende Canalnetz eingeschaltet werden “, so das Urteil des Ingenieurs, der für den Bereich der Alt- und Innenstadt außer „den erwähnten Hauptcanälen […] noch eine Anzahl kleiner Straßen- und Privatcanäle “ erwähnte.

Dies waren überdeckte Rinnen, die von der Kastorstraße zur Mosel führten und den Uferbereich verunreinigten.235

 

Bei der Ausführung der Koblenzer Kanalisation wollte Adolf André nach Möglichkeit auf den Bau teurer Abwasserpumpwerke und Dükeranlagen verzichten. Möglich wurde das nicht nur durch die bereits angeführte maximale Ausnutzung der natürlichen Geländegegebenheiten, sondern auch wegen der großen Fließgeschwindigkeiten am Zusammenfluss von Rhein und Mosel. Eine entscheidende Bedeutung hatte deshalb das große Gefälle in Richtung der innenstädtischen Flussufer. „Schon eine oberflächliche Besichtigung der Terrainverhältnisse zeigt, daß die Ausmündungsstelle des ganzen neuen Canalsystems in der am Zusammenflusse des Rheines und der Mosel belegenen Landspitze zu suchen ist, wenn von einer kostspieligen Dückeranlage unter dem Moselbette und Verlängerung des Auslasscanals längs dem jenseitigen Rhein-Ufer abgesehen werden soll“, stellte Adolf André bereits in seinem Vorbericht als unabänderliche Säule seines Konzeptes fest.236

 

Die an und für sich recht günstigen Geländeverhältnisse konnten von André nicht zur Ausführung durchgehender, kostengünstigerer Kanalabschnitte genutzt werden. Die Festungsgräben machten dies unmöglich. Dazu kam, dass die Mainzer Landstraße (Mainzer Straße) akut hochwassergefährdet war (und auch heute noch ist). Der Ingenieur entschloss sich deshalb, die Entwässerung von Innenstadt und Stadterweiterungsgebieten getrennt zu behandeln. Bei André liest sich das so: „Ich habe demzufolge die Entwässerung der Vorstädte von der eigentlichen Stadt getrennt, das hochgelegene Areal der Stadt in ein besonderes System zusammen gefaßt und die Hauptcanäle der Vororte südlich und westlich durch die tiefer liegenden Rhein- und Moselquais unabhängig von der Stadt nach der projectirten Ausmündung nächst der deutschen Ecke geführt. Dadurch erhalte ich drei Canalsysteme, ein oberes System für die hochgelegene Stadt. [...] Und zwei untere, den Einflüssen des Hochwassers unterworfene Systeme für die außerhalb der Festungswerke gelegenen Areale. [...] Durch die Trennung wird von selbst erreicht, daß die Canäle der bebauten Stadt ohne Rücksicht auf die […] Vergrößerung in Dimensionen angelegt werden können, welche nur der umwallten Fläche von 82 Hectaren entsprechen, also mäßige Querschnitte erhalten. Aber auch die in den Uferstraßen der Mosel und des Rheines laufenden Hauptcanäle, welche die Entwässerung der Vororte besorgen, können in ihren Dimensionen beschränkt werden, da sie, in unmittelbarer Nähe des Stromes belegen, gegen eine Ueberfüllung bei starken Regengüssen durch Sturmauslässe zu entlasten sind. Sämmtliche Systeme aber umgehen die Festungswerke und sind von deren weiterem Bestehen ganz unabhängig.“237

 

Von Anfang an war für Adolf André eine entscheidende Frage, wie sein System im Hochwasserfall funktionieren konnte. Er wusste natürlich, dass es in der heutigen Altstadt eine ganze Reihe von neuralgischen Punkten gab. Dies waren vor allem die Kastorstraße und die Moselstraße. Zu den gefährdeten Bereichen gehörte auch das heutige Konrad-Adenauer-Ufer. Die Statistiken zeigten ihm, dass es zwischen 1868 und 1887 fast im Jahresturnus zu Überschwemmungen in verschiedenem Umfang gekommen war. In den meisten Fällen liefen nur die Keller in den tiefer gelegenen Bereichen voll, ohne dass das Wasser die Uferbereiche überschritten hatte. Für den Ingenieur war ganz klar, dass die neue Kanalisation Vorrichtungen brauchte, um sie im Hochwasserfall von der Anbindung an die Flüsse abzuschneiden. Auf diese Weise wollte André gefährliche Rückstaus verhindern. Dies alles bedeutete jedoch, dass im Hochwasserfall Pumpen vorhanden sein mussten, um den Inhalt der Kanalisation auszupumpen. Adolf André war sich bewusst, dass „ein Entwässerungssystem für solche Districte erst dann etwas nützen [kann], wenn das Wasser wieder bis zur Uferhöhe zurück gefallen ist“.238 Oberbürgermeister Emil Schüller stellte in einer handschriftlichen Anmerkung zum Vorbericht Andrés klar: „Ergänzend hierzu habe ich zu bemerken, daß die Tiefenlage der Canäle von durchschnittlich 5 bis 6 Metern unter der Straßenoberfläche nicht, wie von einzelnen Herren irrthümlich angenommen worden sein soll, deßhalb gewünscht ist, um bei Hochwasser die Keller der niederen Stadttheile auspumpen und wasserfrei erhalten zu können, sondern weil nur in dieser Tiefe der Hauptzweck des Canals: die Hausgrundstücke bis zur Kellersohle durch Entwässerung von den in den Abwässern enthaltenen, ansteckenden Stoffen zu befreien, erreicht werden kann. Es liegt auf der Hand, daß ein Canal nichts nutzen kann, welcher die Hausgrundstücke nur theilweise von der schädlichen Flüssigkeit befreit, dagegen die Infectionsstoffe in den unteren Theilen der Kellergeschosse zurück hält und hiervon die Hausmauern durchdringen lässt. Deshalb muß unter allen Umständen der Canal die Tiefe haben, daß er durchschnittlich noch 1 ½ m unter die Kellergeschosse zu liegen kommt. Die Pumpstation […] bildet keinen wesentlichen Bestandteil des Canalisationssystems, sondern soll nur bei Hochwasser erleichterten Wasserabzug verschaffen. Wegen der Durchlässigkeit der Keller in den tieferen Stadttheilen von Coblenz kann die Vorrichtung zum Auspumpen der Keller unbedenklich ausscheiden, ohne daß der Plan und das Canalisationssystem im Uebrigen dadurch geändert werden.“239

 

Adolf Andrés sorgfältige Überlegungen zeigen, dass es schon aus Gründen des Hochwasserschutzes sinnvoll war, die Koblenzer Kanalisation in drei Systeme zu gliedern, die völlig unabhängig voneinander arbeiten konnten. Zur Verhinderung von Rückstaus wäre es optimal gewesen, den Auslass der Kanäle zu verlängern, um das Abwasser weiter rheinabwärts einzuleiten. Hierfür hätte man aber schon damals einen Düker unter der Mosel bauen müssen, um die Kanäle entsprechend weiterzuführen. Natürlich dachte auch André an diese Alternative, entschied sich aber aus Kostengründen schließlich gegen die Dükervariante. Es musste reichen, den Hauptauslasskanal tief genug in Rhein oder Mosel zu bringen. In seinen Vorplanungen schlug André vor, auf Höhe des Schwanentores in der Kastorgasse ein eisernes Rohr mit einem Durchmesser von einem Meter auf der Flusssohle rund 30 Meter weit in die Mosel zu führen. Hierdurch wollte der Ingenieur eine optimale Verdünnung der städtischen Abwässer und deren zügigen Abtransport durch die Strömung erreichen. Die Abwasser-Pumpstation sollte dagegen auf dem hochwasserfreien Kastorplatz gebaut werden. Darüber hinaus sollte es einen Schieberschacht mit „eisernen Pumpenröhren“ geben. Mit dieser Anlage konnte die Altstadt-Kanalisation von den Flüssen abgeriegelt und das Abwasser zum Pumpwerk geleitet werden. Die Sohle des Schachtes lag in einer recht großen Tiefe – und zwar auf 60,60 Meter nach dem Amsterdamer Pegel. Diese Tiefe begründete André mit der Notwendigkeit der Kellerentwässerung. Das Pumpwerk hatte natürlich auch die Aufgabe, das Eindringen des Hochwassers in die Keller des Kastorviertels zu verhindern.240

 

 

8.1 Das „obere System“

 

Das „obere System“ Andrés sollte vor allem als gemauerter Hauptkanal vom Kastorplatz zur etwas höher gelegenen Kastorpfaffenstraße und anschließend durch die Karmeliterstraße führen. Von dort aus konnte es zum westlichen Abschnitt des Clemensplatzes und bis zum Neustadt-Rondell weitergehen. Als nächste Station war die östliche Hälfte der Schlossstraße vorgesehen. Von dort sollte der Kanal in die Viktoriastraße einbiegen und über Altlöhrtor und Löhrstraße in die Eisenbahnstraße (heute Fischelstraße) führen. Als vorläufige „Endstation“ war die Weißer Gasse eingeplant. Das „obere System“ sollte unter Ausnutzung des natürlichen Gefälles entstehen, das im Durchschnitt bei 1:680 lag.241 Den Hauptkanal auf dieser Strecke wollte man in der sogenannten „Eiform“ errichten. Im Bereich von Schlossstraße, Neustadt, Clemensplatz, Karmeliterstraße und Kastorpfaffenstraße sollte der Kanal eine Höhe von 1,20 Metern und eine Breite von  80 Zentimetern erhalten, in den anderen Abschnitten konnte dieses Standardmaß unterschritten werden.242 Zu Andrés „oberem System“ gehörte von Anfang an eine zweite gemauerte Kanallinie, die vom Hauptkanal abzweigte und quasi eine Ergänzung zum älteren Kanalabschnitt von 1883 darstellte. Dieser Kanal konnte 1,05 Meter hoch und 70 Zentimeter breit sein. Als Ausgangspunkt war der Übergangsbereich von Viktoriastraße und Görgenstraße vorgesehen, wobei die Gefälle zwischen 1:533 und 1:630 schwanken konnten. Die Kanalstrecke sollte dann über die Magazinstraße über Casinostraße und Gymnasialstraße über den Jesuitenplatz in die Firmungstraße führen. Unter Ausnutzung eines größeren Gefälles von 1:250 und 1:112 konnte es dann weiter zur Rheinstraße gehen, wo die Nebenlinie auf Höhe der Kastorpfaffenstraße in den Hauptkanal münden sollte.243

 

Dritte Komponente des „oberen Systems“ sollten die Einrichtungen zur Entwässerung der neuen Stadtteile sein. Adolf André meinte damit nicht die entstehende Vorstadt im Süden von Koblenz, sondern den ersten preußischen Stadterweiterungsbereich zwischen Schlossstraße und heutigem Friedrich-Ebert-Ring. Im Bericht ausdrücklich genannt werden die Friedrichstraße, die westliche Schlossstraße, der südliche Teil der Casinostraße und das Löhrrondell. Aufgrund der günstigen Gefälleverhältnisse sollte hier auf die teuren gemauerten Kanäle verzichtet werden. André begnügte sich mit Steingutröhren, die mit Wasser aus dem Wasserwerk gespült werden konnten. Möglich sollte dies durch den Bau einer Spülgalerie am Löhrrondell werden, die über einen Anschluss an die neue städtische Wasserleitung verfügte. Darüber hinaus sollte in der Löhrstraße auf Höhe der Pfuhlgasse ein Spülschacht gebaut werden. André wählte diesen Standort ganz bewusst. Hier befand sich der höchste Punkt des Straßenzugs, dessen Geschichte bis in die römische Zeit zurückreicht. An der ausgewählten Stelle konnte Regenwasser gesammelt und zum Spülen der Kanäle in den tiefer gelegenen Abschnitten genutzt werden – so zum Beispiel am Endpunkt in der Weißer Gasse oder im Bereich des „unteren Mosel-Systems“.244

 

Die Kanäle des ganzen „oberen Systems“ sollten mit ihren Sohlen etwa 1,50 Meter unter dem Kellerniveau der Alt- und Innenstadt liegen. Auf diese Weise sollte die Zuführung der Abwässer aus den Häusern durch Leitungen ermöglicht werden. Für das ganze System bedeutete dies, dass es im Durchschnitt fünf bis sechs Meter unter den Straßenoberflächen angelegt werden musste. „Dies läßt sich in keiner Weise umgehen“, betonte Adolf André bereits in seinem Vorbericht.245

 

 

8.2. Die „unteren Systeme“

 

Die von Adolf André konzipierten beiden „unteren Systeme“ hatten die Aufgabe, die Uferbereiche und die Stadterweiterungsgebiete zu entwässern. An erster Stelle nannte der Ingenieur das „untere System längs des Rheinufers“. Ausgangspunkt war wieder der Kastorplatz, in dessen Nähe es ein Auslassrohr mit einem Durchmesser von 1,20 Metern gab. Von dort sollte ein Kanal mit einer Höhe von 1,20 Metern und einer Breite von 80 Zentimetern abzweigen. Das Gefälle war dort mit 1:1000 zunächst relativ gering. Im weiteren Verlauf durch die Rheinzollstraße erhöhte es sich auf 1:540. Von dort konnte ein Kanal zum Rheinufer führen und von dort bis zur Pfaffendorfer Brücke laufen, die damals noch eine Eisenbahnbrücke war. Direkt dahinter war es vorgesehen, den Kanal „durch einen Sturmauslaß nach dem Rheine“ zu entlasten. Von dort sollte der Kanal schließlich zur „Glacisstraße“ – also in den Bereich des heutigen Friedrich-Ebert-Rings – geleitet werden. Auf dieser Strecke gab André dem Kanal mit einer Höhe von 1,50 Metern und einer Breite von einem Meter beachtliche Dimensionen.246 In der Glacisstraße sollte der Ingenieur auch die Anbindung der Vorstadt beginnen. André schlug vor, einen Kanal mit den Standardmaßen von 1,20 Meter Höhe und 80 Zentimeter Breite durch die Mainzer Straße bis zum Schützenhof zu legen. Mit 1:1000 war das Gefälle auf dieser Strecke nur sehr gering. Im Bereich des Schützenhofes stieg das Gelände jedoch deutlicher an, sodass sich dort ein Gefälle von 1:155 ergab.247 Mit dem Hauptkanal in der Mainzer Straße war es allerdings nicht getan. Auch wenn in der Planungsphase die Bebauung in der Südlichen Vorstadt noch sehr dünn war, erkannte Adolf André, dass der neue Stadtteil einen weiteren Hauptkanal brauchte. Der Ingenieur hatte dafür den Görgenweg vorgesehen und meinte damit die Achse in der Verlängerung von Görgenstraße und Viktoriastraße, die der heutigen Viktoriastraße entsprach. Dort war das Gefälle zur damaligen Zeit etwas stärker als in der Mainzer Straße und erreichte ein Verhältnis zwischen 1:365 und 1:590. Auf jeden Fall sollte der Görgenweg wie der andere projektierte Hauptkanal in der Vorstadt eine Anbindung an den „Sturmauslass“ in den Rheinanlagen erhalten.248

 

Der zweite Teil des „unteren Systems“ sollte schließlich der Entwässerung des Moselufers und des Kastorviertels dienen. „Der Hauptcanal dieses Systems soll die alten gesundheitswidrigen Einführungen in die Mosel beseitigen, den Betoncanal aus der Kornpfortstraße sowie das Wasser der Altstadt aufnehmen und in seiner Verlängerung das Schlachthaus und das Terrain zwischen Obermoselweißerweg und der Mosel entwässern“, schrieb Adolf André über die Funktion dieses Teilsystems. Dieses sollte im Bereich des Kastorplatzes in den bereits erwähnten Auslasskanal mit seinem Durchmesser von 1,20 Metern einmünden. Auch dieser Kanal musste zwei Absperrschieber haben, um im Kastorviertel und am Moselufer bei Hochwassergefahr einen Rückstau zu verhindern. Bei der Ausführung sollte auch in diesem Fall das Standardmaß von 1,20 Meter Höhe und 80 Zentimeter Breite bei einem sehr moderaten Gefälle zwischen 1:830 und 1:1000 genügen. Endpunkt dieses Kanals war der Judenfriedhof im Rauental (heute Schwerzstraße).249

 

Relativ unkompliziert war die Einbindung der Nebenstraßen und Gassen. Sie hatten ein günstiges Gefälle, sodass André die Entwässerung in diesen Bereichen über Röhren planen konnte. Bei einer Ausführung der Arbeiten für das untere System rechnete André allerdings mit Schwierigkeiten. Wegen der beengten Verhältnisse in der Kastorstraße und in der Nagelsgasse schlug er die Tunnelbauweise vor. Gleiches galt übrigens für die Karmeliterstraße, den oberen Teil der Firmungstraße, die Altlöhrtorstraße und die Weißer Gasse.250

 

 

8.3 Die Ausführung

 

Die Ausführungen Adolf Andrés waren ein klares Bekenntnis zur Schwemmkanalisation, für die es angesichts der besonderen topografischen Situation keine technisch bessere und vor allem preiswertere Alternative gab. Hermann Salomon fasst die Vorzüge am Koblenzer Beispiel wie folgt zusammen: „Dem Projekte lag das Prinzip des Schwemmsystems zugrunde, wonach alle Schmutzwasser der Häuser an ihren Entstehungspunkten aufgenommen und in unterirdischen Leitungen ohne Unterbrechung und Aufenthalt möglichst rasch abgeführt werden sollen. Diese Schmutzwasser werden dann noch verdünnt durch die gleichzeitige Aufnahme der von den Dächern und Hofflächen sowie den Straßenrinnen zugeführten Regenwasser. Zur Sicherung des raschen und ungehinderten Abflusses dienen dabei einmal durchgehendes günstiges Sohlengefälle, dann aber auch bei größeren Abflußmengen glatte eiförmige, mit der Spitze nach unten gerichtete Kanalprofile, deren Vorzüge darin bestehen, daß sie durch ihre Verengung nach der Sohle zu dem Minimallaufe des Wassers den geringst benetzten Umfang bieten und die Spülkraft erhöhen, während die Erweiterung des Profils nach oben der vermehrten Wasserzuführung bei starken Regengüssen Rechnung trägt.“251

 

Ein weiterer Vorzug der Schwemmkanalisation war, dass in bestimmten Abständen Spül- und Stauwehre eingebaut werden konnten. Durch deren Öffnen und Schließen konnte ein starker Spülstrom erzeugt werden. Dieses Verfahren machte in der Regel eine Reinigung von Hand unnötig, zumal man auf Fangvorrichtungen für Grobstoffe nach Möglichkeit verzichten wollte.252

 

Adolf Andrés Plan wurde in einer seitens der beteiligten Ministerien anberaumten Verhandlung am 15. Mai 1891 einer genauen Erörterung unterzogen und hierbei besonders die Frage eingehend geprüft, ob zur Reinigung des Kanalinhalts Rieselfelder nach dem Berliner oder Freiburger Vorbild253 angelegt oder Anstalten zur mechanischen und chemischen Reinigung der Abwässer errichtet werden könnten. Dabei wurde vom Vertreter der Stadt Koblenz auf die Bodenbeschaffenheit und die unverhältnismäßigen Kosten als Hindernis hingewiesen. Darüber hinaus wies man auf die Fortschwemmung des Kanalinhalts hin, die in der Tat wegen der enormen Wassermenge und der hohen Fließgeschwindigkeit insbesondere des Rheins leicht möglich war.254 Endgültig grünes Licht erhielt die Koblenzer Verwaltung am 13. Oktober 1891 aus Berlin. Das Ministerium des Inneren stellte fest, dass man „mit Rücksicht auf die außerordentlich starke Verdünnung und schnelle Abführung der städtischen Schmutzwässer durch das Rheinwasser, welches [...] in den unterhalb Coblenz am Rhein gelegenen Ortschaften seitens der Anwohner zu Trink- und Wirthschaftszwecken nicht gebraucht wird, sowie in Anbetracht der wenig günstigen Finanzlage der Stadt von der Forderung einer chemischen Reinigung des Kanalinhaltes vor der Einleitung in den Strom “ verzichten wolle. Allerdings machte das Ministerium zur Auflage, den Ausgang des Kanalsystems im Mündungsbereich der Mosel anzubringen. Darüber hinaus war die Stadt verpflichtet, „ausreichende Reinigungsanlagen auf Verlangen der Aufsichtsbehörde herzustellen, sobald sich irgend welche Missstände durch die Einleitung des ungereinigten Kanalinhalts in den Strom ergeben sollten.“ Ferner wollten die Behörden die Fäkalien von den Kanälen fernhalten, um die Verunreinigung des Rheins zu verhindern. Man ordnete die Anlage von Abortgruben und die Einführung eines einheitlichen Abfuhrwesens an. Wasserklosetts durften nur dort eingerichtet werden, wo sich wegen Raummangels Gruben nicht herstellen ließen.255

 

Die Bedingungen waren ein Kompromiss. Ursprünglich hatte die Obrigkeit vorgeschrieben, zur Entsorgung der Fäkalien Berieselungsfelder anzulegen oder den Inhalt der Abtritte vor der Einleitung in die Flüsse chemisch zu behandeln. Doch die Gemeinden im Regierungsbezirk Koblenz scheuten diesen Schritt. Bereits am 2. Oktober 1890 hatte die Königliche Regierung an das Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten Folgendes geschrieben: „[...] die Erfüllung dieser Bedingungen ist bisher an dem Umstande gescheitert, dass die zu solcher Reinigung und Klärung der Fäcalien erforderlichen Anlagen einerseits sehr großen Kostenaufwand erheischen und dass andererseits keines der in Gemeinden anderer Regierungsbezirke angewendeten Reinigungssysteme einen den heutigen wissenschaftlichen Verhältnissen entsprechenden Erfolg aufzuweisen hat. [...]“256

 

Unter dem Strich konnte man in Koblenz froh sein, dass man erst relativ spät mit der Kanalisierung begonnen hatte, da man – abgesehen von wenigen neueren Einzelkanälen – die Chance nutzte, ein durchdachtes System zu etablieren, das problemlos nachträgliche Erweiterungen  ermöglichte. Damit ersparte sich Koblenz eine Menge Ärger, der in anderen Städten an der Tagesordnung war. Die ungeordnet gewachsene Kanalisation, die durch ein zukunftsträchtigeres System ersetzt werden sollte257, entfachte in so mancher Kommune einen regelrechten Glaubenskrieg, an dessen Ende sich die Befürworter der Schwemmkanalisation des Briten William Lindleys durchsetzten. An deren Spitze stand das „Frankfurter Dreigestirn“ mit dem Geheimen Sanitätsrat Gustav Adolf Spieß, seinem Sohn Alexander und dem einflussreichen Arzt Georg Varrentrapp, der in Koblenz kein Unbekannter war.258 Zwischen 1867 und 1877 wurde die Frankfurter Schwemmkanalisation vollendet.259 Gegenüber Koblenz hatte man einen Vorsprung von gut 15 Jahren.

 

Die endgültige landespolizeiliche Freigabe für ihr ehrgeiziges Projekt erhielt die Stadt Koblenz am 16. Januar 1892 mit der Genehmigung des Regierungspräsidenten Ferdinand von Itzenplitz, der allerdings noch einmal die Bedingungen des zuständigen Ministeriums hervorhob. Demnach durften Kanalwässer nicht in die Mosel, sondern nur am Zusammenfluss am Deutschen Eck mitten in die starke Strömung des Rheins geleitet werden. Schwerer wog die Tatsache, dass sich die Stadt Koblenz nun auch offiziell verpflichten musste, auf Verlangen der Aufsichtsbehörden umfassende Reinigungsanlagen zu errichten, sobald sich durch die Aufnahme des ungereinigten Kanalinhaltes in den Rhein Missstände ergeben würden. Auch galt die Freigabe der Bezirksregierung nur unter Vorbehalt, weil man mit der Planung des Auslasses in den Rhein nicht einverstanden war. Da Adolf André seine Pläne sehr schnell änderte, folgte die endgültige Genehmigung des Koblenzer Regierungspräsidenten bereits am 23. April 1892.260 Die Stadtverordneten reagierten auf die Genehmigung der Bezirksregierung sehr schnell. Bereits in ihrer Sitzung am 28. April 1892 beschlossen sie, sofort folgende Kanäle ausführen zu lassen:

 

* Einen gemauerten Kanal von 100 Metern Länge und einen 160 Meter langen Tonröhrenkanal. Damit sollte ein Teil der Schlossstraße und die Neustadt bis zum Clemensplatz entwässert werden. Der Abfluss des Abwassers sollte provisorisch über den Notauslass am südlichen Ende des Freihafens erfolgen.

* Einen gemauerten Kanal mit einer Länge von 1100 Metern und einen 500 Meter langen Tonröhrenkanal in der Mainzer Straße. Dieser Kanal sollte die Achse vom Schützenhof bis zum Mainzer Tor entwässern. Zur Einleitung des Abwassers in den Rhein sollte ebenfalls ein Provisorium geschaffen werden, indem man vorübergehend einen Notauslass nutzte.

* Einen gemauerten Kanal auf dem Moselwerft von 700 Meter Länge, der zum Kanalauslass führen sollte.261

 

Zur Ausführung dieser Kanäle bewilligte die Versammlung die Aufnahme eines Kredits von 200.000 Mark. Darüber hinaus wurden die Pläne Adolf Andrés endgültig abgesegnet. Am 15. Juni erhielt der Ingenieur auch offiziell den Zuschlag für die Realisierung des Projekts. André hatte für den ersten Bauabschnitt ein Angebot in Höhe von 149.460,58 Mark vorgelegt. Mit dem symbolischen Spatenstich am 1. Juli 1892 begannen schließlich die Bauarbeiten, die erstaunlich schnell Fortschritte machten und – anders als von Adolf André ursprünglich vorgeschlagen – sofort die Südliche Vorstadt einbezogen. Bereits Ende September war der Abschnitt an der Mosel fertiggestellt. Die Strecke vom Zollhafen durch die Neustadt über die Schlossstraße bis zur Viktoriastraße wurde schließlich im ersten Quartal des Jahres 1893 vollendet. Gleiches galt für den Abschnitt der Mainzer Straße bis zur Schenkendorfstraße.262

 

In ihrer Sitzung am 22. Februar 1893 machten die Stadtverordneten den Weg für die Ausführung des zweiten Bauabschnitt frei. Dazu gehörten:

 

* Ein gemauerter Kanal vom Deutschen Eck bis zum Freihafen mit einer Länge von 684,10 Metern, einer Höhe von 1,35 Metern und einer Breite von 90 Zentimetern.

* Ein Rohrkanal durch die Regierungsstraße, die Karmeliterstraße und die Poststraße, der auch den Göbenplatz (heute Görresplatz) und die Gerichtsstraße einbezog. Diese Kanalstrecke war 429,25 Meter lang. Die Röhren hatten einen Durchmesser von 35 und 30 Zentimetern.

* Ein gemauerter Kanal durch Viktoriastaße, Altlöhrtor, Magazinstraße, Casinostraße, Gymnasialstraße und Clemensstraße mit einer Gesamtlänge von 369,55 laufenden Metern und einer Höhe von 1,20 Metern sowie einer Breite von 80 Zentimetern. Im gleichen Bereich wurden schließlich auch 799,25 laufende Meter Rohrkanal mit einer Höhe von 45 und einer Breite von 30 Zentimetern verlegt.

* Ein Rohrkanal durch den Plan, die Marktstraße und den Münzplatz mit einer Gesamtlänge von 313,55 laufenden Metern, einer Höhe von 40 und einer Breite von 30 Zentimetern.

* Kanäle durch das Kastorviertel. Dazu gehörten 473,50 laufende Meter Rohrkanal mit einer Höhe von 35 und einer Breite von 30 Zentimetern. Dazu kam ein gemauerter Kanal mit einer Länge von 40 Metern, einer Höhe von 90 und einer Breite von 60 Zentimetern. Ebenfalls dazu gehörten Rohrkanäle zur Entwässerung des Hospitalgeländes mit einer Gesamtlänge von 324,50 Metern.

* Ein gemauerter Verbindungskanal in der Moselstraße mit einer Gesamtlänge von 108 Metern, einer Höhe von 1,20 Metern und einer Breite von 80 Zentimetern.

 

Zum zweiten Bauabschnitt gehörten insgesamt 1201,65 Meter gemauerte Kanäle. Dazu kamen Rohrkanäle mit einer Gesamtlänge von 2340 Metern. Die Gesamtkosten dieses Abschnitts sollten 130.000 Mark betragen.263 Dieser Ansatz wurde von Adolf André leicht überschritten. Die Kanalbauaktivitäten des Berichtsjahres vom 1. April 1893 bis zum 31. März 1894 kosteten schließlich 137.571,20 Mark. Ein Grund hierfür war, dass der Anteil der gemauerten Kanäle in der Ausführungsphase leicht auf 1219,15 Meter gestiegen war. Der Anteil der Rohrkanäle war allerdings auf 2175,62 Meter gesunken.264 Auch im Berichtsjahr 1894/95 wurde die Kanalisation der Stadt mit großer Energie vorangetrieben. Zu den zahlreichen Maßnahmen in der heutigen Alt- und Innenstadt gehörten:

 

* Ein Tonrohrkanal an der südlichen Tangente des Kastorplatzes mit einer Länge von 119 laufenden Metern und einem Durchmesser von   45 Zentimetern.

* Ein Tonrohrkanal durch die Kastorpfaffenstraße mit einer Länge von 213,60 Metern und einem Durchmesser von 45 Zentimetern.

* Ein Tonrohrkanal durch den südlichen Teil der Schlossstraße und die Neustadt mit einer Länge von 170,70 Metern und Durchmessern zwischen 35 und 30 Zentimetern.

* Ein gemauerter zweiringiger Kanal vom Schacht am Zollhof (Konrad-Adenauer-Ufer) durch die Kaiserin-Augusta-Anlagen, den Glacisweg und die Bismarckstraße bis zur Kreuzung Moltkestraße. Dieser eiförmige Hauptkanal hatte eine Länge von 877,25 Metern. Die Höhe des ersten Rings wurde mit 1,35 Metern angegeben, die Breite mit 90 Zentimetern. Der zweite Ring hatte dagegen eine Höhe von 1,80 Metern und eine Breite von 1,20 Metern.

* Ein Tonrohrkanal durch den zwischen der Schlossstraße und der Friedrichstraße gelegenen Teil der Viktoriastraße mit einer Länge von 68,50 Metern und einem Durchmesser von 22,5 Zentimetern.

* Ein Tonrohrkanal durch den zwischen der Casinostraße und dem Löhrrondell gelegenen Teil der Friedrichstraße mit einer Gesamtlänge von 291,90 Metern und einem Durchmesser von 30 Zentimetern.

* Einen Tonrohrkanal durch die Balduinstraße265 mit einer Länge von 131,50 Metern und Durchmessern von 35 bzw. 30 Zentimetern.

