Dr. Dr. Reinhard Kallenbach | Landeskundliche Forschung
   Dr. Dr. Reinhard Kallenbach | Landeskundliche Forschung

Teil 1

Frühe Geschichte der Stadthygiene aus Koblenzer Sicht

 

1. Der Forschungsstand

 

Als Heide Berndt 1987 die Hygienebewegung des 19. Jahrhunderts als vergessenes Thema der Stadt- und Architektursoziologie darstellte1, war es in der Tat so, dass sich die Summe neuerer Beiträge zur Geschichte der Stadthygiene2 – trotz vielerorts sehr guter Quellenlage – in bescheidenen Dimensionen bewegte. Publikationen wie der von Walter Artelt und anderen 1969 herausgegebene Vortragsband zur Städte-, Wohnungs- und Kleiderhygiene des 19. Jahrhunderts zählten zu den Ausnahmen.3 Freilich gilt diese Aussage nur für die historische Forschung in den vier Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg. Bis weit in die 1930er-Jahre hinein war Hygiene in den unterschiedlichsten Disziplinen ein beliebtes Thema, das erst seit wenigen Jahren in der deutschen historischen Forschung eine Renaissance erlebt. Es waren zunächst ausländische Historiker, die entscheidende Impulse gaben. Besonders in Paris – dort trat bereits 1794 Jean-Noël Hallé sein Amt als Inhaber des ersten französischen Lehrstuhls für Hygiene an – reicht die hygienegeschichtliche Tradition wesentlich weiter zurück. Das liegt sicherlich auch daran, dass in Deutschland dieser Disziplin lange der Makel der Ideologisierung in der NS-Zeit anhaftete. Der Pariser Professor Georges Vigarello konnte ebenso wie „Geruchs-Historiker“ Alain Corbin4 aus dem Vollen schöpfen. Ergebnis: sein Ende der 1980er-Jahre erschienenes Standardwerk „Wasser und Seife, Puder und Parfüm“, das 1992 auch in Deutschland weite Verbreitung fand.5 Eine noch weit größere Wirkung hatten die Forschungen des Londoner Professors Richard J. Evans, der mit seiner 1990 veröffentlichten Monografie über die Cholera-Katastrophe von 1892 „Der Tod in Hamburg“ eine regelrechte Welle der Begeisterung für einen neuen Bereich der Wirtschafts- und Sozialgeschichte auslöste  und gleichzeitig seinen deutschen Kollegen signalisierte, dass Forschungsergebnisse durchaus in Form eines spannenden Buches präsentiert werden können.6 Allerdings war zu dieser Zeit auch in Deutschland die Diskussion um das Thema „Stadt und Gesundheit“ schon seit einiger Zeit in vollem Gange, wie zum Beispiel die gleichnamige Sammlung von wissenschaftlichen Aufsätzen zeigt.7 Und: Der strukturelle und rechtliche Wandel in den deutschen Städten des 19. Jahrhunderts ist seit den 1960er-Jahren ein großes Thema. Neben Untersuchungen über die gesellschaftlichen Veränderungen im Rahmen der Bürgertumsforschung8 sind dies Studien über die Veränderungen in der kommunalen Administration zur „kommunalen Leistungsverwaltung“, wie es Hendrik Gröttrup in seiner überwiegend verwaltungsrechtlich orientierten Schrift bereits 1973 formulierte.9 In diesem Zusammenhang seien der von Lothar Gall herausgegebene Band über das städtische Bürgertum10 und Wolfgang Krabbes Habilitationsschrift genannt. Der Historiker thematisiert am Beispiel der Städte Dortmund und Münster auch die Themen Wasserversorgung und Kanalisation.11

 

Die „deutsche Antwort“ auf Richard J. Evans gab Olaf Briese 2003 mit seiner Habilitationsschrift „Angst in den Zeiten der Cholera“.12 Die kultur- und sozialgeschichtlich ausgelegte Tetralogie beinhaltet neben der klassischen Darstellung auch drei Quellenbände. In seiner auch stilistisch herausragenden Analyse legt Olaf Briese den Schwerpunkt auf die erste Choleraepidemie, die ab 1830 Europa mit Angst und Schrecken erfüllte. Die weiteren Wellen der oft tödlich verlaufenden Infektionskrankheit werden dagegen weniger intensiv behandelt, was Christoph Gradmann in seiner Rezension bemängelt. Ein weiterer Kritikpunkt des Heidelberger Medizinhistorikers, der zwei Jahre später selbst ein Werk über Robert Koch publizierte13: Der berühmte deutsche Bakteriologe nehme in der Arbeit Brieses „monumentale Züge“ an.14 Das zunehmende allgemeine Interesse für Medizin- und Technikgeschichte bewirkte ein rapides Ansteigen der Publikationen seit den frühen 1990er-Jahren. Wie die Dissertation von Jürgen Büschenfeld zeigt, spielt dabei auch die Entwicklung des Umweltschutzes eine wichtige Rolle.15 Es liegt in der Natur der Sache, dass bei den Untersuchungen zunächst die Städte von europäischer Bedeutung im Mittelpunkt standen. Die Geschichte von Kanalisation, Trinkwasserversorgung und Krankenhauswesen in Großstädten wie Berlin, Frankfurt, Hamburg und München sind heute bestens erforscht, zumal die Darstellung im großen hygienegeschichtlichen Kontext erfolgt. Für diesen Ansatz steht exemplarisch Thomas Bauers Dissertation über die Frankfurter Kanalisation von 1996.16 Die meisten Studien haben gemeinsam, dass der Schwerpunkt auf den Entwicklungen bis zum Ende des Ersten Weltkrieges liegt. In den Publikationen, in denen kleinere Städte und Gemeinden im Mittelpunkt stehen, ist das anders. Kein Wunder: Oft wurden diese Beiträge von regionalen Versorgungs- und Entsorgungsunternehmen initiiert oder sogar in Auftrag gegeben, wie es sich vor allem am Züricher Beispiel vorbildlich zeigt.17 Die Folgen sind durchaus positiv: Historiker entdecken die Technik, Ingenieure und Naturwissenschaftler die Geschichtswissenschaften. Ein besonders gelungenes Beispiel ist die 2002 an der Freiburger Fakultät für Biologie eingereichte Dissertation von Jörg Lange über die Geschichte des Gewässerschutzes am Ober- und Hochrhein18, die eben nicht nur aktuelle Probleme des Umweltschutzes im Blick hat, sondern die Entwicklungen bis ins Mittelalter zurückverfolgt. Jörg Langes Studie nimmt vieles vorweg, was Anne Hardy in ihrer in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung19 gelobten Darmstädter Dissertation ausführt.20 Dennoch sollte die von Anne Hardy 2005 veröffentlichte Arbeit als ein bedeutender Beitrag zur hygienegeschichtlichen Forschung bewertet werden, beruht sie doch auf einer gründlichen Auswertung der großen Hygienedebatten des 19. Jahrhunderts mithilfe der zahlreichen Beiträge in den Fachzeitschriften jener Zeit. Dabei macht die Historikerin nicht den Fehler, die technischen Entwicklungen außer Acht zu lassen. Im Gegenteil: Trinkwasser und Abwasser sind für Anne Hardy ebenso Thema wie die Errichtung von Schlachthöfen oder Desinfektionanstalten. Und schließlich werden die Reformen im Wohnungsbau untersucht. Da die Studie das ganze Reichsgebiet betrifft und auch die europäischen Zusammenhänge nicht vernachlässigt, ist sie eine wichtige Hilfe bei der Einordnung regional ausgerichteter Untersuchungen in den Gesamtkontext.

 

Außerdem gelingt Anne Hardy der Nachweis, dass die Hygienebewegung die „Assanierung“ in den Städten zwar beschleunigt, nicht aber ausgelöst hat (was sich auch am Koblenzer Beispiel gut belegen lässt). Jörg Vögel bezweifelte jedoch, dass diese Erkenntnis wirklich neu ist. In seiner Rezension spricht er von einer „holzschnittartigen“ Abarbeitung und betont, dass ebendiese Sichtweise schon seit längerer Zeit in der Forschung etabliert sei.21 Exemplarisch verweist Jörg Vögele auf die älteren Arbeiten von Reinhard Spree22 und Paul Weindling23.

 

Dennoch: Die Zahl der Arbeiten, die sich mit der „Assanierung“ deutscher und europäischer Städte auseinandersetzen, dürfte – motiviert durch Untersuchungen wie die von Anne Hardy – in den nächsten Jahren noch steigen, zumal das Interesse an Umweltgeschichte stark gestiegen ist. Das dokumentiert sich ebenfalls in der Einrichtung des Graduiertenkollegs „Interdisziplinäre Umweltgeschichte“ an der Universität Göttingen.24

 

Im Zuge der Neuentdeckung der Alltagsgeschichte hat sich auch die medizinhistorische Forschung verändert. Standen früher Mediziner und ihre bahnbrechenden Entdeckungen im Mittelpunkt, rücken seit den 1980er-Jahren zunehmend die sozialgeschichtlichen Zusammenhänge ins Blickfeld. Man spricht jetzt auch über die so genannte „Medikalisierung“ als Spezialdisziplin der Sozialgeschichte. Der Begriff steht ursprünglich für einen gesellschaftlichen Prozess, in dem sich die akademische Heilkunde am Ende durchgesetzt hat. Francisca Loetz hat die neueren Forschungsansätze in ihrer Dissertation am Beispiel von Baden aufgezeigt.25 Sie liefert auch die Argumente, die für Jörg Vögeles Kritik sprechen: Francisca Loetz relativiert den Einfluss wissenschaftlicher Kontroversen auf den damaligen „Versorgungsalltag“ und stellt die Handelnden nicht als Träger bestimmter medizinischer Lehren vor, sondern ihr „Leistungsangebot“.26

 

In Koblenz wurde erfreulich früh damit begonnen, die Entwicklung einer „Gesundheits-Infrastruktur“ zu beleuchten. Der Koblenzer Archivdirektor Max Bär veröffentlichte bereits 1922 in seiner Monografie zur Koblenzer Stadtgeschichte Details zur Entstehung moderner Ver- und Entsorgungssysteme.27 Im Mittelpunkt standen allerdings weniger die technischen Entwicklungen, sondern vielmehr die historischen, politischen und rechtlichen Voraussetzungen. Die Einbindung in den überregionalen Kontext fehlt jedoch. Ebenfalls in den 1920er-Jahren entstand die Arbeit von H. Schubert über die preußische Regierung in Koblenz. In dieser Studie geht es vor allem um verwaltungsrechtliche Entwicklungen. Dennoch wird die Seuchenproblematik ebenso angeschnitten wie die Organisation des Gesundheitswesens im Regierungsbezirk Koblenz. Wie bereits Max Bär gründet auch H. Schubert28 seine Untersuchung auf eine solide Auswertung der ungedruckten Quellen.

 

Wer sich mit der lokalen Geschichtsschreibung befasst, wird schnell feststellen, dass ernsthafte Versuche, eine „Alltagsgeschichte“ für Koblenz zu schreiben, schon lange vor dem Zweiten Weltkrieg begannen. Allerdings finden sich die Beiträge oft an sehr entlegenen Stellen – wie das Beispiel von Andreas Schüller zeigt. Seine knappen Untersuchungen erschienen hauptsächlich in den verschiedenen Geschichtsbeilagen der örtlichen Tageszeitungen. Dieser recht fortschrittliche Ansatz geriet in Vergessenheit und wurde erst mit dem „Siegeszug“ der Wirtschafts- und Sozialgeschichte seit dem Ende der 1970er-Jahre neu entdeckt. Den Anfang machte die Dissertation des späteren Pariser Professors Etienne François über Koblenz im 18. Jahrhundert.29 Er widmete sich allerdings vor allem der Erstellung einer Sozialtopografie für die unterschiedlichen Quartiere im heutigen Altstadtgebiet.30 Die tatsächlichen Lebensverhältnisse der Bevölkerung und Aspekte der Stadthygiene werden zwar angeschnitten, aber nur der Vollständigkeit halber thematisiert. Ähnliches gilt auch für die Dissertation von Busso von der Dollen über die Koblenzer Neustadt. Sie nimmt zwar die Aspekte der Sozialtopografie auf, ist aber in erster Linie als Beitrag zur vergleichenden Residenzforschung zu betrachten31, sodass man heute immer noch auf den vom Koblenzer Arzt Hans Bellinghausen herausgegebenen Sammelband zur Koblenzer Stadtgeschichte angewiesen ist. Dort sind allerdings die Aspekte der Ver- und Entsorgung nur sehr allgemein beschrieben.32 Ähnliches gilt für die zweibändige Folgepublikation, die zur 2000-Jahr-Feier von Koblenz 1992 und 1993 herausgegeben wurde.33

 

Obwohl die Energieversorgung Mittelrhein das „Jubiläums-Projekt“ in erheblichem Umfang finanzierte, werden die technischen Errungenschaften, die seit dem 19. Jahrhundert eine moderne Stadt überhaupt erst funktionsfähig machen, nur am Rande erwähnt oder gar nicht behandelt. Dennoch: Das Stadtjubiläum hat einiges bewirkt. In der Folgezeit wurden viele Themen der örtlichen Geschichte völlig neu bearbeitet, was in den seit den 1970er-Jahren zu beobachtenden gesamtdeutschen Trend zur Stadtgeschichtsforschung passt.34 Dabei dominieren in Koblenz neben wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Untersuchungen vor allem bau- und kunsthistorische Arbeiten – wenn man einmal von Ulrike Grundmanns gründlicher Dissertation über die frühe Koblenzer Krankenhausgeschichte und Thomas Tippachs Studie über die Garnisons- und Festungsstadt absieht.35 Eine besondere Rolle spielen die Arbeiten zur Koblenzer Festungsgeschichte, von denen die Dissertation von Klaus Weber hervorzuheben ist.36 Erst kürzlich hat Manfred Böckling in seinem Aufsatz dieses Spezialgebiet um Fragen der Ver- und Entsorgung im Bereich der preußischen Festung Ehrenbreitstein erweitert.37 Hinzu kommt die Tatsache, dass die Sanierung der Koblenzer Altstadt und des Stadtteils Ehrenbreitstein seit den frühen 1980er-Jahren auch in der Forschung das Interesse für die früheren Lebensbedingungen der Menschen geweckt hat. Stadtverwaltung, Denkmalfachbehörde sowie die örtlichen Ver- und Entsorger haben dieses Interesse durch Vergabe entsprechender Projekte gefördert.

 

Fazit: Die Koblenzer Stadthistorie ist heute gut erforscht. Die Literatur erleichtert den Einstieg in neue landes- oder sozial- und wirtschaftsgeschichtlich ausgerichtete Projekte. Allerdings ist in jüngster Vergangenheit ein Nachlassen des Interesses an stadtgeschichtlichen Projekten zu erkennen. Dies mag auch an der Neustrukturierung des Geschichtsstudiums liegen. Örtliche Historiker klagen, dass  der Wunsch nach stadt- und regionalgeschichtlich orientierten Abschlussarbeiten nachgelassen hat.

 

 

2. Zur Quellenlage

 

Die Quellengrundlage für den großen Forschungsbereich Stadthygiene ist in Koblenz ausreichend. Allerdings gestaltet sich die Auswertung des Materials, das überwiegend im Landeshauptarchiv Koblenz und im örtlichen Stadtarchiv zu finden ist, wenig komfortabel. Sieht man von den frühen Quellen über das Bürgerhospital oder den Choleraakten ab, sind Unterlagen mit geschlossenen Vorgängen eher selten. Das gilt vor allem für Wasserversorgung und Kanalisation.

 

Die Erweiterung der Netze ist zwar in den gedruckten Verwaltungsberichten dokumentiert, Details über konkrete Baumaßnahmen sind jedoch selten. Die Problematik ist somit ganz ähnlich wie bei den frühen Bauakten, deren Bedeutung für die historische Forschung in Registraturen und Archiven lange Zeit unterschätzt wurde. Die Folge: Viele Unterlagen wurden nach Abschluss der Arbeiten nachlässig gelagert und zum Teil sogar vernichtet. Im Falle der Koblenzer Innenstadt sind die Lücken relativ leicht über Sekundärquellen zu erschließen, in den Stadtteilen, die ursprünglich nicht zu Koblenz gehörten, stößt diese Möglichkeit schnell an ihre Grenzen. Hier müssen die Einzelmaßnahmen in der Regel aus den Akten der Bezirksregierung Koblenz38 oder des Oberpräsidiums der Rheinprovinz erschlossen oder rekonstruiert werden.

 

Da die Gemeinden schon in der Vergangenheit die Wasserversorgungssysteme immer wieder dem steigenden Bedarf angepasst haben, scheint das Bedürfnis, das Gewesene für immer in den Akten festzuhalten, gering gewesen zu sein. Ausführliche Beschreibungen von Wasserleitungen sind selten. Die Regel ist, dass Akten der verschiedensten Behörden „durchforstet“ werden müssen, will man wenigstens die wichtigsten Informationen über die Situation erhalten. In den meisten Akten sind nur wenige Informationen brauchbar, das äußerst mühevolle Zusammenfügen von kleinen und kleinsten Mosaiksteinen beginnt. Etwas besser sieht es im Falle der technischen Neuerungen nach dem Zweiten Weltkrieg aus. Die Quellen sind jedoch nicht öffentlich, weil sie nach wie vor Arbeitsgrundlage für die Ingenieure in der Bauverwaltung sind.

 

Auch die Hausakten des Eigenbetriebs Stadtentwässerung und der Energieversorgung Mittelrhein als Betriebsführerin der „Vereinigten Wasserwerke“ beantworten nicht alle Fragen, weil die allgemeinen Entwicklungen nicht festgehalten wurden. Ein Grund hierfür mag im System der kommunalen Selbstverwaltung zu finden sein: Geplante Veränderungen oder Investitionen werden nur bis zur Veröffentlichung der jeweiligen Beschlussvorlagen für den Stadtrat dokumentiert. Was dann wirklich passiert ist, kann in den meisten Fällen nur mithilfe der Tagespresse rekonstruiert werden. Besonders deutlich wird das am Beispiel des Gemeinschaftsklinikums Koblenz-Mayen, zu dem der Kemperhof heute gehört. Über die jüngere Vergangenheit gibt es nur wenig zugängliches Material – die Borromäerinnen, die jahrzehntelang alle wichtigen Ereignisse im Bürgerhospital und in den „städtischen Krankenanstalten“ in einer Chronik festhielten, verließen das Krankenhaus 1973. Die seitdem klaffenden Lücken konnten nur durch Befragung der glücklicherweise sehr kooperativen Verantwortlichen geschlossen werden. Recht komfortabel gestaltet sich die Rekonstruktion der jüngsten Vergangenheit: Das Archiv der Rhein-Zeitung wird seit 1996 elektronisch geführt. Seit 2001 ist es sogar möglich, ganze Originalseiten via „E-Paper“ aus dem Internet zu ziehen.39

 

 

3. Seuchenherde in der Altstadt

 

Miserables Trinkwasser, katastrophale hygienische Verhältnisse, Wohnen ohne Licht und Luft: Diese Schlagworte fallen oft, wenn man über das Mittelalter und die Frühe Neuzeit spricht. Schlechte Lebensbedingungen in größeren Orten wurden aber vor allem im 19. und im frühen 20. Jahrhundert zum ernsthaften Problem. Deshalb diskutierten Wissenschaftler, Ingenieure und Verwaltungsbeamte immer wieder über die Verbesserung der Ver- und Entsorgungseinrichtungen in den überfüllten Innenstädten. So auch in Koblenz.

 

Die Hauptstadt der Preußischen Rheinprovinz war keine Großstadt, auch fehlte weitgehend die Industrie. Trotzdem gab es große Probleme mit der Hygiene, denn der Gürtel der preußischen Festung war recht eng, die durchaus vorhandenen bebaubaren Flächen in der heutigen Innenstadt waren militärischen Nutzungen vorbehalten. Vor allem im Bereich der heutigen Altstadt war deswegen die Überbelegung der Wohnungen an der Tagesordnung. Da sich das Kriegsministerium in Berlin lange Zeit gegen die Öffnung der Festungsmauern und damit auch gegen eine Erweiterung der Rhein-Mosel-Stadt sperrte, kam es zur Errichtung von Nebenhäusern und zur Aufstockung von Gebäuden. Angesichts einer steigenden Nachfrage ließen die Eigentümer Mängel der alten Bausubstanz – wenn überhaupt – nur provisorisch beheben, erhöhten aber gleichzeitig die Mieten erheblich. Auch nach der Aufgabe der preußischen Stadtbefestigung reichten in den Kernbereichen von Koblenz die sanitären Einrichtungen für die Bewohner der Wohnbauten nicht aus. Die üblen Zustände wurden durch nachträgliche Renovierungen nur kaschiert. Um dies zu belegen, muss man nicht einmal die Quellen der Frühen Neuzeit bemühen. Schon die Bauakten zeigen, dass es vor allem in den Kernbereichen der Altstadt um die sanitären Verhältnisse in den Häusern nicht zum Besten stand. So beklagte im Januar 1907 eine Bewohnerin des Hauses Mehlgasse 18 bei der Baupolizei das Fehlen einer Toilette mit Wasserspülung. In der Meldung der Behörde heißt es: „[...] Der Abort liegt innerhalb der Wohnung und es führt die Tür desselben ins Schlafzimmer. Als Entlüftung [...] dienen zwei kleine Fenster, die nach dem engen Hof führen. [...]“ Darüber hinaus wird beschrieben, „[...] dass die Entlüftung ungenügend [sei] und stets ein ekelhafter Geruch in der Wohnung herrsche. Der Geruch sei derart stark, dass sogar Familienmitglieder, die in dem Schlafzimmer schlafen, von dem aus der Abort benutzt wird, morgens fast immer Kopfschmerzen haben. [...]“40

 

Im Juli 1904 berichtet ein Polizist über weitere Missstände: „[...] in dem Hause Kornpfortstraße 4 wohnen, wenn alles vermietet ist, 9 Familien, meist mit sehr vielen Kindern. In dem ganzen Hause ist im Hof nur ein Klosett zur allgemeinen Benutzung. Dieses ist in einer jammervollen Verfassung und sehr oft verstopft, was ich bereits zweimal wahrgenommen habe. Die Leute geben auf meine Anfrage, wo sie denn ihre Bedürfnisse verrichteten, zur Antwort: ,Auf dem Eimer oder in Nachbarhäusern.‘ In dem Hause hatte ich in letzter Zeit wegen Haftbefehlen [...] zu tun. Es war in dem Hause [...] nur Gestank, nicht zum Aushalten, so dass ich machen musste, dass ich aus dem Hause kam. Im Interesse der Gesundheit wird es dringend erwünscht, wenn hier schleunige Abhilfe geschaffen würde, damit nicht ansteckende Krankheiten hier Grund und Boden fassen. [...]“41

 

Die beiden Beispiele sind kein Einzelfall. In den meist am Ende des 19. Jahrhunderts angelegten Bauakten finden sich immer wieder Berichte, die von höchst unbefriedigenden Zuständen zeugen. Die widrigen Bedingungen setzten die Bewohner nicht unerheblichen Gefahren aus. So drohte im Dezember 1924 eine Küchendecke im Haus Florinsmarkt 8 einzustürzen. Damit aber nicht genug. Am gleichen Ort öffneten sich die Gasleitungen selbstständig, weil eine Bewohnerin in ihren Räumen Holz hackte! Nur vier Jahre später, im Oktober 1928, wandte sich ein anderer Mieter mit der Bitte an die Gesundheitspolizei, seine aus einem Zimmer und einer Küche bestehende Mansardenwohnung näher zu besichtigen. Der Grund für den Antrag leuchtete ein – es regnete ständig hinein. Im Bericht des Koblenzer Gesundheitsamtes heißt es: „[...] vier Personen bewohnen 2 kleine Mansardenräume. Das Dach über diesen Räumen ist an mehreren Stellen defekt. Stellenweise läuft das Wasser bei Regenwetter in Strömen auf die Möbel der Mieter. Ein Verstellen der Möbel lässt sich wegen der Enge der Räume nicht durchführen. [...]“42

 

Beim Durchblättern der Bauakten fallen immer wieder beschädigte Dächer, feuergefährliche Kamine, verstopfte Abflüsse oder einsturzgefährdete Räume auf. Bei einem intensiveren Blick in die Geschichte der Koblenzer Altstadt ist leicht festzustellen, dass hier alles andere als eine Idylle herrschte. Die Missstände wurden zum Teil erst im Zuge von umfassenden Sanierungsmaßnahmen seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges abgestellt. Die Erneuerung der Koblenzer Altstadt wurde in den 1970er-Jahren vor dem Hintergrund des Städtebauförderungsgesetzes angegangen und ist heute noch nicht abgeschlossen. Gleiches gilt für die gravierenden Eingriffe in den heutigen Stadtteil Ehrenbreitstein, der einst Residenz der Kurfürsten von Trier war.

 

 

3.1 Der Schwarze Tod

 

Auch wenn in dieser Studie die Entstehung einer kommunalen Infrastruktur rund um die Stadthygiene im 19. und 20. Jahrhundert im Mittelpunkt steht, sollen eingangs die sanitären Verhältnisse in der Frühen Neuzeit nicht verschwiegen werden: Vor allem während des Dreißigjährigen Krieges wurde die Bevölkerung immer wieder von Seuchen heimgesucht. 1632 und wahrscheinlich auch 1636 wütete der Typhus in der Stadt, zwischen 1666 und 1668 forderte die Pest in Koblenz und Ehrenbreitstein ihre Opfer. Die Seuchengefahr war aber schon vor dem langen Krieg groß gewesen. Deswegen ließ der Rat immer wieder Vorschriften zur Verbesserung der hygienischen Verhältnisse verkünden. So wurde 1607/1608 verboten, Abwässer in die Rinnsteine der Gassen zu leiten.43

 

Aussatz wird in Koblenz erstmals in Urkunden des 13. Jahrhunderts erwähnt. Mithilfe der schriftlichen Quellen lässt sich die Geschichte der Siechenkolonie außerhalb der Stadtmauer bis in das Jahr 1267 zurückverfolgen. Ein solches Areal befand sich zunächst in der südlich von der heutigen Vorstadt gelegenen Laubach. Dieser Isolierbereich für Aussätzige muss später verlegt worden sein, denn im Jahre 1445 wird beim Brückbach im heutigen Siechhaustal – es erhielt seinen Namen erst im 18. Jahrhundert – eine Stätte für Leprakranke genannt. In diesem Gebiet befanden sich Häuser und Hütten. Dort lebten Sieche aus Koblenz, Moselweiß, Lützel und Neuendorf. Noch vor 1750 wurde wohl die Nutzung der Gebäude geändert. Damals gab es am Mittelrhein keine Leprafälle mehr.44

 

Über die Pestepidemien sind in Koblenz nur knappe Nachrichten erhalten. Erst aus den Quellen des 16. Jahrhunderts erfährt man Näheres über diese tödliche Bedrohung. So ließ die Verwaltung der Stadt im Jahre 1525 im Bereich der Eisbreche am Moselufer Pesthäuser errichten. Weitere Informationen über die Seuche stammen aus den Jahren 1571 und 1574 bis 1578. Am 30. April 1575 ordnete der Rat an, dass alle diejenigen, die die Pest in ihren Häusern hatten, sich von der Gemeinde fernhalten mussten. Im August durfte niemand mehr die Stadt betreten, der aus einem anderen Ort kam, in dem die Seuche herrschte.45

 

Auch in den 80er- und 90er-Jahren des 16. Jahrhunderts kam Koblenz nicht zur Ruhe. Am 2. Juni 1581 starb der einzige Lehrer des neu eröffneten Jesuitenkollegs. Im Februar 1587 begannen die Jesuiten damit, Isolierhäuser für Pestinfizierte zu bauen. 1594 fielen Münstermaifeld und Montabaur unter den Pestbann, Haus und Laden eines Bäckers in der Stadt wurden auf Anordnung des Rates geschlossen. 1596 untersagte der Magistrat, Schweine in den Straßen herumlaufen zu lassen, obwohl sich in jenem Jahr „nur“ die Ruhr verbreitete. Die „Ruhepause“ sollte jedoch schnell zu Ende sein. Am 10. Mai 1597 wurde die Schweinehaltung untersagt, am 17. Juni folgte das Verbot von Prozessionen und Festessen.46

 

Aus den schriftlichen Quellen des 17. Jahrhunderts geht hervor, dass der Trierer Kurfürst damit begann, sich verstärkt in die Fragen der Pestbekämpfung einzumischen. Am 10. September 1605 verbot Erzbischof Lothar von Metternich alle Reisen nach Frankfurt, Bürger aus der Stadt am Main durften nicht mehr hineingelassen werden. Koblenzer mussten sich nach ihrer Rückreise von Frankfurt einer fünfwöchigen Quarantäne unterziehen. Die von der Frankfurter Messe kommenden Händler wurden ausgewiesen. Alle von Rat und Landesherrn erlassenen Vorsichtsmaßregeln waren nur kurze Zeit von Erfolg gekrönt. Obwohl man 1607 Kontrollen an den vier geöffneten Stadttoren durchführte, den Pestbann gegen Mainz und Köln verhängte und sich schließlich darum bemühte, die Gassen rein zu halten und Häuser auszuräuchern, brach die Seuche im August jenen Jahres erneut aus. Erst Anfang November ging die Epidemie vorläufig zu Ende, um 1611/1612 erneut zahlreiche Opfer zu fordern. Die meisten wohlhabenden Bürger waren inzwischen geflohen, die Verbliebenen wurden zusätzlich von einer Hungersnot geplagt.47

 

Die Zeit der Pestepidemien mit ihren Begleiterscheinungen ging in Koblenz erst im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts zu Ende. Zuvor hatte die tödliche Seuche die Menschen noch einmal in den Jahren 1622 bis 1625, 1660 und von 1665 bis 1669 heimgesucht. Über die letztgenannte Pestwelle ist noch eine Reihe von Informationen überliefert. So plante der Magistrat im Januar 1667 den Bau von Pestbaracken und die Bestellung von Pflegerinnen. Im Sommer hatte die Krankheit bereits die Vororte erreicht. Die Koblenzer schickten einen Geistlichen nach Neuendorf, der nicht mehr in die Stadt zurückkehren durfte. Allen Gegenmaßnahmen zum Trotz brach die Seuche im August auch innerhalb der Stadtmauern aus. Dennoch versuchte der Rat, den Ausbruch der Pest gegenüber dem Landesherrn und den Nachbargemeinden zu verheimlichen. Das half natürlich wenig. Im Oktober verhängte Mainz über Koblenz den Pestbann. Erst im Juni 1668 hatten die Bürger das Schlimmste überstanden.48

 

Pfuhl- und Wöllersgasse hatten unter der letzten Pestepidemie besonders zu leiden. Der Rat reagierte, indem er diese Bereiche in der heutigen Altstadt durch Schildwachen abriegeln ließ. Nur Geistliche, Ärzte und Pfleger durften noch in die betroffenen Viertel hinein. Zudem veranlasste der Magistrat die Errichtung von besonderen Pestbauten: Das städtische Hospital wurde zu diesem Zweck erweitert, ebenso das Hospital in Lützelkoblenz. Umbauten nahm man auch in Neuendorf vor, Moselweiß, Güls und Lay erhielten Pestbaracken. Die Siechenkolonie bei Kapellen (heute Stolzenfels) blieb ausschließlich den Pestkranken vorbehalten. Das größte Lazarett entstand in den Steinbrüchen der Laubach.49

 

Obwohl die Zusammenhänge zwischen verseuchtem Grundwasser und Epidemien noch nicht entdeckt waren, wollten kurfürstliche und kommunale Verwaltung die Bürger zum Bau steinerner Sickerschächte zur Beseitigung der Fäkalien zwingen. Üblich waren in den Boden eingelassene Holzfässer. Doch die Maßnahmen änderten nicht viel. Brunnen, Dunglager (Mistgruben) und Aborte lagen weiterhin eng beieinander, sodass sich der Zustand der sanitären Einrichtungen lange Zeit nicht wesentlich verbesserte. Selbst am Ende des 19. Jahrhunderts waren die Probleme noch nicht gelöst.50 Besondere Aufmerksamkeit schenkten die Stadtväter den Fleischscharren auf dem Plan, denn sie galten immer als Hauptentstehungsort von Epidemien. Am 17. Mai 1607 wurde die Abschaffung dieser Fleischstände wegen „sterbend Luft“ beschlossen, am 23. Dezember 1607 ihre Neuerrichtung sogar vorübergehend verboten.51

 

Auch später befahlen Stadtrat und Landesherr immer wieder, den Plan sauber zu halten. So wurde im März 1669 der kurfürstliche Befehl bekannt gegeben, den „[...] Plan, alß die fürnembste platze dieser Stat zu säuberen, und hinführo sauber zu halten. [...]“52 Betriebsverbote erließ man auch für die Badstuben in der Stadt, eine nicht unübliche Praxis in dieser Zeit. Man wollte das Einziehen von pestbringenden Luftschwaden durch die Poren der durch das heiße Wasser aufgeweichten Haut verhindern. Damals war man noch der Meinung, dass Wasser über die Haut in den Körper eindringen kann. Die Folge: Mit der Zeit verschwanden die Badstuben völlig aus dem Stadtbild – allerdings gegen den Willen der Betreiber, die ihre vor allem als Stätte des Vergnügens geschätzten Bäder ungern aufgaben. Auch im privaten Bereich waren Badevorrichtungen lange Zeit unüblich. Es setzte sich die „trockene Toilette“ durch. Erst Mitte des 18. Jahrhunderts wurde das „Nassbaden“ allmählich wieder beliebter. Dennoch wurden weiterhin fast alle neuen Häuser ohne eigene Baderäume errichtet. Ein Bad blieb das Privileg der gehobenen Schichten.53

Die Zahl der Koblenzer Badstuben lässt sich heute nicht mehr eindeutig ermitteln.54 Eine dieser Anstalten befand sich in einer südlichen Nebenstraße der Kastorgasse in unmittelbarer Nähe des Hofes der Zisterzienserabtei Himmerod.55 Trotz grassierender Pest bestand sie noch 1659. Erst zehn Jahre später wurde der Platz verkauft.56 Diese Tatsache zeigt, dass auch in Koblenz die Badestuben weniger aus hygienischen als vielmehr aus sittlichen Gründen geschlossen wurden. Ein geeignetes Mittel zur Verhütung von Krankheiten sah man eher darin, die Bürger zur Säuberung der Straßen zu verpflichten57, um schlechte und faulige Gerüche aus der Stadt zu verbannen. Auch in Koblenz war die Annahme weit verbreitet, dass Miasmen für die Übertragung von Krankheiten verantwortlich waren. Trotz aller angeordneten Vorsichtsmaßnahmen war der Erfolg im Kampf gegen Seuchen mäßig. Dennoch zeigen die Beispiele, dass das Thema Stadthygiene wesentlich älter ist, als die aktuelle Diskussion um die „Medicinalpolizey“ des 18. Jahrhunderts vermuten lässt. Völlig zu Recht weist Caren Möller in ihrer Dissertation darauf hin, dass die zahlreichen Publikationen zum Thema „Gesundheit“ aus dieser Zeit in einem größeren Kontext zu sehen sind, der weit in das 16. Jahrhundert zurückreicht.58

 

Freilich waren die damals gewonnenen Erkenntnisse wenig geeignet, um eine effektive Seuchenbekämpfung in die Wege zu leiten. Schwerer wog jedoch die Tatsache, dass die Umsetzung der Vorschriften durch die Bürger – die Macht der Gewohnheit war wohl stärker als die Vorsicht – sehr lax gehandhabt wurde. Auch die Qualität der Kontrollen ließ stark zu wünschen übrig. Für die eigentlichen Seuchenherde – die ungesunden Quartiere der Unterschichten – schien sich offenbar niemand zu interessieren. Und so kam es, dass auch im Koblenz des angeblich so „aufgeklärten“ späten 18. Jahrhunderts viele Menschen in dunklen und engen Häusern lebten. Dort hatten größere Fenster Seltenheitswert, denn man wollte sich mit der Anlegung von kleinen Öffnungen Schutz vor der Kälte verschaffen. Ungünstig auf die Gesundheit wirkten sich immer noch die schlechte Trinkwasserversorgung, die unausgewogene Ernährung der Menschen und die auch sonst völlig unzureichenden hygienischen Verhältnisse aus. Die Tatsache, dass die Straßen in der Regel nur anlässlich der Fronleichnamsprozession gründlich gereinigt wurden, zeigt, wie wenig man sich der lauernden Gefahren bewusst war. Da half es auch nicht mehr viel, wenn der Magistrat hin und wieder die Frische der auf dem Markt angebotenen Lebensmittel überprüfen ließ.59

 

 

3.2 Das Hauptübel: Die Friedhöfe

 

Auch in Koblenz waren die noch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mitten in der Stadt gelegenen Kirchhöfe ein Hauptübel. Die „Gottesäcker“ hatten einen verheerenden Einfluss auf die Qualität des Grundwassers. Diese Erfahrung hatte man schon gemacht, wenngleich an eine wissenschaftliche Erforschung der Zusammenhänge noch längst nicht zu denken war. Und: Hygienische Argumente waren für die späteren Friedhofsverlegungen des 18. und 19. Jahrhunderts sekundär. Schwerer wogen städtebauliche und ästhetische Argumente.60

 

Bereits 1920 hat Andreas Schüller das nicht nur für Koblenz symptomatische Problem in der „Zeitschrift für Heimatkunde von Coblenz und Umgebung“ ausführlich beschrieben. Da dieser Bericht nicht nur auf einer vollständigen Auswertung der Ratsprotokolle beruht – sie sind für die Frühe Neuzeit in Koblenz die maßgeblichen  Quellen –, sondern auch gar nicht besser wiedergegeben werden kann, seien an dieser Stelle die wichtigsten Passagen zitiert:61 „[...] Der uralte Wunsch der Christen ging dahin, bei den Märtyrern zu ruhen; Altare waren nun das Sepulcrum mit Heiligengebein; Segen des Opfers sollte auf die Gräber überfließen; dort waren die bösen Geister, die zwischen den Toten ihr Unwesen trieben, am leichtesten gebannt; dort war der Tote nicht vergessen; denn der Schritt eines jeden lenkte sich nach dem Gottesdienste zum Grabe seiner Lieben, und der Tau des Gebets senkte sich herab.62 Von Osten her erwartete man am jüngsten Tage den Richter auf den Wolken des Himmels; die Kirche war geostet; auch die Gräber waren geostet; denn die Hingesäten sollten bei der Auferstehung wie eine Heerschar dem Feldherrn ins Auge schauen.63

 

Wenig Raum war in der Stadt; die Gassen liefen von allen Seiten auf die Kirche zu, die Häuser drängten und schoben sich nach dem Kirchhofe hin. Dieser war klein und eingepfercht von Häusern. Standest Du an der Ecke von Unser Lieben Frauen, so schautest Du über die grauen Gräber und über die kleinen Kreuze und über das schmiedeeiserne Gitter hinweg in ein Gewirre von Häusern, Hinterhäusern, Höfen, Giebeln, Fenstern, Treppen, Galerien, Werkstätten, Küchen, Wäsche und Windeln. Liebfrauen war die Ratspfarrei; dort lag der Hauptstadtfriedhof; […] auch bei St. Castor wurden Bürger begraben. Sodann treffen wir Begräbnisstätten bei St. Georg64, bei den Dominikanern in der Weißergasse und bei den Franziskanern in der Castorgasse. Laien fanden hier ihre Ruhe; die Mönche […] wurden in ihren Kirchen oder deren Grüften beigesetzt. Ein bestimmter Nachbarbezirk scheint diesen Klosterfriedhöfen zugewiesen gewesen zu sein; denn es wurde jemand in Ratsstrafe genommen, weil er sein Kind, das zu den Predigern gehört‘, auf dem Liebfrauenfriedhof hatte bestatten lassen. [...]

 

Die Gräber waren nicht tief. Ein Stab, der in dem Liebfrauenpfarrhause (1683) aufbewahrt wurde, gab die Tiefe an. Die Leichen wurden offen auf einer Bahre zum Grabe getragen. Nicht alle erfreuten sich eines Sarges; manche waren nur in Laken oder in einen Sack gehüllt. Wegen des engen Raumes des Friedhofes mußten die Gräber oft erneuert werden. Die ausgegrabenen Knochen, besonders die Schädel, kamen dann ins Schinkenhaus oder Beinhaus, auch Kermeter genannt, das sich bei jeder Kirche befand. Im Liebfrauenschinkenhause wurde bisweilen auch Messe. für die Verstorbenen gelesen. Wenn die Pest herrschte, hatte man nicht Zeit zum Ausgraben; man schüttete auf dem Friedhofe dann hohen Grund auf, man häufte Leichen auf Leichen. Oft genügte auch dies nicht; man scharrte dann die Pestleichen irgendwo vor den Stadtmauern auf freiem Felde ein. Auch zu normalen Zeiten müssen wir uns die Gräber hochgehügelt denken; im Jahre 1551 zum Beispiel waren auf dem Liebfrauenkirchhofe die Gräber derart gehäufelt, daß den Bürgern Licht und Luft in den Kellern versperrt wurde. Auf manchem Grab des Liebfrauenkirchhofes lag eine Steinplatte, auf manchem stand ein kleines Eisen-, Holz- oder Basaltkreuz, meist nur mit einer Hausmarke65, Name und Daten geziert. [...] Der Klerus wurde im Chor der Kirche begraben, vornehme Bürger im Schiff; sie hatten dort ein Erbbegräbnis oder kauften sich einen Platz. Das ganze Jahr hindurch war daher hie und da in der Kirche der Boden aufgewühlt; das Paviment, vielfach mit Grabplatten durchsetzt, war unregelmäßig; Modergeruch erfüllte den Raum. [...]

 

Der Liebfrauenkirchhof [...] bildete eine Ansteckungsgefahr. [...] Im Pestjahr 1577 fand Kurfürst Jakob von Eltz es gefährlich, die Pestleichen dicht an der Liebfrauen Trivialschule zu begraben; so daß die Kinder über die Gräber gehen müßten. Die Stadt solle zusehen, ob sie nicht sonstwo, etwa bei den Predigerherren, Platz für Begräbnisse erstehen könne. Im Pestjahr 1607 wurde beschlossen: ,was ahm negsten ahn beeden clöstern zu den Predigern und Brüdern (Franziskaner) herumb stirbt ahn Kindern, Dienstbotten und frembden solle of selbigem Closterkirchhoff begraben‘ werden. Besonders war man in der schrecklichen Seuchenperiode 1666–1669 wieder in großer Not. 1666 ordnete der Stadtrat an, die abgelebten Inficierten in der ,Leimkaule‘ zu begraben. Im folgenden Jahre mußte man, da der Liebfrauenkirchhof bereits ganz besetzt war, wieder bei den Predigern und bei St. Castor Gastrecht in Anspruch nehmen. Aber auch das genügte nicht. 1668 waren bereits alle Begräbnisplätze in der Stadt überfüllt. 1668 befahl der Rat, ,pro cimeterio einen abgelegenen Platz aufzusuchen und ein Crucifix [dort] uffzurichten‘. Außerdem sollte der Liebfrauenkirchhof mit Grund aufgefüllt werden. [...]

 

1672 hören wir in den Kriegen Ludwigs XIV. von vielen Kranken, besonders französischen Soldaten. Im folgenden Jahre liegen deren 40–50 im Stadtspital. Auch das Spital von Lützel-Coblenz war mit Soldaten bedacht; dazu baute man ein Lazarett in den Stadtgräben oberhalb des Zachariasturmes zwischen Stadtmauer und Fortifikation. 1675 lagen viele bei der Belagerung Triers verwundete Soldaten in Coblenzer Bürgerquartieren. 1679 waren Spital und Bürgerhäuser mit kranken Soldaten angefüllt. 1689 herrschte unter dem Militär stark die Dysenteria.66 [...] All dies mußte den Plan eines Garnisonskirchhofes nahe legen. Es scheint aber einstweilen nichts daraus geworden zu sein, denn 1693 erfahren wir wieder, „weil hiesige Guarnison sehr kräncket und sterbet‘, seien auf dem Liebfrauenkirchhofe alle freien Plätze mit Soldatengräbern belegt; auch ,sterbende Uncatholische dahin nicht gehören und denen auch eine besondere Platz zu verordnen‘. [...] Einen ewigen Kampf führte der Rat mit dem Totengräber von Liebfrauen wegen der Reinigung des Kirchhofes. [...] Einmal wird geklagt, der Kirchhof und die Gasse liege in ,Kammererde‘ (mit menschlichen Exkrementen) versperrt, die aus dem Pfarrhofe dahin geschüttet würden. Immer wieder traf den Totengräber – ja sub poena amotionis (1682) – die Mahnung, besonders zur Pestzeit (z. B. 1597), die Gräber tief genug zu machen. Für die Säuberung des Kirchhofes war er von der Wache und vom Nachtgelde befreit, auch wohnte er in einem der Stadttürme. [...] Da man in schwerer Pestzeit die Erfahrung gemacht hatte, daß der Totengräber sein Amt niederlegte, wurde im Jahre 1686 der neue Totengräber Johann Mertloch aus Wassenach ausdrücklich verpflichtet, die Leichen auch zur Zeit der Contagion zu bestatten. [...]“67

 

Trotz dieser verheerenden Zustände griff die Obrigkeit nicht hart genug durch: Auch noch im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts lagen die Begräbnisstätten mitten in der Stadt. Erst am 10. Mai 1777 ordnete Kurfürst Clemens Wenzeslaus die Verlegung des Liebfrauenkirchhofes vor die Tore von Koblenz an. Diese Vorschrift dehnte der Landesherr am 30. März 1778 auf das gesamte Erzstift aus. Fortan war es verboten, die Toten im Außenbereich und im Inneren der Kirchen zu bestatten. Eine Ausnahme galt lediglich für Stiftsherren und Mönche sowie für Familiengrüfte. Ab sofort sollten Bestattungen nur noch außerhalb der Stadtmauern oder in abgelegenen Gegenden, die von Hauptstraßen und Wohnhäusern weit genug entfernt waren, vorgenommen werden.68 Am Koblenzer Beispiel wird jedoch deutlich, dass die Verlegung der Friedhöfe nicht ausschließlich gemäß dem Vorbild der umfassenden „Desodorierungsstrategien“69 in anderen europäischen Städten erfolgte. Schwerer wogen die städtebaulichen Argumente – die Obrigkeit hatte längst damit begonnen, umfassende Maßnahmen zur Verschönerung des Stadtbildes in der kurfürstlichen Residenz einzuleiten. Ein Dorn im Auge waren dabei vor allem die Verhältnisse im Entenpfuhl – und das nicht nur wegen des benachbarten Friedhofs, sondern auch wegen der Tatsache, dass der dort noch offen liegende Stadtgraben als Kloake genutzt wurde.70 Die dadurch entstehenden Düfte beleidigten nicht nur die Nasen der Obrigkeit. Parfümierte Riechäpfel oder -gefäße dürften auch bei wohlhabenden Koblenzer Bürgern beliebt gewesen sein.71 Aber auch der Friedhof an der Liebfrauenkirche dürfte ein echtes „Geruchsproblem“ gewesen sein, wie es im damaligen Europa wohl an der Tagesordnung war. So berichtet Alain Corbin über Beschwerden in Paris, die 1780 zur Schließung des „Cimetière des Innocents“ führten.72

 

Der Koblenzer Magistrat hatte vorgeschlagen, den neuen Friedhof im Bereich der zwischen der mittelalterlichen Stadtmauer und den barocken Befestigungsanlagen befindlichen Michaelskapelle anzulegen.73 Dieser Standort spielte bei den weiteren Verhandlungen jedoch keine Rolle. Gründe dafür mögen wohl die fehlenden Erweiterungsmöglichkeiten in diesem Gebiet gewesen sein. Später richtete man stattdessen die Beerdigungsstätte auf dem südwestlich von der Löhrstraße gelegenen Glacis ein. Doch auch in diesem Falle versuchte der Rat, den Beginn der Arbeiten hinauszuzögern, weil man die Ausgaben scheute. Deswegen verurteilte der Kurfürst 1782 die Stadt zu einer Geldstrafe von 100 Goldgulden. Er machte außerdem zur Auflage, den neuen Kirchhof von den angrenzenden Gärten durch Palisaden abzutrennen und die Mauer fertigzustellen.74

 

 

4. Recht und Gesundheit

 

Die Koblenzer Entwicklungen rund um das Thema Stadthygiene sind ohne Kenntnisse der damaligen Verwaltungsstrukturen und der rechtlichen Vorschriften seit dem 19. Jahrhundert nicht zu verstehen. Deshalb soll im Folgenden ein Überblick gegeben werden, der nicht nur die Organisation des Medizinalwesens umfasst. Wesentlich ist neben einer Darstellung der Verwaltungsorganisation eine Schilderung der Entwicklungen in der Baupolizei, weil diese ebenso über die hygienischen Zustände an Rhein und Mosel wachte wie die Medizinalbeamten in Diensten der Königlichen Regierung (Bezirksregierung).

 

4.1 Das Medizinalwesen

 

Nach der Völkerschlacht von Leipzig vom 16. bis zum  19. Oktober 1813, in der sich die in Diensten Frankreichs stehenden Soldaten den Truppen Preußens, Österreichs und Russlands hatten beugen müssen, waren die sieggewohnten Armeen der „Grande Nation“ zu einem ungeordneten Rückzug gezwungen worden. Die gegen Frankreich Alliierten setzten nach. Bereits am 5. November 1813 marschierten russische Verbände in das rechtsrheinische Ehrenbreitstein ein. Den Rhein überquerten die Verbände erst, als feststand, dass die Franzosen den „Befreiern“ wenig entgegenzusetzen hatten. Im Dezember 1813 waren nur 500 Soldaten Napoleons in Koblenz stationiert. Die Stadt war nicht zu halten, sodass am Nachmittag des 31. Dezember die Vorbereitungen für den Abzug getroffen wurden. Gegen 22.30 Uhr verließ Präfekt Jules Doazan (seit 1810 im Amt) Koblenz. In der Neujahrsnacht zwischen 2 und 3 Uhr marschierten russische Soldaten in die alte Residenzstadt ein, die auf Grundlage der Leipziger Konvention vom 21. Oktober 1813 sofort der Übergangs-Zentralverwaltung der Siegermächte diente. Die Departements Rhein-Mosel, Saar und Donnersberg wurden am 2. Februar 1814 zum Generalgouvernement des Mittelrheins zusammengelegt. Am 9. März kam noch das Westerwalddepartement dazu. Generalgouverneur wurde der russische Staatsrat Justus Gruner. Der Amtssitz war Trier. Für die niederrheinischen Gebiete wurde der preußische Geheime Staatsrat Johann August Sack als Generalgouverneur eingesetzt. Dem Ganzen vorausgegangen war die in Basel getroffene Entscheidung der Siegerallianz vom 12. Januar 1814.75

 

Das Übergangssystem wurde im Frühjahr 1816 durch eine neue preußische Verwaltungsorganisation abgelöst. Im Bereich des Medizinalwesens sah es anders aus. Hier sollte sich das französische System erstaunlich lange halten. Die Preußen hatten schnell erkannt, dass die Versorgung der Bevölkerung für damalige Verhältnisse sehr gut organisiert war.76 Als obere Behörde war die neue Bezirksregierung zuständig, auf der obersten Ebene zunächst das preußische Innenministerium, vom 3. November 1817 an das Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten.77

 

Die Departementshauptstadt Koblenz, die spätestens seit dem Frieden von Lunéville 1801 auch offiziell zu Frankreich gehörte, wurde wie das gesamte Gebiet des Departements Rhin et Moselle durch ein flächendeckendes Netz von Distriktsärzten betreut, was sich besonders beim Kampf gegen die Pocken auszeichnete – die gefährliche Infektionskrankheit hatte allein im 18. Jahrhundert europaweit rund 400.000 Opfer gefordert. Nun galt es, die wie die Pest gefürchtete Krankheit möglichst auf dem Weg der Schutzimpfung zu bekämpfen, wobei erst das Reichsimpfungsgesetz vom 25. März 1875 die Pockenimpfung verbindlich machte. Bis dahin erfolgte die Impfung in Deutschland entweder auf freiwilliger Basis oder nach örtlicher Anordnung. 78

 

Eine weitere Errungenschaft der französischen Zeit war die Ausbildung einer ausreichenden Anzahl von Hebammen. Das System wurde in preußischer Zeit ebenso übernommen wie die – allerdings später geänderte – Aufteilung in Hebammenbezirke. Die Neuorganisation des Medizinalwesens im französischen Koblenz gilt vor allem als Verdienst des Präfekten Adrien de Lezay-Marnesia, der von 1806 bis 1810 an der Spitze des Rhein-Mosel-Departements stand. Der Präfekt hatte durch Beschluss vom 8. Januar 1808 das Rhein- und Moseldepartement in 31 ärztliche Distrikte unterteilt, von denen 28 in den Bereich des späteren Regierungsbezirks Koblenz fielen.79 In der Amtszeit des Präfekten Lezay-Marnesia wurde auch das im November 1805 formell gegründete Bürgerhospital samt Apotheke eingerichtet. Lezay-Marnesia hatte nicht nur einen Blick auf die Errungenschaften der Medizin in Frankreich, sondern ließ auch die deutschen Entwicklungen nicht außer Acht. Das äußerte sich vor allem in seiner Personalpolitik. Er ernannte Professor Franz Gerhard Wegeler (1765–1848) zum referierenden Arzt und Medizinalpolizeidezernenten. Wegeler stammte aus einer Bonner Familie und war ein Jugendfreund Ludwig van Beethovens, dessen Mutter aus Ehrenbreitstein stammte. Der Mediziner machte seine Sache offenbar so gut, dass er auch in preußischer Zeit eine maßgebliche Rolle spielte – Wegeler leitete die staatliche Aufsicht über das Gesundheitswesen im Regierungsbezirk Koblenz.

 „[...] Durch sein langes Wirken in dieser Stellung, das sich noch jahrzehntelang in die preußische Zeit hinein erstreckte, wurde  die Fortführung der Errungenschaften der französischen Zeit hinsichtlich der Medizinalpolizei und ihre Übertragung auf die rechtsrheinischen Teile des Regierungsbezirks gewährleistet. Dadurch wurden der weitere Hochstand der medizinpolizeilichen Einrichtungen des Regierungsbezirks und seine vorbildliche Wirkung auf andere Landesteile überhaupt erst möglich gemacht [...]“, lobt H. Schubert in seiner Untersuchung über die Regierung in Koblenz das Wirken Wegelers.80

 

Nach der Dienstanweisung der Bezirksregierung Koblenz vom 23. Oktober 1817 war Franz Gerhard Wegeler als Regierungs- und Medizinalrat für alle der Gesundheits- und Medizinalpolizei obliegenden Aufgaben zuständig. Dazu gehörte auch die Revision der wichtigen Medizinalanstalten. 1826 wurden Wegelers Pflichten als Medizinaldezernent weiter präzisiert. Neben der Überwachung von Rettungsanstalten sowie Kranken- und Irrenhäusern kam nun auch die Aufsicht über den Medikamentenverkehr dazu. Eine besonders große Verantwortung hatte Wegeler, wenn ansteckende Krankheiten oder Seuchen grassierten. Er war es, der alle Gegenmaßnahmen einleiten musste. Auch in „normalen“ Zeiten war der Medizinalrat voll ausgelastet. Sollte er doch nicht nur gegen Kurpfuscher aller Art vorgehen, sondern auch noch die Unverfälschtheit von Lebensmitteln überwachen und Prävention betreiben. Natürlich war Wegeler nicht ganz allein auf sich gestellt. Wie bereits geschildert, blieb das französische System der Distriktsärzte erhalten. Dennoch hatte der Regierungs- und Medizinalrat eine enorme Verantwortung – er war als „technischer Berater“ des Regierungspräsidenten der Vorgesetzte aller Medizinalbeamten im Regierungsbezirk Koblenz. Und: Er musste auch über die Apotheken und die Ausbildung des Apothekernachwuchses wachen, nachdem die in der französischen Zeit erlassene Niederlassungsfreiheit bereits im Mai 1814 wieder aufgegeben worden war. 81

 

Auch die Voraussetzungen für die Ausübung des Arztberufs waren bereits in französischer Zeit eindeutig geregelt worden. Ein Gesetz vom 10. März 1803 schrieb vor, dass quasi nur noch zwei Klassen von Ärzten anerkannt wurden: Dies waren Mediziner, für die die Promotion an einer der damals sechs französischen Universitäten vorgeschrieben wurde, und sogenannte Gesundheitsbeamte, die für ihre Zulassung bis zu 250 Francs bezahlten. Letztere konnten ihre Ausbildung durchaus außerhalb der Grenzen Frankreichs erhalten. Aus diesem Grund erwarben die rheinischen Ärzte ihren zu dieser Zeit noch sehr theoretischen und kaum an der medizinisch-klinischen Praxis orientierten Abschluss82 vor allem an deutschsprachigen Universitäten, zumal die Position als Gesundheitsbeamter keine Nachteile gegenüber in Frankreich promovierten Absolventen zu bringen schien. Im Gegenteil: Es waren vor allem die Gesundheitsbeamten, die nach ihrer Annahme als Organ der Medizinalpolizei zu Distriktsärzten ernannt wurden. In dieser Position unterstützten sie vor allem die ärmeren Gemeinden, die sich keine Schutzmaßnahmen gegen damals besonders verbreitete Infektionskrankheiten wie Pocken (Blattern), Krätze83 oder Syphilis leisten konnten. In der Regel wurden die – später von der Bezirksregierung zu ernennenden – Distriktsärzte zu vier Fünfteln von den jeweiligen Gemeinden und zu einem Fünftel aus der Armenkasse entlohnt. Dieses System blieb im Wesentlichen bestehen, wurde aber per Verordnung vom 20. Juni 1816 ergänzt.

 

Da der Medizinalrat bei der Bezirksregierung seine Augen unmöglich überall haben konnte, wurde für jeden Kreis im Regierungsbezirk Koblenz – entsprechend der damals üblichen Trennung von Medizin und Chirurgie – ein Kreisphysikus und Kreiswundarzt84 (der zugleich Geburtshelfer war) angestellt. Diese beamteten Ärzte wurden durch den Staat besoldet und entlasteten den Medizinalrat in der Bezirksregierung als obere Behörde erheblich. Die wichtigere Rolle spielte der jeweilige Kreisphysikus, der nicht nur den allgemeinen Gesundheitszustand in seinem Kreis beobachtete, sondern dort auch die Aufsicht über alle im Medizinalwesen Beschäftigten hatte. Der Wundarzt im jeweiligen Kreis war ihm nur beigeordnet. Es war auch der jeweilige Kreisphysikus, der gerichtlich angeordnete Leichenöffnungen ausführte. Bei diesem System blieb es. Allerdings setzte Franz Gerhard Wegeler bereits 1818 die Einteilung der entsprechenden Bezirke neu fest, damit die Neuorganisation auch auf den rechtsrheinischen Teil des Regierungsbezirks Koblenz übertragen werden konnte. Dies geschah aber im Einvernehmen mit den Landräten.85 In den Hauptorten der Kreise im Regierungsbezirk hatten Kreisphysikus und Wundarzt eine Doppelfunktion. Sie übernahmen dort nebenberuflich auch die Funktion von Distriktsärzten. Sie wurden dafür von der jeweiligen Gemeinde auch entlohnt.