* Ein Tonrohrkanal durch die Rhein- und Firmungstraße mit einer Gesamtlänge von 371 Metern und Rohrdurchmessern von 30 und 35 Zentimetern.

* Ein Tonrohrkanal durch die den Göbenplatz auf der Ost- und Westseite begrenzenden Straßen von zusammen 246,25 Meter Länge und einem Durchmesser von 30 Zentimetern.

* Ein Tonrohrkanal durch den zwischen Gerichtsstraße und Rheinstraße gelegenen Teil der Karmeliterstraße von insgesamt 107,60 Metern Länge und einem Durchmesser von 30 Zentimetern.

* Ein Tonrohrkanal durch den zwischen Eisenbahnstraße (später Fischelstraße) und Altlöhrtor gelegenen Teil der Löhrstraße mit einer Länge von 83,15 Metern und einen Durchmesser von 30 Zentimetern.

* Ein Tonrohrkanal durch den zwischen Eisenbahnstraße und Löhrrondell gelegenen Teil der Löhrstraße. Der Kanal hatte eine Länge von 128,70 Metern und einem Durchmesser von    30 Zentimetern.266

 

Wie bereits in Adolf Andrés Vorentwurf geplant, entstand im südlichen Teil des Löhrrondells die geforderte Spülgalerie mit einer Gesamtlänge von 63,50 Metern und einem kreisrunden Querschnitt mit einem Durchmesser von einem Meter. Im Bereich der heutigen Alt- und Innenstadt wurden im Berichtsjahr 1894/95 940,75 Meter gemauerte und 2064,05 Meter Tonrohrkanäle gebaut. Die Herstellung der oben aufgeführten Abschnitte der neuen Koblenzer Kanalisation kostete 97.765,95 Mark.267 Ungeachtet der hohen Investitionen im Innenstadtbereich lief nun auch die Kanalisierung der Südlichen Vorstadt auf Hochtouren. Ebenfalls im Berichtsjahr 1894/95 wurden dort folgende Entwässerungskanäle ausgeführt:

 

* Ein Tonrohrkanal durch Kurfürstenstraße und St.-Josef-Straße im Anschluss an die Schenkendorfstraße mit einer Länge von 358,75 Metern und einem Durchmesser von 30 Zentimetern.

* Ein Tonrohrkanal durch den Markenbildchenweg mit einer Länge von 326,90 Metern und Durchmessern  von 40, 45 und 50 Zentimetern.

* Ein Tonrohrkanal in der verlängerten Moltkestraße bis zum Rhein mit einer Gesamtlänge von 105,5 Metern und einem Durchmesser von     30 Zentimetern.

* Ein Tonrohrkanal in der Lennéstraße von der Mainzer Straße bis zur Kreuzung der Adamstraße. Der Kanal hatte eine Länge von 80 Metern und einen Durchmesser von 30 Zentimetern.

* Ein Tonrohrkanal am unteren Teil der Kurfürstenstraße mit einer Länge von 82,70 Metern und einem Durchmesser von 30 Zentimetern.

* Ein Tonrohrkanal durch die Lennéstraße von 41 Metern Länge und mit einem Durchmesser von 30 Zentimetern.

 

Insgesamt wurden im Vorstadtgebiet 994,85 laufende Meter Tonrohrkanäle zu einem Preis von insgesamt 22.796,90 Mark verlegt. Die Gesamtkosten für das Berichtsjahr 1894/95 betrugen somit 120.562,85 Mark.268 In den folgenden Monaten arbeitete man weiter daran, das System für die Innenstadt und das südliche Stadterweiterungsgebiet voranzutreiben. Auffallend ist, dass die ursprünglich von Adolf André empfohlene Bevorzugung des westlichen Stadterweiterungsgebietes nicht berücksichtigt wurde. Im Bereich des heutigen Rauentals sollte es noch bis weit in die 1920er-Jahre hinein dauern, bis das Problem gelöst war. Ganz offensichtlich legten die Entscheidungsträger zunächst ein Schwergewicht auf die Arbeiten, die zur Verbesserung der Wohnqualität beitrugen. Und so wurde im Berichtsjahr 1895/96 das bereits bestehende Netz weiter verfeinert und ausgebaut. Insgesamt wurden damals 687,80 Meter gemauerte und weitere 1062,90 Meter Tonrohrkanäle realisiert. Investiert wurden 52.538,05 Mark.269 In diesem vierten Bauabschnitt wurden insgesamt folgende Kanäle errichtet:

 

* Ein gemauerter Kanal in der Moselstraße im Abschnitt von der Kornpforte bis zur Moselbrücke mit einer Länge von 354 Metern und einem eiförmigen Querschnitt mit einer Höhe von 1,20 Metern und einer Breite von 80 Zentimetern.

* Ein gemauerter Kanal durch den Altengraben von der Moselbrücke bis zur Wöllersgasse mit einer Länge von 166 laufenden Metern.270 Der Kanal hatte einen eiförmigen Querschnitt mit einer Höhe von 1,05 Metern und einer Breite von 70 Zentimetern.

* Ein Tonrohrkanal durch den Altengraben von der Wöllersgasse bis zur Löhrstraße mit einer Länge von 108,8 Metern und einem Durchmesser von 40 Zentimetern.

* Ein gemauerter Kanal durch Pfuhlgasse und Löhrstraße mit einer Gesamtlänge von 167,80 laufenden Metern. Davon wurden rund 78,60 Meter tunnelartig ausgeführt. Der gesamte Kanal hatte einen eiförmigen Querschnitt mit einer Höhe von 90 Zentimetern und einer Breite von 40 Zentimetern.

* Ein Tonrohrkanal durch die Löhrstraße mit einer Länge von 167,30 laufenden Metern und einem Durchmesser von 30 Zentimetern.

* Ein Tonrohrkanal durch die Viktoriastraße von der Friedrichstraße bis zur Eisenbahn. Der Kanal hatte eine Länge von 47 laufenden Metern und einen Durchmesser von 30 Zentimetern.

* Ein Tonrohrkanal durch die Verlängerung der Friedrichstraße zur Eisenbahn, die damals noch im Bereich des Festungsglacis verkehrte. Der Kanal hatte eine Länge von 122 laufenden Metern und einen Durchmesser von 30 Zentimetern.

* Ein Tonrohrkanal in der Rheinstraße von der Kreuzung an der Kastorpfaffenstraße bis zur Verbindung in der Rheinzollstraße mit einer Länge von 142 laufenden Metern und einem Durchmesser von 30 Zentimetern.

* Ein Tonrohrkanal am Kastorhof längs des Generalkommandos im von der Leyenschen Hof mit einer Länge von 72 Metern und einem Durchmesser von 30 Zentimetern.

* Ein Tonrohrkanal zur Entwässerung der Straßen auf beiden Seiten der katholischen Pfarrkirche St. Josef (heute St.-Josef-Platz) mit einer Länge von 270,80 Metern und Durchmessern von 30 und 35 Zentimetern.

* Ein Tonrohrkanal durch die Luisenstraße mit einer Länge von 133 Metern und einem Durchmesser von 22,5 Zentimetern.271

 

Bereits 1898 wurde das Kanalnetz so weit vervollständigt, dass alle wesentlichen Teile in der Koblenzer Innenstadt und auch im südlichen Stadterweiterungsgebiet in das neue System eingebunden waren. Zu den realisierten Abschnitten des laufenden Jahres272 gehörten:

 

* Ein gemauerter Kanal im nördlichen Teil der Ringstraße (heute Friedrich-Ebert-Ring/Moselring), und zwar auf der Strecke zwischen dem Moseluferkanal und der Kreuzung der Verbindungsbahn mit der Ringstraße. Der Kanal hatte eine Länge von 512,80 laufenden Metern und einen eiförmigen Querschnitt mit einer Höhe von 90 Zentimetern und einer Breite von 60 Zentimetern.

* Ein Rohrkanal durch die Kurfürstenstraße, vor allem im Abschnitt zwischen Johannes-Müller-Straße und Josefstraße. Der Kanal hatte eine Länge von 369,2 laufenden Metern und einen Durchmesser von 30 und 35 Zentimetern.

* Ein doppelter Kanal durch die Ringstraße vom Mainzer Tor bis zum Löhrtor. Dieser Kanalabschnitt bestand in seinem unteren Teil in einer Länge von 127 laufenden Metern aus einem gemauerten Kanal mit einem eiförmigen Querschnitt sowie einer Höhe von 90 Zentimetern und einer Breite von 60 Zentimetern. Daran schlossen sich Tonrohrkanäle mit einer Gesamtlänge von 791,05 Metern und Durchmessern von 30, 38 und 40 Zentimetern an.

* Ein Tonrohrkanal vom Judenfriedhof durch den unteren Moselweißer Weg und durch die neue Straße an der Kaserne des Telegrafen-Bataillons bis zum oberen Moselweißer Weg. Der Kanal hatte eine Länge von 570 Metern und einen Durchmesser von 45 Zentimetern.273

 

In den folgenden Jahren ging es auch um die weiter abseits gelegenen Gebiete der Südlichen Vorstadt. So befasste man sich 1901 erstmals mit der Kanalisierung von Römerstraße und Engelsweg. Zwei Jahre später lagen die ersten Entwürfe vor. Die baureifen Pläne wurden schließlich im August 1904 genehmigt.274

 

Bis zum 1. Januar 1905 waren Altstadt, Innenstadt und Südliche Vorstadt vollständig an die Kanalisation angebunden. Bis dahin waren insgesamt 11.481 laufende Meter gemauerte Kanäle und 21.148 laufende Meter Rohrkanäle verlegt worden. Die Gesamtsumme von 32.629 Metern verteilte sich wie folgt: In der Altstadt wurden 3781 Meter gemauerte Kanäle und 9061 Meter Rohrkanäle gebaut. Andernorts waren es 7700 Meter gemauerte Kanäle und 12.087 Meter Rohrkanäle.275

 

Das ganze System wurde, abgesehen von Abweichungen bei den Höhen und Breiten der Kanäle im Großen und Ganzen nach den ursprünglichen Angaben Adolf Andrés gebaut und nach dem Aufgraben der Straßenoberfläche realisiert. Die Sohlentiefen schwankten zwischen vier und sechs Metern, wobei der Durchschnitt in der Altstadt bei rund 5,20 Metern lag. Mit dieser erheblichen Tiefe blieben sie rund 1,50 Meter unter den ermittelten Durchschnittstiefen der Keller. Somit konnten die Hausanschlüsse unter den Kellersohlen angelegt werden, was günstige Gefälle von 1:25 und 1:30 ermöglichte. Wie bereits die Kanalstrecke von 1883 wurde das Koblenzer Kanalsystem mit Material erbaut, das die Firma Dykerhoff & Widmann aus Biebrich lieferte. In welcher Art die Kanäle gebaut werden sollten, hatte Adolf André bereits in seinem Vorbericht festgelegt.276

 

Die wichtigsten Komponenten der neuen Kanalisation waren die beiden Hauptsammler für das Gebiet der heutigen Innenstadt, die parallel zum Rhein und zur Mosel verliefen. Beide Sammler mündeten schließlich am Deutschen Eck in den Rhein. Zu diesem Zweck war ein Eisenrohr mit einem Querschnitt von 75 Zentimetern angelegt und etwa 35 Meter weit in den Rhein geführt worden. Die günstigen Geländeverhältnisse im Stadtgebiet hatten vor allem den Vorteil, dass das Abwasser nicht künstlich gehoben werden musste. Eine Ausnahme war der äußerste Süden der Stadt. Auf Höhe des ehemaligen Kaltwasserbades Laubach musste das Abwasser künstlich gehoben werden, damit es zum Hauptsammler abfließen konnte.277

 

Allerdings gab es im Stadtgebiet auch Widrigkeiten, die aber erfolgreich bekämpft wurden. So existierten keine offenen Wasserläufe, die zu Spülzwecken hätten benutzt werden können. Das Problem wurde zum Beispiel durch den Bau von Spülbehältern gelöst, in denen Regenwasser gesammelt wurde. Eine andere Möglichkeit war, das Abwasser der Kanäle selbst zur Spülung zu verwenden.278 In den größeren Kanälen wurden für diesen Zweck seitlich bewegliche Spültüren angebracht. Mit ihrer Hilfe konnte bei Bedarf das Abwasser bis zu einer Höhe von zwei Dritteln des Kanals aufgestaut werden. Durch plötzliches Öffnen erzeugte man einen kräftigen Spülstrom, der in der Regel die Reinigung von Hand überflüssig machte. In den kleineren Kanälen unterhalb einer Höhe von 1,05 Metern wurden Handschieber eingebaut, die von der Straße aus gezogen werden konnten. Im Falle der kleinen Rohrkanäle wurden in den Einstiegsschächten eiserne Rohrklappen mit beweglichen Scharnieren eingebaut. Zur Ventilation wurden Öffnungen im Straßenraum angebracht, die eiserne Gitter schützten.279

 

Die erste große Kanalisierungsphase der Jahre 1892 bis Anfang 1905 erforderte von der Stadt erhebliche finanzielle Anstrengungen. Sie musste insgesamt 1,134 Millionen Mark aufbringen. Wie im Falle der anderen großen Investitionen dieser Zeit musste die Stadt Koblenz hohe Kredite aufnehmen. So bewilligte die Allgemeine Versorgungsanstalt im Großherzogtum Baden zu Karlsruhe einen Kredit in Höhe von 1,5 Millionen Mark. Das Geld sollte ausschließlich für den Kanalbau und die Restfinanzierung des Schlachthofes ausgegeben werden. Der Tilgungsplan setzte 1895 ein und endete 1935. Voraussetzung für den Vertrag zwischen Stadt und Versorgungsanstalt war die Genehmigung des Bezirksausschusses bei der Königlichen Regierung, der am 4. September 1893 den Weg für das Geschäft frei machte.280

 

Bereits am Ende der ersten Ausbaustufe war es üblich, auch die Fäkalien in die Kanalisation einzuleiten, obwohl dies zunächst streng verboten worden war. Dies erfolgte über die Klosettfallröhren, die alle über die Dächer geführt wurden, was wiederum zur guten Belüftung der Kanalisation beitrug. Nicht umsonst betont Hermann Salomon in seiner Aufstellung von 1905, dass die neue Kanalisation nirgendwo zu Geruchsbelästigungen führte.281 Wie auch spätere Berichte bestätigen, war die Koblenzer Kanalisation von Anfang an so angelegt worden, dass sie ohne größere Probleme funktionierte. Dennoch hatte man bereits in der Realisierungsphase kräftig nachbessern müssen. So war man im Herbst 1898 gezwungen, zwei größere Schlammfänge im Bereich des „Moseluferkanals“ anzulegen. Grund hierfür war eine Beschwerde der Königlichen Rheinstrom-Bauverwaltung. Die Behörde hatte bereits am 8. August 1895 angemahnt, eine Verunreinigung des Rheinstromes möglichst zu verhindern.282 Die Forderung: Vor dem Hauptauslass am Deutschen Eck sollte ein Schlammfang errichtet werden. Da zu diesem Zeitpunkt das Kaiser-Wilhelm-Denkmal noch nicht fertiggestellt und die Gestaltung des Rheinufers in diesem Abschnitt noch völlig unklar war283, musste die geforderte Maßnahme schließlich um drei Jahre verschoben werden. Bei den Detailplanungen zeigte sich jedoch, „dass der zuerst vorgesehene Platz am Deutschen Eck wegen der mit der Reinigung verbundenen Übelstände und mit Rücksicht auf das in der Nähe befindliche Kaiserdenkmal nicht wohl beibehalten werden könne.“ Man entschied sich schließlich, den Schlammfang weiter moselaufwärts zu verlegen und gleich zwei Anlagen zu errichten. Ein Schlammfang entstand vor der Einmündung des Kornpfortkanals in die Moselstraße und der zweite Fang am Übergang des Altengraben-Kanals am Wolfstor. Durch diese Anordnung sollte der „weiteren Verschlammung des Moseluferkanals, welche sich bis dahin in unangenehmer Weise fühlbar gemacht hatte, vorgebeugt werden.“284 Obwohl zu diesem Zeitpunkt noch keine Fäkalien in die Kanalisation geleitet wurden, hatte sich gezeigt, dass der Kornpfort- und der Altengrabenkanal „aus den engbebauten und weniger reinlichen Stadtteilen“ dem Sammelkanal am Moselufer große Mengen von Schmutz zuführten. Probleme gab es genau dort, wo das Abwasser mit großem Gefälle aus der Koblenzer Kernstadt kam – an den Übergängen zum bescheideneren Gefälle im Moseluferkanal.285 Erneut war Adolf André gefordert. Der Ingenieur hatte den beiden Schlammfängen eine beachtliche Dimension verliehen. Sie hatten eine Länge von jeweils 12,60 Metern und  einen elipsenförmigen Querschnitt mit einer Höhe von 1,80 Metern und einer Breite von 1,50 Metern. Wenn der Schlamm eine gewisse Höhe erreicht hatte, konnten die Schlammfänge ausgebaggert werden.286

 

Allerdings gab es auch nach diesen Nachbesserungen Betriebsstörungen. So war es zu Beginn des 20. Jahrhunderts infolge der Vergrößerung des Altstadtmarktes vor allem in der Burgstraße zu Rückstaus gekommen, was sich vor allem bei stärkeren Regenfällen bemerkbar machte. Die Lösung brachte schließlich ein neuer Entlastungskanal durch den Garten der Alten Burg in Richtung Moselwerft.287 Auch in späteren Jahren sollten sich Störungen offenbaren. Dies ist zum Beispiel sehr anschaulich für das Residenzbad in der Kastorpfaffenstraße überliefert. Bei starken Regengüssen liefen die Wassermassen aus dem Kanal oft rückwärts in die Räume der Badeanstalt. So waren an einem Sonntag die Wannen im Kellergeschoss bis zu drei Viertel mit Kanalwasser gefüllt. Das Abwasser war sogar in die Wäscherei eingedrungen.288 Zu den kleineren Störungen im Betrieb kam, dass in Koblenz damals noch erhebliche „Entsorgungslücken“ bestanden. So meldete das Tiefbauamt zwischen dem 7. April und dem    13. November 1931 folgenden Sachstand an die Redaktion des Standardwerks „Die Stadtentwässerung in Deutschland“: „Die Stadt ist bis auf kleine Trennsystemgebiete nach dem Mischsystem kanalisiert. Nur eine Straße und die Villenkolonie auf der Insel Oberwerth haben Trennsystemkanalisation. An die Kanalisation sind zurzeit 66% der Einwohnerzahl [59.000] = rund 39.000 Einwohner angeschlossen. Die Kanalisation ist mit natürlichem und mit fast durchweg sehr gutem Gefälle durchgeführt. Lediglich das Brauchwasser aus Oberwerth und das Abwasser eines kleineren Gebietes im Süden der Stadt werden künstlich angehoben.“289

 

Auch nach der Vollendung der Kanalisation war es nicht zwangsläufig so, dass sich die sanitären Verhältnisse in den Gebäuden verbesserten. Zwar gab es jetzt fließendes Wasser und eine geordnete Entsorgung des Schmutzwassers, doch fehlten in den älteren Häusern immer noch Badezimmer. Und an vielen Stellen der Altstadt befanden sich die Toiletten nach wie vor in den Innenhöfen. Dort wurden die Fäkalien weiterhin in Gruben geleitet, die hin und wieder geleert wurden. Dennoch war im Laufe der Zeit das Hygienebedürfnis der Bewohner erheblich gestiegen. Es kommt nicht von ungefähr, dass das als Gesellschaft mit beschränkter Haftung geführte „Residenzbad“ in der Kastorpfaffenstraße 8 sehr viel mehr als ein Hallenbad im heutigen Sinne war. Zu der städtischen Einrichtung gesellten sich auch noch private Bäder wie das Augusta-Bad am Kaiserin-Augusta-Ring, mit elektrischen Lichtbädern, „Wannenbädern mit Brausen“, „Sitz- und Dampfbädern mit Wannen“, „Heißluftbädern für einzelne Körperteile“ sowie mit elektrischen Vibrationsmassagen und klassischen Massagen.290 Im Residenzbad selbst gab es Badewannen, Duschen und sogar einen Schankbetrieb.291 Dazu kamen Anlagen für Dampfbäder und Kneipp’sche Bäder. Es gab sogar „elektrische Lichtbäder“ und Massagen sowie eine Halle für sportliche Übungen.292 Und das Schwimmbecken wurde immerhin dreimal wöchentlich mit frischem Wasser gefüllt.293 Keine Frage, dass die Einrichtung nach dem Ersten Weltkrieg auch den Besatzungstruppen zur Verfügung gestellt wurde. Die Amerikaner, die die Verwaltung des Bades dem Christlichen Verein Junger Männer (YMCA) überließen, interessierten sich allerdings mehr für den Sportbetrieb und beanspruchten das Bad dreimal wöchentlich für ihre Zwecke.294 Und die neuen Herren waren anspruchsvoll: Sie bestanden im Juni 1920 auf einer rund 250.000 Mark teuren kompletten Erneuerung der Dampfkesselanlage. Erst nach mehreren Monaten rückten die Amerikaner von dieser Forderung ab. Sie hatten erkannt, dass die erforderlichen Mittel für den Bau eines neuen Kesselhauses nicht vorhanden waren.295

 

 

9. Kanalisation in den Stadtteilen

 

I

m ganzen Stadtgebiet wurden bis 1930 etwa 16.000 Meter gemauerte Kanäle und 60.000 Meter Rohrkanäle ausgeführt. Bei den gemauerten Kanälen betrug das größte Gefälle 1:80. Das häufigste Gefälle war jedoch deutlich geringer und lag bei 1:800 bis 1:1000. Bei Rohrkanälen lag das Gefälle in der Regel im Bereich von 1:150 bis 1:250. Insgesamt gesehen wurden die Kanäle entweder nach den Vorgaben Andrés ausgeführt oder für die Bereiche weiterentwickelt, für die es noch keine Detailplanungen gab. Demnach hatten die aus Kanalklinker mit Zementmörtel gemauerten Kanäle eine Eiform, nur an den Ausmündungen gab es gemauerte Kreisprofile. Die Sohlen der größten Kanäle wurden durchgängig in Steinzeug ausgeführt. Die Querschnitte der größten gemauerten Kanäle lagen bei einer Höhe von 1,80 Metern und einer Breite von 1,20 Metern. Die Regel waren jedoch Querschnitte mit einer Höhe von 90 Zentimetern und einer Breite von 60 Zentimetern. In die Hauptkanäle führte ein System von kleineren Kanälen, die in der Regel als Steinzeugröhren mit einem Durchmesser von 22,5 bis 43 Zentimetern ausgeführt wurden. Die neue Kanalisation hatte insgesamt sieben Regennotauslässe. Besondere Vorrichtungen zum Fernhalten der Schmutzstoffe gab es nicht. 296

 

Da der Ausbau des Koblenzer Kanalsystems in den weiteren Phasen doch sehr komplex war, würde es den Rahmen sprengen, das Baugeschehen in jedem Straßenzug der Stadt vorzustellen. Im Folgenden sollen deshalb lediglich einige Schwerpunkte aufgezeigt werden.

 

 

9.1 Entwässerung des Oberwerths

 

Die Entwässerung des Oberwerths nach dem Trennsystem musste auf Anweisung der Königlichen Regierung erfolgen. Im Norden der Insel war ein rund 32 Hektar großes Villengebiet erschlossen worden. Das Regenwasser sollte durch eine besondere Rohrleitung direkt in den Rhein geleitet werden, während die Fäkalstoffe, Haus- und Schmutzwasser über Tonröhren mit einem Querschnitt von 22,5 Zentimetern an einem tiefen Punkt in einem Behälter zusammenflossen. Die Gefälle der auf dem Oberwerth verlegten Röhren schwanken zwischen 1:150 und 1:500. Die Rohrquerschnitte für die Regenwasserleitungen hatten einen Durchmesser zwischen      30 und 45 Zentimetern. Für die Fäkalstoffeinleitungen wurden durchgängig Rohrleitungen mit einem Durchmesser von 22,5 Zentimetern verwendet. An Straßenkreuzungen und in Entfernungen von 60 bis 80 Metern wurden Spülschächte angebracht. Die Spülung erfolgte durch Aufstauung des Regen- oder Brauchwassers. Der Bau der Entwässerungsanlagen begann 1907 und endete 1910. Insgesamt wurden 8065 laufende Meter Rohrkanäle und 790 laufende Meter gemauerte Kanäle angelegt.297

 

Über eine kleine Pumpenanlage am Eingang der Mozartstraße unmittelbar an der kleinen Brücke über die Rheinlache298 wurde dieses Abwasser schließlich in das bestehende Kanalnetz der Alt- und Innenstadt eingeleitet (ein weiteres Pumpwerk gab es an der Grenze zur Laubach). Außerdem gab es einen Notauslass für den Fall extremer Niederschläge. Wie schon in der Innenstadt gab es dort keine besonderen Vorrichtungen zur Fernhaltung von Schmutzstoffen.299 Das Abwasserpumpwerk Oberwerth wurde 1909 geplant und ein Jahr später vollendet. Zur technischen Ausstattung gehörten zwei Kolbenpumpen, deren Leistung jeweils 25 Kubikmeter pro Stunde betrug. Die Pumpen wurden durch einen Deutzer Gasmotor angetrieben und förderten das Abwasser durch eine 150 Millimeter weite und 250 Meter lange gusseiserne Druckrohrleitung.300 Von dort floss das Abwasser mit natürlichem Gefälle zum zentralen Auslass am Deutschen Eck. Die zweite Anlage an der Laubach war so angelegt, dass das Sammelbecken mithilfe von Kolbenpumpen und Gasmotor leer gepumpt werden konnte. Doch dieses System hatte Mängel, die Anfang der 1930er-Jahre so gravierend wurden, dass der Vorsteher des Tiefbauamtes, Hans Mohaupt, umfassende Änderungen forderte. Mit gutem Grund: Da das Oberwerth nach dem Trennsystem entwässert wurde und in die Grube deshalb kein Regenwasser, sondern nur das mit Fäkalien versetzte Schmutzwasser floss, war das Sammelbecken eine reine Jauchegrube. Und genau diese Jauche wurde nun übergepumpt und durch das ganze Stadtgebiet bis zum Deutschen Eck geleitet. Die Folge: Die Fäulnisprozesse wirkten sich auch nachteilig auf das übrige Kanalwasser aus. Zudem wurden die Schlammablagerungen in den Kanälen verstärkt. Hans Mohaupt wies in diesem Zusammenhang auf die Klagen in der Bevölkerung über Geruchsbelästigungen hin.301

 

Vor dem Krieg konnte das Problem nicht mehr gelöst werden, wenngleich man auf dem Oberwerth mit einer gravierenden Umgestaltung der Insel begann. So sollte der obere Teil der Rheinlache zur Gewinnung von Gelände zugeschüttet werden, um Kleingärten anzulegen. Mit dieser Maßnahme sollte das Oberwerth endgültig zur Halbinsel werden. Die Pläne hierfür reichen bis 1935 zurück. Die Vorbereitungen wurden schließlich durch den Kriegsbeginn empfindlich gestört, sodass die Stadtverwaltung im November 1939 bei Gauleiter Gustav Simon 20 Arbeitskräfte für die Einrichtung von 56 Kleingärten anforderte.302 Zu einer deutlichen Verbesserung der Entsorgungssituation kam es dagegen nicht mehr. Die Mängel sollten erst mit dem Bau des Koblenzer Großklärwerkes ab 1969 und der Umsetzung des Generalentwässerungsplans der 1980er-Jahre behoben werden.

 

9.2 Ehrenbreitstein

 

In der bis 1937 selbstständigen Stadt Ehrenbreitstein, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts rund 5300 Einwohner hatte, erfolgte die Kanalisierung etwa zur gleichen Zeit mit der von Koblenz. Mit der Maßnahme wollte man vor allem einen Beitrag zur Vermeidung von Infektionskrankheiten leisten. Wegen seiner beengten Lage und der stets präsenten akuten Hochwassergefahr war die Infektionsgefahr nämlich wesentlich größer als im gegenüberliegenden Koblenz. Vor allem Typhuserkrankungen waren im „Dahl“ wesentlich häufiger als in der Provinzhauptstadt. Das stellte Kreisphysikus Dr. Schulz in seinem Bericht vom April 1887 einmal mehr fest. Aktueller Anlass für seine Ausführungen waren eine Reihe neuer Typhusfälle im heutigen Stadtteil. Dabei fiel auf, dass sich in einigen Wohngebäuden die Infektionen häuften. Der Kreisphysikus empfahl deshalb, die „Abort-Verhältnisse“ in den betroffenen Häusern zu untersuchen.303

 

Die Forderung des Kreisphysikus war nicht neu. Schon lange klagte die Obrigkeit über das Einleiten von Fäkalien in die durch den Ort fließenden Bäche. Dabei hatte man um die Mitte des 19. Jahrhunderts damit begonnen, die Bäche zu überwölben. Und das geschah nicht nur mit der Zustimmung, sondern auf ausdrücklichen Wunsch der betroffenen Immobilieneigentümer, die in einer solchen Maßnahme ein probates Mittel gegen die Schmutz- und Geruchsbelästigungen sahen und sich wahrscheinlich auch eine breitere Fahrbahn für Fuhrwerke wünschten. So genehmigte die Königliche Regierung am 9. April 1849 die Überwölbung der Wambachstraße (früher Wagenbachstraße). Gut einen Monat später verpflichteten sich die Eigentümer der in der Wambachstraße gelegenen Häuser, auf Entschädigungsleistungen der Stadt für den Fall zu verzichten, dass im Zuge der Baumaßnahmen Schäden an den Gebäuden entstehen sollten.304

 

Wie eine Skizze im Stadtarchiv zeigt, stammt die Idee, den Wambach zu überwölben, bereits vom Frühjahr 1837. Dokumente offenbaren darüber hinaus, dass die Anlieger bereits 1843 und 1844 beim Ehrenbreitsteiner Gemeinderat auf eine Überwölbung des Wambachs gedrängt hatten, aber mit dem Hinweis auf die schlechte Kassenlage der Stadt vertröstet worden waren. Und als es 1849 endlich so weit war, wurde nur der obere Teil des Wambachs überwölbt, sodass genau die Anlieger protestierten, die am offenen Abschnitt des Wambachs lebten. In einem Brief an den Bürgermeister drängten sie schließlich darauf, das Versäumte nachzuholen.305

 

Die Tatsache, dass die durch die Stadt fließenden Bachläufe nach und nach überwölbt wurden, sahen viele Hausbewohner wohl als Freibrief, ihren Unrat nach wie vor in die Bachläufe zu leiten. Und das mit gutem Grund: Die meisten Grundstücke im Ort hatten einen so ungünstigen Zuschnitt, dass die Anlage von Abtrittsgruben wenig zweckmäßig erschien. Zudem waren weite Teile der alten Residenzstadt extrem hochwassergefährdet, sodass viele Ehrenbreitsteiner befürchten mussten, dass Wasser bei extremen Pegelständen den Unrat aus den Senkgruben spülte. Dennoch waren die Experten in der örtlichen Sanitätskommission anderer Meinung und sprachen – der Empfehlung des Kreisphysikus Schulz folgend – sich im Spätjahr 1887 noch einmal für ein generelles Verbot der Einleitung von Fäkalstoffen in die Stadtbäche und die Mühlteiche aus.306 Dieses Verbot bestand in Grundzügen bereits seit Mitte 1885. Am 12. Juni war eine neue Polizeiverordnung erlassen worden, die am 1. Juli gültig war. Diese hatte bereits im ersten Paragrafen die Einführung von Fäkalstoffen in den Blindbach, in den Wambach sowie im Bereich des Obertals und den oberen Teil der Wambachstraße bis zur Einsteige-Öffnung am Kellereibotsgässchen sowie für den Mühlteich untersagt.