 

Doppelfunktionen waren im Regierungsbezirk Koblenz keine Spezialität des Medizinalwesens. Auch im Bausektor war dies üblich – wie noch zu schildern ist. Die Rolle der Distriktsärzte wurde damit nicht ausgehöhlt. Je nach Größe des Kreises gab es ein bis drei Ärzte, die in dieser Funktion eingesetzt waren. Sie durften frei praktizieren und wurden für ihre Arbeit im öffentlichen Gesundheitswesen als Armenärzte von den Gemeinden besoldet. Bis 1861 waren sie sogar zusätzlich Gemeindebeamte. Wie bereits in französischer Zeit gehörte die Impfung zu ihren Hauptaufgaben. Dazu kam die Meldung von Quacksalbern sowie die medizinalpolizeiliche Überwachung von Gefängnissen, Kirchhöfen (die noch nicht überall verlegt waren), Brunnen und Dungstätten. Insgesamt gesehen war dieses System nur im Regierungsbezirk Koblenz derart ausgereift, dass es sich zur Übernahme eignete. So folgte der Regierungsbezirk Trier dem Koblenzer Vorbild, während man in Aachen eine Übernahme als unnötig ablehnte.86

 

In Koblenz gab es schon zu Beginn der preußischen Zeit eine Kommission, die sich mit der Prüfung der für öffentliche Aufgaben infrage kommenden Ärzte befasste: Bereits am 8. August 1817 begann das Medizinalkolleg seine Arbeit. Den Vorsitz führte ein vom preußischen Minister des Inneren ernannter Kommissar. Das Kolleg war für die drei niederrheinischen Regierungsbezirke zuständig. Alle Ärzte eines Bezirks hatten sich einer Prüfung zu unterziehen. Ausgenommen waren nur diejenigen, die bereits in französischer Zeit als Kanton-, Distrikts- oder Epidemieärzte angestellt waren – vorausgesetzt, sie hatten ihr Amt vorwurfsfrei geführt. Die Kommission sollte feststellen, welche Mediziner den nach preußischem Recht promovierten und praktizierenden Ärzten gleichgestellt werden konnten. Gegebenenfalls stimmte das Kolleg für die Abstufung zum Wundarzt. Obwohl in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Ausbildung die Trennung zwischen Medizin und Chirurgie weggefallen war, sollte sich dieses System erst mit dem neuen Kreisarztgesetz vom 16. September 1899 ändern, das nur noch den Kreisphysikus kannte, der in seinem Bezirk auch als Gerichtsarzt zuständig war. 87

 

Seitens der Bezirksregierung Koblenz war man stets bemüht, gegen diejenigen vorzugehen, die sich ohne Approbation in ärztlichen Berufen betätigten. Ein Dorn im Auge der Beamten waren vor allem die sogenannten Knochenflicker, die schon in französischer Zeit ihr Unwesen trieben und bei der Überprüfung durch die Behörden angaben, alle zur Familie Pies zu gehören. Obwohl die Bezirksregierung der Familie bereits am 23. Januar 1819 verboten hatte zu praktizieren, war das Problem noch längst nicht gelöst. Die „Knochendoktoren“ aus dem Hause Pies wichen in die ländlichen Gebiete aus, wo sie in der Bevölkerung nach wie vor hoch angesehen waren – und sich auch nicht wirklich strafbar machten, weil sie in schwierigen Fällen an die zugelassenen Ärzte verwiesen. Die bereits am 6. März 1819 von Medizinalrat Dr. Ulrich angeregte Gründung einer Anstalt zur unentgeltlichen Heilung von Knochenbrüchen im Bürgerhospital hätte zur Lösung des Problems beitragen können, wurde aber aus Kostengründen abgelehnt. Anders sah es bei den Augenkrankheiten aus. Auch um den starstechenden Okulisten das Handwerk zu legen, wurde bereits am 25. Februar 1818 eine Augenheilanstalt gegründet, die im Bürgerhospital im Kastorviertel den Betrieb aufnahm.88

 

In ihrer „Mission“ schossen die Behörden aber auch oft über ihr Ziel hinaus. Dies zeigt der Fall von Dr. Kirchgässer, der die Behörden von 1842 bis 1845 beschäftigte. Der Koblenzer Arzt hatte sich unter seinen Kollegen nicht gerade beliebt gemacht, weil er ein entschiedener Gegner von Aderlass und Ansetzen von Blutegeln war und lieber starke Reizmittel verordnete. Als einer seiner Patienten, der Koblenzer Kaufmann Kaspar Anton Müller, starb, witterte der Koblenzer Kreisphysikus, Geheimrat Dr. Settegast, schwere Kunstfehler und forderte, Kirchgässers Praxis zu schließen. Die Bezirksregierung unterstützte dieses Anliegen, der „Fall Kirchgässer“ ging an das zuständige Ministerium. Das lehnte eine Schließung der Praxis ab, forderte aber, ein waches Auge auf den „mittelmäßigen Arzt“ zu haben.89

 

4.2 Wie Epidemien verwaltet wurden

 

Die Seuchenbekämpfung war seit 1817 eine Aufgabe der Bezirksregierung. Und die hatte auf diesem Gebiet gleich eine Menge zu tun, denn der Durchzug von Truppen in den Kriegsjahren 1814 und 1815 brachte auch auf dem Land den verstärkten Ausbruch von Geschlechtskrankheiten, Krätze und Typhus mit sich. Ein Grund für die Verbreitung war, dass die verarmte Bevölkerung im wahrsten Sinne des Wortes das Bett mit den Soldaten teilte. Dies macht der Bericht eines Distriktsarztes im Kreis Cochem über den kleinen Ort Lutzerath in der Eifel deutlich, der an der Etappenstraße nach Trier lag: Ein Wirt hatte sein eigenes Bett einem Soldaten zur Verfügung gestellt, der an Krätze erkrankt war. Da das Bett unverändert auch noch anderen Gästen überlassen wurde, entstand einer der vielen Ansteckungsherde. Die Folgen waren alles andere als unerheblich. Die durch den Koblenzer Bezirk ziehenden Soldaten wurden nach der Inkubationszeit so stark geschwächt, dass sich die Kommandanten der preußischen Truppen in Frankreich und auch die Führung der Festung Mainz beschwerten. Dies war einer der ersten Bewährungsproben für Franz Gerhard Wegeler in preußischen Diensten. Der Medizinalrat gab den Kreis- und Distriktsärzten scharfe Instruktionen. Die Bevölkerung wurde untersucht, herumziehende Handwerksburschen wurden kontrolliert. In besonders infizierten Kreisen wurde sogar die Einrichtung von entsprechenden Lazaretten angeordnet. Wegelers Maßnahmenpaket brachte den gewünschten Erfolg. Binnen zwei Jahren war die Infektionskrankheit besiegt.90

 

Weniger erfolgreich war der Kampf gegen die Geschlechtskrankheiten, die nach Aufhebung der Bordelle im Zuge einer preußischen Kabinettsordre vom 5. Oktober 1845 wieder verstärkt auftraten. Die Lage besserte sich erst, als auf Anregung der Bezirksregierung eine Aufsicht über die öffentlichen Dirnen eingeführt worden war.91 Noch aussichtsloser schien der Kampf gegen den Typhus gewesen zu sein, der während des gesamten 19. Jahrhunderts immer wieder in Städten und Gemeinden des Regierungsbezirks auftrat. In den meisten Fällen waren es sogenannte „Hausepidemien“, die vor allem in den Straßen und Gebäuden ausbrachen, in denen die Lebensbedingungen besonders schlecht waren. Die gefährliche Infektionskrankheit machte aber nicht nur der Zivilbevölkerung zu schaffen, wie verschiedene Meldungen im „Coblenzer Anzeiger“ aus dem Revolutionsjahr 1848 belegen. Demnach hatte eine Typhusepidemie bereits im Februar bedenkliche Formen angenommen. Es gab damals mehrere Tote, wobei sich die genaue Zahl aus den Akten nicht mehr rekonstruieren lässt. Sicher ist dagegen, dass auch das in Koblenz stationierte Militär schwer betroffen war: Die Krankheit hatte rund 80 Personen eines Bataillons des auf der Festung Ehrenbreitstein stationierten Infanterie-Regiments 29 befallen. An die Gesunden wurde zur Vorbeugung Branntwein ausgegeben. Im März 1848 wurde schließlich ein Teil der Besatzung in die Feste Kaiser Franz im heutigen Stadtteil Lützel verlegt. Zwei weitere Kompanien des Regiments wurden zunächst in Rübenach, Bubenheim und Metternich, danach in Winningen stationiert. Im Oktober 1848 traten weitere Typhusfälle im zweiten Bataillon des Infanterie-Regiments 27 auf. Die Epidemie forderte mehrere Todesopfer.92

 

Die Vorschriften, die den Kampf gegen Infektionskrankheiten erleichtern konnten, waren lange Jahre unzureichend. Es galt das preußische Regulativ vom 8. August 1835, das erst am 30. Juni 1890 durch das wesentlich verschärfte Reichsgesetz über die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten ersetzt wurde. Dieses Gesetz war ein wirkungsvolles Instrument im Kampf gegen den Typhus, der im Gegensatz zur Cholera viel zu oft auf die leichte Schulter genommen wurde. So galt zunächst eine mangelhafte Erfüllung der Meldepflicht der Erkrankungen, später schlechtes oder verjauchtes Trinkwasser als Hauptursache für die Verbreitung der Infektion.

 

Dass die Krankheit schließlich weitestgehend besiegt werden konnte, lag natürlich vor allem auch an den erheblichen technischen Verbesserungen jener Jahre. In diesem Zusammenhang seien der Bau eines Grundwasserwerks und der neuen Schwemmkanalisation im Koblenz des ausgehenden 19. Jahrhunderts genannt, auf die im Folgenden noch ausführlich eingegangen werden soll. In den ärmeren ländlichen Räumen des Regierungsbezirks war dagegen die Typhusgefahr trotz der besseren Rechtslage auch noch in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts nicht gebannt. Viele Gemeinden in der Eifel, im Hunsrück und im Westerwald wurden erst mit staatlicher Hilfe aus dem „Westfonds“ endlich in die Lage versetzt, Wasserleitungen und undurchlässige Dunggruben anzulegen.93 Die Maßnahmen zur Seuchenbekämpfung erstreckten sich natürlich nicht nur auf die großen Gefahren wie Cholera und Typhus. Die Behörden lenkten die Blicke auch auf andere übertragbare Krankheiten wie Scharlach, Diphtherie, Kindbettfieber und vor allem die Tuberkulose. Einen Fortschritt in der medizinpolizeilichen Fürsorge in der Gesundheitspflege war die Einrichtung von Gesundheitskommissionen, die nach dem Kreisarzt-Gesetz von 1899 in jeder Gemeinde mit mehr als 5000 Einwohnern schnellstmöglich eingerichtet werden mussten. In kleineren Orten war die Einrichtung dieser Kommissionen zwar nicht zwingend vorgeschrieben, konnte aber vom Regierungspräsidenten oder vom zuständigen Landrat angeordnet werden. Das wurde von der Bevölkerung nicht gerne gesehen. Viele Bürger befürchteten Eingriffe in die Privatsphäre und ein Überhandnehmen staatlicher Kontrollen.94

 

Aber nicht nur die privaten Wohnungen und Unterkünfte wurden gründlich unter die Lupe genommen. Seit 1890 ordnete der Regierungspräsident jährliche Besichtigungen von Heil- und Pflegeanstalten an. Betroffen waren auch die Einrichtungen für „Kranke, Sieche und Irre“ sowie Heilbäder und Mineralbrunnen innerhalb des Regierungsbezirks. In dieser Zeit etablierte sich schließlich ein weiteres Instrument in der Seuchenbekämpfung: die bakteriologische, chemische und physikalische Untersuchung des Rheinwassers. Diese Untersuchungen wurden vom Regierungs- und Medizinalrat Dr. Bernhard Salomon zusammen mit dem Bakteriologen des Sanitätsamtes vom 8. Armeekorps, Oberstabsarzt Dr. Hühnermann, 1899 direkt in Koblenz durchgeführt. Doch schon vorher gab es entsprechende Untersuchungen, die zum Teil in Koblenz, zum anderen Teil in Karlsruhe oder in Berlin durchgeführt worden waren.95

 

 

4.3 Preußische Verwaltung im Rheinland

 

Der Pariser Frieden vom 30. Mai 1814 leitete auch das Ende der Zentralverwaltung der Siegermächte ein. Bereits einen Tag später wurde die Verwaltung der Gouvernements den einzelnen Siegermächten übertragen. Im Februar 1815 wurde schließlich auf dem Wiener Kongress die staatsrechtliche Vereinigung der rheinischen Gebiete mit Preußen beschlossen. Am 5. April folgen zwei Besitzergreifungspatente des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. Das Rheinland wurde 1815 zunächst in die Provinz Großherzogtum Niederrhein mit den Regierungsbezirken Koblenz, Aachen und Trier sowie die Provinz Jülich-Kleve-Berg mit den Regierungsbezirken Düsseldorf, Köln und Kleve aufgeteilt. Die beiden für die neuen Provinzen zuständigen Präsidien nahmen am 22. April 1816 ihre Arbeit auf.96 Die Bildung einer neuen mittleren Verwaltungsebene in den Rheinlanden erfolgte auf Grundlage der „Verordnung über die verbesserte Einrichtung der Provinzialbehörde“ vom 30. April 1815. Diese sah die Neugliederung des erheblich gewachsenen Preußens in zehn Provinzen und 25 Regierungsbezirke vor.97 Erst durch die preußische Kabinettsordre vom 27. Juni 1822 legte man die beiden neuen Provinzen zum Rheinischen „Oberpräsidium“ mit Sitz in Koblenz zusammen. Vorausgegangen war die grundsätzliche Entscheidung, die mittlere Verwaltungsebene in Preußen durch Oberpräsidien und Regierungskollegien zu organisieren. Die neue Provinzhauptstadt Koblenz war fortan wegen ihres Oberpräsidiums zumindest formal den Städten Aachen, Düsseldorf, Köln und Trier übergeordnet, was man dort in der Regel mit Unbehagen zur Kenntnis nahm. Mit der Einrichtung des Generalkommandos für das achte Armeekorps hatte Koblenz zusätzlich im Bereich der Militärverwaltung eine besondere Bedeutung.98

 

Nachdem König Friedrich Wilhelm IV. seinen Bruder Wilhelm 1849 zum Militärgouverneur von Rheinland und Westfalen ernannt hatte, residierte der Prinz von Preußen von 1850 bis 1858 im ehemaligen kurfürstlichen Schloss.99 Den Rheinländern blieb das französische Recht erhalten, denn der Versuch einer Vereinheitlichung der Bestimmungen in den preußischen Provinzen auf der Grundlage des Allgemeinen Landrechtes scheiterte. Im Rheinland bestanden – wie dies bereits am Beispiel des Medizinalwesens ausgeführt wurde – die Regelungen nach der französischen Gemeindeordnung von 1800 zunächst weiter. Anders als in den preußischen Kerngebieten waren Stadt und Land grundsätzlich gleichgestellt.100 In den Städten kam es jedoch zu entscheidenden Änderungen zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung im Sinne der Stein’schen Städteordnung von 1807: Der Stadtrat, Nachfolger des alten Munizipalrates, tagte jetzt nicht mehr jährlich, sondern monatlich und nach Bedarf. Alle Gegenstände der kommunalen Verwaltung wurden von den Mitgliedern erörtert. Der Bürgermeister hatte – unterstützt von zwei Beigeordneten – die Aufgabe, Beschlüsse auszuführen.101

 

Trotz der Neuerung ließ sich die Stein’sche Städteordnung, die Grundlagen für die Selbstverwaltung der Gemeinde lieferte, nicht durchführen. Die Verwaltungsreform stellte die Städte freier als das Land, und gewährte ihnen besonders das Recht der Bürgermeisterwahl, während die französischen Maires und die späteren Bürgermeister von der Regierung ernannt worden waren. Die Neuorganisation der kommunalen Verwaltung orientierte sich aber nur an den wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen in den preußischen Kerngebieten. Deswegen widersprachen die Oberpräsidenten und Regierungen in den neuen Provinzen. Sie forderten für diese Gebiete die Ausarbeitung einer gemeinsam für Stadt und Land gültigen Gemeindeordnung in dem freiheitlichen Geist der Stein’schen Reformen.102

 

Eine Ausnahme stellte die Königliche Regierung (Bezirksregierung) in Koblenz dar. Sie hatte für ihren Bezirk schon 1817 eine eigene Gemeindeordnung erlassen. Diese Eigenentwicklung im Bereich der kommunalen Verwaltung ist unter anderem auch darauf zurückzuführen, dass die Karrieren vieler juristischer Beamter bereits in napoleonischer Zeit begonnen hatten. Diese Staatsbediensteten befürchteten eine Wiederherstellung des alten Feudalsystems; sie wollten deshalb das französische Recht nicht vollständig aufgeben.103

 

Wegen des allgemeinen Widerstandes galt im Rheinland bis zur Einführung der neuen rheinischen Gemeindeordnung 1845/46 im Prinzip die französische Munizipalverfassung – allerdings mit der Einschränkung, dass nun die Mitglieder der jeweiligen Gemeinderäte ausschließlich aus dem Kreis der 100 Höchstbesteuerten berufen wurden. Der kommunalpolitische Einfluss des Wirtschaftsbürgertums – also der Kaufleute und Fabrikanten – nahm somit gegenüber dem des Bildungsbürgertums deutlich zu.104 An dieser Tatsache änderte auch die neue Gemeindeordnung nichts. Allerdings wurden jetzt die Mitglieder der Gemeinderäte gewählt. Freilich war das kommunale Wahlrecht von der Höhe des Jahreseinkommens oder der Steuerleistung abhängig. In der Praxis bedeutete dies, dass nur ein kleiner Teil der Bürger wählen durfte. So erfüllte in Düsseldorf nur jeder achte Handwerksmeister den Mindestzensus von 200 Talern. Jürgen Reulecke schätzt, dass allenfalls zehn Prozent der Bürger „ihre“ Stadtverordneten wählen konnten.105 Vor diesem Hintergrund wird klar, warum die neue starke Schicht trotz späterer Modifikationen des Wahlrechts ihren Einfluss weiter ausdehnen konnte – etwa durch die Gründung von örtlichen Organisationen und Vereinen. Über die neuen Handelskammern sorgten sie dafür, dass es für ihre Forderungen eine breite Öffentlichkeit gab.106

 

 

4.3.1 Kreisbehörden

 

Bereits 1815 wurden die Regierungsbezirke in Kreise eingeteilt. An ihrer Spitze standen landrätliche Kommissare, die später den Titel „Landrat“ führten. Die Städte sollten eigene Kreise bilden. An die Stelle der Landräte traten nun die Polizeidirigenten. Die Städte und das Land unterstanden dem Landrat, die Bürgermeister waren ihm zugeordnet. Eine Verordnung vom 13. Juli 1827 ordnete die Bildung von Kreisständen und die Einrichtung von Kreistagen an.107 Der Stadtkreis Koblenz wurde 1816 aus den Bürgermeistereien Ehrenbreitstein und Koblenz gebildet. Hinzu kamen Neuendorf, Berghof, Karthause, Kemperhof, Laubachsmühle, Petersberg, Remstecken, Oberwerth und Moselweiß. Dem gegenüber stand der Landkreis Koblenz. Zu ihm gehörten die Bürgermeistereien Bassenheim, Rhens, St. Sebastian, Winningen, Dieblich, Lay, Vallendar, Engers und Irlich. Nur ein Jahr später vereinigte man Stadt- und Landkreis miteinander.108 1847 war Koblenz im Bereich der Polizei- und Kommunalverwaltung direkt der Königlichen Regierung (Bezirksregierung) unterstellt. In den anderen Ressorts, vor allem im Bereich des Steuer- und Militärwesens, blieb die Stadt dem Landkreis untergeordnet. Dies änderte sich erst am 29. Juni 1887. Damals ermöglichte ein Erlass das Ausscheiden von Koblenz aus dem alten Kreisverband und die Bildung eines eigenen Stadtkreises.109

 

 

4.3.2 Gemeindeverwaltung

 

Koblenz war lange keine eigenständige Bürgermeisterei. Daran änderte auch die Gemeindeordnung vom 23. Juli 1845 nichts. Die alte Organisation blieb bis zum 15. Mai 1857 bestehen: Zusammen mit Moselweiß, Neuendorf und Kapellen gehörte die Stadt einem Bürgermeistereiverband an. Die neuen Regelungen, die ab 1846 in Kraft traten, brachten dennoch einige entscheidende Neuerungen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Regierung die Ratsmitglieder ernannt. Jetzt entschied eine Wahl über die Zusammensetzung des Gemeinderates, wobei die Abstimmung nach dem Dreiklassenwahlrecht erfolgte. Die Bürger wählten die Stadtverordneten auf sechs Jahre. Anschließend bestätigte der Landrat die neuen Ratsmitglieder.110 Die Stadtbürgermeister wurden auf Vorschlag der Bezirksregierung ernannt und vom König bestätigt. Bei Städten mit mehr als 10.000 Einwohnern erhielten sie den Titel Oberbürgermeister.111 Von besonderer Bedeutung für Koblenz war die Städteordnung vom 15. Mai 1856, denn jetzt wurden der Bürgermeister und seine beiden Beigeordneten nicht mehr ernannt, sondern vom Stadtrat gewählt.112 Der Oberbürgermeister musste quasi als örtliche Obrigkeit und Gemeindeverwaltungsbehörde die Gesetze, Verordnungen und Verfügungen der vorgesetzten Behörden ausführen. Außerdem war er verpflichtet, den Geschäftsgang der städtischen Verwaltung zu leiten, zu beaufsichtigen sowie die Beschlüsse des Stadtrates vorzubereiten und auszuführen. Schließlich hatte er die Gemeindeanstalten, die Einkünfte und das Eigentum der Stadtgemeinde zu verwalten und nach außen hin zu vertreten. Entlastung versprach die schrittweise Einführung von Ausschüssen zur Verwaltung oder Beaufsichtigung einzelner Geschäftsbereiche.113

 

 

4.3.3 Polizeiverwaltung

 

Die Polizeiverwaltung in der Rheinprovinz wurde im Gegensatz zu anderen Gebieten in Preußen schon ab 1815 durch die Regierungen und die ihr unterstellten Beamten ausgeübt. Dies waren die Landräte, Bürgermeister und in den Städten Polizeipräsidenten oder Polizei-direktoren. Dagegen blieb die Polizeigerichtsbarkeit den gerichtlichen Behörden überlassen.114 Zu den Aufgaben der Polizeiverwaltung gehörte die Sorge um die Straßenbeleuchtung sowie die öffentlichen Brunnen und Wasserleitungen. Auch die Überwachung der Feuerlösch- und Gesundheitsanstalten oder die Prüfung von Brücken fiel in ihren Zuständigkeitsbereich. Schließlich lag auch noch die Aufstellung von Bevölkerungslisten in ihrer Hand.115 Die unmittelbar der Polizeidirektion vorgesetzte Behörde war die Königliche Regierung (Bezirksregierung). Der Polizeidirektor musste sich deswegen in allen Zweifelsfällen schriftlich oder persönlich an den Oberpräsidenten116 oder den Direktor der ersten Abteilung bei der Regierung wenden.117 1818 erfolgte die Vereinigung der königlichen Polizeidirektion mit der Oberbürgermeisterei.118 Diese entscheidende Veränderung hatte auch Auswirkungen auf das Genehmigungsverfahren bei privaten Baugesuchen. Zwar waren baupolizeiliche Aufgaben bereits 1815 der neuen städtischen Baukommission zugeteilt worden, doch musste der Polizeidirektor immer dann einschreiten, wenn Gefahr für die Öffentlichkeit bestand. Nach der Reform von 1818 fiel diese Kontrollinstanz weg. Endgültige Entscheidungen in Privatbausachen waren aufgrund der Vereinigung der beiden Ämter dem Oberbürgermeister vorbehalten.119 Die rheinische Gemeindeordnung vom 23. Juni 1845 ließ die Personalunion bestehen, indem sie unter Beibehaltung des bisherigen linksrheinischen Zustandes bestimmte, dass der von der Regierung zu ernennende Bürgermeister auch die Polizeiverwaltung seines Bezirks führen sollte. Das die Polizeiverwaltung betreffende Gesetz vom 11. März 1850 hob für Koblenz die Einheit der beiden Ämter auf:120 Durch einen entsprechenden Beschluss des preußischen Innenministers konnte in den Gemeinden, in denen sich eine Bezirksregierung, ein Land-, Stadt- oder Kreisgericht befand, sowie in Festungen und Gemeinden von mehr als 10.000 Einwohnern die örtliche Polizeiverwaltung durch Beschluss des Ministers des Inneren besonderen Staatsbeamten übertragen werden.121 1852 wurde deshalb der Düsseldorfer Landrat Junker als Koblenzer Polizeidirektor eingesetzt. Von 1863 an wurde das Amt für Koblenz dem jeweiligen Landrat des Landkreises Koblenz übertragen. Erst am 9. Oktober 1918 verfügte der Minister des Inneren die Neuorganisation der Polizeiverwaltung zum 1. April 1919. Fortan übernahm der Koblenzer Oberbürgermeister die Funktion des Polizeidirektors.122

 

Über die Personalunion von Landrat und Polizeidirektor war die Stadtverwaltung alles andere als begeistert. Mehrmals beantragte sie die Rückgliederung der Polizeidirektion in den Kommunalverband. Der bei der Regierung eingereichte Antrag wurde abgelehnt. Dafür wurde Ehrenbreitstein 1861 aus dem Polizeibezirk Koblenz herausgelöst.123 Die Trennung von Polizeidirektion und kommunaler Verwaltung hatte auch Auswirkungen auf die Baugenehmigungsverfahren. Zwar mussten private Baugesuche weiterhin bei der städtischen Baukommission eingereicht werden, doch konnte jetzt der Polizeidirektor, dem die Gesuche vorgelegt wurden und in dessen Namen dann die endgültige Genehmigung der einzelnen Vorhaben erfolgte, seine Unabhängigkeit von der städtischen Verwaltung wahren. Wegen der wachsenden Zahl von Anträgen wurde allerdings zum 1. Februar 1902 bei der „Königlichen Polizei-Direction Coblenz“ eine eigene Bauinspektorenstelle eingerichtet.124

 

 

4.4 Die Bauverwaltung

 

Im Regierungsbezirk Koblenz gab es mehrere Baukreise. Zahl und Größe wurden im Zuge der allmählich steigenden Bauaktivitäten verändert. In ihren Grenzen unterschieden sie sich von der Kreiseinteilung der anderen Verwaltungsbereiche. Jedem Baukreis stand ein Bauinspektor vor, den beamtete Ingenieure unterstützten. Vorgesetzter der Bauinspektoren war der Baurat in der Abteilung des Inneren bei der Königlichen Regierung in Koblenz. Seit der preußischen Machtübernahme hatte die Leitung der Bausachen des Regierungsbezirks Koblenz – abgesehen von einigen kürzeren Zeiträumen – in den Händen eines einzigen Baurates gelegen. Erst 1898 wurde ein zweiter „Regierungs- und Baurat“ eingestellt und die Stelle des wasserbautechnischen Rates geschaffen.125

 

Zu den Aufgaben des Baurates gehörte die Überwachung der Dienstgeschäfte der Bauinspektoren in den einzelnen Baukreisen. Außerdem mussten ihm Monatsberichte über alle Arbeiten, deren Bauherr der Staat war, vorgelegt werden. Da die Bauinspektoren vor allem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts neben ihren eigentlichen Dienstgeschäften auch Aufträge der Kirchen- und Zivilgemeinden ausführten und Honorare für Entwürfe und Bauleitung erhielten, während ihr Gehalt weiter vom Staat getragen wurde, musste der Baurat Pläne und Kostenanschläge für diese Bauten prüfen. Bei Streitfragen zwischen Bauherrn, -beamten und -unternehmern musste der Baurat vermitteln. Er urteilte über Anträge seiner Baubeamten (sie betrafen zum Beispiel Urlaub und Gehaltserhöhungen), ehe sie zur Entscheidung über den Oberpräsidenten an das zuständige Ministerium in Berlin weitergereicht wurden.126

 

Neben den beiden für den Landbau zuständigen Inspektoren bei der Regierung und den ihnen unterstellten Kondukteuren wirkten in den einzelnen Baukreisen Land-, Wasser- und Wegebaumeister. Es konnte auch vorkommen, dass ein Bauinspektor zugleich kommunaler Baumeister war. So arbeitete Johann Claudius von Lassaulx nicht nur als Bauinspektor bei der Regierung, sondern zwischen 1816 und 1848 auch für die Stadt Koblenz. Der Stadtbaumeister war für die Leitung und für den Entwurf kommunaler Bauten zuständig. Darüber hinaus musste er städtebauliche und versorgungsrechtliche Gutachten anfertigen, die dann dem Koblenzer Rat zur Entscheidung vorgelegt wurden.127 Lassaulx musste sich außerdem um das Lösch- und Brandwesen kümmern. Zudem war er dafür verantwortlich, dass die öffentlichen Pumpen, die in erster Linie der Versorgung der Bevölkerung mit Trink- und Brauchwasser dienten, einwandfrei funktionierten. Auch die bereits in der Stadt vorhandene Kanalisation gehörte in seinen Zuständigkeitsbereich.128

 

Die Tätigkeit des Stadtbaumeisters wurde später angesichts der wachsenden Bauaktivitäten streng reglementiert. Doppelbeschäftigungen blieben ausgeschlossen. So war es dem kommunalen Beamten verboten, Privatarbeiten zu übernehmen. Baumeister hatte „[...] seine ganze Tätigkeit der Wahrnehmung seiner dienstlichen Obliegenheiten zu widmen und das öffentliche Interesse in allen Beziehungen nach Pflicht und Gewissen zu schützen und zu fördern [...]“ Der Amtsinhaber war verpflichtet „[…] sämmtliche zum bautechnischen Ressort der Gemeindeverwaltung  gehörenden Angelegenheiten zu bearbeiten, auszuführen und zu überwachen und die ihm von der städtischen Behörde ertheilten Aufträge hinsichtlich Projectirung, Veranschlagung resp. Leitung und Revision der an den öffentlichen Gebäuden und Anlagen vorkommenden Bauten, Einrichtungen und Reparaturen zu vollziehen. [...]“129 Der Stadtbaumeister musste zusätzlich die technischen Voraussetzungen für die Einrichtung neuer Wege, Brücken sowie Ufer- und Hochbauten leisten. Außerdem hatte er sich um deren Unterhalt zu kümmern. Die Beschaffung von Baumaterialien und die Überwachung der ausführenden Bauunternehmen gehörte ebenfalls zu seinem Aufgabenbereich. Zudem war er Mitglied der städtischen Baukommission, die die Einhaltung bestehender Bauordnungen überwachte.130

 

Nachfolger des Stadtbaumeisters Lassaulx wurde Hermann Antonius Nebel (1816–1893), Sohn des Landbauinspektors, der von 1823 bis 1853 für die Koblenzer Regierung tätig war.131 Wie schon Lassaulx hatte dieser Architekt keine vollständige Prüfung zum Privatbaumeister. Diese hatte man ihm 1846 wegen seiner besonderen Fähigkeiten zum großen Teil erlassen. Ein Zeugnis der Berliner Oberbaudeputation bescheinigte ihm eine „vorzüglich gute Befähigung“.132 Hermann Nebel nahm seine Aufgaben bis 1883 wahr. Ein Nachfolger wurde 1884 mit Georg Breiderhoff gefunden. Dieser blieb nicht einmal zwei Jahre im Amt. Ihm folgte Friedrich Wilhelm Mäckler (1852–1913), der bis zu seinem Tod die Koblenzer Bauverwaltung prägte.133 Erst 1914 wurde die Stelle eines besoldeten Beigeordneten für kommunale Bauaufgaben geschaffen. Erster Chef des neuen Dezernats war Franz Rogg (1875–1944).134

 

In Koblenz lag die Beratung von Baumaßnahmen seit dem 14. November 1815 in den Händen einer besonderen Baukommission. Diesem Gremium, das ab 1818 vom Stadtrat gewählt wurde, gehörten in den ersten Jahren der Oberbürgermeister, der städtische Baumeister und vier Stadträte an. Die Zusammensetzung wechselte. Die Bauordnung von 1854 nannte als Mitglieder den Oberbürgermeister, den Stadtbaumeister, zwei Mitglieder des Stadtrates sowie einen Zimmerer- und einen Maurermeister. Die beiden Ratsmitglieder gehörten später nicht mehr der Baukommission an.135 Die Hauptaufgabe dieses lange Zeit einzigen Ausschusses lag zunächst darin, für die „Verschönerung der Stadt, die Anlage und Veränderung der Straßen und die Beseitigung von Ruinen der ehemaligen Befestigungsanlagen“ Sorge zu tragen. Schon frühzeitig kam die Prüfung der Baugesuche dazu.136

 

Die Bauordnung von 1854 verpflichtete die städtische Baukommission zur Aufstellung technischer Erklärungen, nachdem sie die eingegangenen Anträge bearbeitet hatte. Diese Empfehlungen wurden dann an den Polizeidirektor weitergeleitet, der die Baugenehmigung erteilte oder das Gesuch ablehnte. Anschließend ging der Antrag an den Oberbürgermeister zurück, der den Bescheid an den Antragssteller weiterleitete. Wollten die Bauherren bei der Planung ihrer Projekte in gewissen Punkten von den Bestimmungen der Bauordnungen abweichen, mussten sie beim Regierungspräsidenten eine Ausnahmegenehmigung beantragen.137

 

Auch während der Ausführung wurden die Bauvorhaben kontrolliert. Der Stadtbaumeister führte nach der Fundamentlegung, beim Einziehen der Balkenlagen und schließlich bei der Vollendung der Gebäude zusammen mit dem „District-Polizeicommissar“ Bauabnahmen durch. Nach Abschluss der Kontrollen wurde ein Attest über die Endabnahme ausgestellt.138 Dieses Genehmigungs- und Kontrollsystem war dem rasanten Wachstum im Bauwesen der Jahrhundertwende nicht gewachsen. Im April 1900 schrieb Regierungspräsident August Freiherr von Hövel an das Ministerium für öffentliche Arbeiten über die Baukommission: „[...] Diese Zusammensetzung vermag die richtige Handhabung der Baupolizei nicht zu verbürgen, indem das einzige Mitglied der Kommission, welches für die technische Prüfung hinreichend befähigt ist und sich zugleich in verantwortlicher Beamtenstellung befindet, der Stadtbaurat, von seiner ausgedehnten sonstigen kommunalen Tätigkeit derart in Anspruch genommen wird, daß er [...] durch die Verhältnisse gezwungen, die Prüfung und Bearbeitung des Baugesuchs mit wenigen Ausnahmen seinen Unterbeamten und den im Ehrenamt tätigen Commissionsmitgliedern überlassen muß. [...]“139 Regierungspräsident August Freiherr von Hövel hatte die größten Bedenken gegen eine Mitgliedschaft von freien Architekten und Unternehmern in der Baukommission, da sie ihr Amt zur Durchsetzung eigener Interessen ausnutzen konnten. In der Tat gab es Hinweise, dass technische Mitglieder des Bauausschusses in eigener Sache tätig geworden waren. 140

 

 

4.4.1 Bauordnungen in Koblenz

 

In Preußen gab es in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts keine umfassenden Bestimmungen zur Regelung des Bauwesens im Sinne von Bebauungsplänen. Nach dem allgemeinen Landrecht galt ein grundsätzlich unbeschränktes Baurecht des Eigentümers, soweit es nicht zur Beeinträchtigung des allgemeinen Wohls und der bestehenden Rechte Einzelner kam.141 Bis zu Beginn der 1850er-Jahre existierten Bestimmungen über die Qualifikation der Bauhandwerker und Vorschriften für die Genehmigung neuer Bauten oder größerer Reparaturen. Außerdem wurden Verordnungen zur Verhinderung von Unglücksfällen und gesundheitlichen Gefahren erlassen. Insgesamt gesehen galten auf dem Land und in den Städten Preußens baurechtlich sehr verschiedene Bestimmungen, obwohl einige gesetzliche Vorschriften existierten.142

 

1829 übernahm der Referendar C. U. Meyer die Aufgabe, diese Gesetze und Verordnungen in einem Handbuch zusammenzufassen.143 Demnach galt in den preußischen Städten durchweg die Vorschrift, dass Straßen und öffentliche Plätze weder verengt noch verunreinigt oder verunstaltet werden durften. Ohne ausdrückliche Genehmigung der Obrigkeit konnte niemand einen Kellerhals  oder andere Nebeneinrichtungen an den Straßen anlegen. Gleichfalls untersagt war die Einrichtung von Keller- und Ladentüren, die in die Straßen hineinragten.144 Allgemeingültige Bestimmungen gab es auch für die Ausführung von Bauten. „Luftsteine und andere keine gehörige Dauer und Festigkeit gewährende Materialien“ sollten nicht zur Errichtung der Wände verwendet werden. Beim Bau neuer städtischer Gebäude war vorgeschrieben, „[...] nach den Vorgaben der Polizeiordnung einen von unten herauf bis an die Spitze des Dachs gehenden, mit keiner Thür oder anderen Öffnungen durchbrochenen Brandgiebel [...]“ einzurichten.145

 

Besonderen Wert legte die Obrigkeit in den Orten und Städten der einzelnen Provinzen auf die Beachtung der Bau- und Straßenfluchten. Jeder, der beabsichtigte, einen Neubau zu errichten, musste sich die Anordnung der Behörden, Fassaden oder Gebäudeteile zu verlegen, gefallen lassen. Mit diesen Bestimmungen wollte man die örtlichen Verwaltungen unterstützen, die sich um die Beseitigung von Engpässen in schmalen Altstadtstraßen bemühten. Die städtischen Baudeputationen (in Koblenz war es die Baukommission) konnten jetzt für freie Baugrundstücke neue Fluchtlinien festlegen. Bei der Festsetzung der Fluchtlinien und dem Abstecken eines Baugrundstückes musste der jeweilige Regierungs-Bauinspektor hinzugezogen werden.146 Darüber hinaus gab es Gestaltungsvorschriften, in denen die Verwirklichung einfacherer Fassaden gefordert wurde. Den Stadtvätern war es lieber, die Überwindung des „Zopfstils“– so nannte man damals die Baukunst des Barock – zu überwinden, als detaillierte Vorschriften zur Verbesserung der sanitären Verhältnisse in den Häusern auszuarbeiten.

 

Die Auswertung zeigt, dass in den Bauordnungen der damaligen Zeit der Brandschutz und die Verkehrssicherheit oberste Priorität hatten. Vorschriften zur Stadthygiene spielten – wenn überhaupt – nur eine Nebenrolle. Allerdings wurde das Verhältnis von Auftraggeber und Baumeister geregelt. Die zwischen beiden Parteien getroffenen Vereinbarungen und die Honorierung der zu leistenden Arbeiten mussten in einem Vertrag festgehalten werden. Bei der Übergabe des fertiggestellten Baus konnte jede Seite die Hinzuziehung eines Sachverständigen verlangen, der dann die ordnungsgemäße Bauausführung beurteilte. Gab es am Ort keinen „öffentlich bestellten Schaumeister“, war es erlaubt, einen „Kunstverständigen“ in die Untersuchungen einzubeziehen.147 Von Medizinern war nicht die Rede. Vereinbarungen wie diese entbanden den ausführenden Baumeister nicht von der Pflicht, sich im Falle von Neubauten oder „Hauptreparaturen“ davon zu überzeugen, dass der Bauherr eine baupolizeiliche Erlaubnis eingeholt hatte. Schon damals mussten dem Baugesuch Pläne beigelegt werden. Der Zeichner hatte darauf zu achten, dass altes und neues Mauerwerk in unterschiedlichen Farben dargestellt waren.148 Es war klar, dass bei diesem Verfahren die sanitären Anlagen vernachlässigt werden konnten. Allerdings hatte die Baupolizei schon damals Möglichkeiten, einzugreifen, wenn die hygienischen Verhältnisse zu schlecht waren.

 

Hauptaufgabe der Baupolizei war die Überprüfung der Sicherheit der entstehenden und schon im Gebrauch befindlichen Bauwerke. Zu den Untersuchungskriterien gehörten damals Standfestigkeit, Feuersicherheit und eben die hygienische Zuträglichkeit, wobei im zuletzt genannten Fall der Ermessensspielraum besonders hoch gewesen sein dürfte. Im Rheinland existierten spätestens seit der französischen Zeit Einrichtungen, die innerhalb der Kommunalverwaltung die Aufgaben der Bauaufsicht übernahmen. Vielerorts – vor allem auf dem Land – gab es bis weit in das 19. Jahrhundert hinein keine grundsätzlichen Reglementierungen. Versuche, die Befugnisse der Baupolizei in den Gemeinden und auf dem Land zu vereinheitlichen, scheiterten bereits im Anfangsstadium.149

 

Nur einige größere Städte hatten schon vor 1800 eigene Bauordnungen erlassen, die fast ausschließlich die Abwehr von Feuergefahr bezweckten.150 In Koblenz gab es bereits seit dem 24. April 1786 eine Bauordnung. Sie galt allerdings nur für den Bereich der heutigen Neustadt, in der das Kurfürstliche Schloss errichtet worden war.151 Diese älteren Bestimmungen hatten, soweit sie Konstruktion, Festigkeit und Sicherheit der Gebäude betrafen, auch noch im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts Gesetzeskraft. Die Aufrechterhaltung dieser Bauordnung war bereits von der französischen Regierung per Gesetz angeordnet worden.152 Oberste Priorität hatte dagegen der Brandschutz. So wurden für den Regierungsbezirk Koblenz bereits im Juli 1827 Vorschriften zur Verhinderung von Brandunglücken veröffentlicht.153

 

 

4.4.2 Die Bauordnung von 1847

 

Eine neue Bauordnung, die die alten kurfürstlichen Verordnungen und die französischen Reglementierungen ablösen sollte, lag der Bezirksregierung bereits 1835 zur Genehmigung vor.154 Ausführlichere Bestimmungen wurden aber erst mit der neuen Bauordnung von 1847 veröffentlicht. Ihre Vorschriften zum Genehmigungsverfahren ermöglichten erstmals die systematische Anlage von Bauakten.155 Neben den Bestimmungen zur Genehmigung von Bauanträgen enthielt die neue Baupolizeiordnung eine Reihe von Paragrafen über die Ausführung von Gebäuden. Schwere Strafen drohten dabei im Falle des Abweichens von den genehmigten Bauplänen. In diesem Falle hatte der Bauherr umgehend dafür zu sorgen, dass die von der Baukommission vor allem aus feuerpolizeilichen Gründen geforderten Sicherheitsauflagen erfüllt wurden. Weigerte sich der Hausbesitzer, diesen Anordnungen Folge zu leisten, konnte der Oberbürgermeister den Abbruch von gefährlichen oder heruntergekommenen Gebäuden auf Kosten des Eigentümers veranlassen.156 Der Anspruch der neuen Bauordnung entsprach jedoch lange Zeit nicht der Realität. Fälle, in denen die Stadt Gebäude aus Gründen unzureichender Hygiene oder wegen unzureichender Brandschutzmaßnahmen schließen ließ, sind nicht überliefert. Wie sehr man sich mit einer konsequenten Umsetzung der eigentlich recht scharfen Bestimmungen zurückhielt, wird vor allem am Beispiel der Freitreppen deutlich, die zusammen mit anderen Verkehrshindernissen binnen kurzer Zeit aus den wichtigsten Straßen der Stadt hätten verschwinden sollen. Noch elf Jahre nach dem Inkrafttreten der neuen Bauordnung beschwerte sich die Koblenzer Regierung beim Berliner Ministerium für öffentliche Arbeiten über die viel zu schmalen Bürgersteige und die vielen Treppen, die – ungeachtet der bestehenden Vorschriften – immer noch in die Straßen hineinragten. In der Koblenzer Altstadt wurden diese Treppen erst in den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts beseitigt und die Hauseingänge ebenerdig angelegt (ein Beispiel dafür ist das Haus Altenhof 11). Damit verbunden war oftmals die „Kappung“ der alten Bruchstein-Kellergewölbe, die durch flache Stahlbeton-Decken ersetzt wurden. Erst mit diesen gravierenden Eingriffen in die bestehende Bausubstanz kam es zu umfangreichen begleitenden Maßnahmen, an deren Ende auch eine wesentliche Verbesserung der sanitären Ausstattung der Gebäude stand.

 

 

4.4.3 Die Bauordnung von 1854

 

1853 wurde in Berlin eine neue Bauordnung veröffentlicht und noch im gleichen Jahr vom Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten als Muster für die Aufstellung neuer Bestimmungen nach Koblenz geschickt. Sie sollte Vorbild für eine neue Koblenzer Bauordnung sein. Am Ende kam aber nicht mehr oder weniger heraus als eine Novelle der Bestimmungen von 1847. Präzise Vorschriften im Sinne eines Beitrages zur Stadthygiene fehlten auch dieses Mal.157 Völlig neu war allerdings die dreifache Prüfung der Bauten (Sockel-, Rohbau-, und Schlussabnahme) durch den städtischen Baumeister und einen Beamten der Polizeidirektion.158 Eine wesentliche Erweiterung erfuhren jetzt die Bestimmungen über die Standfestigkeit von Gebäuden. Bauten konnten jetzt nicht mehr einfach ohne eigene Giebelwände in die Nachbargebäude „eingehängt“ werden. Die Obrigkeit in Koblenz stoppte diese alte Gewohnheit beim Bau traufständiger Reihenhäuser, indem sie für jeden einzelnen neu zu errichtenden Bau eine eigene Standfestigkeit vorschrieb. Jedes neue Haus musste an den Seiten massive Brandgiebel haben. Ausnahmen sahen die Bestimmungen nur dann vor, wenn die Giebelwände der angrenzenden Bauten aus Stein bestanden.159 Besondere Auswirkungen auf die Bauweise Koblenzer Häuser hatte die Bestimmung, dass innerhalb des Stadtbezirks nur feuerfeste Materialien zum Ausfüllen der Fachwerk- und Bretterwände verwendet werden durften.160

 

Die Koblenzer Bauordnung von 1854 war gegenüber ihrem Vorläufer nur ein geringer Fortschritt, wenngleich sie eine Reihe neuer Regelungen enthielt.161 Wie bereits in Berlin unterließ man in der Rhein-Mosel-Stadt die Einführung von Höhenbegrenzungen für die Gebäude, was theoretisch die Möglichkeit schuf, mehr als drei oder vier Stockwerke aufeinanderzusetzen. Von dieser Chance machten die Bauherren jedoch keinen Gebrauch. Es kam nicht zur Anlage von Mietskasernen nach Berliner Vorbild. Das Handwerk orientierte sich weiterhin an den überlieferten Bauformen. Auf relativ kleinen Grundstücken entstanden höchstens viergeschossige Häuser, die in der Regel nicht mehr als fünf Fensterachsen hatten. Trotzdem sollte es noch eine Reihe von hygienischen Problemen geben, denn wie die Berliner Bauordnung unterließen es auch die Koblenzer Bestimmungen, Regelungen über den höchsten zulässigen Überbauungsgrad von Grundstücken einzuführen.

 

Nachdem durch das preußische Fluchtliniengesetz vom  2. Juli 1875 die Feststellung der Baulinien und die Aufstellung der Bebauungspläne einheitlich geregelt worden waren, wollte man auch die bestehenden Bauordnungen durch ein entsprechendes Gesetz vereinheitlichen.162 Die Bemühungen um eine Angleichung der Baupolizeiordnungen blieben bereits in den Anfängen stecken. 1880 schrieb Albert von Maybach, Minister für öffentliche Arbeiten, an den Oberpräsidenten Dr. Moritz von Bardeleben, dass er von einheitlichen Vorschriften zur Regelung der Baupolizei absehen wollte.163 In der Folgezeit gab es deshalb nur eine Art Anleitung für den Entwurf neuer Bauordnungen.164 Erst am 25. April 1919 trat eine in ganz Preußen verbindliche Einheitsbauordnung für Städte in Kraft165, die bis zum Februar 1938 aktuell blieb.166 Trotzdem wurden weiter kommunale Bauordnungen erlassen, die sich allerdings am neuen rechtlichen Rahmen orientierten.

 

 

4.4.4 Die Bauordnungen von 1881 bis 1932

 

Die Koblenzer Bauordnung von 1854 war 27 Jahre lang gültig. Erst 1881 traten neue Bestimmungen in Kraft, die den jüngsten baulichen und verkehrstechnischen Veränderungen (Eisenbahn!) in der Rhein-Mosel-Stadt besser gerecht wurden.167 Erstmals nahm man Paragrafen auf, die zur Verbesserung der Hygiene in Koblenz beitragen sollten. Fortan durften Schlachtlokale und Werkstätten keinen unmittelbaren Ausgang nach der Straße haben.168 Diese neue Regelung war allerdings mehr als fragwürdig, denn sie verlagerte die Probleme, die es in der Stadt mit Handwerkern und Gewerbetreibenden gab, von den Straßen in die Innenhöfe, wo es weiterhin zur Verschmutzung des Grundwassers und zur Lärmbelästigung von Hausbewohnern kam. Zumindest in hygienischer Hinsicht versuchte die Obrigkeit, dieser Entwicklung entgegenzusteuern, indem sie die Einrichtung völlig wasserdichter Gruben für Fäkalien und Abfälle vorschrieb. Die Abtrittsgruben mussten darüber hinaus durch über die Dachfläche hinausgehende Rohre ventiliert werden.169

 

Im Gegensatz zu den veralteten Bestimmungen von 1854 führte die neue Bauordnung erstmalig Vorschriften über die Höhe von Räumen in den Häusern und Beschränkungen der Stockwerkzahl ein.170 Noch keine Berücksichtigung fanden zwingend erforderliche Bestimmungen zur Begrenzung der Bebauung in den Innenhofbereichen. Dieses Versäumnis muss als Hauptmangel der neuen Bauordnung angesehen werden, denn es gab nichts, was der immer stärkeren Überbauung der Grundstücke in der heutigen Innenstadt Einhalt gebot. In den Bauordnungen von 1899 und 1908 musste somit nachgebessert werden. Auch wenn das Wachstum in Koblenz nicht so rasant war wie in den großen deutschen Städten musste der Teilaufgabe der preußischen Befestigungsanlagen (ab 1890) und den damit verbundenen Stadterweiterungen Rechnung getragen werden.171 Zu den wichtigsten Neuerungen der Bauordnung von 1899 gehörte die Bestimmung, dass Grundstücke nicht mehr vollständig überbaut werden durften. Festgelegt wurde jetzt nicht nur der Überbauungsgrad der einzelnen Parzellen, sondern auch die Mindestgrößen der Innenhöfe, Völlig neu war auch eine Beschränkung der Gebäudehöhen. Die zulässige Höhe hing von der jeweiligen Straßenbreite ab.172

 

Die Bauordnung von 1908 änderte an den neuen Regelungen nichts. Allerdings wurden weitere Punkte hinzugefügt, die sich unter anderem auch auf die Verwendung von Eisenträgern bezogen. Zudem verschärfte die Baupolizei die Bestimmungen hinsichtlich der Einrichtung sanitärer Anlagen. So schrieb sie erstmals den Einbau eines Aborts in jeder neu zu errichtenden Wohnung vor. Zuvor hatte man sich mit Etagentoiletten begnügt.173

 

Weder die Bauordnung von 1899 noch die von 1908 enthielten Einteilungen in verschiedene Bauklassen. Erst spätere Vorschriften – so die Baupolizei-Verordnung vom 1. Oktober 1932 – unterschieden zwischen mehreren Arten offener und geschlossener Bebauung. Die Gebäude und Grundstücke in Koblenz gehörten fortan mehreren unterschiedlichen Kategorien an, für die hinsichtlich Höhe, Tiefe und Überbauungsgrad unterschiedliche Bestimmungen galten.174 Und: Die neue Bauordnung verbot in Gebieten mit geschlossener Bebauung – so auch in der Altstadt – die Einrichtung eigenständiger Mansardenwohnungen.175

 

Das Verbot der Mansardenwohnungen bedeutete für die Altstadt jedoch keine Entlastung, zumal die Obrigkeit äußerst großzügig kontrollierte, obwohl zahlreiche Menschen in den Dachgeschossen lebten. Im Gegenteil: Man errichtete weiterhin Hintergebäude, obwohl sich mit der Zeit neue Wohnmöglichkeiten in den eingemeindeten Vororten und der Südlichen Vorstadt boten; die Nähe wichtiger Geschäfte, Dienstleistungen und Arbeitsmöglichkeiten machte die Altstadt noch bis in die 1930er-Jahre zu einem interessanten Wohn- und Gewerbegebiet. Die Hofflächen wurden weiter zugebaut, allerdings dieses Mal nicht mit Wohngelegenheiten, sondern mit Werkstätten. Es war üblich, die Innenhöfe mit Drahtglas zu überdachen, um neue Räumlichkeiten für gewerbliche und handwerkliche Betriebe zu schaffen. Hinzu kam, dass die Behörden noch vor dem Zweiten Weltkrieg dem Wegzug der Bevölkerung in die neuen Wohngebiete in der Vorstadt und der Goldgrube positiv gegenüberstanden. Von einer idyllischen Wohnlage konnte daher auf keinen Fall die Rede sein. Dies zeigen bereits wenige Beispiele. An der Moselbrücke befanden sich vor dem Krieg eine größere Autowerkstatt und ein Kohlelager.176 Alles andere als wohnlich war auch die Burgstraße. Auf der nördlichen Straßenseite gab es die Fischfabrik Brieg. Daneben befand sich eine Tankstelle mit den dazugehörigen Garagen.177

 

 

5. Die Cholera als Lehrmeisterin?

 

Es hat „[…] wohl kaum eine Seuche in der neueren Zeit, d. h. wenigstens seit den letzten zwei Jahrhunderten gegeben, welche die allgemeine Aufmerksamkeit und Theilnahme des europäischen Publikums in so hohem Grade beschäftigt und welche bei ihrem Vorwärtsdringen die Gemüther mit so großer Angst und Furcht erfüllt hätte, als die seit Kurzem aus Indien hervorbrechende Cholera. Sie steht weder an Heftigkeit und Malignität ihrer Angriffe, ihrer Zufälle und ihres Tod verbreitenden Verlaufes, noch an Schnelligkeit des Befallens den beiden anderen Pest-Arten der levantischen Pest und dem gelben Fieber nach. Die jetzt in Berlin epidemisch herrschende Cholera hat so viel Eigenthümliches in ihren Erscheinungen, dass, wenn man erst einige Cholera-Kranke aufmerksam gesehen und beobachtet hat, man die Krankheit nicht wieder verkennen kann. […]“178 Der erstaunlich distanzierte Bericht des Berliner Arztes Dr. Burghardt bezeichnet den Beginn einer Epidemie, die von den Menschen des 19. Jahrhunderts als besonders dramatisch empfunden wurde, obwohl sich der alltägliche Tod weiterhin in Infektionskrankheiten wie Tuberkulose, Typhus oder Diphtherie zeigte. Doch die Machtlosigkeit, mit der man dem neuen unsichtbaren Feind gegenüberstand, steigerte die Fantasie und Hysterie oft ins Unermessliche. Dennoch sollte man sich davor hüten, die Folgen der Cholera zu verharmlosen. Die Seuche wird nicht umsonst in der Forschung oft als „Lehrmeisterin“ und Ausgangspunkt der erheblichen Verbesserungen in der Stadthygiene gesehen.179 Freilich gilt diese Erkenntnis meist nur für die finanzkräftigeren und wirtschaftlich bedeutenderen Städte. Das Beispiel der Festungsstadt Koblenz zeigt, dass die Zusammenhänge zwischen der Cholera und den Verbesserungen in der Stadthygiene eher marginal sind. Die entscheidenden Impulse gaben hier die militärischen und städtebaulichen Hintergründe.

 

Die erste Choleraepidemie forderte in den Jahren 1831 und 1832 allein im Königreich Preußen 40.427 Opfer. Noch schlimmer sollte es für den aufstrebenden Staat 1866 kommen: Damals waren 120.000 Tote zu beklagen.180 Weitere Cholerazyklen folgten. Im Zuge der Epidemie von 1873 sollte die Gesamtzahl der Opfer allein in Preußen auf rund 380.000 steigen.181 Auch die Nachbarländer wurden schwer getroffen, allen voran das als fortschrittlich geltende Frankreich. 1832 hatte die Seuche allein in Paris binnen weniger Wochen 18.000 Menschen dahingerafft.182 Die gefährliche Krankheit war 1817 in Bengalen ausgebrochen. Über Afghanistan wurde sie dann an die Wolgamündung weitergetragen, 1830 erreichte sie schließlich Moskau. Über Polen drang sie weiter in Richtung Westen vor.183 Dort nistete sie sich vor allem in den Großstädten ein: Zwischen 1831 und 1892 gab es allein in Hamburg 16 Cholera-Jahre. Dass die Seuche sich in den insgesamt sechs „pandemischen Wellen“184 der Jahre von 1831 bis 1899 so stark verbreitete, lag nicht nur an den schlechten Wohnbedingungen in den Zentren oder der oft miserablen Qualität des Trinkwassers. Ausschlaggebend war vielmehr auch die Versorgung der Bevölkerung mit qualitativ minderwertigen Nahrungsmitteln.185

 

Die Cholera kam schnell und forderte ihre Opfer. Die Krankheit begann mit einem unbestimmten Unwohlsein. Es folgten Anfälle von Erbrechen und Durchfall. Dabei konnten die Erkrankten bis zu einem Viertel ihrer Körperflüssigkeit verlieren. Darauf folgte der Zusammenbruch: Das Blut verdickte sich und erhielt den Kreislauf nicht mehr aufrecht. Die Haut sah blau und „wellig“ aus, die Augen lagen tief in ihren Höhlen. Hände und Füße waren eiskalt, Muskelkrämpfe peinigten die Kranken. In etwa der Hälfte der Fälle folgte nach Herz- und Nierenversagen der Tod.186 Doch es blieb vorerst bei der Beobachtung der Symptome. Die Ursprünge der Cholera und ihre Übertragungswege konnten erst im ausgehenden    19. Jahrhundert aufgeklärt werden.