 

Die Einleitung von Fäkalien in den Wambach „soweit solcher die Wambachstraße durchfließt, und in den vom Blindbache her kommenden Mühlteich“ war nur dann gestattet, wenn die Aborte mit diesen Wasserläufen in direkter Verbindung standen.307 Bei Zuwiderhandlung gegen die Polizeiverordnung drohten empfindliche Geldstrafen, was viele Hauseigentümer jedoch nicht abschreckte. Im Gegenteil: Sie leiteten weiter ihre Fäkalien in unerlaubter Weise ab – anscheinend mit vorübergehender Duldung der Behörden. Erst Ende Juni 1887 kam es zu einem Ortstermin, an dem neben dem Kreisphysikus Dr. Schulz auch Regierungsrat Lauer-Münchhofen und Bürgermeister Kruft teilnahmen. Dabei wurden alle Aborte in Augenschein genommen, die immer noch in die Wasserläufe einmündeten. Zum damaligen Zeitpunkt war das immer noch in 28 Häusern der Fall. Das Ergebnis der Besichtigung war eine weitere Verordnung der Gemeinde, die am 8. November 1887 die Ehrenbreitsteiner zur größeren Reinlichkeit anhielt.308

 

Die Anwohner waren mit den Maßnahmen der Behörden alles andere als einverstanden. Ihr massiver Protest wurde sogar in den überregionalen Medien beachtet. Davon zeugt eine anonyme Zuschrift an die „Frankfurter Zeitung“ vom November 1886, die anscheinend ungekürzt abgedruckt wurde. Darin heißt es: „Während die könig[liche] Regierung hierselbst soeben erst wieder Verfügungen [...] in Betreff Anmeldung von auffallenden Erkrankungen im ,Generalanzeiger‘ bekannt macht und immer noch die Eisenbahnzüge von Mainz her untersuchen lässt, ist man drüben in Ehrenbreitstein fröhlich dabei, einen Infektionsherd zurecht zu machen, wie er in Deutschland vielleicht noch gar nicht dagewesen ist; das Städtchen hat seit Jahrhunderten ein Kanalnetz von fließendem Wasser, durch welches alle Fäkalien nach dem Rhein hin abgeführt werden und alle Häuser sorgen von selbst dafür, dass ihre Zuleitungen stets in Ordnung waren. Jetzt wird plötzlich angeordnet und unter heftigen Protesten der Bürger mittelst Geldbußen durchgesetzt, dass alle diese Kanalverbindungen sofort verstopft und in den engen Höfen neue Latrinen gebaut werden müssen, während man sonst allenthalben Kanalnetze als sichere Abhülfe gegen Gesundheitsbedrohungen betrachtet. Bei der nächsten Überschwemmung wird nun der himmelschreiende Zustand eintreten, dass der Inhalt dieser Latrinen vom Hochwasser in die Höfe und in die Wohnräume getrieben wird, dass die Dielen und Mauern verseucht, die Brunnen geradezu vergiftet werden und eine Gefahr heraufbeschworen wird, gegen welche die Affaire von Gonsenheim und Finthen309 das reine Kinderspiel ist. Unbegreiflich ist es, wie so etwas nur möglich ist, während die Blätter von Protesten gegen dies Verfahren wimmeln und an das Reichsgesundheitsamt immer neue Hülferufe ergehen. Hoffentlich findet die für die öffentliche Gesundheit in hohem Grade bedenkliche Angelegenheit nach der Erwähnung durch Ihr Blatt endlich eine eingehende Würdigung bei der maßgebenden Stelle, denn was sollte werden, wenn jetzt wirklich die Cholera hier sich einnistet und nächsten Monat, wie schon oft bewiesen, Hochwasser einträte.“310

 

Aufschlussreich ist auch ein weiterer anonymer Beitrag, der Ende Oktober 1886 unter der Rubrik „eingesandt“ im „General-Anzeiger für Coblenz, Neuwied und Umgegend“ veröffentlicht wurde. Auch darin wurde das Vorgehen der Obrigkeit scharf kritisiert. Wörtlich heißt es: „[…] Es ist nicht alles schlecht, was alt ist und umgekehrt ist nicht alles gut, was neu ist, das hat sich in Coblenz vor einigen Jahren an den neu eingeführten Schlammkästen wie auch an den Zungenbrücken, die von den Dachkandeln durch die Trottoirs führen, erwiesen. Daß diese beiden Neueinrichtungen verfehlt waren, dürfte jeder Bürger von Coblenz bestätigen können. Hätte man die Folgen dieser Neuerungen gleich bedacht, so würden die betreffenden Eigenthümer viel Geld gespart haben. Dasselbe gilt von den Abortgruben in Ehrenbreitstein. Hätte sich die Gesundheits-Commission einmal ein früheres Hochwasser in Ehrenbreitstein vergegenwärtigt, wo in jedem Hause, das eine solche Grube hatte, das ganze Erdgeschoß von den Fäkalien überschwemmt und die Brunnen unbrauchbar geworden waren, so wäre eine solche Neuerung sicherlich nicht von ihr angeregt worden. Besagte Commission konnte doch nicht annehmen, daß bei eintretendem Hochwasser alle Aborte bis auf die Soole leer seien. Der städtischen Verwaltung kann es doch gewiß nicht gleichgültig sein, daß unter einer solchen Neuerung alle Einwohner leiden und außerdem die kleinen Eigenthümer durch den kostspieligen Bau bis aufs Schwerste geschädigt werden. Zudem kann Ehrenbreitstein sich rühmen, eine in hygienischer Sicht über alles erhabene Einrichtung zu besitzen. Während man in anderen Städten, wie Berlin, mit ungeheurem Kostenaufwand Kanäle unter der Stadt baut, welche dazu dienen sollen, allen Unrath auf möglichst einfache Art hinwegzuschaffen, besitzt Ehrenbreitstein diese Kanäle schon aus alter Zeit, und diese herrliche Einrichtung verkennt man aus lediglich doktrinären Gründen. Unbegreiflich! Müßte nicht die städtische Verwaltung im Interesse der Bürger und in ihrem eigenen dahin streben, das ganze Ehrenbreitstein nach und nach zu canalisiren, um so die Abort-Verhältnisse zu verbessern, anstatt dieselben durch den Bau von Gruben zu verschlechtern?“ 311

 

Auch wenn in Ehrenbreitstein angesichts der zahlreichen Typhusfälle und anderer Infektionskrankheiten – anders als vom Anonymus dargestellt – objektiv nicht von „einer in hygienischer Sicht über alles erhabenen Einrichtung“ gesprochen werden konnte, war die in der Presse geäußerte Kritik nicht von der Hand zu weisen. Die Autoren hatten erkannt, dass die aktuellen und künftigen Probleme nicht mit neuen Fäkaliengruben, sondern nur über eine neue Kanalisation in den Griff zu bekommen waren. Das wusste man anscheinend auch in der Ehrenbreitsteiner Stadtverwaltung. Nur so ist es zu erklären, dass einige Hauseigentümer dem Einleitungsverbot auch 1889 immer noch nicht nachgekommen waren. Sie konnten zu diesem Zeitpunkt wohl mit der stillschweigenden Duldung durch die Verwaltung rechnen. Diese war auf der Suche nach Alternativen zur direkten Einleitung und der Anlage von Fäkaliengruben alles andere als untätig. Man schaltete auswärtige Experten ein. Im Juli 1890 lag zum Beispiel das Gutachten des Breslauer Professors Dr. Holdefleiß vor, der genau das bestätigte, was eigentlich schon alle wussten: dass die meisten Häuser gar keine Höfe besaßen, um die geforderten Gruben anzulegen und dass die Stadt im Laufe eines Jahres gleich mehrfach überschwemmt werden konnte. Dennoch sind die Ausführungen des Professors aus heutiger Sicht nicht uninteressant, weil sie auf die Situation in den Straßen des Ehrenbreitsteiner Ortskerns eingingen. Demnach lag trotz der zahlreichen baulichen Veränderungen der jüngeren Vergangenheit eine größere Anzahl von Gebäuden unmittelbar an den alten Bachkanälen, die damals immer noch zum Teil offen flossen und nur notdürftig mit Brettern bedeckt waren. Die Bachläufe waren nur abschnittsweise übermauert, wobei es in unmittelbarer Nähe der Häuser immer noch größere Öffnungen gab, um Unrat hineinzuleiten. Gruben zur Aufnahme der Fäkalien gab es vor allem in den Straßen und Gassen, die nicht in direkter Nachbarschaft der Bachläufe gelegen waren. „Diese Gruben lagen oft in den Kellern und waren offenbar seit Jahrzehnten nicht mehr geleert worden“, hieß es im Gutachten wörtlich.

 

Selbst dort, wo es keine Gruben gab, waren häufig üble Gerüche festzustellen, die von den Abwässern in den Kanälen herrührten. Um das Problem in den Griff zu bekommen, plädierte Holdefleiß für die Einführung des Tonnensystems nach dem Heidelberger und Züricher Vorbild, das auch in Koblenz alles andere als unbekannt war. Zur Erinnerung: Auch das im hochwassergefährdeten Kastorviertel gelegene Bürgerhospital besaß ein Entsorgungssystem, in dem die Abfuhr von Fäkalientonnen eine zentrale Bedeutung hatte. Der Inhalt der Tonnen sollte nach den Vorstellungen des Professors nicht direkt auf die Felder gebracht werden. Der Gutachter empfahl die Errichtung einer Poudrettefabrik zur Weiterverarbeitung der Fäkalien nach dem Pariser Vorbild, wobei Ehrenbreitstein gemeinsame Sache mit der Stadt Koblenz machen sollte.312 Das Gutachten von Professor Holdefleiß offenbarte auch, dass es in Ehrenbreitstein offenbar lange keine Vorschriften gab, die den Überbauungsgrad der Grundstücke regelten. Erst 1891 wurde eine entsprechende Bauordnung auf den Weg gebracht, die den Mangel beseitigte. Allerdings verzichtete die Stadt auf die Einführung eines Tonnensystems. Um die örtlichen Probleme aus der Welt zu schaffen, entschied man sich letztendlich für den Bau neuer Kanäle, um Abwässer aller Art fortzuschwemmen. Zur Einrichtung einer Kläranlage kam es in der beengten ehemaligen Residenzstadt nicht.

Der Bau der Kanalisation wurde schließlich 1892 begonnen und 1902 vollendet. Dabei handelte es sich um eine Eigenentwicklung, die unter Regie des Stadtbaumeisters Scheer vollendet wurde. Die Ausführung übernahm zum größten Teil die Firma Seiffermann aus Darmstadt. Allerdings war auch die am Ort ansässige Firma Friedrich Langenbach beteiligt, die sich auch bei verschiedenen Wasserbauprojekten in der Region einen Namen machen sollte. Röhren, Schachtringe und Sinkkästen lieferte die Firma Dyckerhoff & Widmann in Biebrich. Die Gesamtkosten betrugen rund 88.500 Mark, wobei allein auf die Kanalisierung des Mühlbaches vor dem Sauerwassertor 21.000 Mark entfielen. Diesen Betrag hatte die Koblenzer Straßenbahngesellschaft übernommen. Diese hatte sich bei der Erteilung der Konzession für die Straßenbahnlinie Ehrenbreitstein–Arenberg dazu verpflichtet, die Kanalisierung zu übernehmen und war dann einer  landespolizeilichen Anordnung gefolgt.313

 

Vor Beginn des Kanalisierungsprojektes wurden die Ehrenbreitsteiner Abwässer über den Mühlbach- und Blindbachkanal entsorgt. Dabei sollte es grundsätzlich auch nach der Vollendung der neuen Kanalisation bleiben: Außer den beiden Bachkanälen gab es drei weitere Hauptsammelkanäle, die direkt in den Rhein mündeten. Allerdings waren die lange Zeit offen liegenden und nun in großen Teilen überwölbten Bachkanäle als Hauptsammler verwendet worden. Sohle, Wandungen und Gewölbe der Hauptkanäle wurden in Bruchstein gemauert.314 Die neuen Kanäle mit einer Gesamtlänge von 2132 Metern wurden überwiegend aus glattwandigen Zementröhren in Eiform ausgeführt. Nur ein kleiner Teil (300 Meter) der neuen Röhren besaß einen kreisförmigen Querschnitt. Ganz bewusst wurde darauf geachtet, dass die neuen Kanäle und die Bachkanäle in Verbindung standen. Auf diese Weise wollte man eine gegenseitige Entlastung bei     extremen Niederschlägen und eine gründliche Spülung gewährleisten. Besonders gravierende Auswirkungen hatte das Ehrenbreitsteiner Projekt für das Mühlental. Es wurde nämlich auch das „Mühlgerinne“ vom Mühlteich bis zur Stadt kanalisiert. Insgesamt stellte die Fabrik von Weiß & Licht eine Rinne mit einer Gesamtlänge von 330 Metern her. Ein Hauptmotiv für diese Maßnahme war der Schutz der Kornsquelle vor weiteren Verunreinigungen.315

 

Das Regenwasser wurde einfach in Abzugskanäle geleitet. Zu diesem Zweck wurden Einlassschächte mit Sinkkästen gebaut. Feste Schwemmstoffe wurden in eingebauten Schlammeimern gesammelt, die bequem gereinigt werden konnten. Zur Wartung der Kanäle wurden an geeigneten Stellen Revisions- und Lampenschächte vorgesehen. Genau wie in Koblenz auch gab es – abgesehen von den Schlammfangvorrichtungen am Ende der drei Hauptsammelkanäle – keine Klärvorrichtungen. Die Voraussetzungen für neue Probleme waren geschaffen, weil in Ehrenbreitstein eben nicht nur das Oberflächenwasser und das Schmutzwasser aus den Häusern, sondern zum Teil auch die Fäkalstoffe in die neue Kanalisation eingeleitet wurden. Dazu kam, dass die Hochwassersituation noch dramatischer war als in Koblenz. Ungeachtet dessen entschied man sich schließlich dafür, auch die Abwässer der wenigen vorhandenen Gewerbebetriebe einzuleiten. Zu Unannehmlichkeiten dürften dabei vor allem die Einleitungen der Gerberei Kaumann geführt haben.316

Angesichts der örtlichen Verhältnisse kam der Spülung des Kanalsystems eine besondere Bedeutung zu. Da die beiden Bachkanäle stets ausreichend Wasser mit sich führten und auch das Gefälle ausreichend war, verzichtete man hier auf den Einbau besonderer Spül- und Schlammfangvorrichtungen. Allerdings wurden Wehre errichtet, um Wasser zur Spülung der „künstlichen“ Zementrohrkanäle zu sammeln. Darüber hinaus konnten die Trinkwassersysteme gleichzeitig zur Spülung der Kanalisation genutzt werden.317

 

Die Investitionen in die Ehrenbreitsteiner Kanalisation stehen übrigens für ein Phänomen, das im 19. Jahrhundert fast in allen deutschen Städten zu beobachten war: Das Wasser wurde aus der Planung und Wahrnehmung verdrängt, wie die Beispiele Wambachstraße und Blindtal zeigen.318 Nicht umsonst hat Christoph Bernhardt mehrere Stufen im „Feldzug“ gegen offene Gewässer in Städten und Gemeinden herausgearbeitet, den die Planer gut ein Jahrhundert lang geführt haben und der erst in jüngerer Vergangenheit aufgegeben wurde. Im Zuge dieses „Feldzuges“ kam es zunächst einmal zu einer großflächigen Einebnung, Entwässerung und Versiegelung des städtischen Reliefs. Dazu kam die Trockenlegung sumpfiger Stadtgebiete und der Sümpfe in der Umgebung. Diesen Maßnahmen folgte die Kanalisierung der Wasserkreisläufe. Dieser unter dem Eindruck der großen Epidemien mit großem Eifer betriebene „Feldzug“ erforderte in ganz Europa immense Investitionen in den Tiefbau. Der Preis war hoch. Vielerorts fiel der Grundwasserspiegel. Dennoch bereitete erst die 1933 verabschiedete Charta von Athen der Verdrängung des Wassers aus den Städten formell ein Ende.319 Das bedeutete jedoch nicht, dass die Stadtplanung ihren Kurs sofort und grundsätzlich änderte. Und: Vielerorts machten es die topografischen Verhältnisse erforderlich, den Verdrängungsprozess fortzusetzen. Auch dafür steht die in ihrer Entwicklung stets stark beeinträchtigte Stadt Ehrenbreitstein.

 

 

9.3 Pfaffendorf

 

Das Tauziehen um die Realisierung der Pfaffendorfer Kanalisation zeigt, dass es in Koblenz und Umgebung keinen Freibrief gab, die Abwässer grundsätzlich ungeklärt in den Rhein zu leiten. Das bekam die zur Bürgermeisterei Ehrenbreitstein gehörende Gemeinde zu spüren, als sie am Ende des 19. Jahrhunderts dem Koblenzer Beispiel folgen wollte. Wie auch im Falle der gegenüberliegenden Provinzhauptstadt musste das preußische Innenministerium eingeschaltet werden. Am 24. April 1900 schickte die Gemeinde ihre Unterlagen zur Genehmigung nach Berlin. Die Antwort lag der Gemeinde am 15. August vor. Ergebnis: Es musste nachgebessert werden. Dabei setzte das Ministerium eine Frist von drei Monaten.320 Die endgültige Genehmigung lag im ersten Quartal 1901 vor, sodass die Realisierung des Projektes bereits im Frühjahr beginnen konnte. Anfang Juni waren die Bauarbeiten in vollem Gange.321 Dennoch stockte die Ausführung immer wieder. Die Gemeinde Pfaffendorf wollte nämlich den vom Innenministerium geforderten Bau einer kostspieligen Klärvorrichtung umgehen und beantragte bei der Bezirksregierung Koblenz eine Ausnahmegenehmigung. Die Königliche Regierung lehnte den Antrag jedoch mit dem Hinweis ab, dass das preußische Innenministerium den Bau einer Kläranlage für Pfaffendorf ausdrücklich vorgeschrieben hatte. Der Pfaffendorfer Gemeinderat beschloss daraufhin, beim preußischen Innenministerium Beschwerde gegen den Bescheid einzulegen. Die Folge: Die Arbeiten an der Kanalisation ruhten für mehrere Monate.322 Erst im März 1903 konnte es weitergehen, weil sich die Gemeinde inzwischen zum Bau einer Reinigungsanlage verpflichtet hatte.323 Im Januar 1904 wurden die Arbeiten endlich abgeschlossen.324

 

Im Zuge der Maßnahme war aber nur der nördliche Teil von Pfaffendorf kanalisiert worden, sodass Anfang 1907 Erweiterungen des Systems im mittleren und südlichen Teil der Gemeinde erforderlich geworden waren. Spätestens bis Mitte März war der erste Bauabschnitt vollendet.325 Ein weiterer Bauabschnitt wurde 1910 begonnen und im zweiten Halbjahr 1911 fertiggestellt.326

 

 

9.4 Lützel und Neuendorf

 

Die Gemeindeväter von Neuendorf hatten während der Eingemeindungsverhandlungen nur den Anschluss an das Gasnetz und für den Ortsteil Lützel den Anschluss an die neue Koblenzer Wasserleitung reklamiert. Von einer Kanalisation für die beiden neuen Stadtteile war noch nicht die Rede. Den Verantwortlichen in Koblenz konnte dies nur recht sein, da die Stadterweiterung im Süden ohnehin alle Kräfte band. Thomas Tippach geht sogar so weit, das Zögern der Stadt beim Bau der Kanalisation in Lützel und Neuendorf auf die Sozialstruktur in den beiden neuen Stadtteilen zurückzuführen. Diese wurden nämlich von Arbeitern oder von Menschen geprägt, die ihren Lebensunterhalt in der Landwirtschaft verdienten. Ganz anders die Südliche Vorstadt mit ihren bürgerlichen Strukturen. Diese Unterschiede legen in der Tat den Schluss nahe, dass die südlichen Erweiterungsgebiete bei den Planungen für die künftige Stadtentwicklung absolute Priorität hatten. Und auch die Tatsache, dass sich das Militär Ende der 1890er-Jahre wegen des großen Handlungsbedarfs entschied, einen eigenen Abwasserkanal für die vor der ehemaligen Moselflesche neu erbaute Garnisonswaschanstalt zu errichten, spricht für den Ansatz von Thomas Tippach, zumal auch das Militär Alternativen brauchte, um künftige Gebäude an einen Kanal anzuschließen. Dies waren vor allem das schon damals geplante Korpsbekleidungsamt und das später errichtete Lützeler Artilleriedepot.327 Angesichts dieser Hintergründe scheint wirklich einiges für die Untätigkeit der Stadt zu sprechen. Umso überraschender ist ein Blick in die Akten im Koblenzer Stadtarchiv, der die sozialgeschichtliche Erklärung von Thomas Tippach fragwürdig erscheinen lässt. Ergebnis: Es waren die Neuendorfer selbst, die sich lange einem Anschluss ihrer Häuser an die für den Stadtteil vorgesehene Kanalisation nach dem Mischsystem widersetzten, sodass die Arbeiten zum Teil erst nach dem Ersten Weltkrieg zu einem erfolgreichen Ende gebracht werden konnten.328 Und die Koblenzer Stadtverordneten fassten bereits im Februar 1894 den grundsätzlichen Beschluss, an der Gemarkungsgrenze von Neuendorf und Wallersheim einen Kanal anzulegen, der freilich zunächst das Lützeler Abwasserproblem lösen sollte. Die Absicht der Stadt, die Abwässer direkt am Lützeler Moselufer einzuleiten, war nämlich am Widerstand der oberen Genehmigungsbehörden gescheitert.329

 

Die eigentliche Vorgeschichte der Neuendorfer Kanalisation reicht bis zu den ersten Aufstellungen aus dem Jahr 1901 zurück und steht in einem engen Zusammenhang mit dem Bau des neuen Entwässerungssystems für den Stadtteil Lützel. Ein konkreter Entwurf lag schließlich im April 1903 vor. Schon damals ging man von einem Hauptkanal auf der Achse Neuendorfer Straße (Lützel) und Hochstraße (Neuendorf) aus, der an der Grenze zur Nachbargemeinde Wallersheim in den Rhein münden sollte.330 Trotz dieser Zusammenhänge sollte es noch bis zum Frühjahr 1912 dauern, bis die Kanalisation im Abschnitt Hochstraße fertiggestellt war. Ein Grund zur Eile bestand auch aus Sicht der Anwohner nicht. Sie lehnten einen Kanalanschluss sogar ab, weil sie eine Kostenbeteiligung vermeiden wollten. Wie schon seit Jahrhunderten nutzten sie die in den Häusern anfallenden Fäkalien zum Düngen der Felder. Auch die Entwässerung der Grundstücke war nicht so vordringlich wie auf den kleineren, in der Regel dicht bebauten Parzellen der Koblenzer Innenstadt.331 Dennoch beschloss der Bau- und Stadterweiterungs-Ausschuss am 9. Mai 1912, die Anwohner – dem geltenden Ortsstatut entsprechend – dazu anzuhalten, ihre bestehenden und geplanten Gebäude auf eigene Kosten an die neue Kanalisation anzuschließen.332 Es blieb nicht nur bei Worten. Die Polizeidirektion Koblenz drängte sofort darauf, dass sich die Anlieger an die geltenden Vorschriften hielten. Von zehn Grundstückseigentümern in der Hochstraße erhielten nur zwei eine Ausnahmegenehmigung, die allerdings nur bis zum 1. Oktober 1912 gelten sollte. Da alle anderen bislang noch keine Pläne für ihre Hausanschlüsse zur Genehmigung eingereicht hatten, drohte die Ortspolizeibehörde sogar Zwangsmaßnahmen an.333

 

Trotz der deutlichen Worte ließen die betroffenen Anwohner auch die letzte Frist verstreichen. Stattdessen mussten sich Stadtverwaltung und Polizeidirektion seit November 1912 mit dem Widerspruch des Johann Anton Eulner auseinandersetzen. Sein Protestbrief trug 36 weitere Unterschriften. Und die Gegenargumente wogen so schwer, dass sie den Beamten in der Koblenzer Kommunalverwaltung noch lange Kopfzerbrechen bereiten sollten. So betonten Eulner und die anderen Anlieger, dass der neue Kanal in der Hochstraße nur angelegt worden sei, um die Verhältnisse in Lützel zu verbessern. Die Anlieger beriefen sich auf einen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung, der nur den Weg für die Entwässerung von Lützel frei gemacht hatte. Noch schwerer wog die Tatsache, dass die Einmündung des Kanals in den Rhein nur deshalb im Norden von Neuendorf angelegt worden war, weil die oberen und obersten Genehmigungsbehörden die direkte Einleitung vom Lützeler Ufer in die Mosel untersagt hatten. Und wörtlich hieß es: „[...] Neuendorf selbst hat im Allgemeinen kein Interesse an der Entwässerung und ist in der Stadtverordneten-Versammlung vom Anschließen der Hauseigentümer in Neuendorf keine Sprache gewesen, da sonst schon damals direkt seitens der Bürger Widerspruch erfolgt wäre. [...] Weil in Neuendorf die ländlichen Verhältnisse vorherrschend sind und die Ackersleute usw. ihre Fäkalstoffe zum Düngen nötig gebrauchen. Sollte aber das Anschließen nur zur Abführung des Regenwassers dienen, wäre die Ausgabe von 250 M[ark], welche das Anschließen jeden Bürger kosten soll, bei unsern ländlichen Verhältnissen im Verhältnis zur Nützlichkeit, viel zu hoch, zumal Neuendorf durchschnittlich nur Einfamilienhäuser hat, und viele Hausbesitzer diesen Betrag nicht aufbringen können. Wir wären der Ansicht, es würde den einzelnen Hausbesitzern überlassen, sich anzuschließen oder nicht. [...]“334 Dass einiges für die Argumentation der Anlieger sprach, wusste man auch in der Koblenzer Stadtverwaltung. So räumte das Tiefbauamt in einer internen Mitteilung an Oberbürgermeister Karl Ortmann ein, dass „die Entwässerungsanlagen in erster Linie für Coblenz-Lützel bestimmt waren“, weil man eine geeignete Auslaufstelle in den Rhein brauchte und deshalb ein „Kanal in der ganzen Länge von Neuendorf durch die Hochstraße durchgeführt werden musste“. Seitens des Tiefbauamtes wurde betont, dass man die Gelegenheit genutzt hatte, den neuen Kanal so auszulegen, dass auch die Gebäude in der Hochstraße angeschlossen werden konnten. Mit Rücksicht auf die in Neuendorf vielfach bestehenden landwirtschaftlichen Betriebe sprach man sich dafür aus, bis auf Weiteres auf den Anschluss bestehender Gebäude zu verzichten, betonte aber gleichzeitig: „[...] Grundsätzlich aber wird Neuendorf keinesfalls von der Ausführung der Entwässerungsanschlüsse auszuschließen sein, da mancherlei Verhältnisse auf die weitere Ausführung des städtischen Entwässerungsnetzes in diesem Vorortbezirke drängen. […]“335 Der Polizeidirektor zeigte sich von diesem Kompromissvorschlag unbeeindruckt und drohte im Frühjahr 1913 weitere Zwangsmaßnahmen an.336 Dabei war die Rechtslage immer noch alles andere als eindeutig. Selbst die Stadtverwaltung ging davon aus, dass eine „förmliche und ausdrückliche Genehmigung“ der Entwässerungsanlagen in Neuendorf nicht erteilt worden war. Anders sah es im Falle des Auslasses in den Rhein aus, der am nördlichen Ende von Neuendorf in unmittelbarer Nähe der Wallersheimer Gemarkungsgrenze lag. Für den Bau dieser Anlage hatte Oberpräsident Georg Freiherr von Rheinbaben am 16. Juli 1909 einen Erlaubnisschein ausstellen lassen, der von der Stadtverwaltung Koblenz gleichzeitig als Genehmigung für den Bau der Kanalisation in der Hochstraße interpretiert wurde.337

 

Was den Immobilieneigentümern in Lützel und Neuendorf schließlich einen großen Zeitgewinn verschaffte, war die Tatsache, dass die Verwaltung lange Zeit nicht genau wusste, welches Haus an die Kanalisation angeschlossen war und welches nicht. Die vom Oberbürgermeister und der Ortspolizeibehörde geforderte Aufstellung der Hausanschlüsse in beiden Stadtteilen war aufwendiger als geschätzt, sodass die gesetzten Termine immer wieder verschoben werden mussten.338 Das geforderte Verzeichnis lag schließlich Anfang Juni dem Bericht des Stadtbaumeisters bei. Demnach waren in Neuendorf 113 Grundstücke immer noch nicht an die Kanalisation angeschlossen. In dieser Zahl waren auch die Häuser der Beschwerdeführer in der Hochstraße enthalten.339 Diese hatten sich unterdessen mit neuen Argumenten gewappnet. Dazu gehörte, dass im Falle eines Hochwassers – das in Neuendorf bis auf den heutigen Tag sehr wahrscheinlich ist – ein Rückstau der Abwässer in Kellern und Wohnungen drohte. Gerade dieser Punkt wurde von den Behörden durchaus ernst genommen.

 

Es folgte ein Ortstermin mit Vertretern des städtischen Tiefbauamtes und der Königlichen Regierung Ende Juli 1914. Dabei wurde nicht nur die Auslassstelle an der Wallersheimer Gemarkungsgrenze mit ihrer „Rechenanlage“ besichtigt, sondern auch die Hochstraße begangen. Die Gruppe besichtigte dabei zwei Häuser mit Kanalanschluss und ein Gebäude, das nicht an den neuen Kanal angeschlossen war. Ergebnis: Das Eindringen des Wassers konnte nicht am neuen Kanal liegen, da dieser ordnungsgemäß angelegt worden war. Allerdings stellte sich sehr schnell heraus, dass die bisherigen Einrichtungen und Vorkehrungen der Hausanschlüsse im Hochwasserfall nicht ausreichten, um den Rückstau und damit das Eindringen von Abwässern in das Innere der Gebäude zu verhindern. „[...] Überall könnten die Fäkalstoffe heraustreten und bei Zurücktreten des Wassers in den Wohn- und Aborträumen sich ablagern [...]“, hieß es im Bericht zum Ortstermin, in dem sich vor allem Regierungsrat Schnacke mit kritischen Äußerungen hervortat. Er wies auf gravierende Versäumnisse der Stadt und das Fehlen eines Erläuterungsberichtes hin. Die Kommune hätte nach Auffassung der Bezirksregierung trotz der Genehmigung des Projektes durch das preußische Innenministerium an „weitergehende Vorschläge für die Beseitigung der Fäkalstoffe bei Hochwasser“ denken müssen. Regierungsrat Schnacke kündigte weitreichende Forderungen der Bezirksregierung an, die vor allem auf besondere Vorkehrungen an den Hausanschlüssen zielten.340

 

In der Zwischenzeit meldeten sich weitere Neuendorfer zu Wort, die immer noch gegen die Hausanschlüsse in der Hochstraße und in anderen Straßen mobilmachten. So musste sich die Koblenzer Bezirksregierung im März 1915 mit einer Beschwerde des Johann Kettemer auseinandersetzen. Aufschlussreich ist der Bericht des Regierungsrats Braun, der im März 1915 mit einer ausführlichen Beschreibung der Kanalisation Stellung nahm. Zum besseren Verständnis werden nachstehend die wichtigsten Passagen des Berichtes wörtlich wiedergegeben: „[...] Der Hauptkanal der Kanalisation dieser Vororte liegt mit der Sohle an der Mündung des Rheins auf NN 60,16, am unteren Ende der Hochstraße auf 60,25 NN, an der Abzweigung der Herberichstraße auf 61 und am oberen Ende von Lützel auf 64,69 NN. Die untere rund 600 Meter lange Strecke hat ein Gefälle von 1:700, die anschließenden rund 1500 Meter von nur 1:1000. Dagegen haben die einmündenden Seitenkanäle erheblich stärkere Gefälle zwischen 1:65 und 1:280. Die Hochstraße selbst liegt im tieferen Teil auf 64 und 66,5 NN. Diese ganze Straßenstrecke ist nicht hochwasserfrei.

 

1882 erreichte das Wasser am Coblenzer Pegel eine Höhe von 9,2 m. Der Pegel liegt 2,35 km oberhalb der Mündung des Neuendorfer Hauptkanals und unter Abzug des Gefälles wird für diesen Punkt der Hochwasserstand von 1882 zu 6,29 m anzunehmen sein. Der Hauptkanal steht also am unteren Ende unter einem Überdruck [...] bei Hochwasser und in ganzer Länge unter Stau. Auch die Seitenkanäle in dem ganzen für die Bebauung vorgesehenen Gebiete zwischen Wallersheimer- und Hochstraße liegen meist noch unter dem Hochwasserspiegel. […] Der Hauptkanal ist aus Klinkern in Cementmörtel, einen Stein stark in zwei Ringen gemauert. Er hat auf rund 600 Meter Länge 1,2 Meter Durchmesser, sodann Eiprofile 180/120 [cm], 150/100 [cm], 135/90 [und] 120/80 [cm] bis an die Lützeler Grenze und ist innerhalb Lützel als Rohrkanal 60/90 [cm] angelegt. Die Seitenkanäle sollen aus kreisrunden Steinzeugrohren von 22,5 bis 35 cm Durchmesser hergestellt werden. Bis jetzt ist erst eine Seitenstraße derart kanalisiert. Dagegen ist ein Hauptstrang von 1,0 m Durchmesser in der Herberichstraße vom Hauptsammelkanal aus auf r[und] 400 m Länge ausgebaut. Die Anlieger an diesen fertigen Kanälen sind zum Anschluss aufgefordert. Angeschlossen sind bislang nur einzelne neue Häuser. Die Befürchtungen der Beschwerdeführer gehen einmal dahin, dass vom Strome aus im Zuge des ersten ausgehobenen Grabens an dem Bauwerk entlang Wasser eindringt und dann seitwärts in die Keller tritt, zweitens dass das aufgestaute Abwasser sich durch die Ausgüsse und Abortöffnungen in die Häuser und durch die Sinkkästen in die Keller und Höfe ergießen wird. Man will beobachtet haben, dass während des Hochwassers im Frühjahr 1914 eine erheblich schnellere Überflutung der Keller von Grund auf eingetreten sei als in früheren Jahren, vor dem Bau der Kanäle. Diese Beobachtung muss auf einer Täuschung beruhen, oder auf Umständen, die nicht mit dem neuen Kanal zusammenhängen. Denn dass Mündungsbauwerk und der gemauerte Kanal füllen die ausgehobene Baugrube fast vollständig aus, und der schmale Zwischenraum ist so gut gefüllt worden, dass sich an der Oberfläche keine Risse oder merkliche Senkungen zeigen. Daher muss die Geschwindigkeit wie die Menge des Wassers, das durch die verfüllten Schlitze von der Kanalmündung her allmählich kanalaufwärts dringt, verschwindend klein sein gegenüber der Wassermenge, die von der Mosel und vom Rhein aus von oben her als Grundwasser austritt. Kellerüberschwemmungen können also auch nach Fertigstellung des Kanalnetzes in Folge des Grundwassers sich in keinem größeren Umfange einstellen als bisher, vorausgesetzt, dass die Kanäle dicht sind. Von den gemauerten Kanälen lässt sich das aber ohne weiteres voraussetzen und die Mützen der Rohrkanäle werden durch eine im Wasser nicht lösliche Masse, am besten Asphalt, zu dichten sein. Dahingehend sind die weiteren Befürchtungen nicht grundlos, wenn man die Anschlussleitungen nebst dem Zubehör in den Häusern in der Weise weiterbaut, wie es in den bisher angeschlossenen Häusern der Fall ist, wo keine Sicherungen gegen den Rückstau getroffen wurden. So ist in dem Wirtshaus zum Vater Rhein des Herrn Edmund Suter die Küche, der Schlachtraum und ein Spülabort nebst Pissoir für Gäste auf dem Hofe offen an den Hauptkanal angeschlossen, obwohl die Ausgüsse und die Closettöffnungen mindestens 1 bis 2 m bei höherem Hochwasser überflutet werden. Auch die Straßeneinlässe (Gullys) werden bei großem Hochwasser Kanalwasser austreten lassen. Dies letztere wird aber kaum zu Unzuträglichkeiten führen, weil die Strömung in den Straßen den Schmutz sofort abführt. Dagegen muss das Eintreten von Kanalwässern in Räume des Hauses und in [die] der Strömung nicht ausgesetzten Hofräume unbedingt verhütet werden, nachdem die Stadt den Anschluss von Aborten an die Canäle in Coblenz-Lützel und Neuendorf gestattet hat. Bevor die Stadt nicht ihren Kanalentwurf daraufhin umgearbeitet hat, […] werden die polizeilichen Zwangsregeln zur Erwirkung der Anschlüsse einzustellen sein. Dass durch den Austritt von Kanalwässern aus einer Schwemmkanalisation in bewohnte Räume, Küchen, Aborte und Keller eine besondere und erhebliche Gefahren für die Gesundheit der Bewohner entstehen, bedarf keines Beweises. Die Beschwerden der Antragsteller aus Neuendorf gegen das polizeiliche Vorgehen, welches jene Gefahr für die bereits angeschlossenen Häuser bei größeren Hochfluten im Gefolge haben muss, erscheinen durchaus berechtigt. [...]“341

 

Die ausführliche Stellungnahme, die auch an den Oberpräsidenten der Rheinprovinz und an das preußische Innenministerium ging, hatte Konsequenzen. Die Königliche Regierung wies die Polizeidirektion sofort an, die Zwangsmaßnahmen gegen die Anlieger in Neuendorf auszusetzen. Der Koblenzer Oberbürgermeister erhielt schließlich den Auftrag, mit Blick auf die Hausanschlüsse eine Überarbeitung des Kanalisationsentwurfs in die Wege zu leiten, um eine Abspülung der Fäkalien „ohne gesundheitliche Schädigung der angeschlossenen Häuser“ zu ermöglichen.342 Bis konkrete Maßnahmen folgten, sollten noch einige Jahre vergehen. Der Erste Weltkrieg machte vorerst eine Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen unmöglich. Und auch in den schwierigen Nachkriegsjahren stockten die Arbeiten immer wieder, weil es Lieferschwierigkeiten gab. Erst im Verlauf der 1920er-Jahre sollte das Werk vollendet werden. Allerdings blieben die Zustände am Rheinufer bedenklich, was sich auch in Beschwerden der Gäste der Badeanstalt am Neuendorfer Eck bemerkbar machte. Sie klagten über größere Mengen Abwasser aus einem Kanal am Rheinwerft, die das Wasser verschmutzten und das Baden unmöglich machten. In der städtischen Bauverwaltung führte man diesen Missstand auf den niedrigen Wasserstand der Mosel zurück. Bei Niedrigwasser konnte das Schmutzwasser nicht mehr wie sonst in die Mitte des Rheins getrieben wird. Die Stadt baute schließlich Abweiser aus Holz, um den Badebetrieb weiter zu ermöglichen.343

Mit Nachbesserungen war es in Lützel und Neuendorf allerdings nicht getan. Da die beiden Stadtteile besonders stark vom Hochwasser betroffen waren, entschied man sich in den 1920er-Jahren zum Bau eines Dammes. Das Werk wurde im Rahmen von Notstandsmaßnahmen ausgeführt, am Ende aber nur für den Stadtteil Lützel vollendet. Im Herbst 1927 war der Damm so weit gediehen, dass abgerechnet werden konnte. Demnach wurden rund 224.000 Mark für die Bauarbeiten ausgegeben.344 Zum Gesamtprojekt gehörte auch die Errichtung eines Abwasserpumpwerks. Deshalb wurde die Maschinenbau-Aktiengesellschaft Balcke in Frankenthal mit der Lieferung von zunächst zwei Vertikal-Kreiselpumpen beauftragt, was im April 1927 bestätigt wurde.345 Ende Mai nahm man dann die Einrichtung des Pumpwerks in Angriff. Eingebaut wurden insgesamt vier Kreiselpumpen. Die beiden größeren Anlagen hatten eine Leistung von jeweils 700 Litern in der Sekunde, während die beiden kleineren Pumpen eine Sekundenleistung von je 300 Litern möglich machten. Da die Pumpen elektrisch betrieben wurden, musste zusätzlich eine „Transformatorenanstalt“ eingerichtet werden. Dieses Projekt wurde von der „Allgemeinen Elektricitäts Gesellschaft“ (AEG) ausgeführt. Die Gesellschaft hatte damals noch ein Büro in Koblenz. Trotz der renommierten Partner verlief der Bau des Pumpwerks nicht reibungslos. Im März 1928 war es immer noch nicht abgenommen. Zu diesem Zeitpunkt stritten die Stadt und dass Unternehmen Balcke um die Mehrkosten, die im Zusammenhang mit widrigen Betriebsverhältnissen entstanden waren.346

 

Das Pumpwerk besteht noch heute. Es wird vom Eigenbetrieb Stadtentwässerung der Stadt Koblenz genutzt. Allerdings wurde die Technik komplett erneuert und auf einen modernen Automatikantrieb umgestellt. Das Pumpwerk in Lützel wird bei einem Wasserstand am Koblenzer Pegel von rund 6,30 Meter und höher in Betrieb genommen. Über diesem Wasserstand muss der Hauptsammler zwischen Eisenbahn- und Balduinbrücke abgesperrt werden, da sonst über Kanäle in Neuendorf eindringendes Hochwasser tief liegende Bereiche in Lützel überschwemmen würden. Das dann aus Richtung Metternich ankommende Schmutz- und Regenwasser hatte keinen Vorfluter mehr und muss in die Mosel übergepumpt werden.     

 

 

9.5 Arenberg

 

Die Abführung von Abwässern auf dem Lande war natürlich längst nicht so gut wie in den Städten geregelt. In Arenberg wurde das verschmutzte Wasser über nur zum Teil befestigte Straßenrinnen abgeleitet. Nicht nur unangenehme Gerüche belästigten die Anwohner. Sie mussten darüber hinaus Gefahren für ihre Gesundheit in Kauf nehmen. Die Situation änderte sich 1927. In jenem Jahr entschloss sich die Gemeinde zum Bau einer Kanalisation. Der Bau konnte jedoch nicht sofort beginnen, weil erst das Finanzierungsproblem gelöst werden musste.347

Wie die Akten zeigen, scheint die Kanalisation bereits 1929 in Betrieb gewesen zu sein. Die Gemeinde war nämlich zuvor mit Ehrenbreitstein aneinandergeraten. Die Nachbarstadt hatte von dem Ort verlangt, „[...] für den Ablauf der Klärwässer Arenberg eigens eine Röhranlage zu schaffen, um im Quellengebiet der Eselsbachquellen die Gefahr einer Verseuchung auszuschalten. [...]“348 Arenberg wollte die Forderungen natürlich nicht erfüllen. Ein Gutachten des Kreisarztes und des Kulturbauamtes vom 15. Juli 1927 hatte nämlich ergeben, dass wegen der Nachwirkung von Niederschlägen auf die gedüngten landwirtschaftlichen Grundstücke im Quellgebiet des Eselsbaches Verseuchungsgefahr bestand, die nach der damaligen Auffassung auch mit Klärwasserröhren nicht beseitigt werden konnte. Auf der anderen Seite waren die Einwände der Stadt Ehrenbreitstein verständlich, denn das Koblenzer Medizinaluntersuchungsamt kam im Juni 1929 zu der Erkenntnis, dass das Wasser in faulfähigem Zustand zutage trat, was in der Umgebung wegen des Gestanks deutlich zu spüren war.349 Aber dennoch: Die Behörden sahen bei normalen Witterungsverhältnissen kaum Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung, da die in den Mühlenbach geleiteten Abwässer durch diesen stark verdünnt wurden. Eine Gefährdung der Ehrenbreitsteiner Trinkwasserversorgung bestand nicht, denn die in der Nähe der Abwässer befindliche „Riddelsbornquelle“ war zu dieser Zeit nicht mehr an die zentrale Wasserversorgung für Ehrenbreitstein angeschlossen.350 Auch wenn die Behörden verschiedene Änderungen vorschlugen, sollten sich keine einschneidenden Verbesserungen der Kläranlage in diesem Bereich ergeben. Erst in den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts errichtete man im Bereich der Amtsbürgermeisterei Vallendar für die damalige Zeit moderne Kläranlagen, die bis in die jüngste Vergangenheit in Betrieb bleiben sollten. Bekanntlich war ja das kleine, bis 1993 betriebene Arenberger Klärwerk völlig überlastet. Die Aufgabe dieser Anlage wurde nach dem Bau des Rheindükers und der Hauptsammler von der großen und modernen Wallersheimer Kläranlage übernommen.

 

 

9.6 Weiterer Ausbau des Systems

 

Der Zusammenbruch des Deutschen Kaiserreichs als unmittelbare Folge des verlorenen Ersten Weltkrieges verschärfte die schon vor dem Waffengang vorhandenen Probleme erheblich. Dazu gehörte vor allem die Wohnungsnot. 1920 fehlten reichsweit insgesamt 1,5 Millionen Wohnungen. Trotz schwierigster Rahmenbedingungen handelten die Verantwortlichen: Staatliche Wohnungsbauprogramme wurden auf den Weg gebracht, um diesen Versorgungsengpass zu beheben. Zwischen 1919 und 1932 wurden stolze 81 Prozent aller neu errichteten Wohnungen durch die öffentliche Hand finanziert. Beim Blick auf die gesamten Bauinvestitionen lag der Anteil des Staates bei 50 Prozent. Und: Die gravierenden Eingriffe der öffentlichen Hand in den Wohnungsbau ermöglichten eine deutliche Verbesserung der Wohnqualität. Dem alten Aufruf „Mehr Licht, mehr Luft“ wurde zumindest bei den Neubauprogrammen fast überall Folge geleistet.351

 

Auch im französisch besetzten Koblenz wurden die Bauaktivitäten intensiviert. Genossenschaften wurden gegründet, Siedlergemeinschaften trugen dazu bei, dass die Wohnungsnot der Besatzungszeit überwunden wurde. Diesem erheblichen Ausbau gingen groß angelegte Erschließungsmaßnahmen voraus, die auf dem von Adolf André geschaffenen Entwässerungskonzept aufbauten. Die Erweiterung der Kanalisation folgte auch mithilfe von Arbeitslosen, die im Zuge eines Notstandsprogramms des Reichs eingesetzt werden konnten und den ausführenden Tiefbaufirmen zur Hand gehen sollten. Im Rahmen der Maßnahmen sollte auch die Kanalisation der Achse zwischen Moselweißer und Koblenzer Straße vervollständigt werden, die in jener Zeit nur bis zur Kreuzung zum Kemperhofweg kanalisiert war. Nun sollte die restliche Strecke bis nach Moselweiß angebunden werden. Im Oktober 1927 stellte die Stadt bei der Bezirksregierung einen Antrag auf Unterstützung des Bauvorhabens im Rahmen der Erwerbslosenfürsorge. Demnach sollten die Arbeiten bereits am 1. Dezember beginnen. Benötigt wurden 32 Erwerbslose, 78 Tage lang beschäftigt sein sollten. Die Gesamtkosten waren mit 66.400 Mark angesetzt. Der Antrag der Stadt wurde schließlich auch genehmigt. Allerdings lässt die entsprechende Akte darauf schließen, dass dieser Abschnitt der Kanalisation erst im Laufe des Jahres 1929 vollendet wurde.352

 

Den Bewohnern des Moselweißer Ortskerns war mit dieser Maßnahme übrigens immer noch nicht geholfen. Sie mussten weiter ohne Kanalisation auskommen. Folgende Zuschrift eines anonymen Lesers an den General-Anzeiger spricht Bände: „Mit Angst und Bangen denken viele Bewohner von Moselweiß an die Wintermonate. Sobald nämlich der Gefrierpunkt erreicht ist, darf kein Wasser in die Straßenrinnen laufen, Kanalisation fehlt im größten Teil der schönen Vorstadt. Wohin sollen nun aber die Bewohner z.B. nach einem Waschtag mit dem vielen Wasser, wenn der starke Frost noch einige Tage oder gar Wochen anhält? Um mit der Polizei nicht in Konflikt zu kommen, bleibt in den meisten Häusern nichts anderes übrig, als das Wasser in den Hof oder Garten, wo dies aber nicht möglich ist, in den Abort zu gießen. Auf diese Weise werden die Gruben schnell zum Ueberlaufen gebracht und es entstehen Gesundheitsschäden ganz davon abgesehen, den Hausbesitzern unnötige Kosten.“353 Trotz dieser Probleme mussten sich die Bewohner des Moselweißer Ortskerns noch einige Jahre gedulden. Erst im Zuge des weiteren Ausbaus des Erwerbslosenprogramms ab 1933 sollte das Problem angegangen werden. Schneller ging es mit der Kanalisierung des letzten Abschnitts der Laubach bis zur mittelrheinischen Brauerei, die an der Einmündung zur alten Kaltwasser-Heilanstalt gelegen war. Um die Erweiterung mithilfe von Arbeitslosen ausführen zu können, stellte die Stadt im November 1927 einen weiteren Antrag bei der Bezirksregierung und berief sich dabei auf eine äußerst dringliche Angelegenheit. Begründung: Niederschlagswasser, das Wasser von den anliegenden Häusern und das Wasser vom Karthäuserhof wurde damals noch durch Rinnen und zwei Durchlässe unkontrolliert in die Rheinlache geleitet, die damals noch nicht zugeschüttet war. Auch in diesem Fall bewilligte die Bezirksregierung ein Darlehen aus Mitteln der „produktiven Erwerbslosenfürsorge“. Und so konnten die Arbeiten in der Laubach bereits Anfang 1928 beginnen. Aus den Aufstellungen über die eingesetzten Erwerbslosen geht hervor, dass die Arbeiten im Juli 1928 weitgehend abgeschlossen waren. Die Verantwortung für die Ausführung hatte das Tiefbau-Unternehmen Krebs354 aus Koblenz übernommen. 355

 

Trotz der zahlreichen Nachbesserungen und Erweiterungen gab es noch Handlungsbedarf. So waren weite Teile des Rauentals Mitte der 1920er-Jahre immer noch nicht kanalisiert. Obwohl Rahmenpläne für die Entwicklung eines Gewerbe- und Industriegebietes längst auf dem Tisch lagen, scheute man die hohen Kosten für die Erschließung und schob die Kanalisierung im westlichen Stadterweiterungsgebiet auf die lange Bank – worüber übrigens der Oberbürgermeister alles andere als begeistert war, zumal sich die zuständigen Ämter offenbar nicht darüber einig waren, aus welchem Etat das Geld genommen werden sollte. Anfang Juli 1925 wandte sich Dr. Karl Russell mit folgenden Worten an das Tiefbauamt. „[…] Es ist bedauerlich, dass bei der Aufstellung des Rauentalprojektes die Kanalkosten nicht mit einkalkuliert wurden. Die Besiedlung eines Geländes mit Industrie ist m. E. undenkbar, wenn keine Kanäle gelegt werden. Wenn die Kosten nicht abzuwälzen sind, müssen sie eben von der Stelle getragen werden, die überhaupt die Kosten für das Projekt übernimmt. Auf alle Fälle muss sofort ein Kanal, wenigstens bis zu den ,Thyssen Lagern‘ gebaut werden. […]“356

 

Der Grund für die Verärgerung des Oberbürgermeisters war einleuchtend: Die Thyssen’sche Handelsgesellschaft in Köln hatte im Rauental einen Lagerplatz von der Stadt gepachtet. Vertragsbestandteil war die Anbindung ebendieses Platzes an die Kanalisation. Beim Tiefbauamt nahm man die Vorwürfe Russells nicht so einfach hin. Amtsleiter Hans Mohaupt stellte erst Mitte Juli (!) fest, dass bei den Planungen für das Industriegelände im Rauental sehr wohl auch an die Entwässerung des gesamten Geländes gedacht worden sei. Man habe sich jedoch damals gesagt, es sei zweckmäßiger, zunächst auf die Ausführung der Entwässerung mit Rücksicht auf die Kosten abzusehen, zumal man die künftige Entwicklung des Geländes nicht mit Sicherheit übersehen könne.357 Und so wurde die Forderung der Thyssens erst nach mehrmaligem Anmahnen seitens der Handelsgesellschaft erfüllt. Bis sich die Entsorgungssituation im Gewerbe- und Industriegebiet grundsätzlich verbesserte, sollte jedoch noch einige Zeit vergehen.

 

In den 1930er-Jahren sollten die Bauaktivitäten in Koblenz weiter zunehmen. Und das hatte nicht nur mit dem Ende der französischen Besatzungszeit und dem weiteren Erstarken des zivilen Wohnungsbaus zu tun. Mit der Remilitarisierung des Rheinlands wurden in Koblenz Gebäude der Wehrmacht errichtet. Um die einzelnen Maßnahmen in den Neubaugebieten besser steuern zu können, wurde am 1. Januar 1937 sogar ein Stadterweiterungsamt eingerichtet.358

 

Bei der Erweiterung der Kanalisation standen zunächst das Rauental und Moselweiß, vor allem aber die Entwässerung der neuen Kasernengebäude und die geplante Großsiedlung auf dem Gelände der geschleiften Feste Alexander auf der Karthause im Mittelpunkt. Für diese Siedlung war ursprünglich sogar der Bau einer eigenen Abwasser-Verwertungsanlage vorgesehen.359 Schon im folgenden Jahr erreichte der Bau von Entwässerungsanlagen einen neuen Höhepunkt. Im Stadtgebiet wurden neue Kanäle mit einer Gesamtlänge von 6400 Metern verlegt. Schwerpunkte waren die drei neuen Kasernen auf der rechten Rheinseite, die Pionierkaserne in Lützel, die Hoheminnenstraße im Rauental sowie einige Straßen auf dem Siedlungsgelände der früheren Feste Alexander. Dort waren unter der Trägerschaft der „Gehag“ eine Vielzahl von Häusern und Wohnungen gebaut worden. 66 „Stellen“ waren im Berichtszeitraum bezogen worden. Und schließlich waren auch 120 Arbeiterwohnstätten in der Beatusstraße und Gebäude in der Bogenstraße an das Koblenzer Kanalisationssystem angebunden worden.360

Bereits 1933 hatte man in der Stadtverwaltung Koblenz versucht, die schon aus der Weimarer Zeit bekannten, nach der „Machtergreifung“ Hitlers jedoch weiterentwickelten Programme zur Arbeitsbeschaffung für sich zu nutzen. Zu diesem Zweck hatte der Vorsteher des Tiefbauamtes, Baurat Hans Mohaupt, bereits Ende August die vordringlichsten Maßnahmen zusammengestellt und zur Genehmigung weitergereicht.361 Die Kanalisation der Achse Mayener Straße/Trierer Straße an der Grenze der Stadtteile Lützel und Metternich hatte für Hans Mohaupt oberste Priorität. Dort wurde das Abwasser aus den Häusern immer noch in Gruben gesammelt. Was nicht in den Gärten verwertet werden konnte, wurde durch Abfuhrunternehmer abgefahren, Das Regenwasser von den Dächern und aus den Höfen lief dagegen in die Straßengräben, wo es zusammen mit dem Straßenwasser versickern sollte. Eine Folge war, dass bei Regenwetter die Gräben übervoll waren und übel riechende Pfützen zurückblieben. Wesentlich schlimmer war die Tatsache, dass genau dieses Wasser in die Keller eindrang und schließlich die Häuser durchfeuchtete. Aus diesem Grund plante das Tiefbauamt einen Steinzeugrohrkanal. Mohaupt verwies zudem auf den General-Entwurf jener Zeit. Demnach war vorgesehen, den in der Gemeinde Metternich liegenden, ebenfalls schon stark ausgebauten Teil der Trierer Straße und der angrenzenden Johannisstaße ebenfalls anzuschließen.362

 

Aber auch in den bereits bestehenden Abschnitten der Kanalisation bestand Handlungsbedarf. Ein Beispiel war der vor allem bei starkem Gewitterregen überlastete Kanal in der Kurfürstenstraße. Dort konnten die ankommenden Wassermengen nicht schnell genug abfließen. Sie stauten sich und traten aus den Kelleranschlüssen in die Keller, wo sie Vorräte und Gebäudeteile verunreinigten und schädigten. Die Ursache war, dass immer noch Verbindungskanäle zum großen gemauerten Hauptkanal in der Mainzer Straße fehlten. Um Abhilfe zu schaffen, sollten die bereits im allgemeinen Entwurf vorgesehenen Verbindungskanäle in Verlängerung der St.-Josef-Straße, der Ludwigstraße und der Johannes-Müller-Straße ausgeführt werden. Darauf hatte man bislang verzichtet, weil das Gelände auf der Ostseite der Kurfürstenstraße in diesem Abschnitt überwiegend von Gärten geprägt wurde.363

Probleme gab es ebenso im Stadtteil Moselweiß, in dem einige Straßen immer noch nicht kanalisiert waren. Ein Beispiel war der bereits bebaute Kemperhofweg, in dem neue Häuser errichtet worden waren, bei denen Bäder zum Standard gehörten. Um dort geordnete Entwässerungsverhältnisse zu schaffen, plante das Tiefbauamt, den bestehenden Rohrkanal von der Koblenzer Straße aus durch den Kemperhofweg und den „anbaubereiten Teil der Querstraße“ (heute Layer Straße) zu verlängern.364 In der Koblenzer Straße selbst waren die Verhältnisse alles andere als optimal. Der Abschnitt im Moselweißer Ortskern war nämlich immer noch nicht kanalisiert. Hans Mohaupt wünschte, dass dieser Mangel schnellstmöglich behoben wurde, zumal man die dort noch bestehenden Jauchegruben von der Landwirtschaft kaum noch benötigte. Zu dieser Zeit hatte die Ausdehnung der Bebauung schon längst die Möglichkeiten der Landwirtschaft immer weiter eingeschränkt. Und die Anwohner benutzten nun die Straßenrinne zur Entsorgung ihrer Abwässer mit. Angesichts des schwachen Gefälles der Straße bildeten sich immer wieder übel riechende Wasserlachen. Das Tiefbauamt plante nun, den bisherigen gemauerten Kanal der Koblenzer Straße bis zum Bahnhofsweg zu verlängern. Auf diesem Weg wollte man auch das Abwasserproblem im Krankenhaus der Dominikanerinnen lösen.365

 

Auch im Moselweißer Bahnhofsweg fehlte noch die Kanalisation. Bei stärkeren Regenfällen strömte das Wasser, das zum Teil noch über die Eisenbahnbrücke von der sogenannten Hohl (in Richtung Karthause) kam, „in starken, breiten Fluten über die Straße bis in die Gülser Straße und weiter. Zum Teil strömte das verschmutzte Wasser auch in die Höfe und richtete dort Schäden an. Um das Oberflächenwasser bereits unterwegs abfangen zu können und um die Häuser inklusive des Klosters der Salesianerinnen anschließen zu können, beabsichtigte das Tiefbauamt, den Anschluss des gesamten Bereichs an den Kanal in der Koblenzer Straße.366

 

Der tief liegende Teil von Moselweiß ab Bahnhofsweg in Richtung Gülser Brücke wurde erst in den 1960er-Jahren kanalisiert. Für die Tiefzone musste erst eine Vorflut in der Moseluferstraße geschaffen werden. Dieser Kanal transportierte das dort anfallende Abwasser bis zum Deutschen Eck und von dort durch den Düker zum Klärwerk nach Wallersheim. Die Tiefzone ist im Trennsystem entwässert. In diesem Bereich mussten zwei Kanäle verlegt werden. Das Regenwasser wurde direkt der Mosel zugeführt. Der hochliegende Teil von Moselweiß ab Bahnhofsweg in Richtung Stadt war bereits im Mischsystem kanalisiert. Dort war nur ein Rohr verlegt worden, in dem Schmutz- und Regenwasser gemeinsam abgeleitet wurde. Der in diesem Bereich liegende Heiligenweg wurde l958 kanalisiert.