 

Die Wissenschaftler stritten sich und spalteten sich in verschiedenste Gruppen auf und gaben der Bevölkerung die aberwitzigsten Ratschläge. Berge von Publikationen entstanden, wobei man auch nach Russland blickte. So befasste sich die Koblenzer Bezirksregierung mit dem Ratgeber des „Kaiserlich-Russischen“ Professors Dr. Kilduschewski, der empfahl, die Luft mit Chlorwasser zu reinigen und dem Patienten Rotwein zu geben, der mit Quell- und Flusswasser verdünnt werden sollte.187 In der wissenschaftlichen Debatte selbst standen sich vor allem die traditionellen Miasmatiker und die zu dieser Zeit fortschrittlicheren Kontagionisten unversöhnlich gegenüber. Letztere führten die rasante Verbreitung der Seuche vor allem auf die gestiegene Mobilität der Menschen sowie auf Veränderungen in den Bereichen Handel und Verkehr zurück.188 Doch diese Erkenntnisse führten nicht zu nennenswerten Erfolgen im Kampf gegen die Seuche. Im Gegenteil: Die Experten stritten weiter. Bekannte und weniger bekannte Wissenschaftler meldeten sich zu Wort, eine wahre Flut von Veröffentlichungen entstand, die unter dem Strich nur die Furcht in der Bevölkerung vergrößerte. Ein anonymer Arzt sah im September 1831 den Stand der Dinge so: „Es ist zunächst bekannt, dass der Streit, ob die Cholera ansteckend sei oder nicht, schon seit ihrem ersten Auftreten in Ostindien um das Jahr 1817 unter den Ärzten geführt, in Russland fortgesetzt und bis jetzt noch keineswegs entschieden ist. [...] Die Mehrheit der berühmtesten und mit der Krankheit durch Studium oder Erfahrung vertrautesten Ärzte hält in diesem Augenblicke die Cholera für ansteckend, das heißt nicht, wie Pest und das venerische, das Blattern-Gift, durch unmittelbare Berührung und Waaren, sondern durch den Verkehr der Menschen. Die Thatsache steht wenigstens fest, dass dem letzteren die Cholera seit ihrer ersten epidemischen Verbreitung Schritt vor Schritt gefolgt ist, und daß sie genau die großen Land- und Wasserstraßen gehalten. Bei dieser Sachlage ist es aber ganz gleichgültig, was ein unbekannter Arzt, der jedenfalls nur einen kleinen Theil der Seuche mit erlebt hat, über die Frage der Kontagiösität des Übels denkt. Auch darf eine Regierung überhaupt niemals auf Meinungsverschiedenheit der Ärzte Rücksicht nehmen, da diese immer streiten und noch nicht einmal unter sich ausgemacht haben, ob die Pest ansteckt; sie muß in ihren Verwaltungsmaßregeln immer das Sicherste ergreifen, da im entgegengesetzten Falle die Erfahrung viel zu theuer auf Kosten des allgemeinen Gesundheitswohls erkauft wird. Wie überhaupt in Russland, so sind auch Anfangs in Österreich die Quarantänemaaßregeln nur halb, nicht durchgreifend ausgeführt worden, weil die leitenden Aerzte die Nichtkontagiösität der Cholera behaupteten. […]“189

 

Die Quelle zeigt ganz offen das Dilemma der Verwaltung: Weil es keine greifbaren medizinischen Erkenntnisse gab, die bei der Bekämpfung der Seuche Erfolg versprochen hätten, waren die Behörden mehr oder weniger auf sich allein gestellt und auf die üblichen Separations- und Kontrollmethoden angewiesen, die sich eigentlich seit dem Mittelalter kaum verändert hatten. Man versuchte außerdem, die Folgen der Seuche realistisch zu beurteilen. Den wissenschaftlichen Auseinandersetzungen begegnete man sehr kritisch. Man sprach den zerstrittenen Lagern schlichtweg eine Relevanz für die tatsächlich erforderlichen Maßnahmen ab. Aus heutiger Sicht verwundert das nicht. „Anfang und Mitte des 19. Jahrhunderts war die Medizin als Theorie und Praxis zersplittert wie nie zuvor. Grundansatz häufte sich auf Grundansatz, Therapieart auf Therapieart.“ Das ist eine nüchterne Erkenntnis von Olaf Briese nach seiner umfassenden Sichtung zeitgenössischer Quellen.190 Die Konsequenzen spiegeln sich im preußischen Regulativ von 1835 über sanitätspolizeiliche Vorschriften beim Ausbrechen ansteckender Krankheiten wider. Der Kontroll- und Quarantänekurs erhielt quasi Gesetzescharakter, während der ärztliche Diskurs, vor allem aber die „Seuchenkompetenzen“ der Amtsärzte weitgehend ausgeblendet wurden.191 „Mit dem gewaltsamen Einbrechen der Epidemien unternimmt die Obrigkeit und ihr Personal die größten Anstrengungen, das polizeyliche Ordnungsmodell in seiner reinen diagrammatischen Form durchzusetzen: Mit den Maßnahmen zur Quarantäne schrumpft die Stadt auf eine militärisch gestützte Ordnungsfunktion, die einen ungehinderten Polizeyblick und -zugriff ermöglichen soll.“ So bringt es Christian Barthel auf den Punkt.192

 

In einem Leitfaden, der wohl schon im Sommer 1831 in den Behörden der Rheinprovinz kursierte, liest sich das so: „[…] Nächstdem ist auch eine richtige und vortheilshafte Übersicht von der Beschaffenheit und dem Fortpflanzungs-Wege dieser unter uns neuen Krankheit höchst wünschenswerth. Eine vollständige Kenntniß der über den Gegenstand erschienenen Schriften kann den Behörden nicht zugemuthet werden, erscheint auch um so entbehrlicher als der größte Theil nicht aus eigener Anschauung und Erfahrung geschöpft hat. Es ist unverkennbar, dass sich in einem Theile jener Schilderung sehr viel Uebertreibung eingeschlichen hat und dass das Uebel in Absicht seiner Verbreitung wie schon die bekannt gemachten Erkrankungs- und Sterblichkeits-Nachweisungen ergeben, auch nicht den entferntesten Vergleich aushält mit jenen Landesseuchen, von welchen sonst unsere Vorfahren heimgesucht wurden, ja dass es nicht einmal allen den Epidemien, welche die neuere Zeit über uns gebracht hat, gleichgesetzt werden kann. […]“

 

Weiterhin heißt es: „Es bestätigt sich immer mehr, dass ein sorgfältiges und genaues Beobachten der als bewährt bekannt gemachten Vorschriften einen unverkennbaren Schutz für die Erhaltung des Lebens und der Gesundheit darbieten und dass daher ein Jeder ungemein viel dazu beitragen kann, die Gefahr von sich und den Seinigen abzuhalten. Keineswegs soll und kann diese Bemerkung zur Gleichgültigkeit auffordern. Denn ihr tritt die nur zu oft gemachte Beobachtung gegenüber, wie leicht jede Ueberschreitung der erforderlichen Vorsicht, die verderblichsten Folgen und, bei gemeinschaftlichen Verwirrungen, selbst über ganze Familien herbeiführt. […]“ Es folgen Empfehlungen für eine heilsame Lebensweise, mit der man den Ausbruch der Seuche angeblich aufhalten konnte. Im Leitfaden heißt es deshalb: „[…] Nach vielfachen Erfahrungen hat die Verletzung der Mäßigkeit in jeglichem Genuß die verderblichsten Folgen gehabt und die Krankheit über bis dahin gesunde Personen gebracht, nicht nur an Orten, wo sie schon früher geherrscht, sondern auch andern, wo sie früher noch nicht zum Vorschein kam. […]“193 In der Tat schienen die Verantwortlichen gut beraten, die neue tödliche Infektionskrankheit im ganzen Rheintal herunterzuspielen. Im Spätsommer 1831 bestand nämlich die Hoffnung, dass die Seuche die Rheinprovinz überhaupt nicht erreichte. Dennoch mahnte das Oberpräsidium der Rheinprovinz zur Vorsicht und verteidigte die Notwendigkeit präventiver Maßnahmen. In folgender Bekanntmachung vom 23. September 1831 wird das deutlich: „[…]Die Asiatische Cholera nähert sich unserer Provinz; indeß ist es noch gar nicht gewiß, dass sie diese erreichen werde, vielmehr hat dieselbe in den letzten drei Wochen in Berlin stille gestanden und ist darüber hinaus noch keine Stunde weit vorgeschritten; auch findet mit den ansteckenden Gegenden keine Schiffahrtsverbindung hier statt, durch welche die Krankheit bisher vorzüglich verbreitet worden ist. Auf ihrem langen Wege von Kalkutta nach Berlin übersprang sie manche Dörfer, Städte und ganze Länderstrecken. Aber schon die bloße Möglichkeit ihrer Verbreitung zu uns erfordert, im voraus Maaßregeln zu treffen, um ihrem Einschleichen vorzubeugen, um die Ursachen zu beseitigen, welche bei ihrem Erscheinen die Verbreitung fördern könnten und um derselben alsbald so wirksam zu begegnen, dass baldige Unterdrückung gehofft werden kann. […]“194

 

Auch wenn die Bekanntmachung hoffnungsvoll stimmte, klingen Zweifel am eigenen Konzept der Kontroll- und Quarantänemaßnahmen an. Und wirklich: Im Verlauf der Epidemie sollte sich zeigen, dass die im Kern gar nicht so unvernünftige Überwachung der Flussläufe und das Abriegeln der Krankeitszentren an ihrer schlechten Durchführbarkeit in der Praxis scheiterten. Konnte die Inkubationszeit doch zwischen wenigen Stunden und fünf Tagen liegen, was die Selektion möglicher Kranker erschwerte. Und so war das Kontrollsystem löchrig. Dazu kam, dass die Akteure vielerorts zu nachlässig vorgigen oder schlecht ausgebildet waren. Am Ende gab es – wenn überhaupt – nur bescheidene, lokal begrenzte Erfolge.

 

Angst und Hysterie in der Bevölkerung stiegen weiter, und apokalyptische Visionen über die „neue Pest“ hatten Hochkonjunktur. Die Malerei von Arnold Böcklin (1827–1901) erinnert auch heute noch an den Fatalismus der damaligen Zeit. Der Schweizer Künstler hatte 1855 einen Sohn an die Cholera verloren, nur drei Jahre später starb ein weiterer Sohn an Typhus. Die Themen Cholera und Tod sollten den Maler fortan nicht mehr loslassen, zumal er den Ausbruch der Seuche im Winter 1873 in München erlebte.195

 

Angesichts der dramatischen Ereignisse in Europa erscheint Koblenz aus heutiger Sicht wie eine Oase der Ruhe: Zwar hatte die Cholera Ende Oktober/Anfang November 1833 auch das Mittelrheingebiet erreicht, doch machte die Seuche vor den Festungsmauern der Provinzhauptstadt halt. Anders sah es in Neuendorf aus – heute ein nördlich vom Zentrum gelegener Stadtteil. Dort forderte die tückische Infektionskrankheit insgesamt sechs Opfer. Auch wenn die Zahl der Todesopfer in Koblenz und Ehrenbreitstein bei den folgenden Epidemien deutlich stieg, verliefen die Entwicklungen im Vergleich zu anderen Gebieten relativ glimpflich. Und so verwundert es nicht, dass in den im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz befindlichen Akten der zuständigen preußischen Ministerien die Stadt Koblenz und die Nachbargemeinden nur am Rande erwähnt werden.

 

 

5.1 Die Katastrophe fiel aus (1831–1833)

 

Dass die erste Cholera-Epidemie für Koblenz relativ glimpflich verlief und im Vergleich zu anderen Regionen relativ wenige Opfer forderte, ist für H. Schubert im Wesentlichen den „[...] sofort streng durchgeführten Schutzmaßnahmen zu verdanken, die von der Regierung in engster Fühlungsnahme mit den Kreis- und Ortsbehörden sowie mit dem Militär getroffen wurden. [...]“196  Auch wenn in der neueren Forschung immer wieder betont wird, dass die Maßnahmen der Obrigkeit gegen die Seuche unsinnig waren, ergibt sich in Koblenz zumindest für die Epidemie der Jahre 1831 bis 1833 ein anderes, wenn auch lokal sehr begrenztes Bild: Die Stadt selbst blieb seuchenfrei – die sechs Choleratoten kamen aus Neuendorf. Diese Tatsache legt die Vermutung nahe, dass die früh eingeleiteten Vorsichtsmaßnahmen sehr wohl verhinderten, dass infizierte Personen die Seuche in die Stadt brachten. Die Voraussetzungen waren sehr günstig: Als Zentrum des Militärs und der Verwaltung war die stark umwehrte Festungsstadt optimal zu schützen, zumal die Verdichtung der Bebauung im Bereich der heutigen Alt- und Innenstadt erst später einsetzte. Oder hatte die Seuche die Provinzhauptstadt wirklich nur übersprungen? Auf jeden Fall hat es die vom eingangs zitierten Anonymus kritisierte Nachlässigkeit in der Anfangszeit in Koblenz nicht gegeben.

 

Die Maßnahmen der Königlichen Regierung waren vielfältig. So wurden – einschließlich der Stadt Koblenz – insgesamt 13 Cholera-Distrikte geschaffen.197 Vorbild hierfür war die bereits seit der französischen Zeit vorhandene Einteilung in ärztliche Distrikte. Darüber hinaus wurden Kreis- und Ortskommissionen eingerichtet, die Reinlichkeit und gesunde Luft in Schulen, Kirchen und Arbeitsstätten überwachten. Schließlich sammelte man in den einzelnen Gemeinden des Regierungsbezirks Geld für Pflegefonds und suchte Räume aus, die als Choleralazarette dienen konnten. Besonders wichtig war die weitgehende Aufklärung der Bevölkerung über das Wesen und die Ursachen der Krankheit – obwohl diese damals höchst umstritten waren. Schließlich gab es Empfehlungen für die besten Schutzmittel gegen die Seuche. Den Anfang machten jedoch die Bestimmungen für Soldaten, die nach Vorbildern aus Berlin aufgestellt wurden.

 

Die Erfahrung hatte gezeigt, dass die Angehörigen der preußischen Regimenter hart von Seuchen wie zum Beispiel Typhus betroffen waren. So wurde am 24. August 1831 in der preußischen Hauptstadt die „Instruction für das Militair über das Verhalten bei der Annäherung und dem Ausbruche der Cholera-Krankheit in Berlin“ veröffentlicht. In den insgesamt 36 Paragrafen ging es um die genaue Überwachung des Gesundheitszustandes der Soldaten. Thema war auch die Reinlichkeit der Bewohner in den Kasernenbauten. Darüber hinaus wurden sogenannte „Schutz Deputationen“ eingerichtet, die die hygienischen Zustände überwachen sollten. Von besonderem Interesse war der fünfte Paragraf, der der Verpflegung der Soldaten gewidmet war. Darin heißt es: „[…] Es ist ferner nöthig, auf die für die kasernirten Militairs zu bereitenden Speisen eine besondere Sorgfalt zu verwenden, damit alle diejenigen Artikel möglichst vermieden werden, die nach dem Ausspruch der Ärzte der Gesundheit nachtheilig und zur Beförderung des Ausbruchs der Cholera dienen können, und haben für die Ausführung aller dieser Sicherheits-Maasregeln die Schutz Deputationen zu sorgen. […]“198 Die Berliner Instruktionen wurden in Koblenz nicht einfach übernommen. Sie gingen im Frühjahr 1832 in den wesentlich ausführlicheren Vorschriften für das in der Provinzhauptstadt stationierte 8. Armeekorps auf. Die neuen, vom kommandierenden General Karl Heinrich von Borstell unterzeichneten Bestimmungen sind insgesamt 73 Paragrafen stark und werden von den typischen Empfehlungen jener Zeit geprägt. Reinlichkeit, Sorge für reine Luft, gesunde Nahrungsmittel, Mäßigkeit, die richtige Bekleidung sowie das vernünftige Verhältnis von Bewegung und Ruhe sind die Hauptthemen der Instruktionen. Dazu kommen Fragen der Arzneimittelbevorratung und der Desinfektion. Und: Auch in Koblenz sollten Garnisons-Kommissionen gebildet werden.199

 

Auch im zivilen Bereich setzte die Obrigkeit von Anfang an auf Überwachung und Quarantänemaßnahmen, die zu diesem Zeitpunkt das einzige probate Mittel im Kampf gegen die Seuche zu sein schienen. Denn die Behörden gingen in der Regel davon aus, dass Luft das Medium der Cholera war.200 In Frankfurt war es sogar so, dass man die schlechten Gerüche aus den frühen Kanälen und Abwasserrinnen unmittelbar für den Ausbruch der Krankheit verantwortlich machte.201 Auf jeden Fall galt: Wer den Kontakt der Gesunden mit möglichen Kranken unterband, hoffte, die Seuche in den Griff zu bekommen. Und so richteten sich die Blicke am Rhein auf die Schifffahrt.

 

Regierungspräsident August Fritsche ordnete Ende August an, drei Schiffe genauer zu untersuchen. Anlass war die Ankunft des Schiffers Nagel aus Trier, der in Köln Getreide aufgenommen hatte und in Koblenz weitere Güter laden wollte, um dann nach Trier weiterzufahren.202 Solche Maßnahmen kamen nicht von ungefähr. Man setzte auch in der Zivilverwaltung Vorgaben aus Berlin um – anscheinend aber konsequenter. In der preußischen Hauptstadt war inzwischen eine Zentralbehörde für den Kampf gegen die Cholera geschaffen worden, an deren Spitze bezeichnenderweise ein Offizier stand – Generalmajor von Theile. Die „Cordonstrategie“ zur Eindämmung der Cholera war somit personifiziert worden.203 Dazu hatten das Innenministerium sowie das Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten bereits am 5. April 1831 gedruckte Instruktionen für das Verhalten beim Ausbruch der Cholera erlassen. Preußen übernahm eine Vorreiterstellung, obwohl der Erfolg der empfohlenen Maßnahmen ungewiss war. Wie der Briefwechsel zwischen der Bezirksregierung Koblenz und der Herzoglich Nassauischen Landesregierung in Wiesbaden zeigt, wollte man in anderen Staaten des Deutschen Bundes durchaus dem preußischen Vorbild nacheifern. Ergebnis: ein entsprechendes Verordnungsblatt aus Wiesbaden vom 6. und 7. September 1831.204

 

Aber auch in der Rheinprovinz beobachtete man intensiv die Vorgänge in den Nachbarstaaten. So informierte Oberpräsident Philipp von Pestel den Regierungspräsidenten Ende Juni 1831 über die strengen Maßnahmen im Seehafen Haag vom 10., 11. und 13. Juni, die quasi für alle Schiffe aus der Nord- und Ostsee galten. Schiffe, die keine direkte Bestimmung im Haager Hafen hatten, wurden demnach sofort abgewiesen. Für alle anderen galt eine zehntägige Quarantäne, nach deren Ablauf strenge Untersuchungen folgten.205 Überhaupt schien die strenge Abriegelung der nicht von der Seuche betroffenen Gebiete für die Verantwortlichen das erfolgversprechendste Mittel zu sein. Man dachte sogar daran, mithilfe des Militärs regelrechte Sperrzonen einzurichten. Über eine solche Möglichkeit wurde auf Anordnung des Oberpräsidenten in Koblenz ganz offen gesprochen: Philipp von Pestel forderte Mitte August 1831 die Bezirksregierung auf, genau die Abschnitte zu definieren, die gegen das „Ausland“ abzusichern waren. Grundlage hierfür war eine entsprechende Instruktion des Feldmarschalls Neidhardt von Gneisenau, der am 23. August selbst der europäischen Cholera zum Opfer fallen sollte.206 Regierungspräsident August Fritsche beriet schließlich unter Beteiligung des Medizinalrates Franz Gerhard Wegeler mit der örtlichen Militärbehörde die Einrichtung einer militärischen Grenzabsperrung. Ergebnis: Die Bezirksregierung sei für militärische Dinge überhaupt nicht zuständig.207

 

Am Ende wurde der „Cordon“ jedoch nicht realisiert. In Berlin waren inzwischen Zweifel am Sinn solcher Maßnahmen aufgekommen, weil große Bezirke niemals so hermetisch abgeriegelt werden konnten, dass es einen wirklichen Schutz vor einer Ansteckung gegeben hätte. Die Sache wurde Mitte September folglich auch in Koblenz zu den Akten gelegt.208 Bedenken wegen des tatsächlichen Nutzens einer solchen Vorsichtsmaßnahme hatte übrigens auch die bereits 1822 gegründete Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte (GdNÄ) angemeldet. Die Mitglieder der GdNÄ setzten sich auf ihrer Versammlung von 1832 vor allem mit der Cholera auseinander und bewerteten Quarantänemaßnahmen endgültig als unwirksam.209 Ob diese Erkenntnis die preußischen Behörden beeindruckt hat, muss allerdings bezweifelt werden. Für die Entscheidung dürften eher wirtschaftliche Gründe verantwortlich gewesen sein. So stellt es jedenfalls Thomas Bauer am Beispiel der traditionsreichen Handels- und Messestadt Frankfurt dar.210

 

In der Koblenzer Bürgerschaft stellte sich unterdessen die Frage, welchen Beitrag man leisten konnte, um zumindest die wirtschaftlichen Folgen der Epidemie zu lindern. Im Frühherbst 1831 formierte sich ein „Verein gegen die Cholera“. Regierungspräsident Fritsche war über den Eifer der Bürger wenig erfreut. Sie hatten die Gründung ihres Vereins zwar im „Coblenzer Anzeiger“ bekannt gegeben, es aber offensichtlich versäumt, eine Genehmigung der Bezirksregierung einzuholen. Und so wandte sich August Fritsche Anfang Oktober an den Koblenzer Oberbürgermeister Abundius Maehler211, der seine Hand schützend über den neuen Verein hielt und dem Regierungspräsidenten sofort antwortete. In Maehlers Brief werden die Motive der Vereinsgründung deutlich. Es ging darum, für den Ernstfall vorzusorgen und die Behandlung der Kranken zu finanzieren.212

 

Der Regierungspräsident schien mit der Antwort Maehlers zufrieden gewesen zu sein – auf jeden Fall wurde die Sache nicht weiter verfolgt, zumal man in der Oberen Behörde selbst die Notwendigkeit erkannt hatte, ein soziales Netz für den Notfall zu knüpfen. Dies offenbarte sich spätestens im Frühjahr und Sommer 1832, als sich das Oberpräsidium der Rheinprovinz und das Medizinalbüro der Bezirksregierung intensiv mit der Bildung eines „Vereins zur wechselseitigen Versicherung gegen die Folgen der Cholera in der Rheinprovinz“ befassten. Bereits im Juli 1832 lag ein Entwurf der Statuten in gedruckter Form vor. Demnach sollte eine gemeinschaftliche Hilfskasse gegründet werden. „Ernährer“ oder deren Vertreter konnten über eine Mitgliedschaft – für die einmal ein Beitrag von einem Taler gezahlt werden musste – im neuen „Verein“ ihre Hinterbliebenen finanziell gegen die Folgen der Cholera absichern. Allerdings war es nur möglich, die Erträge auszuschütten, während das Kapital nach Möglichkeit für mindestens zehn Jahre unangetastet bleiben sollte. Aber: Stimmte die Dividende, konnte der Beitragszahler für seine Familie auf zehn Jahre einen Rentenanspruch von bis zu 120 Talern jährlich erwerben. Die Geltungsdauer des Fonds war aber beschränkt. Für den Fall, dass das Geld nicht für die Linderung der Cholerafolgen benötigt wurde, hatten die Provinzialstände das Recht, das Geld für andere soziale Zwecke zur Verfügung zu stellen. Ausdrücklich erwähnt werden die Gründung von Armenkolonien, Landarmenhäusern oder Anstalten „für unheilbar Irre oder Taubstumme“.213

 

Die Gründung des „Cholerafonds“ wurde am 14. August 1832 von den Ministerien des Inneren sowie für Handel und Gewerbe genehmigt. Die Beiträge konnten fortan bei den örtlichen Gesundheitskommissionen abgegeben werden, die es wiederum an die Steuereinnehmer weiterleiteten. Die Konstruktion war für die Beitragszahler insofern interessant, weil auch Bezirksregierungen und Kreise beitreten konnten. Das weckte Hoffnungen auf eine vernünftige Kapitalausstattung des Fonds. Schließlich gab es im ersten Quartal 1833 im Rheinland und in Westfalen insgesamt 16.747 Mitglieder. Nur 2162 Beitragszahler lebten im Regierungsbezirk Koblenz.214 Diese Zahlen zeigen, dass der Fonds zwar akzeptiert war, in der Breite aber keine Wirkung haben konnte, weil die meisten Bürger einfach nicht das Geld hatten, in die neue „Versicherung“ einzutreten. Und so verliert sich die Spur des Fonds in den Akten.

 

Wichtiger als die Versorgung der Hinterbliebenen war naturgemäß die Seuchenprävention. Der Regierungspräsident konzentrierte sich darauf, einen Maßnahmenkatalog für den Kampf gegen die Cholera aufstellen zu lassen, ohne sich dabei auf gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse berufen zu können. Diese fehlende Grundlage versuchte die Bezirksregierung auszugleichen, indem die Beamten weit über die Grenzen der Rheinprovinz hinausschauten und Informationen aus ganz Preußen anforderten. Dies wird aus einer undatierten Aufstellung ersichtlich, die wohl ebenfalls Anfang Oktober 1831 entstand.215 Besonderes Interesse zeigte man dabei an den Maßnahmen in Magdeburg.216 Dazu gehörte die Einteilung der Stadt in Quartiere. Diese Organisation wurde auch in Koblenz übernommen. Die Bezirksregierung sorgte dafür, dass die Stadt in sechs Quartiere eingeteilt wurde. An deren Spitze stand jeweils eine Quartierkommission. Die Koordinierungsfunktion für die Stadt übernahm eine Ortskommission. In die Gremien wurden in der Stadt tätige Ärzte einbezogen, wobei sich jetzt bewährte, dass man das französische Distriktsystem nicht nur übernommen, sondern sogar ausgebaut hatte.217

 

Beim Blick auf den gesamten Regierungsbezirk wird schnell deutlich, dass es schwierig war, die neue Einteilung auch mit Leben zu erfüllen. Standen in Koblenz noch genügend Mediziner zur Verfügung, um die neuen Aufgaben zu erfüllen, machte sich in den Nachbarkreisen bereits ein ernsthafter Ärztemangel bemerkbar. Das war kein mittelrheinisches Problem. Im Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten wurden bereits im September 1831 entsprechende Klagen laut, sodass man ernsthaft über die Einstellung von noch nicht voll approbierten Ärzten nachdachte. Darüber hinaus plante man, die klaffenden Lücken mit ausländischen Medizinern zu füllen.218 Dass die Arbeit für die Ärzte in den kleineren Gemeinden weniger komfortabel war als in Koblenz, zeigt sich schon beim Blick auf die unmittelbare Nachbarschaft der Stadt. Für die Umgebung Rhens, Bassenheim, St. Sebastian, Winningen, Ehrenbreitstein und Vallendar gab es insgesamt nur sieben Ärzte, die von der Regierung eingesetzt worden waren. Wo diese ihren Wohnsitz nehmen sollten, bestimmte – wie in den anderen Kreisen auch – der Landrat.219 In der Stadt Koblenz, die damals 12.220 Einwohner hatte220, gab es ganz andere Probleme: Es fehlte zunächst ein geeigneter Ort, um die Cholerakranken zu behandeln, die in ihrer Wohnung nicht ärztlich betreut werden konnten. Von Anfang an stand fest, dass das Bürgerhospital hierfür nicht der richtige Ort war, weil es keine ausreichenden Möglichkeiten gab, die Kranken zu isolieren. „[…] Die Einrichtung wird auf sechzig Betten in Aussicht genommen. Die Bestimmung des Lokals so wie das Detail der Einrichtung bleibt ferneren Beratungen vorbehalten […]“, heißt es in der Aufstellung.221

 

Einigkeit bestand darüber, Sofortmaßnahmen in die Wege zu leiten, um zumindest die sozialen Folgen eines möglichen Ausbruchs der Seuche abzufedern. Dabei galt es nicht nur, die Armen zu unterstützen. Es ging vielmehr darum, möglichst allen zu helfen, die infolge einer Erkrankung nicht mehr in der Lage sein würden, ihrem Beruf nachzugehen. Man wusste, dass es mit Appellen an die Bürger in puncto Reinlichkeit eben nicht getan war. So wurde die Einrichtung einer Kochanstalt bestimmt, „[…] aus welcher eine gesunde Nahrung allen gereicht werde, die dessen bedürfen und womit eine Austheilung von Brod zu verbinden ist sowie von Brenn Material für die Heizung. […]“222 Eine Unterstützung des Programms durch den preußischen Staat war nicht vorgesehen. Vielmehr stand von Anfang an fest, dass das Ganze wegen der knappen Stadtkasse nach dem Umlageprinzip finanziert werden sollte. Die Weichen für die Erhebung einer Sondersteuer wurden somit gestellt. Ingesamt sollten fünf Steuerklassen eingeführt werden.223

 

Die neu eingerichtete Ortskommission wurde überraschend schnell aktiv. Unter Vorsitz von Oberbürgermeister Abundius Maehler tagte das Gremium bereits am    19. Oktober 1831. Sofort wurde ein Protokoll erstellt und direkt an den Regierungspräsidenten gesandt.224 In der Sitzung befasste man sich auch mit der personellen Besetzung der Quartierkommissionen. Demnach gab es in der Stadt sechs Ärzte, die in den jeweiligen Quartieren im Kampf gegen die Cholera eingesetzt werden konnten, darunter auch Dr. Joseph Maria Settegast (1780–1855), der seit 1816 als Kreisphysikus im Amt war. Der angesehene Arzt war nicht nur Mitglied des Medizinalkollegs, sondern stand auch an der Spitze des Bürgerhospitals und des Militärlazaretts. Hauptthema der Sitzung am 19. Oktober war jedoch die Auswahl eines geeigneten Ortes für das Cholera-Lazarett. Zu diesem Zeitpunkt hatte Stadtbaumeister Johann Claudius von Lassaulx infrage kommende Gebäude in Koblenz untersucht. Dazu gehörte auch das Alte Kaufhaus am Florinsmarkt, das bis 1794 als Rathaus225 gedient hatte. Lassaulx kam aber schnell zu dem Ergebnis, dass die Säle zu groß und deshalb schwer zu beheizen waren. Darüber hinaus gab es keinen größeren Feuerungsraum, in dem Wasser erwärmt werden konnte. Dieser Einschätzung schlossen sich die Kommissionsmitglieder an. Wegen „unbezahlbarer“ Umbaukosten sah man schließlich von diesem Standort ab.226

 

Geeigneter schien auf den ersten Blick ein Standort im Kastorviertel zu sein, zumal sich dort auch das Bürgerhospital befand. In einem dreigeschossigen Schulgebäude neben dem Hospital bestand die Möglichkeit, in vier Stuben der beiden Obergeschosse eine Isolierstation einzurichten. Allerdings verzichtete man darauf, weil das Erdgeschoss sich nicht für die Einrichtung eignete. Das Hauptargument gegen den Standort war die „[…] Lage in der  Castorgasse, welche jeden Winter wenigstens partiellen Ueberschwemmungen ausgesetzt ist, so ungünstig, dass der Traufgurt der Cholerakranken dadurch gehemmt und gefährlich gemacht würde, so dass jenes Lokal höchstens im äußersten Notfalle zu einem Hülfsplatze genommen werden dürfte. […]“227

 

Theoretisch wäre auch die Einrichtung der Cholerastation in einem Seitenflügel des Bürgerhospitals möglich gewesen. Man verwarf diese Idee, weil in dem Gebäudeteil auch die Geschlechtskranken behandelt wurden. Und: Es war nicht möglich, den Flügel sicher von den anderen Bereichen des Hospitals abzuriegeln. Beim ehemaligen Barbarakloster der Augustinerinnen228 in der Löhrstraße wurde man schließlich fündig. Dort hatte die Stadt ein Pfandhaus229 eingerichtet. Ein an der Gartenseite gelegenes Hinterhaus konnte ohne großen Aufwand zum Choleralazarett umgebaut werden. Das dreigeschossige Gebäude wurde aber noch von der Pfandhausverwaltung genutzt und beherbergte darüber hinaus die Magazine der Einrichtung.230 Schließlich sollten zwei Geschosse für die Behandlung hergerichtet und für eine Kapazität von 30 Betten ausgelegt werden.231

 

Es kam erst gar nicht so weit, dass das Gebäude mit Cholerakranken belegt werden musste. Dennoch gab es Verdachtsfälle: So verfasste Kreisphysikus Joseph Maria Settegast am 13. Oktober 1832 einen ausführlichen Bericht über eine Erkrankung im örtlichen Garnisons-Lazarett, die bereits Anfang des Monats aufgetreten war. Der Medizinalrat unterließ eine Meldung an die Bezirksregierung, weil er in diesem Fall die Cholera mit Sicherheit ausgeschlossen hatte.232 Genau ein Jahr später sah die Sache anders aus. Der Kreisphysikus musste sich im Oktober 1832 mit einer vierköpfigen Familie auseinandersetzen, die in Neuendorf von der Seuche ausgelöscht worden war. Dazu kamen zwei weitere Tote im heutigen Stadtteil.