 

Schwere Regenfälle führten auch in Lützel und Neuendorf immer wieder zu Extremsituationen. So kam es in den Kanälen in der Andernacher Straße, in der Gartenstraße, in der Blumenstraße sowie in der Neuendorfer Straße immer wieder zu starken Rückstaus. Diese führten nicht selten dazu, dass Abwässer in Keller eintreten und somit Gebäude beschädigt werden konnten. Ein Grund für diese Staus war die Tatsache, dass der Sammelkanal in der Neuendorfer Straße nicht richtig dimensioniert war und die Wassermengen nur unvollständig erfasst wurden. Bei der Planung der Anlage konnte man nicht ahnen, dass die aus Glacis und Wällen bestehenden Militärgrundstücke so schnell mit vielen „bedachten Gebäuden, befestigten Höfen und eingeebneten Flächen“ bebaut werden sollten, was schließlich zu einem erheblich höheren Wasserzustrom führte. Das Tiefbauamt wollte das Problem schließlich mit einem Entlastungskanal durch die Blumenstraße zur Mosel lösen.367

 

Letztlich zeigte selbst das Herzstück des André’schen Systems gravierende Mängel: An der Mündung des Hauptkanals am Deutschen Eck kamen bekanntlich sämtliche Abwässer des Stadtbezirkes südlich der Mosel zusammen, um von dort in den Rhein geleitet zu werden. Dieser Auslass war derart angelegt, dass das Schmutzwasser bei niedrigeren Rheinwasserständen durch ein von der Kanalsohle abgehendes Eisenrohr bis zur Rheinsohle herabgeführt wurde und dort in einem Abstand von rund zwölf Metern von der Ufermauer ausmündete. Bei extremen Regenfällen wurde dieses System jedoch durchbrochen. Dann strömte nämlich das stark verdünnte Abwasser durch den Regenauslass direkt in den Rhein, ohne den Umweg über die Röhre zu nehmen. Die Folge: Der Unrat trieb direkt in der Nähe der Ufermauer und damit dicht an einer Dampferanlegestelle. „[…] Dieser Zustand tritt je nach dem Rheinwasserstande auch öfters und manchmal wochenlang im Sommer auf und bildet durch Geruch und Anblick in der bevorzugten Nähe des Kaiser-Wilhelm-Denkmals einen argen Mißstand […]“, betonte Hans Mohaupt mit Hinweis darauf, dass die Rheinstrombauverwaltung schon seit längerer Zeit entsprechende Änderungen forderte.368 Die Missstände sollten schließlich durch den Einbau einer verstellbaren eisernen Stauklappe in den Auslass behoben werden. Diese Klappe sollte den Wasserspiegel im Kanal so hoch halten, dass der Rheinwasserspiegel stets übertroffen wurde. Auf diese Weise sollte das Schmutzwasser infolge des wiederhergestellten Druckgefälles in die Eisenrohrleitung „gezwungen“ werden. Mit der Maßnahme wollte man garantieren, dass das Schmutzwasser stets die Flusssohle erreichte und mit der optimalen Fließgeschwindigkeit abtransportiert wurde.369

 

Auch wenn abgesehen von den Kostenvoranschlägen die Unterlagen über die Ausführung im Stadtarchiv fehlen, ist davon auszugehen, dass die „Wunschliste“ von Hans Mohaupt wirklich abgearbeitet wurde. Denn auch in den kleineren Gemeinden häuften sich zu dieser Zeit die Aktivitäten im Kanalbau. So wurde in Horchheim, das erst 1937 nach Koblenz eingemeindet werden sollte, der zweite Abschnitt der Kanalisation begonnen, wobei man sich eng mit der Bahnmeisterei Oberlahnstein und der Reichsbahndirektion in Mainz auseinandersetzen musste.370 Dennoch dürften viele Probleme nur provisorisch gelöst worden sein, weil der Zweite Weltkrieg der Umsetzung des von Hans Mohaupt angeführten Generalplans im Wege stand. Einschneidende Veränderungen folgten erst seit den späten 1970er-Jahren. Nicht vergessen sollte man auch, dass die Überlastung der Kanalisation in der Trierer Straße erst seit 2006 der Vergangenheit angehören. Im Rahmen eines Großprojektes wurde die Kanalisation im gesamten oberen Teil der Straße komplett erneuert.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

10. Anfänge des Gewässerschutzes

 

S

eit dem ausgehenden 19. Jahrhundert wurden die Segnungen der technischen Revolution zunehmend kritisch beobachtet. Zu gravierend waren die Folgen für Gesellschaft und Umwelt. Um 1900 entwickelten sich nicht nur in Kunst und Literatur verschiedene Strömungen, die sich mit der damaligen Gegenwart kritisch auseinandersetzten und Utopien einer lebenswerten Zukunft für jedermann entwickelten. Damit einher ging die Neuentdeckung der Natur. Auch die Entstehung des „Wandervogels“371 ist in diesem Zusammenhang zu sehen – ebenso wie das Erstarken einer „Lebensreformbewegung“ seit den 1890er-Jahren.372 Letztere hob sich ganz bewusst von den tatsächlich herrschenden Verhältnissen ab und hinterließ in Gesundheitswesen, Stadtplanung und Architektur deutliche Spuren.373 Diese Strömungen des beginnenden 20. Jahrhunderts – die quasi die „Urahnen“ der ökologischen Bewegung der 1970er- und 1980er-Jahre sind – werden seit einiger Zeit in der historischen, kunsthistorischen und soziologischen Forschung intensiv beobachtet, wie zum Beispiel das monumentale zweibändige Werk „Die Lebensreform“ 374 und die erst kürzlich veröffentlichte Dissertation von Florentine Fritzen zeigen.375

 

Auch wenn bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein die Ableitung des Abwassers in die Flüsse die Regel war, wurden mit der Zunahme der Industrialisierung und dem Wachstum der Städte vor dem Hintergrund der neuen medizinischen Erkenntnisse Fragen des Gewässerschutzes immer wichtiger. Jürgen Büschenfeld spricht von der Entstehung eines Geflechts politisch-administrativer Handlungsfelder, „in deren Rahmen sich der Ressourcenschutz als Aufgabe der öffentlichen Hände formieren konnte“.376 Und so setzte sich auch in den Ministerien und den oberen Genehmigungsbehörden die Erkenntnis durch, dass dem Gewässerschutz künftig eine große Bedeutung zukommen würde. Die Impulse waren nicht nur einzelnen Persönlichkeiten wie Rudolf Virchow zu verdanken. Entscheidend wurden vielmehr die Einflüsse neuer Vereine, Gesellschaften und Verbände, die sich den großen Bereich der Hygiene auf die Fahnen geschrieben hatten. Ein Beispiel ist die Sektion für öffentliche Gesundheitspflege, die sich 1867 innerhalb der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte formierte. Noch bekannter wurde der 1869 gegründete „Verein für öffentliche Gesundheitspflege“, der seinen großen Einfluss an den „Deutschen Verein für öffentliche Gesundheitspflege“ (DVföG) verlor, der sich 1873 formierte und sich schnell auf regionaler und örtlicher Ebene etablierte. Nicht unterschätzt werden sollte auch die Rolle der neuen Fachzeitschriften, so etwa die „Deutsche Vierteljahresschrift für öffentliche Gesundheitspflege“377 (DVÖG), die 1869 erstmals bei Carl Reclam erschien.378 Darin wurde auch die Frage aufgeworfen, inwieweit sich die Schädigung der Umwelt auf die Gesundheit des Menschen auswirkt. Mit dieser Frage einher ging die Forderung nach der Aufstellung von Grenzwerten. Ärzte, Ingenieure, Techniker und Verwaltungsbeamte wurden – wie es Joachim Büschenfeld formuliert – aufgefordert, „die gesundheitsrelevanten Negativfolgen industriegesellschaftlicher Modernisierung aufzufangen und auf ein Mindestmaß zu beschränken.“379

 

Es war auch der DVföG, der beim Kaiserlichen Gesundheitsamt in Berlin systematische Flussuntersuchungen anmahnte, um den zulässigen Grad der Verunreinigung zu ermitteln. Aber auch in der preußischen Regierung war man nicht untätig. Im Gegenteil: Die eigene Wissenschaftliche Deputation für das Medizinalwesen empfahl vor dem Hintergrund der Kölner Pläne, Kanalisationsprojekte und die Abwassereinleitung nur dann zu genehmigen, wenn Reinigungsanlagen gebaut wurden. Ergebnis war die „ministerielle Circularverfügung“ vom 1. September 1877380, die zunächst auch konsequent angewandt wurde. So lehnte man in Berlin die Kanalisationsprojekte in Frankfurt, Köln und Stettin wegen fehlender Abwasserreinigungsanlagen ab.381

 

Ausgerechnet Mitglieder des DVföG sprachen sich nun gegen diesen strengen Kurs der preußischen Regierung aus. Das wurde bei der Jahresversammlung des Vereins von 1877 deutlich, bei der die Verunreinigung von Flüssen das Hauptthema war. Zu den prominenten Rednern gehörte der Karlsruher Professor und Bauingenieur Reinhard Baumeister382, der zwar als einer der Begründer der Wissenschaft vom Städtebau gilt383, Flüsse und Seen aber dennoch als die natürlichen Wege zur Beseitigung allen Unrats bezeichnete und quasi ein Gewohnheitsrecht zur Verschmutzung von Gewässern konstruierte. Baumeister hielt eine Abkehr von diesem Prinzip für generell unmöglich und argumentierte, dass die gesamte Lebensweise der Menschen auf den Kopf gestellt würde.384 In seinem Standardwerk über städtisches Straßenwesen und Städtereinigung von 1890 ruderte der Ingenieur jedoch ein Stück zurück, denn es hieß: „Die Benutzung von Gewässern zum Wegschaffen von Schmutzwasser und Unrath ist ein ebenso alter Brauch wie diejenige zum Waschen, Baden, Fischen und Trinken usw. Keines der beiden ,Naturrechte‘ darf plötzlich vollständig aufgehoben werden. Die Flüsse in blosse Abzugskanäle zu verwandeln, erscheint ebenso statthaft wie ihre absolute Reinheit zu fordern. […] In jenem Gegensatz der Interessen kommt es auf Vermittelung an.“385 Dennoch sind die Aussagen Baumeisters ein Spiegel dafür, dass es im DVföG vor allem um die hygienischen Probleme in den Städten ging. Dass die abgeleiteten Abwässer andernorts Schaden anrichten könnten, wurde einfach ausgeblendet, ein nachhaltiger Gewässerschutz stand lange Zeit nicht zur Debatte. Es blieb beim Bekenntnis zur Schwemmkanalisation und der Einleitung von Abwässern in die Flüsse.386 Allerdings gab es in den Reihen des DVföG durchaus Mitglieder, die an der Richtigkeit dieser Festlegungen zweifelten. Sie schlossen sich deshalb dem „Internationalen Verein gegen Verunreinigung der Flüsse, des Bodens und der Luft“ von 1877 an, der seiner Zeit weit voraus war und heute als einer der Wegbereiter der Heimatschutzbewegung gilt.387

 

Auch in der Praxis sollte sich zeigen, dass der fortschrittliche Ansatz in Preußen seiner Zeit vorauseilte und sich wohl genau deshalb nicht dauerhaft realisieren ließ. Zu groß war der finanzielle Druck in vielen Kommunen, die von der Stadterweiterung und Verwaltungsreform, vor allem aber von dem Aufbau einer funktionierenden „Gesundheitsinfrastruktur“ an die Grenzen ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit gebracht wurden. Finanziert wurde üblicherweise über Schulden, über die die preußischen Aufsichtsbehörden großzügig hinwegsahen. Der Staat hatte natürlich kein Interesse, Geld in die Kommunen zu pumpen, die bei der Finanzierung ihrer gewaltigen Herausforderungen meistens auf sich selbst gestellt waren. An der Finanzmisere änderte auch das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gewachsene Recht der Gemeinden nichts, eigene Steuern und Aufschläge zu den staatlichen Steuern zu erheben. Im Gegenteil: Die ursprünglich für notwendige Investitionen gedachten örtlichen Zuschläge zur Einkommenssteuer, die in den deutschen Staaten zunächst noch über die Kommunen eingefordert wurden, mussten zunehmend zur Deckung der kommunalen Haushalte verwendet werden, weil die klassischen kommunalen Steuereinnahmen wie Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuern bei Weitem nicht ausreichten. Die Folge: Die Kommunen rutschten in die Schuldenfalle, weil sie zur Aufnahme langfristiger Kommunalanleihen gezwungen wurden. Daran änderten grundsätzlich die vom preußischen Finanzminister und früheren Frankfurter Oberbürgermeister Johannes Miquel konzipierte Steuerreform und das neue einheitliche Kommunalabgabengesetz vom 14. Juli 1893 wenig, wenngleich jetzt erstmals die Zuständigkeiten zwischen Gemeinden und Staat vernünftig geklärt waren.388 Mit dem Verlust der steuerrechtlichen Autonomie der Kommunen in den Jahren nach 1914 wurde der finanzielle Handlungsspielraum von Städten und Gemeinden weiter eingeschränkt. An die Stelle der Umlage- und Zuschlagsverfahren trat jetzt ein für das gesamte Deutsche Reich einheitliches Überweisungssystem, das in erster Linie die Bundesstaaten stärkte.389

 

Ein anderer Grund für das Scheitern der ersten „Umweltinitiativen“ dürfte auch der gravierende gesellschaftliche Wandel sein, der sich im von nationalen, patriotischen und imperialistischen Stimmungen geprägten Deutschen Reich vollzog: Vielerorts gewannen Großindustrielle und exportorientierte Kaufleute an Einfluss. Dazu kamen Firmenzusammenschlüsse in großen Aktiengesellschaften, die ihrerseits wiederum eine Allianz mit den Banken eingingen.390 In einer zuvor nicht gekannten gewaltigen Dimension ging es mehr denn je um Geld und dessen Vermehrung. In diesem frühen System des „Shareholder-Value“ war für vorausschauenden Gewässerschutz einfach kein Platz. Und so geriet Preußen, das in vielen Gesetzesinitiativen Vorreiter gewesen war, ins Hintertreffen. So brachte Braunschweig bereits 1876 ein eigenes Wassergesetz auf den Weg, Hessen folgte 1887. Auch Württemberg (1900), Bayern (1907) und Sachsen (1909) waren schneller. In Preußen selbst fasste die preußische Regierung die in der bereits vorhandenen Gesetzgebung enthaltenen Bestimmungen in einem Runderlass zur Fürsorge für die Reinhaltung der Gewässer vom 20. Februar 1901 zusammen. Ergänzt wurde der Erlass durch „Grundsätze für die Einleitung von Abwässern in Vorfluter“. Von einem restriktiven Eingreifen des Staates konnte jedoch keine Rede sein, weil die Regelung der Details einfach den Polizeibehörden überlassen wurde.391 Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die Wissenschaftliche Deputation für das Medizinalwesen bereits im Herbst 1888 zurückruderte. Aber man übernahm nicht so einfach die Grenzwertforderungen des „Deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege“. Der Grund: Robert Koch, der bei der Sitzung der Deputation am 24. Oktober 1888 referierte, warnte davor, dass die Infektionsgefahr durch Keime mit zunehmender Verdünnung des Abwassers zwar abnehme, aber nie ganz beseitigt werden könne. Dennoch forderte der einflussreiche Mediziner die Einrichtung einer staatlichen Kommission nach englischem Vorbild die Grenzwerte für toxische und fäulnisfähige Stoffe sowie für Industrieabwässer festlegen sollte. Zum Vergleich: In England hatte man bereits 1870 damit begonnen, Zahlenwerte für organische und anorganische Abwasserstoffe zu ermitteln.392

 

Das Ergebnis der Entwicklungen vom Herbst 1888 ist das Aufweichen der bis dahin strengen Rechtspraxis. Die preußische Regierung ging jetzt dazu über, von Fall zu Fall Ausnahmen zuzulassen, die schnell die Regel wurden. Die liberalere Haltung der zuständigen Ministerien hatte aber wenigstens einen Vorteil: Immer mehr Städte gingen in den 1890er-Jahren dazu über, ihre antiquierten Entwässerungsanlagen durch zeitgemäße Kanalisationssysteme zu ersetzen. So auch in Koblenz: Wo gleichzeitig Entfestigung, Stadterweiterung sowie die Neuordnung von Ver- und Entsorgung geregelt werden mussten, lag es auf der Hand, zu sparen, wo es nur ging. Obwohl als Verwaltungszentrum und Residenz alles andere als unbedeutend, war es für die Stadt kaum möglich, die finanziellen Belastungen zu tragen, zumal großzügige Zuschüsse des Staates damals weitgehend unbekannt waren. Dass man am ehesten bereit war, am Gewässerschutz zu sparen, verwundert vor diesem Hintergrund wenig. Dennoch brachte die mit Auflagen verbundene Genehmigung für die Provinzhauptstadt, Abwässer ohne Klärung oder Anlage von Rieselfeldern in den Rhein zu leiten, auch Verpflichtungen mit sich. Am Koblenzer Beispiel zeigt sich ein großer Einfluss der Auffassung Robert Kochs auf die Genehmigungspraxis: Eine wichtige Rolle spielten fortan die bakteriologischen, chemischen und physikalischen Untersuchungen des Rheinwassers, die der Koblenzer Regierungs- und Medizinalrat Dr. Hermann Salomon zusammen mit dem Bakteriologen des Sanitätsamtes vom 8. Armeekorps, Oberstabsarzt Dr. Hühnermann, 1899 begann.393 Die beiden Mediziner wollten herausfinden, wie groß die Selbstreinigungskraft des Rheins war.394

 

Mit ihren Bemühungen standen Salomon und Hühnermann natürlich nicht allein. Die Untersuchungen stehen in einer Tradition, die ihre Wurzeln in der Mitte des     19. Jahrhunderts hat. In dieser Zeit formierte sich die Wissenschaft der wasserhygienischen Zoologie, die mithilfe der neuen technischen Möglichkeiten in der Mikroskopie sehr wohl den Einfluss lebender Organismen auf die Selbstreinigung des Wassers erkannte. Freilich hatte es die junge Wissenschaft noch schwer, sich durchzusetzen. Hintergrund: Selbst Persönlichkeiten wie Justus Liebig stritten bis zu ihrem Lebensende ab, dass Kleinstlebewesen an den Abbauvorgängen beteiligt sein könnten. Einigkeit zwischen Biologen und Chemikern bestand allerdings darin, dass die Selbstreinigung durch die Oxidation verschmutzender Verbindungen herbeigeführt wurde.395 

 

Der aktuelle Anlass für die Untersuchungen der Wasserqualität im Großraum Koblenz war die Einleitung der Kanalwässer der Stadt Mannheim in den Rhein und ein entsprechendes Vorhaben in Mainz. Worms protestierte gegen die Mannheimer Pläne. Schließlich veranlasste das zuständige hessische Ministerium in Wiesbaden die Untersuchung des Rheinwassers auf einer Strecke von Mannheim bis Mainz und Biebrich, die 1898 erfolgte.396

 

Der Widerstand von Worms ist kein Einzelfall. In dieser Zeit gab es eine Reihe preußischer Rheinstädte, die sich gegen die Ableitung von Wasser in den Rhein wehrten – allen voran die Verwaltungsspitze des heutigen Wiesbadener Stadtteils Schierstein. Der Wiesbadener Regierungspräsident unterstützte die Beschwerdeführer – sehr wohl wissend, dass der Bau von Klärvorrichtungen vor allem für die preußischen Gemeinden am Rhein hohe finanzielle Belastungen bringen würde. Auch der Oberpräsident der Rheinprovinz, Dr. Berthold von Nasse, erinnerte an die mögliche ungünstige Wirkung der Einleitung von Abwässern auf den Gesundheitszustand der Anwohner. Er verwies besonders auf die Orte am Rhein, die ihr Trinkwasser aus Brunnen in der Nähe des Ufers entnahmen und gerade deshalb besonders durch das immer wieder auftretende Hochwasser gefährdet waren. Der Oberpräsident sprach offen Maßnahmen zur Verhütung einer Verunreinigung des Rheins an und regte eine Zusammenarbeit der Behörden über die Landesgrenzen hinaus an.397

 

Umfassende Untersuchungen zur Wasserqualität setzte schließlich die hessische Regierung durch: Reichskanzler Chlodwig Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst beauftragte das Reichsgesundheitsamt mit einem Gutachten über die geplante Einleitung der Abwässer der Stadt Mainz in den Rhein. Der preußische Minister für geistliche, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten stellte darüber hinaus dem Koblenzer Regierungspräsidenten die Mittel zur Verfügung, um das Rheinwasser im Abschnitt von Bingerbrück bis Remagen untersuchen zu lassen. Die oben bereits genannten Untersuchungen nahmen Salomon und Hühnermann zwischen August und November 1899 vor. Das Ergebnis gab keinen Anlass zur Sorge. Ganz im Gegenteil: Hermann Salomon legte recht günstige Ergebnisse vor und bescheinigte dem Rhein in diesem Abschnitt eine hohe Selbstreinigungskraft und meldete ein „im Ganzen sehr günstiges Ergebnis“.398 Sein Urteil über die Selbstreinigungskraft des Rheins veröffentlichte er auch in einer Fachzeitschrift.399

In Berlin wollte man trotz der guten Ergebnisse noch weitere Meinungen hören. Schließlich erstellte die preußische Versuchs- und Prüfanstalt für Wasserversorgung und Abwässerbeseitigung in Berlin ein weiteres Gutachten, das schließlich das Urteil Hermann Salomons bestätigte und die Seuchengefahr als eher gering einstufte. Trotz des günstigen Ausgangs wurde entschieden, die Untersuchungen periodisch zu wiederholen. Das Einwirken der Abwässer auf das Rheinwasser sollte weiterhin genau beobachtet werden.400 Die Vorsicht der Behörden hatte gute Gründe: Im preußischen Abgeordnetenhaus war die Diskussion über die Selbstreinigungskraft der Flüsse voll entbrannt. So hatte der Abgeordnete von Mendel-Steinfeld, der für die konservativen Mitglieder sprach, bereits in der Sitzung vom 17. Mai 1898 die Theorie von der Selbstreinigungskraft als Ausrede gebrandmarkt. Aktueller Anlass war die Haltung der Stadt Leipzig, die den Bau von Klärvorrichtungen unter Hinweis auf ebendiese Selbstreinigungskraft umgehen wollte.401

 

Am Mittelrhein hinterließ die Arbeit Salomons und Hühnermanns bleibende Eindrücke. Im Sommer 1904 konnte Hermann Salomon schließlich eine Einrichtung für bakteriologische Untersuchungen bei der Bezirksregierung Koblenz aufbauen, nachdem sich ein für diesen Zweck vorgesehenes Labor im Bürgerhospital als zu klein erwiesen hatte. Dies geschah vor allem vor dem Hintergrund der erforderlichen Seuchenbekämpfung – besonders die Typhusgefahr war nach wie vor groß. Die Zahl der Erkrankungen für den Regierungsbezirk Koblenz wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf jährlich 495 Fälle geschätzt. Nicht selten war auch das Militär betroffen. So erkrankten im Jahr 1902 Manövertruppen an der gefährlichen Infektionskrankheit.402

 

Hermann Salomons neue Einrichtung war übrigens nicht die einzige ihrer Art in der Stadt. Beim 8. Armeekorps bestand schon um die Jahrhundertwende eine weitere Untersuchungsstelle, die allerdings nur rein militärische Aufgaben wahrnahm. Im zivilen Bereich wurden Neustrukturierungen erforderlich, als infolge des neuen „Gesetzes betreffend die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten“ vom 28. August 1905 eine erhebliche Zunahme von bakteriologischen Untersuchungen einsetzte. Hermann Salomons Labor wurde in eine Medizinaluntersuchungsanstalt umgewandelt. An der Spitze stand der Kreisarzt.403

 

Das Vertrauen auf die Selbstreinigungskraft der Flüsse und die Konzentration auf die Wasseranalyse sollte noch viele Jahre die Entscheidungen der handelnden Personen beeinflussen. Freilich waren diese alles andere als frei. Mussten sie doch auch auf die Bedürfnisse der aufstrebenden Industrie im Deutschen Reich Rücksicht nehmen. Dazu kam, dass dieser Wirtschaftszweig intensive Lobbyarbeit betrieb. Doch damit nicht genug: Die Industrie warb auch renommierte Wissenschaftler an, die in ihrem Sinne gutachterlich tätig sein sollten. Das hat Jürgen Büschenfeld eindrucksvoll in seinem Standardwerk „Flüsse und Kloaken“ herausgearbeitet. Als typisches Beispiel nennt er den „Gewässerschützer“ Curt Weigelt, der die Ursachen des Fischsterbens treffend erforscht hatte, seine eigenen Erkenntnisse aber relativierte, nachdem er als Sachverständiger zum 1877 gegründeten „Vereins zur Wahrnehmung der Interessen der chemischen Industrie Deutschlands“ (Chemieverein) gewechselt war.

 

Der Chemieverein scheute auch nicht davor zurück, direkten Einfluss auf staatliche Institutionen zu nehmen –die Parallelen zur Gegenwart liegen dabei einmal mehr auf der Hand. Ganz selbstverständlich trat er in den Verein für Wasserversorgung und Abwässerbeseitigung ein. Diese Organisation war 1902 gegründet worden, um die ein Jahr zuvor eingerichtete „Königliche Versuchs- und Prüfanstalt für Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung“ zu unterstützen. Der Chemieverein war dabei nicht das einzige Beispiel. Auch andere Interessenverbände aus abwasserintensiven Industriezweigen traten in den Förderverein ein. Da ihre erheblichen Beiträge letztendlich zur Finanzierung der neuen Prüfanstalt beitrugen, war die Gefahr groß, dass die Einrichtung alles andere als unabhängig agierte.404

 

Doch es sollte anders kommen: Zwischen der Prüfanstalt und dem Chemieverein um Carl Duisberg eskalierte ein Konflikt. Duisberg ging sogar so weit, die Einrichtung als Organ der Polizeibehörde zu bezeichnen. Natürlich ließen die Industriellen ihre Muskeln spielen und drohten mit der Schließung ihrer Anlagen an Rhein und Wupper. Kein Wunder: Auf die Wirtschaft kamen erhebliche Investitionen oder zumindest Abgaben zu. Inzwischen hatte sich die Qualität der Gewässer derart verschlechtert, dass man 1912 versuchte, ein Reichsgesetz zur Regelung der Abwasserfrage auf den Weg zu bringen. Es galt, gewisse Standards zu schaffen, da die bislang wegen der uneinheitlichen Rechtslage unterschiedliche Handhabung des „Umweltschutzes“ in den einzelnen Bundesstaaten als Instrument der „Wirtschaftsförderung“ missbraucht werden konnte. Auch in Preußen war man einer Vereinheitlichung gegenüber aufgeschlossen. Bei der preußischen Regierung war offen davon die Rede, die Gesetzesinitiative zu unterstützen. Und wieder polemisierte der Chemieverein, der die „Abwässerfreiheit“ quasi als gewachsenes Recht für sich reklamierte.405

 

Die Lobby der Industrie, die sich nicht nur im Chemieverein, sondern auch in Organisationen wie dem „Centralverband Deutscher Industrieller“ (CDI) organisiert hatte, war in Aufbau und Pflege von „Verhinderungsstrategien“ erfahren. Bereits 1904 hatte sie erfolgreich abgewehrt, dass in Preußen ein modernes Wasserrecht eingeführt werden konnte, das die bislang geltenden 80 Rechtsnormen hätte ersetzen und damit Vorbild für das gesamte Deutsche Reich werden können. Dazu kam, dass in den Bundesstaaten verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine einheitliche Regelung des Wasserrechts laut wurden.406 In der Tat gab es reichlich Interpretationsspielräume: Grundsätzlich waren die Kompetenzen des Reiches auf die Außenpolitik und die Wahrung der Wirtschafts- und Rechtseinheit beschränkt.407 Alles andere war Sache der Bundesstaaten, die für sich beanspruchten, auch Baurecht und Gewässerschutz zu regeln. Dieser Mangel wurde schon von den Zeitgenossen erkannt und kritisiert, wie auch ein Artikel von Dr. S. Tschierschky in der „Zeitschrift für die gesamte Wasserwirtschaft“ zeigt. In diesem Beitrag, der dann erschien, als die preußischen Gesetzentwürfe die ersten Hürden genommen hatten, heißt es: „Für eine zweckmäßige Regelung der Abwässerfrage als dem schwierigsten und einschneidendsten Kapitel der kommunalen und industriellen Wasserwirtschaft gibt es gar keine andere Lösung als völlige Übereinstimmung der bundesstaatlichen Gesetzgebung, sollen anders nicht beträchtliche Ungerechtigkeiten, sondern vor allen Dingen technische Möglichkeiten geschaffen werden.“408

Als das Preußische Wassergesetz am 7. April 1913 endlich Wirklichkeit wurde und am 1. Mai 1913 offiziell in Kraft trat, änderte sich in der Praxis wenig, weil den Genehmigungsbehörden weiterhin ein zu großer Handlungsspielraum eingeräumt wurde. Das zeigt sich auch am Koblenzer Beispiel: Obwohl die Stadt gerade in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts deutlich gewachsen war, sah man immer noch keinen Anlass, den Bau einer Kläranlage in die Wege zu leiten. Man begnügte sich mit der Einhaltung von Mindestvorschriften. Dazu gehörte auch die Einführung sogenannter „Wasserbücher“ auf regionaler Ebene. Auf Landesebene war bereits am 7. April 1913 ein preußisches Wasserbuch eingeführt worden. Die ergänzenden Bücher mussten von den Kommunalverwaltungen geführt werden, wenn sie die Nutzungsrechte für Gewässer nicht verlieren wollten. Die Fristen für die Eintragung waren allerdings sehr großzügig bemessen und räumten den Gemeinden einen Zeitraum von zehn Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes ein. Paragraf 380 dieses neuen Wasserrechtes kannte Gewässer erster, zweiter und dritter Ordnung. Im Falle von Koblenz und Umgebung hieß das: Rhein und Mosel waren Gewässer erster Ordnung, die Nette bei Weißenthurm ein Gewässer zweiter Ordnung, und die Bäche im Stadtwald galten schließlich als Gewässer dritter Ordnung.409 Ferner war das städtische Tiefbauamt war verpflichtet, eine Auflistung aller Stellen zu liefern, an denen Abwasser in Mosel oder Rhein eingeleitet wurden. Dies waren:

 

* der Hauptauslass am Kaiser-Wilhelm-Denkmal;

* der Sturmauslass in den Kaiserin-Augusta-Anlagen in der Verlängerung Julius-Wegeler-Straße und Roonstraße;

* die Abschlussleitungen in den Rhein am Schwanenteich im Süden der Stadt und in  den Kaiserin-Augusta-Anlagen.

 

Darüber hinaus waren vom Oberpräsidium genehmigt:

 

* Verlegung einer Rohrleitung in den Rhein auf dem Rheinwerft (am heutigen Konrad-Adenauer-Ufer);

* Verlegung einer Rohrleitung auf dem linken Rheinufer;

* Verlegung des Abschlussrohres des Entwässerungskanals auf Oberwerth in den Rhein;

*  Verlegung eines Entwässerungskanals durch den Bahnkörper auf Oberwerth Nord;

* Auslass am linken Moselufer in Lützel;

* Verlegung eines Auslassrohres der Kanalisation in Lützel an der Grenze nach Wallersheim in den Rhein (vgl. 9.3);

* Notauslassrohr am rechten Moselufer in der Verlängerung der Kornpfortstraße;

* Entwässerungsanlage der Moselweißer Schule.410

 

Obwohl Hersteller von Kläranlagen wie die Allgemeine Städtereinigungsgesellschaft die Entscheidungsträger spätestens seit 1904 immer wieder eingeladen hatten, Referenzobjekte zu besichtigen411, hatte man in Koblenz noch keinen Sinn für Klärvorrichtungen entwickelt. Das lag allerdings nicht nur an der Ausnahmegenehmigung und den anderen rechtlichen Hintergründen, sondern auch an den Umständen der Zeit. In den Kriegsjahren 1917 und 1918 dachte auch in Koblenz niemand an den Gewässerschutz, zumal die ersten Bomben auf das Stadtgebiet gefallen waren. Das änderte jedoch nichts daran, dass es auf Reichsebene immer noch kein geeignetes Instrumentarium gab, um entsprechenden Druck auszuüben. Ein Reichswassergesetz scheiterte am Widerstand der Länder, das Reichsgesundheitsamt beschränkte sich weiterhin auf seine beratende Funktion als wissenschaftliche Fachbehörde. Dass die Situation insgesamt sehr unbefriedigend war, zeigt auch die Tatsache, dass es im Deutschen Reich noch 1937 elf verschiedene Landeswassergesetze gab.412

 

In Preußen gaben die neuen gesetzlichen Grundlagen den zuständigen Ministerien immerhin das Recht, in größere Entsorgungsprojekte einzugreifen und im Genehmigungsverfahren ein wichtiges Wort mitzureden. In der Praxis wurde dieser neue Grundsatz allerdings gerne unterlaufen, wie auch ein Rundschreiben des Koblenzer Regierungspräsidenten Dr. Paul Brandt vom Mai 1927 zeigt, in dem es heißt: „[...] Nach den Anordnungen des Innenministeriums und des Ministeriums für Landwirtschaft, Domänen und Forsten kommt für die Projekte der Kanalisationsanlagen eine landespolizeiliche Genehmigung nicht mehr in Frage. Die Projekte sind entweder nach § 2 des Wassergesetzes der Wasserpolizeibehörde oder zur Verleihung des Rechtes auf Einleitung der Abwässer in einen Wasserlauf nach § 46 a. a. O. vorzulegen. Im Regierungsbezirk ist nicht einheitlich nach diesen Anordnungen verfahren worden. Ich bringe hiermit die Anordnungen erneut zur Kenntnis und ersuche, die Projekte zu Kanalisationsanlagen für ganze Ortschaften oder größere Ortsteile mir zur Prüfung und Stellungnahme sowie Vorlage an die zuständigen Minister vorzulegen. Das Genehmigungsverfahren ist so lange auszusetzen, bis die Durchprüfung des Projektes beendet ist. [...]“413 Ferner gab der Regierungspräsident unmissverständlich zu verstehen, dass nur die Projekte zur Kanalisierung einzelner Häuser von der Vorlage ausgeschlossen waren.414

 

Trotz der deutlichen Bemühungen der Behörden, mit dem Thema Gewässerschutz endlich Ernst zu machen, setzten sich am Ende die „Bedenkenträger“ in Wirtschaft und Verwaltung durch, weil es keine reichseinheitlichen Regelungen mit einschneidenden Konsequenzen für kleine und große „Umweltsünder“ gab. Die Chance auf einen wirkungsvollen und vor allem einheitlichen Gewässerschutz wurde damit vertan. Dabei hatte es bereits früh hoffnungsvolle Ansätze gegeben: Trotz des allgemeinen Widerstandes gegen den Bau von Klärvorrichtungen gab es Städte, die auf Druck der regionalen Genehmigungs- und Überwachungsbehörden schon sehr früh entsprechende Anlagen errichten ließen. So kam vor dem Hintergrund der Kanalisierung des Mains schon zu Beginn der 1880er-Jahre Bewegung in die Sache. Das Beispiel zeigt, dass es hierbei nicht um den „Umweltschutz“, sondern eben um wirtschaftliche Konflikte, vor allem aber auch um die neue Gesetzeslage ging. Die Kanalausmündungen in den Main standen der angepeilten Flusskanalisierung im Wege, sodass ein geeigneter Zeitpunkt gekommen war, um über die Anbindung der Kanalisation an eine Kläranlage zu sprechen und sich einem Gesetz zu fügen, das später zunehmend durch Ausnahmegenehmigungen aufgeweicht werden sollte. Unter Leitung von William Heerlein Lindley, der am 1. April 1880 als Nachfolger seines Vaters William das Amt des Oberingenieurs der Frankfurter Kanalbauten angetreten hatte, wurde das Projekt schließlich angegangen. Im Auftrag des Oberbürgermeisters Johannes Miquel plante Lindley eine „Klärbecken-Anlage“ am Roten Hamm bei Niederrad. Dort sollte es nicht nur eine mechanische, sondern auch eine chemische Reinigung des Abwassers geben. Das Fortschrittliche an der Entwicklung war, dass wirklich alle Schmutzwässer den Klärungsprozess durchlaufen sollten. Schmiedeeiserne Dükerrohre auf dem Grund des Mains sollten die Verbindung von Stadt und Klärwerk sicherstellen. Nach vierjähriger Bauzeit wurde das ungeliebte Werk, das wegen der Betriebskosten und des zusätzlichen Personalstamms von 28 Kräften die Stadtkasse erheblich belastete, 1887 vollendet.415

 

Zu den Vorreitern gehörte auch Wiesbaden. Auf Druck der übergeordneten Behörden hatten sich die Stadtväter 1886 nicht nur für den Bau einer systematischen Schwemmkanalisation entschieden, sondern auch für die Errichtung einer Kläranlage. Die Maßnahme war durchaus notwendig, weil im Gegensatz zu anderen Gemeinden  die Fäkalien immer noch in die stadtnahen Taunusbäche geleitet wurden. Unter Federführung von Joseph Brix hatten bereits 1885 die Planungen für die Kanalisation begonnen. Die Kläranlage selbst erreichte nur ein Drittel der Frankfurter Dimensionen und war für rund 56.000 Einwohner ausgelegt. Beide Systeme hatten aber eines gemeinsam: Sie waren technisch noch nicht ausgereift und daher keine Garanten für einwandfreies Flusswasser. Und: Die Anlagen wurden nachts sogar ausgeschaltet. In Wiesbaden gab es zudem den Mangel, dass die dortige Anlage nur für eine mechanische Klärung eingerichtet war. Die logische Konsequenz waren Erweiterung und Umbau. Die Pläne hierfür lagen im August 1902 vor.416

 

Die frühen Kläranlagen von Frankfurt am Main und Wiesbaden waren nicht mit den heutigen mehrstufigen Systemen zu vergleichen, in denen mechanische, biologische und chemische Reinigungsverfahren miteinander kombiniert werden. Sie beruhten vielmehr auf der frühen, in England entwickelten Technik. Dabei wurde das Abwasser in ein Becken geleitet und dort mit sogenannten Fällungsmitteln versehen. Diese Chemikalien sollten sich mit den anderen im Wasser enthaltenen gelösten Stoffen zu großen Flocken verbinden. Diese Flocken konnten sich entweder am Boden des Beckens absetzen oder wurden mit Sieben und Rechen aufgefangen. Als „Flockungsmittel“ wurde in der Regel desinfizierter Kalk zugesetzt, obwohl bereits zu dieser Zeit gut 75 Alternativen bekannt waren, die aber nicht den gewünschten Erfolg bei der Reinigung brachten. Was in der Theorie sehr einleuchtend scheint, entpuppte sich in der Praxis als riesiges Problem. Die anfallenden Schlammmengen in den frühen Kläranlagen waren so groß, dass man fieberhaft nach Alternativen suchte. So testete man bereits in den 1880er- Jahren die Reinigung des Abwassers über die Durchleitung von Strom. In verschiedenen Becken ermöglichten positive und negative Elektroden, dass die festen Stoffe des Abwassers oben schwammen und abgeschöpft werden konnten. Dieses Verfahren setzte sich aber nie durch, weil es einfach zu teuer war.417 Den Vorzug erhielt in der Regel die mechanische Reinigung der Abwässer – nicht nur, weil sie machbar und finanzierbar wurde. Es waren deutsche Ingenieure, die das Verfahren so weit verfeinert hatten, dass es sogar in andere Länder exportiert wurde. Denn auch bei diesem Verfahren ging es nicht nur um das einfache Herausfiltern der groben Stoffe. Vielmehr wurden Absetzbecken gebaut. Schließlich meldete Karl Imhoff ein System zum Patent an, mit dem auch das Schlammproblem in den Griff zu bekommen war. Imhoffs Entwicklung für die Emschergemeinden zeichnete sich dadurch aus, dass es unter dem eigentlichen Absetzbecken einen Faulraum gab, in den die Schlammflocken rutschen konnten. Dennoch hatten unter dem Strich englische Ingenieure die Nase vorn. Schon in den 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts war es ihnen erstmals gelungen, die Grundlagen für die biologische Reinigung zu entwickeln, bei der Kleinlebewesen die „Reinigungsarbeit“ übernehmen. Sie entwickelten dieses Verfahren in den folgenden Jahren kontinuierlich weiter.418

 

Trotz der punktuellen Fortschritte war die Gesamtsituation nach wie vor unbefriedigend. So besaßen 1910 vier der 45 größten preußischen Städte gar keine Klärvorrichtungen, in den anderen Kommunen mussten die Vorrichtungen als primitiv bezeichnet werden. Vielerorts wurden in den „Kläranlagen“ nur die gröbsten Verunreinigungen aus dem Wasser entfernt, obwohl die auch heute noch geläufigen Verfahren der biologischen Reinigung nach dem englischen Vorbild bekannt waren.419

 

Hermann Salomon hat in seinem Standardverzeichnis über die Abwässerbeseitigung von 1906 genau festgehalten, welche Städte zu Beginn des 20. Jahrhunderts Klärvorrichtungen hatten. Er unterschied dabei neben der Verrieselung (vgl. S. 250 f.) bereits mechanische, biologische und chemische Klärverfahren. Demnach wurde das Wasser in Barmen, Bernkastel, Bobeck, Büdingen, Köln (Versuchsanlage), Elberfeld, Eschweiler, Frankenthal, Gelsenkirchen, Gießen, Herne, Lörrach, Neuwied, Rappenau, St. Johann, Süchteln, Trier, Viersen und Willich vor der Einleitung in Absetzbecken vorbehandelt. In Bamberg, Bottrop, Frankfurt am Main, Godesberg, Marburg, Mannheim und Wiesbaden kamen Rechenanlagen dazu. In Erlangen und Mönchengladbach waren weitere Anlagen projektiert.420

 

Laut Salomon gab es 1906 in folgenden Städten und Gemeinden biologische Kläranlagen: Bertrich, Diedenhofen, Hagen, Idstein, Königstein, Langenberg, Remscheid, Siegburg (im Bau) und Königsfeld. Weitere Anlagen waren in Langendreer, Rüttenscheid, Hanau, Kettwig, Markirch, Ems und Hüls projektiert.421 Die mechanisch-chemische Klärung gab es laut Salomon nur in Bochum, Essen, Baden-Baden, Homburg und Straßburg.422

 

In den anderen deutschen Städten – auch das zeigt das Verzeichnis Hermann Salomons – gab es zu Beginn des 20. Jahrhunderts überhaupt keine Klärvorrichtungen. Zu den Negativbeispielen gehörte auch Koblenz. Allerdings war die Industrie im Umfeld der Provinzhauptstadt relativ schwach ausgeprägt, was sich lange positiv auf die Qualität des Flusswassers auswirkte. Andernorts wurde die erhebliche Belastung der Industrie angelastet. So hatten sich bereits 1877 in Sachsen 140 Orte über starke Flussverunreinigungen beschwert. Die Ursachen waren zu 93 Prozent den Betrieben zugeschrieben worden.423

 

Auch andernorts waren die Zustände unhaltbar geworden, die Gefahren für Gesundheit und Leben der Bevölkerung latent. Dies galt vor allem für das Gebiet Rhein-Ruhr und Lippe. Dort entstand wegen der massiven Einwirkungen von Bergbau und Industrie eine neue Organisationsform zur Bewältigung der immensen wasserwirtschaftlichen Aufgaben, für die umfangreichen Investitionen in Kanäle, Pumpwerke und Kläranlagen erforderlich waren: die sich fast über das ganze Ruhrgebiet erstreckende Emschergenossenschaft. Ihre Gründung ermöglichte erst das preußische Sondergesetz „betreffend Bildung einer Genossenschaft zur Regelung der Vorflut zur Abwasserreinigung im Emscher Gebiet“ vom 14. Juli 1904. Dieses Sondergesetz war erforderlich geworden, weil das Preußische Wassergenossenschaftsgesetz von 1879 keine Zwangsgenossenschaften zur Reinhaltung von Gewässern kannte. Mitglieder der Emschergenossenschaft, die ein Einzugsgebiet von 784 Quadratkilometern hatte424, wurden alle kreisfreien Städte und Landkreise, die ganz oder zum Teil in die Emscher oder deren Nebenläufe entwässerten.425 1926 verschmolzen die Emschergenossenschaft und der erst im Januar des gleichen Jahres neu formierte Lippeverband.426

 

Auch wenn die Emschergenossenschaft, die heute wegen ihrer rücksichtslosen Begradigung von Flüssen und Bächen nicht ohne Grund kritisch gesehen wird427, durchaus Vorbildfunktion hatte und es über Sondergesetze weitere Genossenschaftsgründungen im Ruhrgebiet und in Sachsen gab, sollte der Rhein zum Symbol für die Umweltzerstörung schlechthin werden. Nicht umsonst bezeichnet Johann Paul den Strom als „experimentelle Großkläranlage“, in die erhebliche nicht unbedenkliche Abwassermengen gelangten. Er begründet dies mit einer Meldung der Wasserbau-Inspektion an die Rheinstrombauverwaltung Koblenz von 1901. Demnach wurden allein auf der Rheinstrecke im Kölner Bezirk rund 200 ungenehmigte Abwasserleitungen ermittelt. Dazu kamen dann noch die für die Wirtschaft besonders bedeutenden Unternehmen, die den Fluss quasi mit behördlicher Genehmigung verschmutzten.428 Und zu diesen Unternehmen gehörten nicht nur die Leverkusener Chemiefabriken. Der Rhein wurde bereits in Mülheim und Köln stark belastet. Auch die negativen Auswirkungen der großen Abwassermengen der Bergisch Gladbacher Papierfabriken auf die Qualität des Rheinwassers sollten nicht übersehen werden.429

 

Obwohl Ursachen und Gefahren der Verschmutzung schon relativ früh bekannt waren, sollte die Reinigung der Abwässer nur halbherzig angegangen werden. Schließlich verhinderte der Erste Weltkrieg eine Verbesserung des Gewässerschutzes. Auch in der Weimarer Republik sollten die Probleme nicht gelöst werden – wenngleich die Reinigungsverfahren bereits in den 1920er-Jahren so weit ausgereift waren, dass man zumindest das Problem der Hausabwässer in den Griff bekommen hätte.430 Während trotz aller wirtschaftlichen Schwierigkeiten in der jungen Republik im Wohnungsbau enorme Fortschritte erzielt wurden, blieb die flächendeckende Einführung von Kläranlagen ein Traum. Das Beispiel Köln zeigt, dass man die drohenden Gefahren einfach ignorierte, weil der wirtschaftliche Aufbau oberste Priorität hatte. In der Domstadt gab es nur die 1900 im Bereich des Stadtteils Niehl erbaute kleine mechanische Kläranlage. Diese war von der Arbeitsgemeinschaft der Abwasserinteressenten am Niederrhein aber lediglich als Vorreinigung eingestuft worden. In den neuen Stadtteilen Kalk und Mülheim gab es trotz der zahlreichen Gewerbeansiedlungen keine Anlagen zur Reinigung des belasteten Abwassers. Angesichts dieser Entwicklung verwundert es nicht, dass die Preußische Landesanstalt für Wasser-, Boden- und Lufthygiene431 bereits 1925 zu dem beunruhigenden Ergebnis kam, dass die bakteriologische Belastung des Rheins bis zur niederländischen Grenze vor allem auf die Kölner Abwässer zurückzuführen waren.432 Diese Erkenntnis nutzte jedoch wenig, weil die Landesanstalt nicht verbindlich an Genehmigungsverfahren beteiligt werden konnte. An dieser Tatsache änderte sich auch nichts, als 1932 auf Drängen ebendieser Anstalt sieben Flussüberwachungsämter gegründet wurden. Diese neuen Ämter arbeiteten aber nicht zusammen – und sie waren auch nicht der Landesanstalt untergeordnet.433 Diese Hintergründe erklären, warum man in der Kölner Stadtverwaltung weiterhin ungestraft der Ansicht sein konnte, dass die Selbstreinigungskraft des Rheins das Problem lösen würde, wenn man die Abwässer nur weit genug in die Flussmitte führte.

 

Zwar gab es in der Ära des Oberbürgermeisters Konrad Adenauer in Köln sehr wohl Überlegungen zum Bau einer Zentralkläranlage, doch wurde das Projekt nicht realisiert. Dabei hätte man spätestens mit dem Bau des neuen Niehler Hafens (1927) handeln müssen. Die Folgen waren nicht zu übersehen: Die Vorreinigung in der vorhandenen kleinen Kläranlage funktionierte nicht mehr, weil man beim Bau der Hafeneinfahrt ein Kanalstück weggesprengt hatte und nun die Abwässer über einen Notauslass in den Fluss leitete, die sich wiederum im Hafenbecken stauten.434 Die Zustände waren derart übel, dass sich die westdeutsche Binnenschiffer-Berufsgenossenschaft am 29. Mai 1929 beim Oberbürgermeister beschwerte. Demnach trieben auf dem Wasser „[…] nicht nur Schmutz aus Klosetts, sondern – scheinbar aus den Krankenhäusern kommend – kleine menschliche Körper sowie sonstige menschliche Körperteile, weiter tote Katzen und Hunde und dergleichen Unrat. […]“ Die Berufsgenossenschaft ging davon aus, dass die Gesundheit der Schiffsbesatzungen besonders beim Reinigen der Schiffe in höchstem Maße gefährdet war. Erst 1935 sollte ernsthaft eine Lösung des Problems in die Wege geleitet werden: Am 1. Oktober beschloss der Stadtrat endlich die Einrichtung einer Zentralkläranlage in Stammheim. Zwei Jahre später begannen die Bauarbeiten, die aber schließlich kriegsbedingt eingestellt werden mussten. Erst 1953 nahm das neue Kölner Großklärwerk tatsächlich seinen Betrieb auf. Inzwischen war der Rhein über mehrere Kilometer verödet und der Fischbestand stark geschädigt worden. Die neue Kläranlage verhinderte nicht, dass die gewaltigen Probleme noch in den 1970er-Jahren bestanden.435

 

In Koblenz selbst sollte es sogar noch bis 1969 dauern, bis der Bau eines Großklärwerks beginnen konnte. Entsprechende Planungen reichen aber bereits bis zum Ende der 1920er-Jahre zurück. Sie stehen vor allem mit der notwendigen Erweiterung der „Gesundheits-Infrastruktur“ wegen der schon damals diskutierten weiteren Eingemeindung im Zusammenhang. Das Vorhaben erweckte natürlich auch das Interesse von Unternehmen, die auf den Bau von Großkläranlagen spezialisiert waren, allen voran die Berlin-Anhaltische Maschinenbau Aktien-Gesellschaft (BAMAG). Diese wendete sich schließlich im Februar 1932 an Oberbürgermeister Rosendahl und warb mit besonders kostengünstigen Anlagen zur Behandlung des Schlammes und einer möglichen Verwertung des anfallenden Methangases zur Kraft-, Licht- und Wärmeerzeugung. Die BAMAG war damals auf dem Markt alles andere als unbekannt und konnte bereits auf zahlreiche Referenzobjekte hinweisen, so unter anderem in Berlin, Danzig, Essen (Emschergenossenschaft), Knocke sur mer (Belgien), Königsberg, Magdeburg und Tarnowitz (Polen).436 Im Tiefbauamt nahm man die Bewerbung sehr ernst und prüfte sie genau. Und wie bereits beim Aufbau der neuen Kanalisation und des Fuhrparks beschaffte man sich Informationen aus anderen Städten und studierte die neuesten Veröffentlichungen über die Technologien für den Bau von Klärwerken. Besonders interessierte man sich für die Veröffentlichungen des ehemaligen Marinebaurates Dr.-Ing. Max Prüß, der in den Vorstand des Abwasseramtes der Emschergenossenschaft aufgerückt war und nicht nur die technische Seite der gängigen Verfahren analysierte, sondern vor allem die Kosten im Blick hatte.437 Und obwohl für Max Prüß der Bau und die Unterhaltung von Kläranlagen zum „Tagesgeschäft“ gehörten, vertraute der Ingenieur trotz seiner Erfahrungen aus dem Emschergebiet weiterhin auf die Selbstreinigungskraft des Wassers und schrieb: „Der einfachste und billigste Weg, die [...] abgeführten Wassermengen unterzubringen, besteht [...] in einer ausreichenden Verdünnung des Abwassers durch das Wasser im Vorfluter. Ein solches Unschädlichmachen von städtischem Abwasser durch Verdünnung ist in Deutschland in Hinblick auf die Leistungsfähigkeit unserer großen Flüsse vom Rhein bis zur Oder bei einer großen Anzahl selbst großer Städte üblich und ausreichend, ganz im Gegenteil zum Beispiel in England, wo diese billige Art der Abwasserbeseitigung der Flüsse so gut wie unbekannt ist. [...] Es dürfen keine Badeanstalten und keine Wassergewinnungsanlagen dicht unterhalb der Einleitungsstelle liegen. Um eine gute Durchmischung des Abwassers mit dem Flußwasser sicherzustellen, ist es zweckmäßig, das Abwasser nicht unmittelbar am Fluß einzuleiten, sondern es in Rohrleitungen möglichst weit in den Fluß hineinzuführen.“438

 

Max Prüß schrieb dies, obwohl man längst die Grenzen der Selbstreinigungskraft des Wassers erkannt hatte. Das macht auch ein Schreiben des Würzburger Ingenieurs E. Bundschuh deutlich, der sich im November 1932 mit der Bitte um statistisches Material an das Koblenzer Tiefbauamt wandte. Bundschuh arbeitete an einer gemeindeübergreifenden Untersuchung über die biologische Reinigung organisch verschmutzter Abwässer. Die Probleme der Gewässerverschmutzung konnte er quasi schon vor seiner Haustüre sehen. In seinem Brief räumte Bundschuh ein, dass die Verhältnisse in Würzburg durch Einleitung der Abwässer in den Main derart unerträglich geworden waren, dass man einen neuen Sammelkanal parallel zum Main bauen musste, der etwa einen Kilometer unterhalb der Stadt in den Fluss mündete.439

Trotz der intensiven Kontakte der Koblenzer Stadtverwaltung mit führenden deutschen Experten konnte von Detailplanungen noch lange keine Rede sein. Eine Entscheidung für ein bestimmtes Reinigungsverfahren war noch nicht gefallen. Allerdings ging das städtische Tiefbauamt bereits 1931 davon aus, dass die Anlage- und Betriebskosten von neugeordneter Kanalisation und einem Klärwerk „infolge des günstigen Gefälles und der bequemeren Abführung des Regenwassers auf den angeschlossenen Einwohner und auf 1 laufenden Meter Leitungslänge umgerechnet sehr gering“ ist.440 Wie andernorts auch sollte es bei groben Überlegungen bleiben – der finanzielle Spielraum der Kommunen war in jener Zeit schon allein vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise völlig ausgereizt.441

 

Sparkassen und Kreditinstituten war es im Zuge der Brüning’schen Notverordnungspolitik doch 1931 untersagt worden, Städten und Gemeinden Anleihen und Kredite zu gewähren.442 Daran änderte sich auch in der NS-Zeit nichts, obwohl damals ein Gemeindeumschuldungsgesetz erlassen und der Finanzausgleich zwischen Ländern und Gemeinden neu geordnet wurde. Die Kreditbeschränkungen der Ära Brüning blieben bestehen.443 Dazu kam, dass die deutsche Abwasserforschung in der NS-Zeit stagnierte. Man favorisierte die landwirtschaftliche Verwertung von Fäkalien und Schlämmen. Und so setzten in der Abwassertechnik englische und amerikanische Ingenieure die Akzente.444 Dennoch zeigt der Verwaltungsbericht für das Jahr 1937, dass man in Koblenz den Gedanken an den Bau eines Großklärwerks links und rechts des Rheins noch längst nicht aufgegeben hatte. Im Gegenteil: Man sprach von intensiven und anstrengenden Planungen.445 Und ein Jahr später gab die Verwaltung bekannt, dass die Vorentwurfsarbeiten für die Abwasserkläranlagen „in der Hauptsache“ fertiggestellt seien.446

 

Der Gedanke, für Koblenz ein leistungsfähiges Großklärwerk zu errichten, zerschlug sich spätestens mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges am 1. September 1939. Streng genommen waren in der Provinzhauptstadt die Weichen schon Jahre zuvor in eine falsche Richtung gestellt worden. Hatte das Ortsstatut vom April 1894 noch ganz klar die Einleitung von Fäkalien in die Kanalisation untersagt447, wurde dieser Grundsatz mit der neuen Polizeiverordnung vom August 1930 endgültig aufgegeben. Von nun an konnten alle flüssigen Stoffe in die Kanalisation eingeleitet werden, sofern sie nicht explodieren konnten oder feuergefährlich waren. Für bedenkliche flüssige Stoffe wurde deshalb der Einbau von Abscheidern vorgeschrieben.448  Mit den neuen Vorschriften wollte die Stadt das „wilde“ Einlassen von Benzin oder Öl in die Kanalisation verhindern. Und das mit gutem Grund: Auch in Deutschland bestand die Gefahr von Kanalexplosionen, weil „Schwarzgaragen“ und Schnapsbrennereien allzu leichtfertig mit Alkohol und Ölen hantierten. So war es im August 1831 in Essen zu einer größeren Explosion gekommen, bei der zwei Menschen schwer verletzt worden waren.449 Fazit: Trotz der neuen gesetzlichen und örtlichen Rahmenbedingungen konnte man in Koblenz erst seit dem Ende der 1960er-Jahre von wirksamen Maßnahmen zur Verbesserung des Gewässerschutzes sprechen. Immerhin bemühte man sich, die Grundwasserqualität am Wasserwerks „Oberwerth“ zu sichern. So verbot die Polizeiverordnung vom November 1927 die „Ablagerung von Abfallstoffen aller Art, von Müll, Kehricht, Mist und sonstigem Unrat, das Düngen mit derartigen Stoffen, die Vornahme menschlicher Entleerungen jeder Art, jegliche Verunreinigung durch menschliche und tierische Exkremente, das Halten und Weiden von Vieh, das Reiten, das Befahren mit Tierfuhrwerk und das Umherlaufenlassen von Tieren aller Art.“

 

Die Regelung galt für den gesamten Südteil des Oberwerths450, das damals noch in weiten Teilen eine Insel war und erst durch das Aufschütten von Kriegstrümmern sein heutiges Aussehen erhielt.

 

1 Vgl. Wissing, Friedrich/Karlfriedrich Hofmann, Wasserreinigung mit Pflanzen. 2., erweiterte Aufl. Stuttgart 2002, S. 12. Dazu auch: Furrer Daniel, Wasserthron und Donnerbalken. Eine kleine Kulturgeschichte des stillen Örtchens. 2. unveränderte Aufl., Darmstadt 2007, S. 22 ff.

2 Vgl. Roscher, Volker, Einführung der Kanalisation in Hamburg und der Neubau der Stadt 1842/43, in: Die Alte Stadt 1/1994, S. 229 ff.

3 Vgl. Konold, Werner, Wasser als Lebensgrundlage der Stadt, in: Die Alte Stadt 4/2004, S. 295.

4 Vgl. Reulecke, Urbanisierung, S. 58.

5 Dazu: Hösel, Gottfried, Unser Abfall aller Zeiten. Eine Kulturgeschichte der Städtereinigung. 2., erw. Aufl., München 1990, S. 114 ff. und 143: Die ersten Wasserklosetts auf dem Kontinent wurden im Zuge der Neuordnung der Hamburger Kanalisation eingebaut.

6 Vgl. Simson, John von, Kanalisation und Städtehygiene im 19. Jahrhundert, Düsseldorf 1983, S. 47 f.

7 Deininger Heinrich/Hermann André, Wie kann die brennende Frage der Städtereinigung insbesondere der Beseitigung und Nutzbarmachung der Fäkalien gelöst werden?, Buch/Bernau 1903 (in StaK-623, Nr. 7264), S. 7.

8 Dazu: Haverkamp, Michael, Zur Bedeutung der Cholera. Einige Bemerkungen zu Osnabrück, in: „Was man gegen die Cholera thun kann“. Seuchen in der Geschichte. Eine Ausstellung der Universitätsbibliothek Osnabrück mit Unterstützung der Medizinischen Gesellschaft zu Osnabrück vom 9. bis 31. Januar 1996 (Schriften der Universitätsbibliothek Osnabrück 5), S. 7–13. Haverkamp, Michael, „... herrscht hier seit heute die Cholera“. Lebensverhältnisse, Krankheit und Tod. Zur Problematik städtischer Daseinsvorsorge im 19. Jahrhundert am Beispiel der Stadt Osnabrück. Diss., Osnabrück 1995.

9 Vgl. Kluge, Wassernöte, S. 54.

10 Dazu: Bauer, Im Bauch, S. 173 ff.

11 Vgl. Illi, Schîssgruob, S. 78 f.

12 Vgl. Krabbe, Leistungsverwaltung, S. 378 f.

Dazu auch: Hartog, Stadterweiterungen, S. 23.

13 Vgl. Hauser, Susanne, „Reinlichkeit, Ordnung, Schönheit“. Zur Diskussion über Kanalisation im 19. Jahrhundert, in: Die Alte Stadt. 4/92, S. 297 ff.

14 Vgl. Büschenfeld, Flüsse und Kloaken, S. 115.

15 Ewich, Otto, Städtereinigung und Wasserversorgung. Eine Warnung vor englischen Zuständen, Bonn 1871.

16 Dobel, E., Kanalisation. Anlage und Bau städtischer Abzugskanäle und Hausentwässerungen. 4., neu bearb. Aufl., Stuttgart 1903.

17 Vgl. Kloepfer, Michael, Zur Geschichte des deutschen Umweltrechts, Berlin 1994, S. 46 f.

18 Landesamt für Denkmalpflege, Archäologische Denkmalpflege, Amt Koblenz. Seit 1. Januar 2007 Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, Direktion Archäologie, Außenstelle Koblenz.

19 LHA-1C, 2178, fol. 2 r.

20 Vgl. Zimmermann, Karl, Die Bebauung des Entenpfuhls in Koblenz, in: Alt Koblenz. Eine Sammlung geschichtlicher Abhandlungen, Bd. 1. Herausgegeben von Hans Bellinghausen, Koblenz 1929, S. 266 f. Der Entenpfuhl als ehemaliger Teil des inneren Stadtgrabens erhielt seinen Namen, weil früher in den nicht nur vom Grundwasser verursachten Pfützen die Enten schwammen. Die Bezeichnung setzte sich allerdings erst im 19. Jahrhundert offiziell durch. Bis dahin war die Straße nach dem Kornmarkt benannt, der bis 1766 bestand.