 

Settegast schrieb seine Beobachtungen in einem 27-seitigen Bericht nieder. Darin heißt es unter anderem: „[…] Am 31. Oktober Abends gegen 8 Uhr wurde ich mündlich durch den Herrn Oberbürgermeister Maehler benachrichtigt, dass [...] im Verlauf des Tages 3 Leute, die Ehefrau Hoefer und 2 ihrer Kinder nach einem sehr kurzen Krankenlager gestorben seyen und dass am Abend das 3te Kind sich unter ähnlichen Erscheinungen, wie die anderen, hingelegt habe. Ich war sehr bald mit dem Kreis-Wundarzt Hecking an Ort und Stelle. Vor dem Hause der Eheleute Hoefer fand ich großen Zusammenlauf von Menschen, die sich aber ganz ruhig betrugen. Wir traten in eine kleine Stube im oberen Geschoss eines kleinen Hauses und fanden dort in einem breiten Bette die zuletzt erkrankte 12 Jahre alte Maria Anna Hoefer, und im nämlichen Bette ihren bereits um 4 Uhr Nachmittags gestorbenen Bruder Nicolaus. Vor der Thüre in einer Wiege lag der zwei Jahre alte Bruder Peter, ebenfalls gegen 4 Uhr gestorben; in dem Zimmer zu ebener Erde fanden wir die Leiche der Morgens gegen 4 Uhr gestorbenen 39 Jahre alten Mutter Gertrudis Hoefer. Der Anblick der kranken Marie war für mich ganz neu; in meiner 30jährigen viel beschäftigten Praxis hatte ich nie ein Krankheitsbild gesehen wie das vorliegende. Das wohlgebildete Mädgen lag auf dem Rücken mit etwas gebogenen Schenkeln; die halb geöffneten, tief in ihren Höhlen liegenden Augen sahen nach oben; es war keine Färbung in den Augen [...] sie schien teilnahmslos sowohl mit ihrem Leiden als mit dem, was um sie herum vorging. [...]“233

 

Der Bericht zeigt anschaulich, wie ratlos man der Cholera gegenüberstand. Dazu passt auch die Tatsache, dass die Königliche Regierung von Anfang an einräumte, man kenne die Ursache der Verbreitung der Seuche nicht. Entsprechend hilflos agierte man bei der Anschaffung der nötigen Gerätschaften zu deren Bekämpfung. Da man damals der Auffassung war, Cholerakranke könnten mit Hitze geheilt werden, entschloss sich die Bezirksregierung, die Anschaffung der sogenannten „Gallschen Schweißerzeugungsapparate“ zu finanzieren. Schließlich lieferte ein Kupferschmied 17 solcher fragwürdigen Geräte, die im Ernstfall ohnehin nicht ausreichten.234 Im Vergleich zu anderen „Therapien“ war die Koblenzer Variante harmlos. Olaf Briese berichtet von „Heilungen“, die eher zu einem Horrorroman als zur Realität passten. Aber die Tatsache, dass Kranke mit glühenden Metallzylindern übel zugerichtet wurden, zeigt, dass die Wirklichkeit oft die schlimmsten Fantasien übertraf. Daran, Patienten einfach mit Kochsalz versetztes Trinkwasser zu geben oder das Wasser als Präventionsmaßnahme abzukochen, dachten nur die wenigsten. Im Gegenteil: Um eine Auskühlung des Körpers zu unterbinden, wurde die erforderliche konstante Versorgung der Kranken mit reinem Trinkwasser sogar unterbunden.235

 

Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum man in der Verwaltung nicht auf die weiteren „Fortschritte“ in der Medizin warten konnte – und wollte. Anders als im preußischen Kernland hatten die am relativ gut kontrollierbaren Mittelrhein getroffenen Maßnahmen jedoch Erfolg, weil man die Verkehrswege besonders streng im Auge hatte. Für den Fall, dass die Einwohner des Regierungsbezirks erkranken würden, hatte man jedoch nicht viel mehr als allgemeine, vor allem aber antiquierte Ratschläge parat. So ermahnte man die Bürger in den Bekanntmachungen des Regierungspräsidenten immer wieder zu einer maßvollen Lebensführung, die sie nach Ansicht der Obrigkeit davor bewahrte, an der Seuche zu erkranken. Diese Einstellung kam nicht von ungefähr, sondern von einer Gesundheitslehre, der besonders Christoph Wilhelm Hufeland (1762–1836) zu einer großen Wirkung verholfen hatte. Der wohl meistgelesene Arzt des 19. Jahrhunderts schuf bereits 1796 mit seiner „Makrobiotik“ eines der erfolgreichsten medizinischen Werke jener Zeit. Hufelands Buch trug bezeichnenderweise den Untertitel „Die Kunst, das menschliche Leben zu verlängern“.236

 

Die Ursprünge von Hufelands Lehren reichten weit in das 18. Jahrhundert zurück.237 Allerdings war er es, der mit seiner „Lebenskraft-Theorie“ ein sorgsam ausgearbeitetes Programm entwickelte, das weite Kreise beeinflusste. Seine These, dass Kleidung, Nahrung, Lebensart und Klima entscheidende Auswirkungen auf die Lebenserwartung hatten,238 scheint auch die Medizinalbeamten in den für die Cholera-Prävention zuständigen Bezirksregierungen entscheidend beeinflusst zu haben. Nur so ist es zu erklären, dass entsprechende Forderungen auch in den Cholera-Vorschriften der Koblenzer Regierungspräsidenten Eingang fanden, in denen – ganz nach den Empfehlungen Hufelands – auch die Gabe von Likören und „Digestiva“ angeregt wurde.

 

Christoph Wilhelm Hufeland war auch einer der ersten, die neben einer verantwortungsvollen Lebensführung eine kommunale Hygieneplanung forderten. Als Leibarzt des preußischen Königs wusste er um die schlechten sanitären Verhältnisse in Berlin und anderen preußischen Städten und erkannte, dass es nicht allein ausreichte, Unmäßigkeit im Essen, Müßiggang, Untätigkeit, Langeweile, üble Laune, Furchtsamkeit, maßlose Leidenschaften sowie Neid und Missgunst als Faktoren auszumachen, die die Lebenskräfte beeinträchtigten.239

 

Nicht zu unterschätzen für die Entwicklung eines neuen Körper- und Hygienebewusstseins war auch der Einfluss der Ideen von Jean-Jacques Rousseau (1712–1778), der eben nicht nur Spielregeln für das Zusammenleben in der Gesellschaft aufstellte, sondern auch die Rückbesinnung auf die Natur forderte. Zu den direkten Auswirkungen gehörte der weitere Aufschwung der Wasseranwendungen, der bereits im 17. Jahrhundert eingesetzt hatte. Deren Tradition reichte bis zu den germanischen Bade- und Trinkkuren und bis zu den römischen Thermalbadekuren zurück – viele europäische Kurorte haben ihren Ursprung in der Antike.240 Richtungweisend wurden auch die Ausführungen des Schweidnitzer Arztes Johann Sigmund Hahn (1696–1773), der – beeinflusst von seinem Vater Sigmund Hahn – bereits 1738 in seiner Schrift auf „Die wundersamen Heilkräfte des frischen Wassers bei dessen innerlichen und äußern Gebrauche“ aufmerksam gemacht hatte.241 Dieses Buch beeinflusste auch den Pfarrer Sebastian Kneipp (1821–1897), den „Erfinder“ der nach ihm benannten Kuren.242 Der Aufschwung der Hydrotherapie seit dem 18. Jahrhundert sollte mit der Gründung der Kaltwasserheilanstalt Laubach 1840 auch auf Koblenz direkte Auswirkungen haben. Schon vorher hatte sich die Auffassung durchgesetzt, dass frisches Wasser und reine Luft bei Seuchenprävention und -bekämpfung eine unverzichtbare Rolle spielten. Zuvor war es lange Zeit so gewesen, dass Wasser im Alltag in erster Linie als „Waschmittel“ gesehen wurde, das bei regelmäßiger Anwendung sogar gesundheitsschädlich sein konnte. Dazu kam, dass regelmäßiges Waschen sogar als moralisch verwerflich galt.243

 

Das deutlich gesteigerte Gesundheitsbewusstsein im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert ist auch Persönlichkeiten zu verdanken, die keine Medizinier waren: allen voran Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832), der schon früh die Gesundheit von Leib und Seele postulierte und sich dem Studium des menschlichen Körpers widmete.244 Zumindest in diesem Punkt stand er ausnahmsweise einmal nicht im krassen Gegensatz zu den Romantikern, die ihrerseits zur Entwicklung einer ganzheitlichen Medizin beitrugen. Die Grundlagen hierfür lieferte der Philosoph Friedrich Wilhelm Josef Schelling (1775–1854), der von einer Beeinträchtigung der Natur im Verlauf der Evolution ausging und sich gegen eine Trennung von Philosophie und Medizin aussprach. Er erreichte, dass sich immer mehr Nichtmediziner mit dem Thema Gesundheit auseinandersetzten. Dazu gehörten auch der bekannte katholische Publizist Joseph Görres (1776–1848) aus Koblenz und eben auch Friedrich von Hardenberg (1772–1801)245 – besser bekannt als Novalis. Der Dichter, Jurist und kursächsische Salinendirektor, der in seinem Roman „Heinrich von Ofterdingen“ mit der „Blauen Blume“ das Symbol der deutschen Romantik schuf, wies auf die geistige Dimension von Gesundheit und Krankheit hin und forderte konsequenterweise eine umfassende Lebenskultur als Prophylaxe. Novalis entwarf dazu eine konkrete Alltagsdiätik aus gesunder Kost, körperlicher Bewegung und vor allem auch aus regelmäßiger geistiger Belastung.246

 

Auch wenn die Grundsätze der damaligen Zeit sogar Eingang in die Gesetze und Verordnungen fanden, sah die Wirklichkeit ganz anders aus. Hygieneforderungen wurden – wenn überhaupt – sehr nachlässig umgesetzt. Diese Feststellung galt nicht nur für die Unterschicht, wie sie zum Beispiel in Koblenz vor allem im Kastorviertel und in den Mauerhäuschen der mittelalterlichen Stadtbefestigung anzutreffen war. Nicht umsonst hat Klaus Bergdolt darauf hingewiesen, dass gerade in Künstler- und Intellektuellenkreisen „Kranksein als solches“ noch lange in Mode war. So galt ein schwindsüchtiges Äußeres nicht als Makel, sondern als Zeichen von Sensibilität und Kreativität. So wurde Tuberkulose oft als Beweis dafür gesehen, dass man vornehm, zart und sensibel war.247

 

Die von Klaus Bergdolt beschriebene „romantische Sehnsucht nach der Krankheit“ hatte zwar keinen Einfluss auf breite Bevölkerungsschichten, spiegelt jedoch eine gewisse Sorglosigkeit wider, die trotz aller Ermahnungen der Behörden auch am Mittelrhein deutlich zu spüren war. Dem Sieg über die Cholera folgte nämlich keine nachhaltige Verbesserung der hygienischen Verhältnisse. Genau das Gegenteil war der Fall, denn die Lebensbedingungen für die „einfachen Menschen“ verschlechterten sich permanent. Mit dem Bedeutungszuwachs von Koblenz als Stadt der Behörden, des Handwerks, des Militärs und des Fremdenverkehrs ging – wie bereits geschildert – die erhebliche Verdichtung der Bebauung in der heutigen Alt- und Innenstadt einher. Die negativen Auswirkungen der Moderne, die sich im Laufe der Jahre weiter verschärften, waren auch in Koblenz deutlich zu spüren. Vor allem in den damaligen „Problemquartieren“ in der Altstadt gehörte der Haushalt als geschützter Raum und Bastion gegen die aktuellen technischen und sozialen Entwicklungen der Vergangenheit an. Besonders in den Arealen am Moselufer, in der Wöllersgasse und später auch im Bereich zwischen Münzstraße und Florinspfaffengasse war die durch Untervermietung und Schlafgänger verursachte Überbelegung von Wohnräumen an der Tagesordnung.248

 

Fazit: Die Lösung der sozialen Probleme, die maßgeblich zur Verhinderung von Infektionskrankheiten hätte beitragen können, war damals noch lange nicht in Sicht. Das war natürlich keine Koblenzer Besonderheit, wie eine Nachricht aus Breslau bezeugt, die anscheinend auch die Bezirksregierung Koblenz sehr beschäftigte. Der „Frauen-Verein der 5ten Bezirks-Kommission“ meldete:  „[…] Es ist aber bei alle dem ein Mangel besonders hervorgetreten, dem bis jetzt wegen Unzulänglichkeit der Mittel nicht abgeholfen werden konnte: es fehlen Kleider und Leibwäsche, um die Dürftigsten zu bedecken, und es ihnen möglich zu machen, sich vor dem Einfluß der rauhen Witterung zu schützen und die ihnen anempfohlene Reinlichkeit zu beachten. […]“249

 

 

5.2. Der Tod kam doch (1849–1866)

 

Seit den 1840er-Jahren wurden in der Koblenzer Altstadt Grundstücke überbaut und Häuser aufgestockt, ohne den steigenden Bewohnerzahlen durch entsprechend verbesserte sanitäre Einrichtungen gerecht zu werden. Die Folgen ließen nicht lange auf sich warten: Die Cholera sollte zurückkehren und dieses Mal auch in Koblenz zahlreiche Opfer fordern. 1849 erkrankten in der Stadt 313 Menschen an der Cholera. 111 Kranke starben.250 Mindestens genauso schlimm war ein Jahr später die Situation im wesentlich kleineren Ehrenbreitstein mit seinen rund 2000 Einwohnern. Die Entwicklung der Epidemie ist dort gut rekonstruierbar, weil Stabsarzt Dr. Otto penibel Buch führte und sogar Namen und Wohnsitz der Betroffenen registrierte. Demnach starben in der einstigen Residenzstadt 70 Menschen an der Infektionskrankheit. Rechnet man die anderen Gemeinden der Bürgermeisterei dazu, stieg die Gesamtzahl der Toten auf 77. Insgesamt waren 309 Menschen erkrankt.251 In Koblenz war zu dieser Zeit das Schlimmste vorbei. Kreisphysikus Settegast meldete, dass es in der Stadt nur vier Fälle mit drei Toten gegeben habe. Darunter waren ein Tagelöhner, der in Ehrenbreitstein Cholerakranke gewaschen hatte, und ein Kleinkind. Der dritte Tote war ein Ehrenbreitsteiner, der sich in Koblenz aufgehalten hatte. 252

 

Stabsarzt Dr. Otto war mit dem Verlauf der Seuche in Ehrenbreitstein am besten vertraut und reichte im Mai 1851 seinen 82-seitigen Abschlussbericht bei der Bezirksregierung Koblenz ein. Otto legte dabei einen Schwerpunkt auf ein zentrales Problem: Vielen Ärzten fiel es schwer, im Anfangsstadium der Krankheit die richtige Diagnose zu stellen, weil damals weder der Erreger noch seine Varianten bekannt waren. Für sie unterschied sich diese Infektionskrankheit nur wenig von anderen Brechdurchfällen. Und auch wenn die richtige Diagnose gestellt wurde, war es oft schon zu spät. Das zeigt auch der Bericht Ottos. Der Stabsarzt war bereits am 17. August 1850 in die Wohnung des Peter Dillschneider im „Arzheimer Mühlengrunde“ gerufen worden und sah sich genötigt, nach „gewissenhafter Prüfung denselben für cholerakrank zu erklären“. Die Reaktionen in der Bürgermeisterei Ehrenbreitstein ließen nicht lange auf sich warten. Bei Otto liest sich das so: „[…] da las ich recht wohl in den Zügen der Umstehenden, welche Aufregung, welches Entsetzen dieses Wort bei der Bevölkerung von Ehrenbreitstein hervorrufen, sah im Geiste voraus, welchen Zweifeln, welchen Unglauben, welchen Mißdeutungen von Seiten der Aerzte wie Laien, zumal bei dem damals isolirt stehenden Falle, ich zu begegnen haben würde. Das über unserem Städtchen schwebende Verhängniß hat diesen Strauß für mich ausgefochten. […]“253

 

Der Bericht des Stabsarztes254 deutet an, dass der Ausbruch der Cholera in Ehrenbreitstein lange nicht ernst genug genommen wurde – und das, obwohl man bestens darüber informiert war, welche verhängnisvollen Folgen die Seuche haben konnte. Besonders nachlässig war ausgerechnet die Kommandantur Koblenz und Ehrenbreitstein. Die hatte zwar noch am 31. August bemängelt, dass die Stadt als „Lokal-Behörde“ von Ehrenbreitstein noch keinen geeigneten Ort zur Aufnahme der Cholera-Kranken gefunden hatte, war aber dennoch der Auffassung, dass wegen der geringen Zahl der erkrankten Soldaten die Einrichtung einer besonderen Isolierstation nicht erforderlich war. Die Kommandantur signalisierte aber, dass sie das Kloster am Train-Depot nutzen wollte.255 Dass die Cholera in Koblenz und Ehrenbreitstein in den Jahren 1849 und 1850 verstärkt auftrat, ist keine regionale Eigenart. Auch die Zahlen für einige Regierungsbezirke im östlichen Preußen spiegelten eine Stabilisierung auf hohem Niveau wider, die schon die Zeitgenossen erkannten. So spricht eine statistische Zusammenstellung von 1854 von sieben Cholerajahren und vergleicht die Opferzahlen der Epidemien von 1831 und 1852. Wie Tabelle 1 zeigt, hatte sich die Zahl in einigen Regierungsbezirken deutlich erhöht. Auffallend sind der deutliche Anstieg in den Regierungsbezirken Posen und Danzig sowie der deutliche Rückgang im Raum Berlin – eine Diskrepanz, die eindeutig auf die unterschiedlichen Standards in der Ver- und Entsorgung zurückzuführen sein dürfte.256

 

Trotz der Fixierung von Ärzteschaft, Behörden und Presse auf die „asiatische Cholera“ sollte nicht übersehen werden, dass in der gleichen Zeit in Preußen und anderen deutschen Staaten Pocken, Typhus, Diphtherie und Tuberkulose sowie die Kinderkrankheiten Masern, Scharlach und Keuchhusten insgesamt verbreiteter waren. Das zeigt auch Tabelle 2 über die Todesursachen von 1877 bis 1913 in deutschen Städten mit mehr als 15.000 Einwohnern. Diese mit dem steigenden Bevölkerungswachstum verbundenen Erkrankungen hat die englische Forschung als „Human-Crowd-Deseases“ bezeichnet.257 Da es sich dabei überwiegend um sogenannte „Hausepidemien“ handelte, werden sie zum Beispiel in den Verwaltungsakten der Rheinprovinz weit weniger intensiv behandelt als die Choleraproblematik. Aus heutiger Sicht verwundert es außerdem, dass die damals gültigen Bauvorschriften kaum Rücksicht auf die gesundheitsschädlichen Zustände in der Altstadt nahmen und es darüber hinaus kein Programm zur Bekämpfung ebendieser „Hausepidemien“ gab. Das ist nur vor dem Hintergrund zu verstehen, dass man seitens der Behörden keine überschüssigen Mittel hatte, um die Lebensbedingungen für die Unterschicht zu verbessern.

Trotz seiner erheblichen Bedeutung als Festung und als Hauptstadt der preußischen Rheinprovinz steckte Koblenz in einer Krise. Die preußische Regierung bekam die strukturellen Probleme am Mittelrhein – wenn überhaupt – nur sehr schleppend in den Griff. Die Missernte von 1845, die zu einer Steigerung der Getreidepreise um 80 Prozent führte, die daraus resultierende Hungersnot258, Arbeitslosigkeit und ein hohes Defizit in den kommunalen Kassen sollten auch die Gemüter in Koblenz erhitzen.

Aber nicht nur in den Rheinlanden standen die Zeichen auf Sturm. Überhaupt waren die Jahre vor der Jahrhundertmitte von Not und Krankheit gezeichnet. Und es war eben nicht die Cholera, die das Fass zum Überlaufen brachte. Einschneidende Ereignisse jener Zeit waren der von der preußischen Armee blutig niedergeschlagene Weberaufstand im Juni 1844 und die oberschlesische Typhuskatastrophe, die etwa 16.000 Menschenleben forderte und in den Jahren 1846 und 1847 besonders in den Kreisen Rybnik und Pless wütete.259

 

Nicht der Traum von Freiheit, sondern die schlechten Lebensbedingungen für viele Menschen in Mitteleuropa waren der Boden, auf dem revolutionäres Gedankengut gedeihen konnte. Es gab durchaus Persönlichkeiten in wichtigen Positionen, die schnell den Zusammenhang von Krankheit und sozialer Frage erkannten. Zu dieser Gruppe zählte Rudolf Virchow (1821–1902). Virchow gehörte als Mitglied der im Februar 1848 von der preußischen Regierung eingesetzten Untersuchungskommission zu den Ersten, die die wahren Ursachen der oberschlesischen Typhusepidemie ansprachen. Rudolf Virchow kehrte am 10. März 1848 von seiner Mission zurück. In seinen Briefen an den Vater berichtete er  von Zuständen, die an heutige Schilderungen von Katastropheneinsätzen in Ländern der Dritten Welt erinnern und, wie es Virchow-Biograf Constantin Goschler ausdrückt, vom „Versagen der lokalen Behörden und vom schließlich einsetzenden überstürzten Wettlauf der Hilfsorganisationen [zeugen], die unter den Augen einer durch empörte Zeitungsberichte mittlerweile aufgeschreckten Öffentlichkeit nunmehr ihre Rettungsversuche vollzogen.“ Und: Der Mediziner schrieb auch von den reichlich vorhandenen Hilfsmitteln, die nicht ausgeteilt wurden und einfach im Straßendreck lagen. Seine Kritik an der unkoordinierten und verspäteten Reaktion der Behörden, vor allem aber sein Engagement für liberal-demokratische  Kreise bezahlte Virchow mit dem Verlust seiner Stelle als Prorektor der Berliner Charité. Rudolf Virchow hatte jedoch Alternativen: Er wurde Professor an der Würzburger Universität. Schließlich konnte der hoch angesehene Gelehrte nach Berlin zurückkehren, um an der heutigen Humboldt-Universität zu lehren und zu forschen.260

 

Die tief greifenden Probleme in Preußen blieben auch den meist katholischen Rheinländern nicht verborgen. Die konfessionellen Gegensätze sorgten zusätzlich dafür, dass sich der Unmut vieler Koblenzer gegen die neue Obrigkeit richtete, die zu jener Zeit immer noch von vielen wie eine Fremdherrschaft gesehen wurde. Das radikale Vorgehen der Behörden im Falle des „Rheinischen Merkurs“ und ihres Herausgebers Joseph Görres empörte ebenso wie das Kölner Ereignis, bei dem die Obrigkeit Erzbischof Clemens  August von Droste zu Vischering in Festungshaft genommen hatte. Ende 1847 schlugen die Wellen hoch. Damals wollte die gebeutelte Stadt ihr Defizit von 9000 Talern bei einem Haushalt von 50.000 Talern durch eine zusätzliche kommunale Einkommenssteuer ausgleichen. Im Saal Kolling auf der Löhr versammelten sich die Bürger und machten „Sanierungsvorschläge“. Am 22. Dezember 1847 wurde der „Katalog“ dem obrigkeitstreuen Stadtrat übergeben, der die Forderungen zurückwies.261 Die rapide Verteuerung der Lebensmittel und das soziale Elend in der Stadt sorgten dafür, dass die Stimmung gereizt blieb. Da halfen auch staatliche Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung nicht. Obwohl man am Moselufer einen Sicherheitshafen bauen ließ und erreichte, dass die Militärverwaltung mehr Schuhmacher und Sattler einstellte, schielten die Koblenzer auf die Vorgänge in anderen Territorien. Im März 1848 und auch später wurde die Provinzhauptstadt zum Schauplatz von Kundgebungen. Unruhen blieben trotz des Hungers aus.262

 

Die Kontrollen der Behörden konnten nicht verhindern, dass Koblenz 1866 erneut von der Cholera heimgesucht wurde. Dieses Mal waren die Folgen für die Stadt wesentlich dramatischer, als bislang erlebt: Zwischen dem 16. Juli und dem 13. Oktober 1866 erkrankten 377 Menschen in der Stadt, die damals 23.048 Einwohner zählte. Insgesamt 150 Tote waren zu beklagen. Mitte Oktober waren immer noch 36 Koblenzer nicht genesen.263 Noch schlimmer war die Situation im Nachbarkreis Mayen. Allein in der Kreisstadt, die damals 6518 Einwohner hatte, erkrankten 1236 Menschen. Für 235 Mayener endete die Infektion tödlich. Insgesamt gab es im Landkreis 1417 Cholerakranke, von denen 316 starben.264 Erstaunlich ist, dass die Akten für das katastrophale Cholerajahr 1866 in Koblenz nicht ergiebiger sind. Allerdings lassen die Quellen den Schluss zu, dass einmal mehr die engen Quartiere in der heutigen Kernstadt am schlimmsten von der Epidemie getroffen wurden. Ein Brief des Polizeidirektors und Landrats Franz Hubert Freiherr Raitz von Frentz vom August 1866 an den damaligen Regierungspräsidenten Graf Ludwig von Villers zeigt jedoch, dass ein Schwerpunkt dieses Mal nicht nur in der Kastorgasse, sondern vor allem auch in der Weißer Gasse und in der Weißernonnengasse lag.265 Beide Bereiche waren im westlichen Teil der Altstadt gelegen, der  vor allem vom Handwerk geprägt war. Die Verdichtung der Bebauung hatte auch in diesem Areal zu einer Verschlechterung der Wohnverhältnisse geführt.

 

Die Cholerakatastrophe von 1866 offenbarte, dass die Vorsichtsmaßnahmen nun weitgehend wirkungslos blieben. Das gilt gerade auch für die Polizei-Verordnung des „Königlichen Polizeidirektors“ von Frentz, die alle örtlichen Gastronomiebetriebe, vor allem die darin vorhandenen Toiletten betraf. Demnach musste jeder Gast- und Schankwirt „[…] seine Abtritte in einem solchen Zustande erhalten, dass durch deren Beschaffenheit keine Gefahr für den öffentlichen Gesundheitszustand entsteht. […]“ Es war fortan vorgeschrieben, die Abtrittsöffnungen im Acht-Tage-Turnus mit Eisenvitriol zu desinfizieren, das in einem halben Eimer Wasser aufgelöst werden musste. Im Falle eines „wahrnehmbaren Entweichens von Abrittsgasen“ sollten die Intervalle „polizeilicherseits“ verkürzt werden. Wer den Bestimmungen der Polizei-Verordnung nicht nachkam, konnte auf eigene Kosten dazu verpflichtet werden. Außerdem drohten Geldstrafen. Wer nicht zahlte, sollte in Haft genommen werden. Im Wiederholungsfall drohte der Verlust der Konzession.266

 

Die Anordnungen zeigten, dass man auch in Koblenz allmählich den Zusammenhang zwischen der Entsorgung von Fäkalien und der Qualität des Grundwassers erahnte, obgleich sie noch auf der Theorie der schädlichen Gase aufbauten. Auf die einfachste Idee, die Trinkwasserversorgung zu verbessern, kam man zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Dabei hatte der Brite John Snow 1855 die Zusammenhänge eindeutig nachgewiesen. Eine große Verbreitung fanden seine Erkenntnisse jedoch nicht. Im Gegenteil: Viele Ärzte lehnten die Möglichkeit, dass die Krankheit über das Trinkwasser verbreitet wird, als Scharlatanerie ab.267 Auch das überrascht: Hatte man doch bereits in den Pestjahren verdächtige Trinkwasserbrunnen geschlossen. Die Koblenzer Cholerazeit offenbarte aber noch ein anderes Problem. Wie andernorts auch wurde die Frage nach den sozialen Ursachen der Katastrophe überhaupt nicht gestellt. Dabei hatten gerade die ärmeren Schichten einfach nicht die Möglichkeiten, umfassend vorzusorgen. Und ihnen fehlte fast immer das Geld für höherwertige Nahrungsmittel.