21 StaK-623, 1180: Brief des Stadtmagistrates an den Landesherrn Johann Philipp von Walderdorf, 18. März 1760.

22 StaK-623, 1180: Brief Magistrat an den Kurfürsten, 18. März 1760.

23 StaK-623, 1180: Auszug aus dem Hofratsprotokoll, 15. Januar 1765.

24 StaK-623, 1180: Auszug aus dem Hofratsprotokoll, 22. August 1766 und dem Ratsprotokoll vom 9. September 1766.

25 LHA-1C, 11055: Bericht Geheimrat Haack, 20. September 1782.

26 LHA-1C, 11055: Bericht Geheimrat Haack, 20. September 1782.

27 Die Pläne zur Schaffung einer neuen Kanalisation im Zuge des Straßenbaus im neuen Stadtteil werden erläutert in: v. d. Dollen, Koblenzer Neustadt, S. 140 ff.

28 LHA-1C, 2324: Bericht des Ingenieurs Kleiner, 24. November 1772.

29 Vgl. v. d. Dollen, Koblenzer Neustadt, S. 140 f.: Erst mit der Errichtung des Bauhofes (1788–1790) und dem Durchbruch der Karmeliterstraße von 1789 wurde der offene Abwasserkanal im Entenpfuhl ganz unter die Erde verlegt.

30 LHA-1C, 2322: Die Abänderung der Wasserkanäle am Rhein.

31 Vgl Brix, Josef/Karl Imhoff/R. Weldert (Hg.), Die Stadtentwässerung in Deutschland. 2 Bde., Jena 1934, Bd. 1, S. 497.

32 Vgl. Brix, Stadtentwässerung, Bd. 1, S. 498.

33 Vgl. Brix, Stadtentwässerung, Bd. 1, S. 498.

34 StaK-623, 2060: Fortifikation Koblenz an Oberbürgermeister Abundius Maehler, 30. Juni 1837.

35 Vgl. Salomon, Hermann, Die städtische Abwässerbeseitigung in Deutschland. 2. Bde., Jena 1906/1907. Bd. 1, S. 83.

36 Vgl. Brix, Stadtentwässerung, Bd. 1, S. 498.

37 StaK-623, 1200: Bericht, 8. Februar 1793.

38 StaK-623, 1200: J. J. Foelix an den Trierer Kurfürsten Clemens Wenzeslaus,  7. Juli 1794.

39 Vgl. Möller, Medizinalpolizei, S. 15 ff.

40 Möller, Medizinalpolizei, S. 18.

41 Vgl. Möller, Medizinalpolizei, S. 19 ff.

42 StaK-623, 2061: Verordnung zur Verhütung von Frevel auf den Straßen und an den Bächen, 21. Mai 1814.

43 StaK-623, 2061: Verordnung zur Verhütung von Frevel auf den Straßen und an den Bächen, 21. Mai 1814.

44 StaK-623, 2061: Brief des „Commissaires“ Vincke an Oberbürgermeister Mazza, 21. März 1814.

45 StaK-623, 2060: Polizeiverordnung der Königlichen Polizeidirektion, 15. November 1816.

 

46 StaK-623, 2060: Polizeiverordnung der Königlichen Polizeidirektion, 15. November 1816.

47 Vgl. Bär, Max, Aus der Geschichte der Stadt Koblenz 1814–1914, Koblenz 1922, S. 277.

48 Vgl. Bär, Geschichte Koblenz, S. 278.

49 Vgl. Bär, Geschichte Koblenz, S. 278.

50 Vgl. Pohle, Rolf, Historische Entwicklung der Stadtreinigung und Abfallbeseitigung in Nürnberg, Nürnberg 1986 (Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 73), S. 291–328. URL: http://mdz1.bib-bvb.de/cocoon/mvgn/Blatt_bsb0000989,00330.html? prozent=1 (Zugriff am 21. Februar 2007), S. 297.

51 Vgl. Bär, Geschichte Koblenz, S. 278.

52 StaK-623, 6518, S. 539: Ortsstatut betreffend die Hauskehricht-Abfuhr, 3. März 1915, das am 1. April 1915 in Kraft trat. S. 542 ff.: Gebührenordnung.

 

53 Vgl. Hugo, Carl [d. i. Carl Hugo Lindemann], Die Deutsche Städteverwaltung. Ihre Aufgaben auf den Gebieten der Volkshygiene, des Städtebaus und des Wohnungswesens, Stuttgart 1901, S. 19.

54 Vgl. Hösel, Unser Abfall, S. 158.

55 Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, S. 18.

56 StaK, KH-84: „Vortrag über die sanitätspolizeilichen Verhältnisse der Stadt Coblenz, mit Rücksicht auf die Trinkwasser-Frage“, S. 5 f.

57 Stak-623, 5474, S. 55: Polizeiverordnung vom 2. Dezember 1852,     §§ 47 und 49.

58 Vgl. Coblenzer Zeitung, 9. November 1875.

59 Vgl. Bär, Geschichte Koblenz, S. 278.

60 Vgl. Coblenzer Volkszeitung, 1. Mai 1872.

61 Vgl. Coblenzer Zeitung, 14. Februar 1872 (Ausschnitt auch in StaK-623, 8071, S. 36).

62 Coblenzer Volkszeitung, 25. Mai 1878.

63 Stak-623, 5474, S. 55: Ergänzende Polizeiverordnung vom 23. Juni 1881, §§ 1 und 2. § 4 enthält folgende Vorschrift: „Die dabei zur Verwendung kommenden Maschinen, Karren, Fässer, Schläuche müssen stets rein, dicht und äußerlich geruchsfrei sowie die Holztheile in gutem Oelanstrich und die Messingtheile blank erhalten werden. Auch muß der Ofen, durch welchen die Abtrittsgase zur Ableitung und Verbrennung kommen, sollen während der Reinigung immer in Brand gehalten werden.“

64 Vgl. Beutelspacher, Kultivierung, S. 48.

65 Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, S. 68.

66 Vgl. Gather, Matthias, Hundert Jahre Müllnotstand. Der lange Weg der wiederkehrenden Ratlosigkeit in Frankfurt am Main, in: Die Alte Stadt. Vierteljahreszeitschrift für Stadtgeschichte, Stadtsoziologie und Denkmalpflege  4/1991, S. 358 f.

67 StaK-623, 5476, S. 56: Polizei-Verordnung über den Anschluss der bebauten Grundstücke innerhalb des Polizeibezirks der Stadt Coblenz an die städtische Wasserleitung vom 12. März 1896.

68 StaK-623, 5476, S. 128: „Straßen-Polizei-Verordnung für die Stadt Coblenz“, 25. Juli 1902.

69 StaK-623, 5476, S. 20: „Polizei-Verordnung betreffend die Reinigung der Straßen und Plätze usw. in den nicht mit geschlossener Bebauung versehenen Teilen der Vororte Coblenz-Lützel, Neuendorf und Moselweiß“, 4. Juni 1905.

70 StaK-623, 6964, S. 23: Hausmitteilung des Stadtbauamtes an das Bürgermeisteramt, 15. März 1902.

71 Dazu: StaK-623, 6964, S. 25: Brief der Stadtverwaltung Bonn an den Koblenzer Oberbürgermeister, 24. März 1902.

72 Vgl. Salomon, Abwässerbeseitigung, S. 81.

73 Pohle, Nürnberg, S. 297.

74 Dazu: Windmüller, Sonja, Die Kehrseite der Dinge. Müll. Abfall. Wegwerfen als kulturwissenschaftliches Problem. Diss., Marburg 2002, Münster 2004, S. 73ff.: Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges hatte sich vor allem der Wagen des Herstellers MAN durchgesetzt. Die Modelle der unterschiedlichen Hersteller hatten eines gemeinsam: Durch ihre speziellen Einschüttvorrichtungen verlangten die Fahrzeuge der „staubfreien Sytemmüllabfuhr“ kompatible Sammelbehältnisse. Aber erst im April 1959 sorgte das Deutsche Institut für Normung mit seiner DIN 6628 auch offiziell für die Standardisierung von Mülltonnen.

75 Vgl. Münch, Stadthygiene, S. 50 f.

76  Vgl. Münch, Stadthygiene, S. 115.

77 Vgl. Hösel, Unser Abfall, S. 161.

78 Vgl. Münch, Stadthygiene, S. 55.

79 Vgl. Gather, Hundert Jahre, S. 360 ff.

80 Vgl. Pohle, Nürnberg, S. 301.

81 Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, S. 69. Hösel, Unser Abfall, S. 159.

82 Vgl. Hösel, Unser Abfall, S. 184.

83 Vgl. Münch, Stadthygiene, S. 113.

84 Vgl. Münch, Stadthygiene, S, 53.

85 StaK-623, 6966, S. 134: Brief der Fuhrherren-Vereinigung an Oberbürgermeister Emil Schüller, 9. März 1894.

86 StaK-623, 6965: Vermerk des Oberbürgermeisters Bernhard Clostermann, 11. Mai 1918.

87 Vgl. Möckel, Der städtische Fuhrpark, in: Deutschlands Städtebau. Coblenz, 2. [erheblich erweiterte] Auflage. Anlässlich der Rheinischen Jahrtausendfeier im Auftrage des Oberbürgermeisters Dr. Russell von Hans Bellinghausen, Berlin-Halensee 1925, S. 140.

88 StaK-623, 6995: Hausmitteilung des Tiefbauamts an das Bürgermeisteramt, 23. Juli 1919.

89 Vgl. Möckel, Der städtische Fuhrpark, S. 140.

90 StaK-623, 6688, S. 434: Akteneintrag, 28. Juni 1938. Erster Leiter des neuen Stadtentwässerungsamtes wurde Stadtingenieur Hans Zerwas. Ihm zur Seite stand der Techniker Koplow.

91 Dazu StaK-623, 6415, S. 21: Verfügung des Koblenzer Oberbürgermeisters Dr. Nikolaus Simmer vom 4. März 1940. Freundlicher Hinweis von Michael Koelges M. A., Stadtarchiv Koblenz.

92 Vgl. Möckel, Der städtische Fuhrpark, S. 140.

93 StaK-623, 6688, S. 39: Denkschrift über die Personalverhältnisse bei der Stadtverwaltung Koblenz unter besonderer Berücksichtigung der in den letzten fünf Jahren eingetretenen Veränderungen und des jetzt bestehenden Bedürfnisses an Dauerstellen. Demnach hatte die Stadtverwaltung 1920 834 Mitarbeiter. Dieser infolge der Kriegswirren und der Besatzungszeit erreichte hohe Stand wurde bis 1925 auf 634 verringert, um im Zuge der Notstandsarbeiten bis 1927 wieder auf 708 zu steigen. Danach sank die Zahl der Bediensteten wieder. 1932 wurde ein Tiefstand von 376 Mitarbeitern erreicht. In der Aufstellung waren die Mitarbeiterzahlen der städtischen Krankenanstalten nicht berücksichtigt.

94 Vgl. Möckel, Der städtische Fuhrpark, S. 141.

95 Vgl. Möckel, Der städtische Fuhrpark, S. 141.

96 StaK-623, 6965: Beschwerdebrief der Firma Gebrüder Stumm an die Stadtverwaltung Koblenz, 23. Juli 1919.

97 Vgl. Möckel, Der städtische Fuhrpark, S. 141.

98 StaK-623, 3817, S. 120 ff.: Sonderdruck über das Gerät „Iltis“ und Ratsbeschluss vom 29. Januar 1929.

99 Die folgenden Angaben basieren auf Angaben des früheren Betriebsleiters, Dipl.-Ing. (FH) Ferdinand Leins, vom Oktober 2007.

100 Vgl. Beiblatt zur Coblenzer Zeitung vom 28. Januar 1875: Bericht über die Sitzung des Naturwissenschaftlichen Vereins, 26. Januar 1875.

101 Vgl. Bericht über die Verwaltung 1889/90, S. 48.

102 Vgl. Krabbe, Kommunalpolitik, S. 36.

103 Vgl. Krabbe, Kommunalpolitik, S. 36.

104 Vgl. Krabbe, Kommunalpolitik, S. 36 f.

105 Vgl. Krabbe, Kommunalpolitik, S. 37.

106 Vgl. Hösel, Unser Abfall, S. 152.

107 Die Grundstücke werden in den Akten nicht näher bezeichnet. Ein undatierter Lageplan spricht allerdings dafür, dass sich eines dieser Grundstücke auf dem Gelände des Hohenfelder Hauses befand. Darüber hinaus hatte die Stadt Koblenz bereits Anfang November 1836 ein Grundstück vor dem Weißer Tor angekauft (StaK-623, 416, S. 41: Beleg, 2. November 1836).

108 StaK-623, 4216, S. 112: „Promemoria über Beseitigung gemeinschädlicher Anlagen und über die Erbauung eines Schlachthauses“, 28. November 1865. Die Schrift ging unter anderem an den Koblenzer Oberbürgermeister Hubert-Josef Cadenbach.

109 Stak-623, 4217, S. 13: Brief des Sigismund Ohligschläger an Oberbürgermeister Karl-Heinrich Lottner, 15. November 1883.

110 An gleicher Stelle, am Eingang der Weißer Gasse, befindet sich heute das Stadtbad.

111 Bericht über die Verwaltung 1888/89, S. 49.

112 Bericht über die Verwaltung 1888/89, S. 49.

113 Vgl. Bericht über die Verwaltung 1888/89, S. 49.

114 Dazu: Bodenbach, Hans Joachim, Der Koblenzer Stadtbaurat Friedrich Wilhelm Ludwin Mäckler, in: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur. Neue Folge 11/12, Koblenz 2003, S. 74.

115 Vgl. Bericht über die Verwaltung 1888/89, S. 49.

116 Vgl. Bericht über die Verwaltung 1888/89, S. 49 f.

117 Vgl. Goerke, Heinz, Wohnhygiene im 19. Jahrhundert, in: Artelt, Walter/Edith Heischkel/Gunter Mann/Walter Rüegg (Hg.), Städte-, Wohnungs- und Kleidungshygiene des 19. Jahrhunderts in Deutschland. Vorträge eines Symposiums vom 17. bis 18. Juni 1967 in Frankfurt am Main, Stuttgart 1969, S. 52.

118 Vgl. Krabbe, Kommunalpolitik, S. 37.

119 Vgl. Bericht über die Verwaltung 1888/89, S. 50.

120 Vgl. Bericht über die Verwaltung 1890/91, S. 56.

121 Vgl. Bericht über die Verwaltung 1890/91, S. 56.

122 StaK-623, 4216, S. 27: Aufstellung für das Jahr 1865.

123 Bericht über die Verwaltung 1892/93, S. 83.

124 Vgl. Bericht über die Verwaltung 1892/93, S. 83 f.

125 Bericht über die Verwaltung 1892/93, S. 83.

126 StaK-623, 4111, S. 12: Polizeiverordnung, 3. Februar 1899.

127 StaK-623, 4111, S. 7, §§ 1–6: Ortsstatut, 22. März 1905.

128 StaK-623, 4111, S. 85 ff.: Ortsstatut, 22. Juni 1912. Polizeiverordnung, 2. November 1920.

129 StaK-623, 4111, S. 17: Verordnung Schorlemers, 9. Juli 1907.

130 StaK-623, 4111, S. 69: Polizeiverordnung, 15. April 1909.

131 StaK-623, 4111, S. 2, § 1: Polizeiverordnung, 29. Oktober 1906.

132 Freundliche Auskunft von Elisabeth Müller (Jahrgang 1919) am     27. Oktober 2006: Sie badete als Kind in diesem Bereich.

133 Die inoffizielle Badestelle befand sich etwa in Verlängerung der heutigen Ludwig-Erhard-Straße (mündliche Auskunft von Elisabeth Müller am 27. Oktober 2006).

134 Vgl. Lehnet, Hans/Hans Werner Seul, Von der Fleischhauerzunft zur Fleischerinnung. Die Koblenzer Fleischerinnung und ihre Geschichte im Überblick, Koblenz 2006.

135 Vgl. Lehnet, Fleischhauerzunft, S. 92 f.

136 Vgl. Lehnet, Fleischhauerzunft, S. 94 ff.

137 Vgl. Bär, Geschichte Koblenz, S. 279.

138  Das hat Anne Hardy in ihrer Dissertation durch ihre Untersuchung der technischen Entwicklungen und der Debatten der in den deutschen Staaten führenden Hygieniker nachgewiesen (vgl. Hardy, Anne, Ärzte, Ingenieure und städtische Gesundheit. Medizinische Theorien in der Hygienebewegung des 19. Jahrhunderts, Frankfurt/New York 2005).

139 Dazu grundsätzlich: Zerrath, Nicole, Die Einführung der modernen Kanalisation in Rastatt. Hausarbeit zur Erlangung des Magistergrades der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften der Universität Karlsruhe, Karlsruhe 1997 [masch.],

140 Vgl. Zerrath, Kanalisation Rastatt, S. 23.

141 Vgl. Zerrath, Kanalisation Rastatt, S. 84.

142 Dazu grundsätzlich: Imhoff Karl/R. Klaus, Taschenbuch der Stadtentwässerung. 30. verb. Aufl., München 2007, S. 10 ff.

143 Vgl. Will, Gerhard, Der Wandel in der Abwasser- und Trinkwasserhygiene der Stadt Erlangen von den Anfängen im 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Med. Diss., Erlangen 1986, S. 7.

144 Vgl. Hösel, Unser Abfall, S. 144.

145 Über die Entwicklung von Wasserklosetts und Urinalen: Möllring, Bettina, Toiletten und Urinale für Frauen und Männer. Die Gestaltung von Sanitärobjekten und ihre Verwendung in öffentlichen und privaten Bereichen. Diss. Fakultät Bildende Kunst, Universität der Bildenden Künste Berlin, Berlin 2003. URL: http://edocs.tu-berlin.de/diss_udk/ 2004/ moellring_bettina.pdf (Zugriff am 18. April 2007).

146 Vgl. Hardy, Ärzte, S. 104 und 298. In die neue Londoner Schwemmkanalisation waren rund vier Millionen Pfund investiert worden.

147 Vgl. Hardy, Ärzte, S. 275.

148 Vgl. Lange, Jörg, Zur Geschichte des Gewässerschutzes am Ober- und Hochrhein. Eine Fallstudie zur Umwelt- und Biologiegeschichte. Diss. Freiburg 2002. URL: http://www. freidok.uni-freiburg.de/volltex-te/635/pdf/dissjoerglange.pdf> (Zugriff am 15. Januar 2007), S. 125.

149 Vgl. Lange, Geschichte, S. 29 ff.

150 Vgl. Zerrath, Kanalisation Rastatt, S. 13.

151 Bebel, August, Die Frau und der Sozialismus, Stuttgart 1891.  Zitiert nach Brüggemeier, Franz-Josef/Thomas Rommelspacher (Hg.), Besiegte Natur. Geschichte der Umwelt im 19. und  20. Jahrhundert, München 1989, S. 114.

152 Vgl. Illi, Schîssgruob, S. 79 f. und 87.

153 Vgl. Hösel, Unser Abfall, S. 141 ff.

154 Vgl. Hardy, Ärzte, S. 164.

155 Vgl. Lange, Geschichte, S. 58.

156 Vgl. Lange, Geschichte, S. 23.

157 Vgl. Lange, Geschichte, S. 24. Dazu auch: Stalder, Ruth, Von der „Cloakenfrage“ zur Schwemmkanalisation. Die Abwasserentwicklung der Stadt Bern 1850–1900. URL: <http://www.g26.ch/texte_010.html> (Zugriff am 19. April 2007).

158 Vgl. Lange, Geschichte, S. 25.

159 Vgl. Wissing, Wasserreinigung, S. 20.

160 Dazu: Hardy, Ärzte, S. 149 ff.

161 Vgl. Hugo, Die Deutsche Städteverwaltung, S. 65. Carl Hugo Lindemann betont jedoch, dass die Produkte sehr wohl Absatz fanden. Er schreibt aber auch, dass die Erzeugung von landwirtschaftlichen Produkten auf den Rieselfeldern nicht kostendeckend war.

162 Vgl.Wissing, Wasserreinigung, S. 20.

163 Vgl. Salomon, Abwässerbeseitigung, S. 500.

164 Deininger, Städtereinigung, S. 13.

165 Vgl. Deininger, Städtereinigung, S. 22.

166 Brandis G., Über die Beseitigung und Verwerthung städtischer Auswurfstoffe mit besonderem Hinweis auf das System der Druckluft-Gruben [Deutsches Reichspatent], Essen 1894, S. 8.

167 Vgl. Brandis, Beseitigung und Verwerthung, S. 7 f.

168 Brandis, Beseitigung und Verwerthung, S. 10 f.

169 Vgl. Brandis, Beseitigung und Verwerthung, S. 34.

170 Dazu: Landeskonservator Rheinland, Denkmälerverezeichnis 5.1. Düsseldorf Innenstadt. Redaktion: Volker Osteneck und Sonja Schürmann, Köln 1975.

171 Vgl. Rönnebeck, Stadterweiterung und Verkehr im neunzehnten Jahrhundert, Stuttgart/Bern 1971, S. 21.

172 Vgl. Lafrenz, Jürgen, Bewertungszyklen vorindustrieller Stadtgestalt im Industriezeitalter, in: Die Alte Stadt, S. 42.

173 Vgl. Hofmeister, Burkhard, Wilhelminischer Ring und Villenkolonialisierung. Sozioökonomische und planerische Hintergründe simultaner städtebaulicher Prozesse im Großraum Berlin 1860–1920, in: Innerstädtische Differenzierung und Prozesse im 19. und 20. Jahrhundert – geographische und historische Aspekte. Hg. v. Heinz Heineberg, Köln/Wien 1987, S. 105ff. Wurzer, Rudolf, Die Gestaltung der deutschen Stadt im 19. Jahrhundert. Stadtplanung und Baugestaltung im industriellen Zeitalter. Hg. von Ludwig Grote, S. 14.

174 Vgl. Lichtenberger, Elisabeth, Wachstumsprobleme und Planungsstrategien von europäischen Millionenstädten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das Wiener Beispiel, in: Probleme des Städtewesens im industriellen Zeitalter. Hg. von Helmut Jäger, Köln/Wien 1976,      S. 210 f.

175 Die Kölner Stadtentwicklung im 19. Jahrhundert wird dargestellt in: Kier, Hiltrud, Die Kölner Neustadt. Planung, Entstehung, Nutzung, Düsseldorf 1978.

176 Vgl. Breitling, Peter, Die großstädtische Entwicklung Münchens im 19. Jahrhundert, in: Probleme des Städtewesens im industriellen Zeitalter. Hg. von Helmut Jäger, Köln/Wien 1978, S. 180 ff.

177 Vgl. Grunsky, Eberhard/Volker Osteneck, Die Bonner Südstadt, Köln 1976, S. 5 ff.

178 Vgl. Reck, Hans-Hermann, Die Stadterweiterung Triers. Planung und Baugeschichte von Beginn der preußischen Zeit bis zu Ende des Ersten Weltkrieges (1815–1918), Trier 1990, S. 42 f., 47 und 457.

179 Dazu: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz. Hg. im Auftrag des Landesamtes für Denkmalpflege, Bd. 2.2. Stadt Mainz/Altstadt. Bearb. von Erwin Wagner unter Mitwirkung von Hans Caspary u.a., Düsseldorf 1988, S. 38 ff.    

180 Vgl. URL: <http://www.socialpolitik.org> (Zugriff am 10. Januar 2007): Der Verein für Socialpolitik ist mit 3400 persönlichen und       48 korporativen Mitgliedern die größte Vereinigung von Wirtschaftswissenschaftlern im deutschsprachigen Raum.

181 Vgl. Teuteberg, Hans-Jürgen/Clemens Wischermann (Hg.), Wohnalltag in Deutschland (1850–1914). Bilder, Daten, Dokumente, Münster 1985, S. 366. Teuteberg, Hans-Jürgen, Die Debatte der deutschen Nationalökonomie im Verein für Socialpolitik über die Ursachen der „Wohnungsfrage“ und die Steuerungsmittel einer Wohnungsreform im späten 19. Jahrhundert, in: Teuteberg, Hans-Jürgen (Hg.), Stadtwachstum, Industrialisierung, sozialer Wandel. Beiträge zur Erforschung der Urbanisierung im 19. Jahrhundert, Berlin 1986, S. 14 und 29.

182 Vgl. Vogt, Ulrike, Preußische Staatsbauten in Koblenz einschließlich der Festungsbauten von 1815–1914. Diss., Aachen 1987, S. 112.

183 Vgl. Johnen, Brigitta, Der Stadtteil Koblenz-Lützel unter besonderer Berücksichtigung seines Funktions- und Strukturwandels in der Zeit von 1890 bis heute. Zulassungsarbeit, o. O. 1976 [masch.], S. 78.

184 StaK-623, 4241, S. 21–27: Schreiben der Kommandantur Koblenz-Ehrenbreitstein an die Regierung in Koblenz vom 12. August 1865.

185 StaK-623, 2191, S. 118–126: Der Entwurf für die Eingabe wurde am 10. Januar 1866 in der Stadtverordneten-Versammlung erörtert.

186 Die Bahnstrecke Koblenz–Trier war 1878 fertiggestellt.

187 GeStA, 77, 3572, 20, Bd. 1, Blatt 6–9: Schreiben der Koblenzer Regierung an den Kriegsminister Albrecht Graf von Roon, den Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten, Heinrich Graf von Itzenplitz, und den Innenminister Friedrich Graf zu Eulenberg.

188 GeStA, 77, 3572, 20, Bd. 1, Blatt 3 ff.: Schreiben des Oberpräsidiums der Rheinprovinz an das Kriegs- und das  Innenministerium in Berlin vom 26. März 1873.

189 GeStA, 77, 3572, 20, Bd. 1, Blatt 1: Votum des Kriegsministers vom 13. September 1873 zu den Eingaben der Koblenzer Regierung und des Oberpräsidiums der Rheinprovinz. Graf von Roon schätzte die Kosten der Stadterweiterung auf eine Million Taler.

190 LHA, 403, 11386, S. 107–109. GeStA, 77, 3572, 20, Bd. 1, Blatt 33: Brief der beiden Ministerien vom 6. Oktober 1874. 

 

191 Den Wortlaut des Reichsgesetzes über die „Beschränkung des Grundeigenthums in der Umgebung von Festungen“ vom 21. Dezember 1871 bringt: Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten 1806 bis 1874. Chronologische Zusammenstellung der in der Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten für die Jahre 1806 bis 1974 enthaltenen Gesetze, Verordnungen, Kabinetts-Ordres, Erlasse, Publikanden und Bekanntmachungen. Mit vollständigem Sach-Register. 5 Bde., Berlin 1875 Bd. 5, S. 81ff.

192 Vgl. Hartog, Stadterweiterungen, S. 29.

193 Vgl. Reulecke, Urbanisierung, S. 53.

194 Vgl. Alexander-Katz, Paul, Über preußisches Fluchtlinienrecht, in: Städtebauliche Vorträge 1.7, Berlin 1911, S. 8 und 10 f. 

195 Falls die Ortspolizeibehörde nicht zustimmte, konnte sich die Gemeinde an den Kreisausschuss beziehungsweise an den Bezirksausschuss wenden. Im Falle von Koblenz als Stadt mit über 10.000 Einwohnern war der Bezirksausschuss zuständig.

196 Der Einspruch einer Behörde konnte zum Beispiel dann erfolgen, wenn der Fluchtlinienplan Festungsgelände betraf.

197 Vgl. Alexander-Katz, Fluchtlinienrecht, S. 13 und 17 ff.

198 Vgl. Alexander-Katz, Fluchtlinienrecht, S. 23 und 28.

199 Vgl. Coblenzer Volkszeitung vom 17. April 1880.

200 StaK, KH-5: „Das Gesetz vom 2. Juli 1875, seine Tragweite und seine Folgen“. Undatierter Aufsatz ohne Autorenangabe, S. 12. Coblenzer Volkszeitung, 10. April 1880.

201 Vgl. Coblenzer Volkszeitung, 10. April 1880.

202 StaK, KH-5: Ortsstatut vom 17. Juli 1878, S. 1 ff. Coblenzer Volkszeitung vom 17. April sowie 8., 15. und 16. Mai 1880. 

203 StaK, KH-5: „Das Gesetz vom 2. Juli 1875, seine Tragweite und seine Folgen“, S. 9. 

204 StaK, KH-5: „Das Gesetz vom 2. Juli 1875, seine Tragweite und seine Folgen“, S. 15.

205 StaK, KH-5: „Das Gesetz vom 2. Juli 1875, seine Tragweite und seine Folgen“, S. 16.

206 Vgl. Coblenzer Volkszeitung vom 6. Mai 1877.

207 Vgl. Coblenzer Volkszeitung vom 6. Mai 1877.

208 Vgl. Jahresbericht der Handelskammer 1882, S. 9: Gemeint ist die Eingabe vom 10. Januar 1883.

209 Jahresbericht der Handelskammer 1883, S. 8.

210 Vgl. Denkmaltopographie 3.2, S. 14.

211 Vgl. Jahresbericht der Handelskammer 1888, S. 12.

212 Vgl. Coblenzer General-Anzeiger vom 7. Juni 1888.

213 Vgl. Coblenzer General-Anzeiger vom 10. Juni 1888. Den Durchbruch bezahlte der Staat.

214 Vgl. Coblenzer General-Anzeiger vom 26. Juni 1888.

215 Vgl. Bär, Geschichte Koblenz, S. 168 f.

216 Vgl. Coblenzer General-Anzeiger vom 23. März 1890.

217 Jahresbericht der Handelskammer 1891, S. 7.

218 Vgl. Bär, Geschichte Koblenz, S. 170 f.

219 Vgl. Bär, Geschichte Koblenz, S. 171.

220 Vgl. Coblenzer General-Anzeiger, 1. Juli 1891.

221 URL: http://www.koblenz.de/bilder/Statistik/Bevoelkerung/infoblatt

_16_2007.pdf> (Zugriff am 19. April 2007).

222 Bericht über die Verwaltung 1900, S. 20.

223Vg. URL:  http://www.koblenz.de/bilder/Statistik/Bevoelkerung/infoblatt_16_2007.pdf> (Zugriff am 19. April 2007).

224 Dazu: Schmidt, Hans Josef, die Eingliederung neuer Stadtteile, in: Geschichte der Stadt Koblenz, Band 2. Hg. von der Energieversorgung Mittelrhein, Stuttgart 1993, S. 238 ff.

225 Vgl. Schmidt, Eingliederung, S. 247 f.

226 Dazu: Kleber, Hans-Peter, Vom Dorf zum Industriestandort, in: Metternich im Spiegel der Jahrhunderte. Beiträge zur Ortsgeschichte. Hg. von den Heimatfreunden Metternich, Koblenz 2002, S. 277–311.