 

Zum minderwertigen Trinkwasser gesellte sich minderwertige Ware – eine Mischung, die die Infektionsgefahr dramatisch erhöhte. Nicht umsonst hat Martin Beutelspacher auf den engen Zusammenhang zwischen der Kostenentwicklung bei den Nahrungsmitteln und der weiteren rapiden Verschlechterung der Lebensbedingungen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hingewiesen und berechnet, dass die „arbeitende Klasse“ bis zu 2/3 ihrer Einnahmen für ihre einseitige Ernährung aufwenden musste. Da überrascht es nicht, dass gerade bei den Bewohnern ärmerer Viertel Ausgaben für die Körperhygiene nach Möglichkeit vermieden wurden. Bürsten, Kämme, Handtücher oder Waschlappen galten gerade in den ärmeren Schichten lange als vermeidbare Anschaffungen.268

 

 

5.3 1892: Koblenz im Jahr der Angst

 

„Der Ausbruch der Cholera in den Provinzen Posen und Preußen war kein unerwartetes Ereignis. Die in den letzten Jahren gemachten Erfahrungen hatten gelehrt, daß bei dem Vorherrschen der Cholera in den benachbarten polnisch-russischen Grenzdistrikten die Krankheit auf dem Wasserwege, und zwar vorzugsweise durch die von Polen nach Preußen gelangenden Holz- und Getreide-Traften269 sowie durch Weichselkähne, fast regelmäßig auf preußisches Gebiet eingeschleppt wurde. Auch in den letztgenannten Jahren 1871 und 1872 war die Cholera in dieser Weise in den Regierungsbezirk Marienwerder eingedrungen, und wenn die Gefahr für das Jahr 1873 auch in weitere Ferne gerückt schien, da amtlichen Nachrichten zufolge die Seuche im Königreich Polen erloschen sein sollte, so war die Aufmerksamkeit der preußischen Behörden doch auf die von der Krankheit bedrohten Punkte gerichtet und, wie es sich leider bald zeigte, nicht ohne Grund: Am 24. Mai gelangte nach Marienwerder die Nachricht, daß unter den die preußische Grenzstation Schillno passierenden Flößen Cholerafälle vorgekommen waren. […]“270 So beginnt der Bericht des Professors Dr. A. Hirsch, der als Mitglied der Cholera-Kommission für das Deutsche Reich 1874 Bericht über eine neue Welle der Epidemie erstattete, die im Sommer 1873 viele Menschen das Leben gekostet hatte. Und wieder zeigte sich, dass man im Vergleich zum erstmaligen Auftreten der Seuche immer noch nicht weiter war. Niemand schien die Cholera aufhalten zu können, die sich ihre Opfer anscheinend wahllos auszusuchen schien. Schlimmer noch: Auch andere Epidemien sollten Deutschland heimsuchen. So starben in den Jahren von 1871 bis 1873 mehr als 100.000 Menschen an den Blattern. Und auch England meldete dramatische Zahlen. Dort starben trotz extrem hoher Impfquote 45.000 Menschen an den Pocken. Dagegen wurde der Raum Koblenz dieses Mal weitgehend von den tödlichen Krankheiten verschont.

 

Auch nach dem Ende der Epidemie von 1873 wusste man, dass die Cholera noch längst nicht besiegt war. Im Gegenteil. Die Zunahme des internationalen Handels und die immensen Fortschritte in der Verkehrstechnik erhöhten zwangsläufig auch das Risiko einer Verbreitung von Seuchen. Noch ehe Reisende erkannten, dass sie selbst erkrankt waren, konnten sie bereits zum Risiko für andere werden. Dauerte es bei der ersten Cholera-Pandemie fast drei Jahre, bis die Seuche die Rheinlande erreicht hatte, verbreitete sich die Infektionskrankheit nun rasend schnell. Im Juni 1892 in Persien ausgebrochen, hatte sie bereits wenige Wochen später die Wolgaregion erreicht. Gleichzeitig griff die Seuche auf dem Seeweg an. Bereits im April wurden aus Frankreich mehrere Cholerafälle gemeldet. Die Seuche schien auf unaufhaltsame Weise nach Westen vorzurücken. Und das zuständige preußische Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten ließ in einer Denkschrift wissen, dass man auf die neue Welle der Seuche bestens vorbereitet sei. Wörtlich ist zu lesen: „[…] Bereits in früheren Cholera-Epidemien war die Wahrnehmung mit immer größerer Klarheit gemacht worden, daß die Seuche hauptsächlich mit dem menschlichen Verkehr einherschreitet und die Gefahr ihrer Verbreitung mit dem Umfange und der Schnelligkeit des letzteren wächst. Im Hinblick auf die starke Ausbildung des Verkehrs zwischen dem südlichen europäischen Rußland und einerseits dessen asiatischen Nachbarländern, in denen die Cholera seit Jahren beständig herrscht, andererseits Preußen, hat der Minister der Medizinal-Angelegenheiten schon seit längerer Zeit seine Aufmerksamkeit auf diese mögliche Einzugsstelle der Cholera gerichtet und alle ihm durch Vermittlung des Reichskanzlers, des Auswärtigen Amtes wie Reichsamtes des Inneren sowie der Minister der auswärtigen Angelegenheiten und für Handel und Gewerbe zufließenden Nachrichten hierüber verfolgt. Behufs thunlichst vollständiger und schleuniger Erlangung der letzteren wurden bei der gefahrdrohenden Entwicklung der Seuche in Europa die auswärtigen Vertreter des Reichs beziehungsweise Preußens veranlaßt, regelmäßige Berichte über den Stand der Cholera und über die gegen die von den ausländischen Regierungen ergriffenen Maßnahmen einzusenden; später wurde den Konsulatsbehörden auch noch die direkte Benachrichtigung der oberen Verwaltungsbehörden in den nächsten bedrohten Bezirken aufgegeben. […]“271

 

Das Hamburger Beispiel sollte jedoch auf dramatische Weise zeigen, wie nutzlos Initiativen der Ministerien sind, wenn mit vermeintlichem Trinkwasser allzu sorglos umgegangen wird. In der Hansestadt benutzten zahlreiche Schiffs- und Uferbewohner das ungeklärte Flusswasser aus der Elbe.272 Zwischen August und Oktober waren 16.000 Menschen an der Seuche erkrankt. 9000 Personen starben.273 Die Furcht vor einer Ausbreitung der Seuche war in ganz Deutschland groß – auch an Rhein und Mosel. Die September-Ausgaben des „Coblenzer General-Anzeigers“ sind voll von Ratschlägen und Bekanntmachungen der Verwaltung. So wurden die Schiffer verpflichtet, Cholerafälle sofort der örtlichen Polizei zu melden. Auch durften erkrankte Bahnreisende nur an den für sie vorgeschriebenen Stationen aussteigen.274

 

Auch während der Sitzungen des Koblenzer Stadtrates war die tödliche Krankheit ein zentrales Thema. Aus der Tagespresse geht hervor, dass es 1892 in der Provinzhauptstadt nur wenige Cholerafälle gab. Die betroffenen Menschen – es handelte sich dabei ausschließlich um Schiffer oder Reisende im Fluss- und Schienenverkehr – hatte man genau in der Isolierbaracke im Moselweißer Feld untergebracht, die 1882 für die Behandlung von Pockenkranken errichtet worden war. Zufrieden berichtete der „Königliche Polizei-Direktor“ Graf Brühl am  8. September, dass es zu keinen weiteren Erkrankungen mehr gekommen war. Zu diesem Zeitpunkt wurden im Isolierhaus eine Krankenschwester, ein Handwerksbursche und eine Wäscherin behandelt. Darüber hinaus gab es in der Stadt eine Reihe von Erkrankungen mit Brechdurchfällen, wobei aber die Behörden die Cholera mit Sicherheit ausschlossen.275

 

Insgesamt starben im September 1892 drei Personen, darunter ein Durchreisender aus Hamburg. Das reichte, um in den Nachbargemeinden die Angst vor der Cholera neu zu schüren. So verbot man in St. Goarshausen die Einfuhr von Waren aus Koblenz. Man ging davon aus, dass sich die Infektionskrankheit weiter ausbreitete.276 Dabei war die Stadt trotz einzelner Verdachtsfälle seuchenfrei geblieben277, was sicherlich auch daran lag, dass sich mit dem Ausbau der neuen zentralen Wasserversorgung seit den späten 1880er-Jahren die Qualität des Koblenzer Trinkwassers erheblich verbessert hatte. Hinzu kam ein ganzes Bündel von Vorsichtsmaßnahmen der Behörden. Dazu gehörte die kostenlose Ausgabe von Desinfektionsmitteln an die ärmeren Bürger in besonders betroffenen Altstadtquartieren.278 An der Wirkung derartiger Maßnahmen sind aber gerade in der jüngeren Forschung Zweifel angemeldet worden. Die Tatsache, dass zwischen dem 3. September und dem 5. Oktober 1892 im Stadtkreis Koblenz nur fünf Personen erkrankten, zeigt aber erneut, dass die Zweifel in der jüngeren Forschung eben nicht immer berechtigt sind. Im Gegenteil: Das Beispiel Koblenz zeigt, dass eine strenge Kontrolle der Verkehrswege sehr wohl erfolgreich sein konnte. Gleiches gilt für die eingeleiteten Quarantänemaßnahmen.279

 

Unbestritten ist die Tatsache, dass die neueren wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse über das Trinkwasser als Hauptursache für die Verbreitung der Cholera erstmals Wirkung zeigten – sie fanden Eingang in die auf ministerieller Ebene erarbeiteten Empfehlungen und Vorschriften. Das zeigen auch die „neuesten vom Deutschen Reiche mit den Bundesregierungen vereinbarten Maßregeln gegen die Cholera“. Darin wurde gefordert, rechtzeitig für einwandfreies Trink- und Gebrauchswasser zu sorgen. Gewöhnliche Brunnen wurden abgelehnt und sollten im Verdachtsfall geschlossen werden. In den Orten, die keinen Anschluss an ein Trinkwasserwerk der neuen Generation hatten, wurden eiserne Röhrenbrunnen empfohlen. Darüber hinaus drängte man auf eine rasche Abführung von Schmutzwasser und die Leerung vorhandener Abtrittsgruben – allerdings nur für den Fall, dass ein Ort cholerafrei war. Andernfalls sollte man „während der Herrschaft der Epidemie“ die Räumung unterlassen.280 Bereits Ende Juli hatte das preußische Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten in entsprechenden Anweisungen an die Bezirksregierung vorgeschrieben, Reisende aus Russland zu kontrollieren. Eine Forderung, die im Rheinland gar nicht so abwegig war. Gab es doch dort mehrere Sammelpunkte für russische Emigranten, die nach Übersee auswandern wollten.281

 

Mit einem Bündel von Bekanntmachungen und Verordnungen wollte man auch in den folgenden Wochen den Ausbruch der Cholera an Rhein und Mosel verhindern. So schrieb die Bezirksregierung Koblenz am 7. November 1892 regelmäßige ärztliche Untersuchungen der auf den Flussschiffen und Flößen befindlichen Personen vor. Dazu kam die Besichtigung der Fahrzeuge. Darüber hinaus konnten Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen angeordnet werden. Bei den „Ortsterminen“ sollte auch überprüft werden, „[…] ob gutes Trinkwasser in genügender Menge auf dem Fahrzeuge vorhanden ist […]“.282 Drei Tage zuvor hatte sich bereits der Oberpräsident der Rheinprovinz, Dr. Berthold Nasse, besonders den Flößen gewidmet und Folgendes angeordnet: „[…] Alle aus dem Königreich der Niederlande nach Preußen zurückkehrenden Flößer haben sich während der nächsten sechs Tage seit dem Verlassen des Königreiches der Niederlande an jedem Orte, an welchem sie anlagen, spätestens 12 Stunden nach der Ankunft bei der Ortspolizeibehörde unter Angabe ihrer Unterkunft zu melden. […]“283

 

Im Dezember 1892 schien der Spuk vorbei zu sein: Der „Reichskommissar für die Gesundheitspflege im Stromgebiete des Rheines“ hob die zur gesundheitspolizeilichen Überwachung des Schiffsverkehrs eingerichteten Kontrollstationen wieder auf. Die Seuche hatte sich zurückgezogen.284 Die letzten Cholerakranken im Regierungsbezirk waren bereits Ende Oktober gemeldet worden. Die Statistik vom 30. Oktober gibt zwölf neu Erkrankte an, wobei der Schwerpunkt in Plaidt und Miesenheim lag. Tote waren nicht mehr zu beklagen.285 Gut eine Woche zuvor hatte die Situation noch anders ausgesehen. Eine Aufstellung vom 22. Oktober zeigt, dass in Plaidt zwei, in Miesenheim sogar sechs Personen gestorben waren. Dazu kamen zwei Tote in der Umgebung von Mayen.286

 

Trotz der im Vergleich zu früheren Cholerajahren sehr geringen Zahlen blieben die Behörden misstrauisch – mit gutem Grund. Zwar schien die Zeit der großen Choleraepidemien nun vorbei zu sein, doch mahnte eine Reihe von Einzelfällen auch in den folgenden Monaten zur Vorsicht. So gab es im September 1893 in einer Solinger Papiermühle einen Todesfall an „asiatischer Cholera“. Darüber hinaus waren gleich mehrere Mitarbeiter erkrankt. „Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Entstehungsursache der Seuche in der Beschäftigung der zuerst erkrankten Personen mit dem Zerzupfen von Tauabfällen zu suchen ist, welche behufs Vorbereitung zu Papier im Anfange vorigen Monats aus Antwerpen bezogen und vermuthlich dort inficirt worden sind“287, heißt es in einem Brief der Düsseldorfer Bezirksregierung an die Amtskollegen in Koblenz. Der Fall offenbart einmal mehr, dass der immer stärker werdende Handel unter den europäischen Nationen die alten „Patentrezepte“ der Seuchenbekämpfung immer mehr ad absurdum führte.

 

Im Spätsommer 1893 stand längst fest, dass das Solinger Beispiel nur eines von vielen war. Beim Koblenzer Oberpräsidium blickte man sorgenvoll in die Niederlande, wo Mitte September zahlreiche Cholerafälle mit mehreren Toten gemeldet worden waren. Nicht umsonst stand man in engem Kontakt mit dem deutschen Konsulat in Amsterdam, das nach Möglichkeit aktuelle Daten liefern sollte. „Fast alle Fälle stehen entweder mit der Schifffahrt in direktem Zusammenhang oder werden auf das Wasser zurückgeführt. […] Vor Wasserverbrauch aus den Flüssen und Kanälen wird überall gewarnt. Die Badeanstalten werden im Allgemeinen geschlossen“, heißt es in einem Aktenvermerk der Bezirksregierung.288 Der Weißenthurmer Bürgermeister A. Wunderlich, der die schlechten Lebensbedingungen der zahlreichen Arbeiter in seiner Stadt bestens kannte, warnte: „Die Cholera ist nicht ausgewintert, sie spukt aller Orts und kommt uns näher. Pflicht eines jeden verständigen Mannes ist aufpassen, aufpassen auf sich, seine Familie und Andere, hinsichtlich Essen, Trinken und Reinlichkeit. Gewöhnt Euch daran, seid ehrlich gegen Euch, Eure Familien und die Gemeinde, geringe Fehler bei diesen großen Wetterschwankungen können unabsehbares Elend uns bereiten. […]“289

 

Doch das befürchtete Elend traf wider Erwarten nicht ein. Im Regierungsbezirk Koblenz brach die Cholera nur sporadisch aus. Es blieb bei den beiden Todesfällen in Heddesdorf (heute Neuwied) und in Waldorf im Kreis Ahrweiler, die bereits Ende Februar gemeldet worden waren.290 Etwas anders sah es beim Blick auf die gesamte Rheinprovinz aus: In der bakteriologischen Untersuchungsstation in Bonn wurden schließlich insgesamt 45 Cholerafälle sowie 50 „gewöhnliche Brechdurchfälle“ und einfache Durchfälle festgestellt. Darüber hinaus gab es 75 Verwandte und „Hausgenossen“, die zwar choleraverdächtig waren, schließlich aber doch als gesund befunden wurden. Ein Schwerpunkt lag vor allem am Niederrhein und dort auf der Strecke von Duisburg bis Ruhrort. Aus dem Raum Neuwied wurde ein weiterer Fall gemeldet: Es war der Heizer Hendrik Westerfeld, der auf dem Schlepperdampfer „Confiance“ seinen Dienst versah und am 27. August erkrankt war. Das Schiff verkehrte regelmäßig zwischen Ruhrort und Mannheim. Es hatte Ruhrort am 27. August verlassen. Nur einen Tag später waren neben dem Heizer auch „Capitain“ Bosmann, dessen Frau und das Dienstmädchen erkrankt.

 

„[…] Die von mir vorgenommene Besichtigung des Dampfers war in mehrfacher Beziehung lehrreich. Aus den Angaben des Capitains war zu entnehmen, dass alle Schiffer zum Trinken das Rheinwasser dem an der Anlegestelle gelieferten Trinkwasser vorziehen, weil dieses während der Fahrt bald absteht und unschmackhaft wird. Nur ein Theil der Schiffer filtrirt das Wasser, aber die Filter sind ganz unbrauchbar, da sie nur den gröbsten Schmutz zurückhalten und alle Krankheitskeime durchlassen. Die Aborte sind so angelegt, dass alle Abgänge sofort in den Strom gelangen. Fährt also ein cholerakranker Schiffer stromaufwärts, so verseucht der den Strom bis zu dem Punkte, wohin er eben gelangt ist. In diesem Falle hatte also der Schleppdampfer Confiance den Rhein am 25. August bis Neuwied hinauf verseucht […]“, heißt es im Bericht von Dr. Dönitz, der die Bonner Untersuchungsanstalt in der Gewissheit leitete, dass es sich dabei um keinen Einzelfall handelte. Im Gegenteil: Nur wenige Tage später wurde ein weiterer Fall vom Schiff „Stinnes VI“ gemeldet, das am 4. September Ruhrort verlassen hatte und bis St. Goar kam. Schon bei Osterspai war die Frau des Kapitäns Pitz an Cholera erkrankt.291 In Koblenz, das stets als Übergabestation für die auf den Flüssen an Cholera erkrankten Menschen galt, legte das betroffene Schiff nicht an. Auch wenn es im konkreten Fall nicht nachweisbar ist, ob das „Choleraschiff“ in Koblenz weggeschickt wurde, lässt folgende Aussage aus der Bonner Untersuchungsanstalt tief blicken: „[…] Die Gefahr der Verschleppung der Krankheitskeime wird sich leicht noch mehr einschränken lassen, wenn man nicht, wie es bei Neuwied und St. Goar der Fall war, Schiffe mit Cholerakranken abschiebt und die Unterbringung der Kranken einem anderen Orte aufbürdet. Durch ein solches Verfahren wird der Fluß immer wieder von neuem verseucht. […]“ Dönitz schlug vor, bei konkretem Verdacht die Besatzungen betroffener Schiffe an Land zu isolieren.292

 

Die Empfehlung aus Bonn dürfte die Behörden einmal mehr ermutigt haben, ihre traditionellen Quarantänekonzepte weiterzuführen. Daran änderte sich auch Anfang 1894 nichts, als die Cholera in Belgien „viel stärker“ auftrat als in den Jahren zuvor. „Auch sollen die Belgischen Behörden zur Bekämpfung der Seuche wenig thun“293, warnte das Oberpräsidium der Rheinprovinz. In einem weiteren Brief an die Koblenzer Bezirksregierung hieß es: „[…] Die Ausführungen des Berichtes weisen erneut auf die Nothwendigkeit hin, im Falle eines Wiederausbruches der Cholera die in dem Ministerialerlasse vom 8. August v. J. vorgesehenen Maßregeln auf das Sorgfältigste und Strengste durchzuführen und namentlich dafür zu sorgen, daß neue Cholerafälle möglichst frühzeitig festgestellt werden und daß die Seuchengefahr durch Isolirung der Kranken und verdächtigen Personen und durch Beseitigung der Ansteckungsstoffe thunlichst im Keim erstickt würde. In einer größeren Zahl von choleraverdächtigen Fälle scheint nach den Ausführungen des Berichtes die bacteriologische Untersuchung nicht veranlaßt zu sein, obwohl dies den Umständen nach hätte geschehen sol-len. […]“294 Der Brief schloss mit einer Warnung, Menschen, die an der Cholera genesen, nicht frühzeitig zu entlassen und erst bakteriologische Abschlussuntersuchungen abzuwarten.

 

 

5.3.1 Die ungeliebte Kastorgasse

 

Trotz baulicher Verbesserungen und der Ersetzung von Ziehbrunnen durch mechanische Pumpen und die ersten Hauswasserleitungen war in Koblenz die Seuchengefahr noch lange nicht gebannt. Das galt besonders für das Kastorviertel. Dort waren 1881 mehrere Menschen an Typhus gestorben. In Flussnähe lebten in erster Linie Schiffer und einfache Handwerker mit ihren Familien. Dazu gab es einfache Unterkünfte für Durchreisende und sogenannte „Bettgemeinschaften“. Alles in allem dominierten im Kastorviertel kleine, dunkle und feuchte Unterkünfte.295 Dazu kam, dass eine moderne Kanalisation erst 1892 angelegt wurde und der gesamte Bereich somit lange von Provisorien geprägt war. Aus diesen Gründen wurde das Viertel seitens der Behörden immer wieder als Seuchenherd angesehen. Dass dieser Verdacht nicht unbegründet war, zeigen schon allein die Zahlen. 1882 lebten demnach in den 148 Häusern der Kastorgasse 3.120 Menschen, also rund 21 Bewohner pro Haus. Bei dieser Berechnung muss man jedoch berücksichtigen, dass zu jener Zeit – aus welchen Gründen auch immer – viele Wohnungen leer standen. Eine volle Auslastung der Kapazitäten hätte die Gesamtzahl der Personen auf 4.000 (etwa 27 Bewohner pro Haus) erhöht!296

 

Besonders machten aber das Hochwasser und lange auch das Fehlen einer funktionierenden modernen Kanalisation den Einwohnern des im Volksmund „Seestadt“ genannten Viertels zu schaffen. Schon in seiner Ausgabe vom 8. September 1837 beschreibt der „Coblenzer Anzeiger“ die Situation so: „[…] Die eng gebaute und sehr bevölkerte Castorstraße hat nur zwei Ausgänge nach der Mosel, den einen an der Schwanen-, den anderen an der Kornpforte. Es ist dieses um so trauriger, als bei dem häufigen Eindringen des Wassers in diesem tief gelegenen Stadtteil, für die meistens nicht aus der reichen Klasse bewohnte Straße, die größten Strömungen und Unannehmlichkeiten entstehen, weil ferner bei Brandunfällen, Eisgängen [...] das Fehlen einer weiteren Verbindung mit der Mosel, das Unglück nur vermehren kann. Es gibt zwar einige Durchgänge von der Castorstraße durch Privatwohnungen nach der Mosel. In denen hängt die Benutzung derselben einzig und allein von dem guten Willen der Hauseigenthümer ab. Die Bewohner der Castorstraße sind zum größten Theil, ihrem Gewerbe und ihres Verdienstes wegen, an den Moselverkehr gewiesen, da die Bevölkerung zumeist aus Schiffern, Steuerleuten, Wirthen, Händlern und solchen Gewerben besteht, die mit dem Wasser in fortwährendem Verkehr stehen. [...]“297

 

Die Schilderungen über die unangenehme Hochwassersituation reichen sogar bis in das Mittelalter zurück. So berichtet die „Limburger Chronik“ über eine Überflutung von 1396, die besonders das Franziskanerkloster betraf.298 Aus dem Jahr 1784 ist sogar der höchste je in Koblenz gemessene Pegelstand von 10,20 Metern überliefert. Ein rekordverdächtiger Wert von 9,20 Metern war 1882 gemessen worden.299 Das Schlimmste: Die Fluten kamen schnell. „[...] Am Weihnachtsfest 1919 wurde die Koblenzer Bevölkerung von einem Hochwasser überrascht, wie es seit dem Jahr 1882 nicht mehr stattgefunden hatte. Über Nacht stiegen die Fluten derart an, dass unter anderem der gesamte Fahrzeugpark der amerikanischen Besatzungstruppen am Lützeler Ufer zwischen Eisenbahn- und Balduinbrücke unterging. Hunderte von Fahrzeugen standen bereits unter Wasser, bevor an deren Rettung überhaupt gedacht werden konnte. Der Rhein erreichte am 16. Januar 1920 einen Pegelstand von 9,23 Metern und war somit noch drei Zentimeter höher als beim Hochwasser am 28. November 1882 [...]“, schreibt die Koblenzer Chronistin Gertrud Schüller.300 Wie die zahlreichen Aufnahmen aus dem Fotobestand des Stadtarchivs Koblenz belegen, zählte das Kastorviertel stets zu den Bereichen in Koblenz, die am härtesten betroffen waren. Und: In Hochwasserwochen war es besonders schwer, den Betrieb im Bürgerhospital reibungslos ablaufen zu lassen. Die Situation veranlasste Kommune und Medizinalbehörde mehrmals zu detaillierten Untersuchungen in der Problemzone. Bezeichnend ist der Bericht des Kreisbauinspektors Peters, der im Juni 1882 entstand und in dem es heißt:  „[...] für die 3120 Seelen [ergibt sich] ein Raum von 27,3 cbm pro Kopf; ein anscheinend nicht ungünstiges Resultat, wenn man berücksichtigt, dass in Gefängnissen eine Einzelzelle zur kontinuierlichen Benutzung 25 cbm enthalten muss. Bei normaler Beleuchtung der Räume, gehöriger Ventilation derselben, genügender Zimmerhöhe, überhaupt bei geordneten Verhältnissen in Bezug auf Reinlichkeit, gesunde Luft, Ventilation [...] würde gegen das Ergebnis Nichts zu erinnern sein, indes liegen die Verhältnisse in Wirklichkeit ungünstiger. Was zunächst die Zuführung des Lichtes anbetrifft, so sind erstens die Fensteröffnungen klein, etwa durchschnittlich 1,0 m breit, 1,3 m hoch, sodann ist in Folge der verhältnismäßig großen Tiefe der Gebäude eine Beleuchtung der in der Mitte der Gebäude befindlichen Räume äußerst dürftig, zum Theil gar nicht vorhanden, außerdem ist die Geschosshöhe sehr gering und einzelne Räume als Schlafraum zu sehr in Anspruch genommen [sind]. In dem Hause No. 1 dient die Stube [...] als Schlafraum für 4 Personen, bei einer Zimmerhöhe von nur 1,7 m. Der Abtritt, welcher seinen Abzug nach der Mosel hin hat, befindet sich im dritten Geschoss und dient allen Hausbewohnern zur gemeinschaftlichen Benutzung. Die Zugänge, Treppen etc. sind eng, dunkel und baufällig. Das Haus No. 3, anscheinend [eine] Herberge, enthält einen Raum No. 6 [...], der zur Zeit der Aufnahme 8 Personen als Schlafraum diente, die Schlafstuben No. 12 und 16, welche ohne jegliche Beleuchtung angelegt sind, haben eine Höhe von 2,9 m, woselbst 3 Betten Platz finden müssen. Die Abortanlage ist mangelhaft, überall [war] förmlich verpestete Luft und machte sich das Aufsteigen der Miasmen in den Gängen sehr bemerkbar.

 

Im Hause No. 13 sind die Räume 5, 6, 10 und 16 ohne jede Beleuchtung und werden als Schlafraum, zur Tageszeit aber als Koch- und Waschraum benutzt. Im engen hohen Lichthofe, woselbst sich auch die Abtrittsanlage befindet, ist eine Luftcirculation unmöglich, ein Zutritt reiner Luft in die angrenzenden Räume kann nicht stattfinden, sondern die langsam, mit Fäulnisstoffen getränkten, aufsteigenden Dünste ziehen sich in die Räume hinein und bringen eine stete Verunreinigung der Luft im ganzen Haus hervor. [...] Kurz zusammengefasst geht aus der Untersuchung der Wohnverhältnisse hervor: Baufälligkeit der Gebäude und einzelner Construktionstheile derselben [...], Fäulnismassen, namentlich in den Häfen, Unsauberkeit und Schmutz in den Räumen, überfüllte Wohnung[en], Mangel an Licht, gänzlicher Mangel an Ventilation, primitive Abortanlagen und überall verdorbene Luft; vor allen Dingen [müssen] Licht, Luft und Ventilation sowie reguläre Abortanlagen geschaffen werden. [...]“301 Die schlechten räumlichen Bedingungen waren vor allem auf die völlig veralteten, teilweise noch in mittelalterlicher Tradition stehenden Hausgrundrisse auf den schmalen „Handtuchparzellen“ zurückzuführen. Außerdem bereiteten auch die unzureichenden Ver- und Entsorgungseinrichtungen in der wohl am dichtesten besiedelten Straße der Innenstadt die meisten Sorgen.