227URL: <http://www.koblenz.de/bilder/Statistik/Bevoelkerung/infoblatt_16_2007.pdf> (Zugriff am 18. April 2007).

228 Vgl. Schmidt, Eingliederung, S. 249.

229Zwischen 1967 und 1978 reduzierten die westdeutschen Länder die Zahl ihrer Gemeinden. Dies wurde teils durch Vereinbarungen zwischen den Gemeinden auf freiwilliger Basis,  teils durch Hoheitsakte erreicht.  Vor der Reform gab es in der Bundesrepublik etwa 24.000 Gemeinden, von denen 10.760 weniger als 500 Einwohner hatten, sowie 139 kreisfreie Städte und 425 Kreise. Nach der Reform blieben in den alten Bundesländern 8505 Gemeinden, 91 kreisfreie Städte und 237 Kreise übrig. In Rheinland-Pfalz wurde die Gebietsreform zwischen dem 7. Juni 1969 und dem 16. März 1974 in mehreren Schritten vollzogen.  Dabei reduzierte sich die Anzahl der Landkreise von 39 auf 24. Darüber hinaus wurden die Verbandsgemeinden eingeführt. Das Koblenzer Beispiel zeigt, dass die Eingemeindungen trotz aller Widerstände nicht nur sinnvoll, sondern auch notwendig waren. Die meisten ehemals selbstständigen Orte waren so finanzschwach, dass sie die großen infrastrukturellen Aufgaben niemals hätten allein bewätigen können.

230 Vgl. URL: http://www.koblenz.de/verwaltung_politik/k10stat_sta-tistische_ informationen.html (Zugriff am 11. November 2007).

 

231 StaK, KH-133: Bericht des Ingenieurs André über die Canalisation der Stadt Coblenz, Koblenz 1889, S. 1. Der Bericht ist auch in StaK-623, Nr. 5886 enthalten.

232 Für folgende Angaben vom 13. März 2007 danken wir Paul-Günter Schulte vom Stadtarchiv Krefeld: Adolf André wurde am 6. August 1846 in Offenbach geboren und meldete sich nach einer „Zwischenstation“ in Bocklum am 18. Dezember 1877 nach Krefeld. Ein Jahr später wurde sein Sohn Friedrich Ludwig geboren. Verheiratet war André mit Mathilde Henriette Auguste Goeker aus Wesel. Am 23. Juni 1892 zog Adolf André nach Koblenz.

233 StaK, KH-133: Bericht des Ingenieurs André, S. 8.

234 StaK, KH-133: Bericht des Ingenieurs André, S. 2.

235 StaK, KH-133: Bericht des Ingenieurs André, S. 2.

236 StaK, KH-133: Bericht des Ingenieurs André, S. 3.

237 StaK, KH-133: Bericht des Ingenieurs André, S. 3.

238 StaK, KH-133: Bericht des Ingenieurs André, S. 3.

239 StaK, KH-133: Bericht des Ingenieurs André. Handschriftliches Beiblatt des Oberbürgermeisters Emil Schüller.

240 StaK, KH-133: Bericht des Ingenieurs André, S. 4.

241 Heute werden aus reinigungstechnischen Gründen die Kanäle in der  Regel mit einem Mindestdurchmesser von 300 Millimetern verlegt. Das Gefälle soll hier nicht flacher als 1:200 (bei 400 Millimeter 1:300 usw.) sein. Die Anschlüsse für Abläufe und Gebäude haben in der Regel einen Durchmesser von 150 Millimeter und sollten nicht flacher als 1:50 verlegt werden. Wenn diese Regeln eingehalten werden, ist auch bei Trockenwetter eine ausreichende Wassertiefe und Fließgeschwindigkeit   zu erwarten, so dass mit einem reibungslosen Betrieb gerechnet werden kann. Sonderprofile, das waren zum Beispiel lange Zeit die im 19. Jahrhundert in England entwickelten Eiprofile, verwendet man, um den Wasserspiegel in den unteren kleineren Querschnitt bei Trockenwetter zu erhöhen und damit auch die Fließgeschwindigkeit und die Schleppkraft. Als Material verwendet man Steinzeug, Kunststoff, Stahlbeton, Ortbeton und duktilen (verformbaren) Guss – je nach den Erfordernissen des entsprechenden Kanalabschnitts.

242 StaK, KH-133: Bericht des Ingenieurs André, S. 5.

243 StaK, KH-133: Bericht des Ingenieurs André, S. 5.

244 StaK, KH-133: Bericht des Ingenieurs André, S. 5.

245 StaK, KH-133: Bericht des Ingenieurs André, S. 6.

246 StaK, KH-133: Bericht des Ingenieurs André, S. 6.

247 StaK, KH-133: Bericht des Ingenieurs André, S. 6.

248 StaK, KH-133: Bericht des Ingenieurs André, S. 6.

249 StaK, KH-133: Bericht des Ingenieurs André, S. 7.

250 StaK, KH-133: Bericht des Ingenieurs André, S. 7.

251 Vgl. Salomon, Abwässerbeseitigung, S. 83.

252 Vgl. Salomon, Abwässerbeseitigung, S. 83 f.

253 Vgl. Konold, Wasser als Lebensgrundlage, S. 296: In Berlin waren bereits 1873 Rieselfelder angelegt worden. Freiburg folgte 1889, Dortmund 1899.

254 Vgl. Brix, Stadtentwässerung, Bd. 1, S. 498.

255 Bericht über die Verwaltung 1891/1892, S. 17 f. Bericht über die Verwaltung 1892/93, S. 14 f.: Die Königliche Regierung (Bezirksregierung) erteilte ihre Genehmigung am 16. Januar 1892.

256 GeStA, Rep. 76 VIII A, 2858, Blatt 129 r.

257 Vgl. Bauer, Im Bauch, S. 173.

258 Vgl. Hardy, Ärzte, S. 23: Georg Varrentrapp und Alexander Spieß zählten zu den Gründern des Deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege (DVöG).

259 Vgl. Bauer, Im  Bauch, S. 197.

260 Vgl. Bericht über die Verwaltung 1892/93, S. 14.

261 Vgl. Bericht über die Verwaltung 1892/93, S. 15.

262 Vgl. Bericht über die Verwaltung 1892/93, S. 15.

263 Vgl. Bericht über die Verwaltung 1892/93, S. 15.

264 Vgl. Bericht über die Verwaltung 1893/94, S. 24.

265 Die Balduinstraße wurde 1944/45 vollständig zerstört und später überbaut. Auf ihrem Areal befinden sich heute die Tiefgarage des Schängel-Centers und ein Teil der Rathauspassage.

266 Vgl. Bericht über die Verwaltung 1894/95, S. 22 f.

267 Vgl. Bericht über die Verwaltung 1894/95, S. 23.

268 Vgl. Bericht über die Verwaltung 1894/95, S. 23.

269 Vgl. Bericht über die Verwaltung 1894/95, S. 24.

270 Dieser Bereich wurde infolge der Kriegszerstörungen und der „autogerechten“ Nachkriegsbaumaßnahmen der 1960er- und 1970er-Jahre komplett verändert.

 

271 Vgl. Bericht über die Verwaltung 1894/95, S. 23.

272 Seit 1898 entsprach das Berichtsjahr der Stadt dem Kalenderjahr.

273 Vgl. Bericht über die Verwaltung 1898, S. 34.

274 StaK-623, 7264, S. 258: Protokoll der Sitzung der Koblenzer Stadtverordneten, 17. August 1904 (Auszug).

275 Quelle: Brix, Stadtentwässerung, Bd. 1, S. 499. Die Informationen basieren auf den damaligen Angaben des städtischen Tiefbauamtes.

276 Vgl. Salomon, Abwässerbeseitigung, S. 85.

277 Vgl. Brix, Stadtentwässerung, Bd. 1, S. 500.

278 Vgl. Brix, Stadtentwässerung, Bd. 1, S. 499.

279 Vgl. Salomon, Abwässerbeseitigung, S. 85 ff.

280 StaK-623, 5886, S. 1, 20 ff. und 39: Die Forderung der Karlsruher Versorungsanstalt ging am 9. Juli 1924 in das Eigentum der Schweizerischen Eidgenossenschaft (Bern) über.

281 Vgl. Salomon, Abwässerbeseitigung, S. 86.

282 Vgl. Bericht über die Verwaltung 1898, S. 34.

283 Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal wurde erst am 31. August 1897 feierlich eingeweiht. Kaiser Wilhelm II. war dabei persönlich anwesend.

284 Vgl. Bericht über die Verwaltung 1898, S. 35.

285 Vgl. Bericht über die Verwaltung 1898, S. 35.

286 Vgl. Bericht über die Verwaltung 1898, S. 34 f.

287 Dazu: StaK-623, 7264, S. 456.

288 StaK-623, 3817, S. 372: Hausmitteilung Hochbauamt Koblenz an Tiefbauamt, 4. Mai  1928.

289 Vgl. Brix, Stadtentwässerung, Bd. 1, S. 497. Alle Angaben bauen auf den Angaben des Standardwerks zur Abwasserbeseitigung von Hermann Salomon auf, wurden aber entsprechend dem Wachstum der Stadt aktualisiert.

290 StaK-623, 5798, S. 272: Werbedruck, undatiert (um 1909). Als Besitzer des Augusta-Bades zeichnete M. Limberger verantwortlich.

291 StaK-623, 5798, S. 10: Genehmigung für den Schankbetrieb im Residenzbad, 13. Januar 1902.

292 StaK-623, 5782, S. 1: Aufstellung und Öffnungszeiten, März 1907.

293 StaK-623, 5782, S. 1: Beschluss des Gas- und Wasserwerks-Ausschusses über die Öffnungszeiten, 23. Februar 1907. Das Residenzbad wurde 1944 vollständig zerstört.

294 StaK-623, 4856, S. 8: Requirierungsschein, 24. Dezember 1918. Für diese Nutzung erhielt die Stadt aus der Reichskasse eine Entschädigung, die allerdings nicht zur Deckung der Betriebskosten ausreichte.

295 Stak-623, 4856, S. 36: Mitteilung der Reichsvermögensverwaltung an die Stadtverwaltung, 26. Juli 1921.

296 Vgl. Brix, Stadtentwässerung, Bd. 1, S. 499.

297 Vgl. Brix, Stadtentwässerung, Bd. 1, S. 500.

298 StaK-623, 7264, S. 481: Mitteilung des Bauamtes an Oberbürgermeister Karl Ortmann über den Stand der Planungen, 10. April 1909. Handlungsbedarf bestand vor allem wegen der Inbetriebnahme des neuen Lehrerinnenseminars (bis November 2008 Übergangscampus der Fachhochschule Koblenz).

299 Vgl. Brix, Stadtentwässerung, Bd. 1, S. 500.

300 Vgl. Brix, Stadtentwässerung, Bd. 1, S. 500.

301 StaK-623, 8097, S. 254: Erläuterungsbericht, 31. August 1933.

302 StaK-623, 8181: Antrag der Stadt Koblenz, 3. November 1939.

303 LHA-441, 13299, S. 5: Auszug aus dem Sanitätsbericht des Kreisphysikus Dr. Schulz für das 1. Quartal 1887 vom 24. April 1887.

304 StaK-655,10, 670: Erklärung der Anlieger, 23. Mai 1849.

305 StaK-655,10, 670: Schreiben von Anliegern an den Bürgermeister von Eyß, 12. Juli 1849.

306 LHA-441, 17150: Bürgermeisteramt Ehrenbreitstein an das Königliche Landratsamt, 19. Dezember 1887. Unterschrift Bürgermeister Kruft.

307 LHA-441, 17150: Polizeiverordnung, 12. Juni 1885.

308 LHA-441, 17150: Abschrift der Ergebnisse eines Ortstermins, verhandelt am 28. Juni 1887.

309 Der anonyme Autor bezieht sich auf die Cholera-Katastrophe vom Oktober 1896 in den Gemeinden Gonsenheim und Finthen. Allein in Gonsenheim waren mehr als 200 Menschen ums Leben gekommen. Dazu: Müller, Hermann Dieter, Die Cholera in Gonsenheim und Finthen im Herbst 1896, in: Jahrbuch zur Gonsenheimer Geschichte 6/1998. Hg. v. Heimat- und Geschichtsverein Gonsenheim, Gonsenheim 1998, S. 37–48. Zur Erinnerung: Die wohl verheerendste Typhusepidemie am Rhein hatte sich 1813/1814 beim Rückzug französischer Truppen nach Mainz ereignet. Die Soldaten hatten sich nach der Niederlage bei der Völkerschlacht von Leipzig bereits mit Fleckfieber infiziert und danach mit Typhus. In Mainz starben schließlich bis zu 18.000 Soldaten und 2500 Zivilisten.

310 LHA-441, 17150:  Ausschnitt aus der Frankfurter Zeitung (Abendblatt), 17. November 1886. Anonyme Zuschrift.

311 LHA-441, 17150:  General-Anzeiger für Coblenz, Neuwied und Umgegend, 28. November1886 (Ausschnitt).

312 LHA-441, 17150:  Gutachten von Prof. Dr. Holdefleiß  aus Breslau vom 19. Juli 1890.

313 Vgl. Salomon, Abwässerbeseitigung, S. 147 ff.

314 Vgl. Salomon, Abwässerbeseitigung, S. 147.

315 Vgl. Salomon, Abwässerbeseitigung, S. 147.

316 Vgl. Salomon, Abwässerbeseitigung, S. 148.

317 Vgl. Salomon, Abwässerbeseitigung, S. 148.

318 Vgl. Schwickerath, Philippsburg, S. 131 und 158. Zu den Kanalisierungsmaßnahmen der jüngeren Vergangenheit vgl. Teil 7.

319 Vgl. Bernhardt, Christoph, Die Vertreibung des Wassers aus der Stadt und der Planung. Zur Hygienisierung der öffentlichen Räume im 19. Jahrhundert am Beispiel Berlins, in: Bernhardt, Christoph/Gerhard Fehl/Gerd Kuhn/Ursula von Petz (Hg.), Geschichte der Planung des öffentlichen Raums, Dortmund 2005, S. 71 f. und 82.

320 StaK-655,10, 860: Bericht der Bürgermeisterei Ehrenbreitstein für das dritte Quartal 1900, 19. September 1900.

321 StaK-655,10, 860: Bericht der Bürgermeisterei Ehrenbreitstein für das erste und zweite Quartal 1901, 19. März bzw. 19. Juni 1901.

322 StaK-655,10, 860: Bericht der Bürgermeisterei Ehrenbreitstein für das erste Quartal 1902, 19. März 1902.

323 StaK-655,10, 860: Bericht der Bürgermeisterei Ehrenbreitstein für das erste Quartal 1903, 19. März 1903.

324 StaK-655,10, 860: Bericht der Bürgermeisterei Ehrenbreitstein für das erste Quartal 1904, 19. März 1904.

325 StaK-655,10, 860: Bericht der Bürgermeisterei Ehrenbreitstein für das erste Quartal 1907, 17. März 1907.

326 StaK-655,10, 860: Bericht der Bürgermeisterei Ehrenbreitstein für das dritte Quartal 1911, 17. September 1911.

327 Vgl. Tippach, Koblenz, S. 150.

328 Dazu: Schriftverkehr und Beschwerden in StaK-623, 5851.

329 StaK-623, 9276, S. 20: Beschluss vom 10. Februar mit dem Zusatz des Oberbürgermeisters Karl Ortmann, die Arbeiten im Zuge einer eingeschränkten Ausschreibung zu vergeben.

330 StaK, 5851, S. 58 f.: Stellungnahme der Königlichen Regierung zur Beschwerde des Johann Kettemer. Berichterstatter Regierungsrat Braun, 23. März 1915.

331 StaK-623, 5851, S. 1: Mitteilung des Bauamtes an den Koblenzer  Oberbürgermeister Karl Ortmann, 18. April 1912.

332 StaK-623, 5851, S. 3: Beschluss des Bau- und Stadterweiterungsausschusses, 9. Mai 1912.

333 StaK-623, 5851, S. 7: Mitteilung der Polizeidirektion Koblenz an die Stadtverwaltung, 26. Juli 1912.

334 Stak-623, 5851: Abschrift, 6. November 1912.

335 StaK-623, 5851, S. 16: Mitteilung des Tiefbauamtes an Oberbürgermeister Karl Ortmann, Eingang 28. Dezember 1912.

336 StaK-623, 5851, S. 20: Mitteilung des Polizeidirektors, 19. Mai 1913.

337 StaK-623, 5851, S. 29 ff.: Vermerk des Bauamtes, 3. Februar 1912.

338 StaK-623, 5851, S. 31: Vermerk des Bauamtes, 24. April 1914.

339 StaK-623, 5851, S. 31 ff.: Bericht, 8. Juni 1914.

340 StaK-623, 5851, S. 50 f.: Bericht des städtischen Tiefbauamtes vom 28. Juli 1914 über Ortsbesichtigung mit Vertretern der Bezirksregierung Koblenz.

341 StaK-623, 5851, S. 60 ff.: Stellungnahme der Königlichen Regierung zur Beschwerde des Johann Kettemer. Berichterstatter Regierungsrat Braun, 23. März 1915.

342 StaK-623, 5851, S. 64: Stellungnahme der Königlichen Regierung zur Beschwerde des Johann Kettemer. Berichterstatter Regierungsrat Braun, 23. März 1915.

343 StaK-623, 7265, S. 9: Mitteilung des Hochbauamts an Oberbürgermeister Dr. Karl Russell, 6. August 1921.

344 StaK-623,5895, S. 173: Aufstellung, 4.Oktober 1927.

345 StaK-623, 5761, S. 14: Lieferbestätigung, 26. April 1927.

346 Dazu Schriftverkehr in: StaK-623, 5761, S. 41 f. und 91 ff.

347 LHA-539,1, 368: Kostenvoranschlag, 21. Februar 1927.

348 LHA-539,1, 368: Brief des Landrates an den Regierungspräsidenten,    21. August 1928.

349 LHA-539,1, 557: Bericht des Koblenzer Medizinaluntersuchungsamtes, 11. Juni 1929.

350 LHA-539,1, 557: Bericht des  Koblenzer Medizinaluntersuchungsamtes, 11. Juni 1929.

351 Vgl. Rodenstein, Marianne, „Mehr Licht, mehr Luft“. Gesundheitskonzepte im Städtebau seit 1750, Frankfurt/New York 1988, S. 173 f.

352 StaK-623, 8088, S. 166: Antrag der Stadt, 31. Oktober 1927.

353 StaK-623, 7265, S. 625: Ausschnitt aus dem „Coblenzer General-Anzeiger“, 15. Januar 1929.

354 Die Firma Krebs war Rechtsnachfolgerin des Tiefbauunternehmens von Adolf André. Mündliche Auskunft von Ferdinand Leins im November 2007.

355 StaK-623, 8088, S. 195; Antrag der Stadt, 28. November 1927.

356 StaK-623, 7265, S. 483: Vermerk, 1. Juli 1925.

357 StaK-623, 7265, S. 484: Antwort Hans Mohaupts, 17. Juli 1925.

358 Vgl. Verwaltungsbericht 1937, S. 49.

359 Vgl. Verwaltungsbericht 1937, S. 55.

360 Vgl. Verwaltungsbericht 1938, S. 51 und 59.

361 Dazu StaK-623, 2627: Personalakte Hans Mohaupt. Der aus Oldenburg stammende Bauingenieur (Jahrgang 1885) hatte in Braunschweig studiert und war am 2. Juli 1918 in städtische Dienste getreten. Wegen seiner Mitgliedschaft in der NSDAP wurde er am 7. Juni 1945 auf Befehl der US-Militärregierung aus dem öffentlichen Dienst entlassen.

362 StaK, Nr. 8097, S. 234: Erläuterungsbericht, 31. August 1933.

363 StaK, Nr. 8097, S. 238: Erläuterungsbericht, 31. August 1933.

364 StaK, Nr. 8097, S. 241: Erläuterungsbericht, 31. August 1933.

365 StaK, Nr. 8097, S. 244: Erläuterungsbericht, 31. August 1933.

366 StaK, Nr. 8097, S. 247: Erläuterungsbericht, 31. August 1933.

367 StaK, Nr. 8097, S. 249: Erläuterungsbericht, 31. August 1933.

368 StaK, Nr. 8097, S. 252: Erläuterungsbericht, 31. August 1933.

369 StaK, Nr. 8097, S. 252: Erläuterungsbericht, 31. August 1933.

370 Dazu grundsätzlich: StaK-623, 9076.

371 Dazu: Aufmuth, Ulrich, Die deutsche Wandervogelbewegung unter soziologischem Aspekt, Göttingen 1979.

372 Grundlegend zur Geschichte der Lebensreformbewegung:

Krabbe, Wolfgang R., Gesellschaftsveränderung durch Lebensreform. Strukturmerkmale einer sozialreformerischen Bewegung im Deutschland der Industrialisierungsepoche, Göttingen 1974.

373 Vgl. Krabbe, Wolfgang R., Die Lebensreformbewegung, in: Buchholz, Kai/Rita Latocha, Hilke Peckmann, Klaus Wolbert (Hg.), Die Lebensreform. Entwürfe zur Neugestaltung von Leben und Kunst, Bd. 1, Darmstadt 2001, S. 25.

374 Vgl. Buchholz, Kai/Rita Latocha, Hilke Peckmann, Klaus Wolbert (Hg.), Die Lebensreform. Entwürfe zur Neugestaltung von Leben und Kunst. 2 Bde., Darmstadt 2001.

375 Fritzen, Florentine, Die Lebensreformbewegung im 20. Jahrhundert, Stuttgart 2006.

376 Vgl. Büschenfeld, Jürgen, Visionen des Fortschritts: Grenzwerte in der Gewässerschutzdebatte um 1900, in: Dienel, Hans-Liudger (Hg.), Der Optimismus der Ingenieure: Triumph der Technik in der Krise der Moderne um 1900, Stuttgart 1998, S. 79.

377 Über die Gründungsgeschichte: Brand, Heinz-Jürgen, Die „Deutsche Vierteljahresschrift für öffentliche Gesundheitspflege“ in den ersten Jahren ihres Erscheinens (1869–1885) und ihre Bedeutung in der ärztlichen Hygienebewegung am Ende des 19. Jahrhunderts, Berlin 1986, S. 46 ff.

378 Vgl. Büschenfeld, Visionen, S. 81.

379 Vgl. Büschenfeld, Visionen, S. 82.

380 Vgl. Büschenfeld, Visionen, S. 84 ff.; Kloepfer, Umweltrecht, S. 61.

381 Vgl. Büschenfeld, Flüsse und Kloaken, S. 57.

382 Reinhard Baumeister wurde 1895 zum ersten Rektor der Technischen Hochschule Karlsruhe gewählt.

383 Dazu: Höffler, Karl-Heinz, Reinhard Baumeister (1833–1917). Begründer der Wissenschaft vom Städtebau. 2. durchgeseh. Aufl., Karlsruhe 1977.

384 Vgl. Brüggemeier, Industrie-Natur, S. 110 ff.: Die wichtigsten Auszüge aus dem Vortrag von Reinhard Baumeister „Das natürliche Recht auf Wasserverunreinigung“.

385 Baumeister, Reinhard, Städtisches Straßenwesen und Städtereinigung. Handbuch der Baukunde, Berlin 1890, S. 314. Zitiert nach: Höffler, Baumeister, S. 52.

386 Büschenfeld, Flüsse und Kloaken, S. 58.

387 Dazu: Büschenfeld, Flüsse und Kloaken, S. 79 ff.

388 Vgl. Reulecke, Urbanisierung, S. 109 ff.

389 Vgl. Petzina, Dietmar, Kommunale Finanzen und Handlungsspielräume in der Weltwirtschaftskrise: Das Beispiel der Stadt Bochum, in: Teuteberg, Hans-Jürgen (Hg.), Stadtwachstum, Industrialisierung, sozialer Wandel. Beiträge zur Erforschung der Urbanisierung im          19. Jahrhundert, Berlin 1986, S. 232.

390 Vgl. Kocka, Jürgen, Bürgertum und Bürgerlichkeit als Problem der deutschen Geschichte vom späten 18. bis zum frühen 20. Jahrhundert, in: Kocka, Jürgen (Hg.), Bürger und Bürgerlichkeit im 19. Jahrhundert, Göttingen 1987, S. 39.

391 Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, S. 62.

392 Vgl. Büschenfeld, Visionen, S. 87 und 90.

393 Vgl. Schubert, Regierung, S. 94.

394 Vgl. Thill, Hildburg-Helene, Lebensbilder jüdischer Familien

 und Schicksale, Koblenz 1987; S. 203.

395 Vgl. Wissing, Wasserreinigung, S. 15.

396 Vgl. Schubert, Regierung, S. 94 f. Lange, Geschichte, S. 46 ff.

397 Vgl. Schubert, Regierung, S. 94 f.

398 Vgl. Schubert, Regierung, S. 94 f. Thill, Lebensbilder S. 203 f.

399 Vgl. Salomon, Hermann, Über bacteriologische, chemische und physikalische Rheinwasser-Untersuchungen. Vierteljahresheft für gerichtliche Medizin und öffentliches Sanitätswesen, 3. Folge, 21. Suppl. Heft.

400 Vgl. Thill, Lebensbilder, S. 204.

401 Vgl. Brüggemeier, Industrie-Natur, S. 116 ff.

402 Vgl. Schubert, Regierung, S. 95 f.

403 Vgl. Schubert, Regierung, S. 95 f.

404 Vgl. Büschenfeld, Flüsse und Kloaken, S. 71 f.

405 Vgl. Büschenfeld, Flüsse und Kloaken, S. 73.

406 Vgl. Büschenfeld, Flüsse und Kloaken, S. 75 f.

407 Vgl. Wunder, Bernd, Geschichte der Bürokratie in Deutschland,

Frankfurt/Main 1986, S. 70.

408 Tschierschky, S., Die Regelung der Abwasserfrage in den wichtigsten deutschen Bundesstaaten, in: Zeitschrift für die gesamte Wasserwirtschaft für Wassertechnik und Wasserrecht 7/22/1912, S. 445.

409 StaK-623, 3537, S. 18: Aktenvermerk des Koblenzer Tiefbauamtes, 19. Dezember 1917.

410 StaK-623, 3537, S. 21: Verzeichnis des Tiefbauamtes, 11. März 1918.

411 StaK-623, 7264, S. 188: Einladung der Allgemeinen Städtereinigungs-Gesellschaft an die Stadtverordneten vom 28. November 1904, im Raum Berlin entsprechende Referenzobjekte zu besichtigen.

412 Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, S. 63 ff. und 84.

413 Stak-623, 3817, S. 16: Brief des Koblenzer Regierungspräsidenten  Dr. Paul Brandt, 24. Mai 1927.

414 Stak-623, 3817, S. 17: Brief des Koblenzer Regierungspräsidenten   Dr. Paul Brandt, 24. Mai 1927.

415 Vgl. Bauer, Im Bauch, S. 332 f. und S. 341 ff.

416 Vgl. Bauer, Im Bauch, S. 344 ff.

417 Vgl. Münch, Stadthygiene, S. 48.

418 Vgl. Münch, Stadthygiene, S. 48.

419 Vgl. Wissing, Wasserreinigung, S. 35.

420 Vgl. Salomon, Abwässerbeseitigung, S. 501.

421 Vgl. Salomon, Abwässerbeseitigung, S. 502.

422 Vgl. Salomon, Abwässerbeseitigung, S. 501.

423 Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, S. 60.

424 Vgl. Helbing, Heinrich, Emschergenossenschaft und Lippeverband in den Jahren 1925 bis 1930, Essen 1931, S. 16.

425 Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, S. 66 f.

426 Vgl. Helbing, Emschergenossenschaft, S. 3 und 25.

427 Vgl. Wissing, Wasserreinigung, S. 14.

428 Vgl. Paul, Johann, Die Wasserverschmutzung in Köln und Leverkusen im 19. und  20. Jahrhundert, in: Die Alte Stadt 4/1991, S. 386.

429 Vgl. Paul, Rheinverschmutzung, S. 390.

430 Vgl. Münch, Stadthygiene, S. 49.

431 Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, S. 63: Diesen Namen trug die 1901 gegründete Preußische Versuchsanstalt für Wasser- und Bodenhygiene seit 1918.

432 Vgl. Paul, Rheinverschmutzung, S. 393 und 396.

433 Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, S. 63.

434 Vgl. Paul, Rheinverschmutzung, S. 396.

435 Vgl. Paul, Rheinverschmutzung, S. 397 ff.

436StaK-623, 3817, S. 843: Brief der BAMAG-MEGUIN Fabrik Berlin an Oberbürgermeister Rosendahl, 12. Februar 1932. S. 847: Firmenprospekt.

437Prüß, Max, Die wirtschaftliche Bedeutung der Faulgasverwertung bei der Schlammzersetzung. Sonderabdruck aus der Wochenschrift „Gesundheits-Ingenieur“ 1928, Heft 27, München/Berlin 1928 (in StaK-623, 3817, S. 855–861). Prüß, Max, Flachbeckenkläranlagen mit Schlammkratzern. Sonderabdruck aus der Wochenschrift „Gesundheits-Ingenieur“ 1930, Heft 18, München/Berlin 1930 (in StaK-623, 3817,      S. 862–867). Prüß, Max, Über die Entwicklung der neueren Abwasserreinigungsanlagen. Sonderdruck aus dem Jahrbuch der Deutschen Gesellschaft für Bauingenieurwesen 1928 (in StaK-623, 3817,               S. 873–879).

438 Prüß, Entwicklung, S. 878 f. (S. 18 f.).

439 StaK-623, 3817, S. 973 ff.: Brief des Würzburger Diplom-Ingenieurs E. Bundschuh an das Tiefbauamt Koblenz, 25. November 1932.

440 Vgl. Brix, Stadtentwässerung, S. 501.

441 Dazu auch: Petzina, Kommunale Finanzen.

442 Vgl. Münch, Stadthygiene, S. 79.

443 Vgl. Münch, Stadthygiene, S. 81.

444 Vgl. Münch, Stadthygiene, S. 49.

445 Vgl. Verwaltungsbericht 1937, S. 55.

446 Vgl. Verwaltungsbericht 1938, S. 52.

447 StaK-623, 4111, S. 230, § 4: „Ortsstatut betreffend die Nutzung der städtischen Kanäle“ vom 11. April 1894 (Abschrift).

448 StaK-623, 4111, S. 128, §§ 1 und 4: Polizeiverordnung über die Benutzung der städtischen Straßen-Kanäle, 16. August 1930.

449StaK-623, 3817, S. 770: Sonderdruck aus der Essener Allgemeinen Zeitung, 12. August 1931.

450 StaK-623, 4111, S. 123: Polizeiverordnung zur Sicherung des Wasserwerkes Oberwerth vom 29. November 1927.

 

 

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