 

Der Bericht des Kreisbauinspektors Peters beschreibt die Situation im Bereich der Kastor- und Moselstraße wie folgt: […] „Am Kornpfortthor ist ein großer Hauptkanal, der von verschiedenen Zweigkanälen der Kornpfort- und Castorstraße das Tage- und Spülwasser aufnimmt und dicht an den Häusern der Moselstraße vorbeiführt. [...] Unter den 44 Gebäuden in der Moselstraße haben 24 derselben keine Kothgruben und wird die Auswurfsmasse [...] in die Mosel geleitet. Diese Kanäle münden durch die Festungsmauer in sehr verschiedenen Höhenlagen in die Mosel, so dass die Sohle des am tiefsten austretenden Kanals noch über + 3 m am Coblenzer Pegel liegt; die Moselstraße selbst liegt im Durchschnitt auf + 7,5 m Coblenzer Pegel, also noch nicht hochwasserfrei. Diese ungünstigen Höhenverhältnisse bringen den Übelstand mit sich, das bei niedrigen Wasserständen, welche noch dazu in der heißen Jahreszeit stattfinden, die Fäcalstoffe einestheils größere Strecken auf trockenem Ufer fortfließen oder liegen bleiben, andererseits aber die offenen Fäulnisstoffe die Moselstraße verpesten und die Luft in sämmtliche Häuser, in Folge der Luftströmung, welche durch die Kanäle in Verbindung mit den Abortöffnungen nothwendigerweise entstehen muss, eindringen lassen; außerdem stagnirt der Inhalt oft lange Zeit, und Boden und Luft werden durch ihn verunreinigt. In Betreff des Kanals zwischen den Häusern No. 29 und No. 31 ist noch besonders hervorzuheben, das derselbe als Fortsetzung einer offenen Rinne [dient]. [Es] erwies sich bei der örtlichen Besichtigung Folgendes: Die offene, in der 23 m langen, 3,0 m breiten Sackgasse  (Lillgässchen) befindliche Rinne [nimmt] außer der Straßenmasse die Abflüsse von 24 Häusern der Castorstraße und 9 Häusern des so genannten Maisegässchens auf. Diese Rinne ist in ihren Wandungen undicht und hat ihren Auslauf in den obengenannten Kanal, über dem sich die Parterre-Räume der nach der Mosel zu gelegenen Häuser befinden. Es fand sich in der Rinne nicht allein stagnirender Schmutz, Excremente, Blutwasser, thierische Abfälle [...], sondern es war auch das Gässchen in seiner ganzen Ausdehnung mit diesem Schmutzwasser überdeckt, so dass die übel riechenden Ausdünstungen sich sogleich beim Eintritt in die Gasse bemerkbar machten: in gleicher Weise fand sich im genannten Kanal unter dem Bogen ein Haufen Unrath aller Art und die Ausdünstungen verbreiteten einen pestilenzialischen Geruch, ein kleiner Beweis für die mangelhafte und den allgemein anerkannten Forderungen in Bezug auf Bau und Spülung nicht im Entferntesten entsprechende Kanalanlage. In den angrenzenden Häusern werden Schlächtereien betrieben, die in der Gasse sich vorfindenden Fäulnisstoffe, Schmutz und Blutwasser rührten anscheinend aus den Spülsteinen der Schlächtereien her und erwies sich der unter dem Bogen befindliche Unrath theilweise als Abfall aus den Schlächtereien. Cysternen zur Aufnahme der festen Abfälle fanden sich nicht und schien das Mauerwerk der angrenzenden Gebäude mit Fäulnisstoffen imprägnirt. [...]“302

 

Nicht nur die sanitären Verhältnisse in der Kastorgasse standen im Brennpunkt der Kritik, denn den Zeitgenossen war jetzt endgültig klar, dass verunreinigtes Wasser einen Seuchenherd ersten Ranges darstellte. Dabei sah es auf den ersten Blick mit der Trinkwasserversorgung in Koblenz gar nicht so schlecht aus. 1865 existierten in der Stadt 34 öffentliche und 514 Privatbrunnen. Darüber hinaus gab es die Metternicher Wasserleitung, von der noch einmal drei Brunnen gespeist wurden. Doch in Wirklichkeit war es mit der Qualität des Wassers nicht zum Besten bestellt. Darauf wies Jakob Franz Hubert Freiherr Raitz von Frentz in seiner Rede bei der Koblenzer Generalversammlung des Zweigvereins für öffentliche Gesundheitspflege im Mai 1870 hin. In seiner Eigenschaft als Landrat war Frentz gleichzeitig auch Koblenzer Baudirektor und damit auch für die Zustände in den örtlichen Häusern und Straßen zuständig. Über die Details seiner eindrucksvollen Rede wird an anderer Stelle noch zu sprechen sein.303 An dieser Stelle sei nur erwähnt, dass der Landrat bestens über die kontroverse Diskussion informiert war, die die Ursachen der Cholera betraf. Obwohl viele Details damals noch nicht geklärt waren, ging der Landrat davon aus, dass die Qualität des Grundwassers – das bekanntlich die Koblenzer Brunnen speiste – entscheidend für die Gesundheit der Bevölkerung war.

 

 

5.3.2 Nachholbedarf in der Region

 

Der relativ glimpfliche Verlauf der späten Choleraepidemien in Koblenz und anderen preußischen Städten sollte nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass in der unmittelbaren Umgebung der Stadt die hygienischen Verhältnisse immer noch stark zu wünschen übrig ließen. Das zeigte sich noch 1904 bei Kontrollen in der Nachbarstadt Weißenthurm. Damals hatte sich eine unter Leitung des Koblenzer Kreisarztes stehende Kommission vor allem die dortigen Arbeiterwohnungen vorgenommen. Weißenthurm war unter anderem ein Schwerpunkt der heimischen Baustoffindustrie. Ergebnis: Fast alle Wohnungen und Unterkünfte waren überfüllt und unsauber. Ein besonders dramatisches Beispiel lieferte eine Arbeiterfamilie, die mit insgesamt neun Personen in nur zwei Räumen hauste. Das jüngste Kind war zum Zeitpunkt der Visitation bereits zwei Tage tot, lag aber immer noch im gemeinsamen Schlafzimmer. Da es nach Auskunft des Kreisarztes noch weitere Wohnungen gab, in denen die Zustände sogar noch schlimmer waren, hatte sein Bericht Folgen. Regierungspräsident August Freiherr von Hövel reagierte sofort. Die Konsequenz: Ein Teil der Wohnungen wurde wegen Überfüllung oder mangelnder Eignung sofort geschlossen. Außerdem wurde eine neue Polizeiverordnung erlassen, die das Kost- und Quartiergängerwesen regelte und die Einrichtung einer Leichenhalle in die Wege leitete.304

 

Seuchengefahr drohte – wie bereits erwähnt – auch auf den Flüssen, weil die Besatzungen ihr Trinkwasser immer noch dem Rhein entnahmen. Das Argument: Dieses Wasser war frischer und schmeckte besser als das in den mitgeführten Behältern. Und so beschäftigte sich die Bezirksregierung im Cholerajahr 1894 mit der Trinkwasserversorgung auf den Rheinschiffen. Die Landräte von Ahrweiler, Mayen, Neuwied, Koblenz und St. Goar waren aufgefordert, Berichte über die Versorgungsanlagen im Bereich der Anlegestellen abzugeben, was sie auch taten. Ihre zwischen Juni und August eingegangenen Berichte ergaben ein trauriges Bild: Nur die wenigsten Landeplätze hatten einen direkten Zugang zu den neuen Trinkwassersystemen.305 Obwohl das Problem erkannt war, geschah vielerorts nichts. Die Gemeinden scheuten die Ausgaben und hofften auf staatliche Hilfen – vergebens. Entsprechende Vorstöße der Bezirksregierung beim zuständigen Ministerium in Berlin blieben ohne Erfolg. Dabei waren „[…] ungefähr die Hälfte aller Fälle […] auf den Genuß von Rheinwasser zurückzuführen oder aus den Niederlanden eingeschleppt worden, wo sie wohl auch durch den Genuß verseuchten Wassers entstanden sein werden. Die befragten Schiffer gaben zu, daß sie am liebsten Rheinwasser trinken, weil dieses immer frischer ist als das von den Anlegestellen aus mitgenommene Trinkwasser, welches bald absteht und unschmackhaft ist. Das aus dem Rhein geschöpfte Wasser wird allerdings auf vielen Schiffen filtrirt, doch sind die Filter, wie man sich leicht überzeugen kann, gänzlich unbrauchbar […]“, berichtete    Dr. Dönitz, Leiter der Bonner Untersuchungsstation. Er riet davon ab, bessere Filter einzubauen und empfahl, „[…] auf den Schiffen Kühlapparate aufzustellen, welche das mitgenommene gute Trinkwasser in einem solchen Zustande erhalten, dass die Leute es lieber trinken als frisch geschöpftes Rheinwasser. […]“ Er gab sich aber keinen Illusionen hin, dass die Heizer der Schleppdampfer und die Maschinisten der Bagger das ihnen leicht zugängliche Flusswasser nicht weiter tranken.306

 

Dass die Behörden das Geschehen auf den Flüssen weiterhin sorgfältig beobachteten, hatte gute Gründe. Auch wenn die deutschen Staaten nach 1894 so gut wie cholerafrei waren, blieb die Binnenschifffahrt weiterhin eine mögliche Gefahr – vor allem wenn es Kontakte jenseits der preußischen Ostgrenze gab. Als noch gefährlicher wurde die Flößerei betrachtet, die Anfang des 20. Jahrhunderts noch weit verbreitet war. Als 1905 in Osteuropa erneut die Cholera ausbrach, warnte das Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten die Bezirksregierungen. In dem Rundschreiben vom       3. Oktober, in dem ausdrücklich auf die Anweisung des Bundesrates zur Bekämpfung der Cholera vom 28. Januar 1904 hingewiesen wurde, war unter anderem Folgendes zu lesen: „[…] Gerade der Floßverkehr hat sich aber sowohl in der Choleraepidemie von 1892 bis 94 als auch gelegentlich der diesjährigen Choleraeinschleppungen aus Rußland als ganz besonders verhängnisvoll erwiesen. Einerseits gehören die Flößer teilweise den ungebildetsten und mit den Errungenschaften der Hygiene am wenigsten vertrauten Bevölkerungskreisen an, andererseits geben die Flöße eine besonders gute Brutstätte für Krankheitskeime ab. Zwischen den Stämmen, welche die Flöße bilden, entstehen nämlich während der meist monatelangen Fahrt ansehnliche Schichten von Schlick; auch bilden sich zwischen ihnen stagnirende Wasserlaachen, stellenweise kommt es sogar zu einem ausgedehnten Pflanzenwuchs. Mehrere Fälle sind vorgekommen, in denen Flößer, welche auf dem deutschen Teile der Weichsel aus Russland ankommende Flösse übernommen und weitergeführt hatten, unterwegs an Cholera erkrankt sind. Dass diese Personen die Krankheitskeime mit dem Wasser des Stromes aufgenommen haben, ist nicht sehr wahrscheinlich. Dagegen scheint die Annahme begründet, daß sie sich entweder in den den Flößern als Schlafstätten dienenden Strohhütten oder durch Berührung mit dem Floße selbst und den auf ihnen vorhandenen Krankheitskeimen angesteckt haben. […]“307

 

Da das Schreiben auch an die Landräte und Kreisärzte im Regierungsbezirk weitergeleitet wurde, folgten Empfehlungen des Ministeriums zur Desinfektion der Flöße mit Karbolsäure und Zusätzen wie Leinöl oder Petroleum. Wer das Programm bezahlen sollte, schrieb das Ministerium nicht. In Berlin vertrat man weiter den Standpunkt, dass dies nicht Sache des Staates war. Entsprechend kühl war die Antwort des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten auf einen Vorstoß von August Freiherr von Hövel.

 

Der Regierungspräsident hatte noch einmal die Finanzierung der Trinkwasser-Entnahmestellen an Schiffslandeplätzen in Erinnerung gebracht. Im Brief aus Berlin hieß es wörtlich: „[…] Euer Hochwohlgeboren erwidern wir ergebenst, dass es nicht Aufgabe des Staates sein kann, allgemein an den schiffbaren Wasserstraßen aus sanitätspolizeilichen Rücksichten Trinkwasser-Entnahmestellen für die Schiffsbevölkerung herzustellen und zu unterhalten. Die Maßregel wird vielmehr auf die Häfen und größeren Schiffsliegestellen zu beschränken sein und hier werden die Gemeinden, die an dem Schiffsverkehr in erster Linie interessiert sind, zur Herstellung der erforderten Einrichtungen anzuhalten sein. Eine Beteiligung des Staates an den in Rede stehenden Kosten wird nur an solchen Orten in Frage kommen können, bei denen der Hafen Eigentum des Fiskus ist. […]“308

 

 

5.3.3 Die letzte Cholera-Welle

 

Auch wenn die Cholera sich fast vollständig aus dem Regierungsbezirk Koblenz zurückgezogen hatte, blieben die Behörden nervös. So befasste sich die Königliche Regierung noch Ende September mit einem merkwürdigen Fall aus dem Kreis Cochem: Ein Tagelöhner war „bei bestem Wohlbefinden“ an einem Brechdurchfall erkrankt und binnen zehn Stunden gestorben. Beunruhigend war, dass der Mann seinen Heimatkreis nie verlassen hatte und eine Ansteckung im Ausland ausgeschlossen werden musste. Am Ende schloss der zuständige Kreisphysikus die Cholera jedoch definitiv aus.309 Fortan genügte es, die Cholerameldungen aus anderen Staaten zur Kenntnis zu nehmen. Anordnungen für den Ernstfall gab es nicht mehr, wohl aber besorgte Kurzberichte in der Presse. So meldete die „Neuwieder Zeitung“ Ende August 1905 acht Cholerakranke auf russischen Flößen im Weichselgebiet, von denen bereits am 16. August drei gestorben waren. Die Behörden reagierten wie gewohnt: Um die Weiterverbreitung der Krankheit zu verhindern, wurde der Schiffs- und Floßverkehr auf der Weichsel der gesundheitspolizeilichen Überwachung unterstellt. Alle Weichselbäder wurden geschlossen.310 Doch wieder hatte das Kontrollnetz gravierende Lücken. Bereits am 2. September wurden aus den östlichen preußischen Gebieten 17 Todesfälle gemeldet. Dazu kamen weitere 43 Krankheitsfälle.311 Zwei Wochen später war die Zahl der Toten bereits auf 75 gestiegen. Die Zahl der Erkrankungen wurde mit 208 angegeben.312 Am 18. Oktober waren schließlich 281 Fälle mit 90 Toten zu beklagen.313

 

Dass die Seuche sich trotz der neuen medizinischen Erkenntnisse immer noch in Preußen verbreiten konnte, überrascht auf den ersten Blick. Bei genauerer Betrachtung stellt man jedoch fest, dass ein altes Problem immer noch nicht gelöst war: Vielen Medizinern gelang es nicht, eindeutig zu diagnostizieren, wer nun an der Cholera erkrankt war oder nicht. Fast resignierend räumte der Geheime Obermedizinalrat Prof. Kirchner aus Berlin ein, dass es schwerer als gedacht sei, die Cholera zu erkennen. Er betonte, dass es zahlreiche ähnliche Phänomene gebe. Kirchner nannte ein weiteres Kardinalproblem: Das Einschleppen der Seuche durch leicht Erkrankte. Die Ausführungen liefern auch heute noch die Gründe, warum die meisten Kontroll- und Quarantänemaßnahmen zum Scheitern verurteilt sind.314

 

Auch die regionalen Beobachtungen aus dem Jahr 1905 spiegeln zum einen die Nachlässigkeiten, zum anderen den Übereifer jener Jahre wider. Für Letzteren spricht  eine Meldung des Arztes Dr. Hahn in Treis vom   20. Oktober. Damals stand die Witwe Bertgen, die die gegenüber der Moselgemeinde Müden gelegene Gastwirtschaft „Zum Lützbachtal“ führte, unter Choleraverdacht. Es stellte sich schließlich heraus, dass dieser Verdacht in keiner Weise begründet war.315 Dennoch wurde die tödliche Infektionskrankheit bei den zuständigen Behörden nicht zu den Akten gelegt. Im Gegenteil: Die beunruhigenden Meldungen, die vor allem aus Russland kamen, wurden im Oberpräsidium und in der Bezirksregierung sorgfältig registriert. Und genau deshalb ist es heute möglich, mithilfe der Koblenzer Akten durchaus ein sehr europäisches Bild zu zeichnen. So informierte das Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten im August 1907 die mittlere Verwaltungsebene über den erneuten Ausbruch von Cholera in Russland. Damals war sogar von einer neuen Pestepidemie die Rede. Entsprechende Meldungen aus dem russischen Samara wurden jedoch nicht bestätigt.

 

Obwohl die Gefahr noch fern war, dachte man erneut über die Einrichtung von Stromüberwachungsstellen nach.316 Da spätestens Anfang September der Ausbruch der Seuche in Moskau bakteriologisch nachgewiesen war, bereitete die Verwaltung auch in den Rheinlanden konkrete Maßnahmen vor. Klare Vorschriften sollten aber erst gut ein Jahr später folgen. Zu diesem Zeitpunkt stand fest, dass der Ausbruch der Cholera in Russland doch wesentlich schlimmer war als ursprünglich angenommen. Anfang Oktober 1908 veröffentlichte Regierungspräsident August Freiherr von Hövel eine neue Polizeiverordnung: Demnach mussten sich die aus den choleraverseuchten Gegenden Russlands kommenden Reisenden bei den jeweiligen Ortspolizeibehörden melden – sofern zwischen Abreise und Ankunft weniger als sechs Tage vergangen waren.317 Die Vorsichtsmaßnahmen der Behörden waren durchaus berechtigt. Spätestens Anfang 1909 stand fest, wie dramatisch die Folgen der Cholera für das Zarenreich waren. So meldete das Ministerium der geistlichen-, Medizinal- und Unterrichtsangelegenheiten, dass 30.157 Menschen erkrankt waren. 14.253 Personen waren gestorben. Allein St. Petersburg meldete zu diesem Zeitpunkt 8763 Cholerafälle und 3553 Tote.318

 

Ende Juli wurden in Russland 32.056 Cholerafälle mit insgesamt 14.878 Toten gezählt. In St. Petersburg waren mittlerweile 4050 Opfer zu beklagen.319 Über den Seeweg kam die Seuche schließlich nach Westeuropa. Im Spätsommer wurden aus Rotterdam acht Choleratote gemeldet. Ein Grund mehr, dass in der Hafenstadt alle Schiffe erst nach ärztlicher Untersuchung freigegeben werden durften.320 Die Entwicklungen in Russland sollten die Verantwortlichen auch noch im Folgejahr stark beanspruchen. Erst Ende 1910 war dort die Epidemie besiegt.

 

 

5.4 Der Streit der Wissenschaftler

 

Wie es zur Ansteckung mit der Cholera und anderen Seuchen kommen konnte, wusste man lange Zeit nicht. Man ahnte, dass verschmutztes Trinkwasser eine Hauptursache für den Ausbruch der Epidemie war. Ein Schlüssel zur Prävention war die Neuordnung der Ver- und Entsorgung in den Städten. Eine Vorreiterrolle auf dem Kontinent übernahm Frankreich. Im Nachbarland hatte man nicht nur früh die Zusammenhänge erkannt, sondern auch konkrete Programme auf den Weg gebracht, wobei bereits 1830 Beauftragte nach London geschickt worden waren. Dort war bereits ein Drittel der Häuser an die öffentliche Wasserleitung und an die Kanalisation angeschlossen.321 Nach der Katastrophe von 1832 bewilligte das französische Parlament 100 Millionen Francs für öffentliche Baumaßnahmen. Dabei ging es allerdings nicht nur um die Neuordnung von Ver- und Entsorgung, sondern auch um den Bau von Schifffahrtskanälen.322 Die folgenden Jahrzehnte sollten jedoch zeigen, dass auch in Frankreich die Zeit der Epidemien noch lange nicht vorbei war. Aber dennoch: Die Verbesserung der sanitären Verhältnisse trug maßgeblich zur Senkung der Sterblichkeitsrate bei. Und das nicht nur in Paris, sondern in ganz Europa. Reinhard Spree geht davon aus, dass die hygienischen Maßnahmen der damaligen Zeit zu einem Anteil von einem Fünftel am Rückgang der Sterblichkeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts führten.323

 

Im zersplitterten Deutschland war man von derartigen Initiativen nach Vorbild des Pariser Zentralismus noch weit entfernt. Zu unterschiedlich waren die Voraussetzungen in Staaten, Provinzen und Kommunen. Doch auch im Deutschen Bund kristallisierte sich heraus, dass man mit den bisherigen medizinisch-philosophischen Ansätzen nicht sehr weit kam. Die Zeit derjenigen war gekommen, die mit naturwissenschaftlichen Methoden die gesundheitlichen Probleme der Zeit lösen wollten und sich gegen den „romantischen Geist“ in der Medizin stellten. Der einflussreichste Vertreter dieser neuen Generation von Medizinern war der hoch angesehene Rudolf Virchow, ein Schüler des in Koblenz geborenen berühmten Physiologen und Anatomen Johannes Müller (1801–1858), der zuerst in Bonn, später in Berlin lehrte.324 Virchow sah den Schlüssel zu Krankheit und Gesundheit im Zustand der Körperzellen, was er in seinem 1854 publizierten „Handbuch der speziellen Pathologie und Therapie“ detailliert ausführte. Spätestens während seiner Tätigkeit als Mitglied der Typhus-Untersuchungskommission erkannte er aber auch, wie rapide sich die Lebensbedingungen für viele Menschen im Zuge der Industrialisierung verschlechtert hatten. Diese Tatsache machte die von ihm geforderte Pflege der Gesundheit schwierig, wenn nicht unmöglich. Aber gerade diese Gesundheitspflege war für ihn die wichtigste Aufgabe der Medizin, die Virchow dadurch zur „Mutter der Sozialwissenschaften“ erhob. Für ihn selbst blieb es nicht bei der Theorie. Der Mediziner, der 1856 von Würzburg nach Berlin zurückkehrte und das neue pathologische Institut leitete, war ein politischer Mensch. Als Mitbegründer der Deutschen Fortschrittspartei, für die er 1861 ins preußische Abgeordnetenhaus einzog, war er im schwelenden Verfassungsstreit ein Gegner Bismarcks.325

 

Rudolf Virchow, der von 1880 bis 1893 sogar dem Reichstag angehörte, zählte zu den Ersten, die erkannten, dass sich Mediziner und Regierungen gemeinsam für eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen in der frühkapitalistischen Welt einsetzen müssten. Seine Mahnung: „Die Menschen gelten nur noch als Hände! Soll aber das der Sinn der Maschinen in der Kulturgeschichte der Völker sein? Sollen die Triumphe des menschlichen Genius zu weiter nichts dienen, als das Menschengeschlecht elend zu machen?“326, hat angesichts neoliberaler Globalisierungsvisionen ihre Aktualität bis auf den heutigen Tag nicht verloren. Rudolf Virchow ging sogar noch weiter: Für ihn war das religiöse und philosophische Zeitalter überwunden. Er sah die Ärzte sogar in einer Führungsrolle und nahm sie in die Pflicht, Politiker so zu beraten, dass es nicht nur dem Staat, sondern auch dem Individuum gut gehe. Für ihn war es nur konsequent, sich auch für die Stärkung der Rolle der Frau einzusetzen. Dies begann mit der Unterstützung der jüdischen Frauenrechtlerin Lina Morgenstern, die mit der Hilfe des einflussreichen Mediziners in Berlin die ersten Volksküchen gründete und endete mit der Forderung nach einer Öffnung der Universitäten für Frauen.327 Virchow wurde somit die deutsche Stimme einer Reformbewegung, die sich für die Verbesserung des Lebens der Arbeiterklasse einsetzte und ihren Anfang in Frankreich und England genommen hatte. Programmatischen Charakter hatte dabei Edwin Chadwicks 1842 erschienenes Werk „Report on the Sanitary Condition of the Labouring Class“. Schon zwei Jahre zuvor hatte der französische Arzt Louis-René Villermé seine Stimme im „Tableau de l’état physique et moral des ouvriers employés dans les manufactures de coton, de laine et de soie“ erhoben.328 Rudolf Virchow war jedoch nicht der Einzige, der alte Denkweisen in der Medizin infrage stellte. Der berühmte Münchner Hygieniker Max von Pettenkofer (1818–1901) beklagte, dass das Wissen über die Hygiene seit der Antike nicht wesentlich fortgeschritten sei.329 Die allgemeine Ratlosigkeit angesichts des Ausbruchs der ersten Choleraepidemie bestätigt im Nachhinein diese These. Damals war die antik-mittelalterliche Lehre von den schädlichen Miasmen immer noch nicht verklungen – nach wie vor glaubten die meisten Ärzte an die Übertragung der Seuche durch die Luft.330 Dagegen erklärte Max von Pettenkofer, die Infektionskrankheit werde durch verseuchtes Grundwasser verbreitet. Trotz dieser Entdeckung favorisierten viele Mediziner immer noch die Theorie von der Verbreitung der Seuche ausschließlich durch Ansteckung. Die „Bodentheorie“ Pettenkofers setzte sich nicht durch.331 Dies lag vor allem daran, dass Hygiene damals noch nicht als eigene Disziplin, sondern bestenfalls als Nebengebiet der Medizin betrachtet wurde.

 

Pettenkofers 1865 eingerichteter erster deutscher Lehrstuhl für Hygiene an der Münchner Universität wurde mit großer Skepsis beobachtet – obwohl es in Paris eine vergleichbare Professur schon seit 1791 gab. Diese Skepsis spiegeln auch folgende kritische Worte von Theodor Billroth – dem späteren Präsidenten der Wiener Gesellschaft für Gesundheitspflege – von 1875 wider: „[…] Rasch und genussreich, wenn auch ungesund leben und rasch verderben ist besser, als gesund und lange und langweilig zu leben. Ueberbevölkerung und Steigerung der Concurrenz ist am meisten zu fürchten; es schadet nichts, wenn Epidemien und Kriege jährlich tüchtig aufräumen! Das ist der Charakter unserer Zeit. Die Schwärmer für öffentliche Gesundheitspflege kämpfen da einen Kampf, dessen Ziel für mich zu hochliegt, als dass ich es sehen könnte; ich bin da wirklich myopisch! Ich kann den Kampf bewundern, doch mich nicht dafür interessieren. Immerhin muss ich die Berechtigung der Forderung zugeben, dass unter den unabänderlichen socialen Verhältnissen das Erreichbare erstrebt werden soll. […] Wenn die gesamte sociale Medizin durchaus in den Studienplan der Mediciner hinein soll, so darf sie nicht mehr als zwei Stunden im Semester, etwa die beiden letzten Semester hindurch einnehmen, um dem übrigen Studium nicht geradezu gefährlich zu werden. Ein grosses Interesse wird diese Disciplin dem Studenten nie bieten, der alle Hände voll zu thun hat, mit den Krankheiten des Individuums fertig zu werden und für die Praxis des Gemeindewohls ebenso wenig Sinn hat wie für praktische Politik und Diplomatie. […]“332

 

Wenig Verständnis für den Münchner Sonderweg hatte auch Rudolf Virchow, der sich noch am 1. Februar 1884 im Preußischen Abgeordnetenhaus gegen die Einrichtung von besonderen Hygienelehrstühlen ausgesprochen hatte. Für ihn war Hygiene eine angewandte Wissenschaft ohne selbstständige Methoden und Objekte. Er plädierte dafür, dass Hygiene-Wissen in den bereits vorhandenen Instituten zu vermitteln. Rudolf Virchow gelang es nicht, seine Forderungen durchzusetzen. Nur ein Jahr später erhielt Robert Koch (1843–1910) den neuen Berliner Lehrstuhl für Hygiene. Auch an anderen Universitäten im Deutschen Reich, in Österreich und in der Schweiz ging man dazu über, Hygiene-Lehrstühle einzurichten und zu besetzen.333 Trotz der grundsätzlichen Differenzen setzte sich endlich die Erkenntnis durch, dass verunreinigtes Trinkwasser eine Gefahrenquelle ersten Ranges darstellte, auf die auch die Verbreitung der Cholera zurückzuführen war.334 Vielerorts machte man sich daran, Wasserversorgung und Kanalisation neu zu ordnen. Vorbildfunktion hatte hierbei die Realisierung der zentralen Stadtbewässerung und Schwemmkanalisation, die englische Ingenieure bereits in den 1830er-Jahren entwickelt hatten. So wurde in Hamburg nach dem Stadtbrand von 1842 unter Leitung von William Lindley eine neue Kanalisation angelegt. Dieser Ingenieur entwarf auch das Entsorgungssystem in Frankfurt, das 1868 fertiggestellt wurde. Darüber hinaus suchten eine Reihe von deutschen Städten, darunter auch Düsseldorf, Krefeld und Chemnitz, Lindleys Rat. In Berlin plante James Hobrecht ab 1872 ein selbstständiges Kanalsystem, das sich nicht am Londoner Vorbild orientierte. Schlechter sah es in den meisten anderen Gemeinden aus. Dort erfolgte die Verbesserung der sanitären Verhältnisse ohne Anleitung.335 Die meisten Investitionen erfolgten, ohne die Erkenntnisse der Bakteriologie zu berücksichtigen, die damals noch in den Kinderschuhen steckte. Erst die Forschungen Robert Kochs sollten dazu beitragen, dass sich diese Sichtweise änderte. Und so verwundert es nicht, dass Typhusfälle ebenso wie die Cholera noch lange die Tagesordnung bestimmten.

 

Heute wissen wir: Die Cholera wird durch das Bakterium Vibrio cholerae ausgelöst, dessen Toxin (Choleratoxin genannt) zu starkem, reiswasserartigem Durchfall mit großem Flüssigkeitsverlust führt. Der gefährliche Erreger wurde 1854 vom Florentiner Arzt und Anatom Filippo Pacini (1812–1883) erstmals als gekrümmtes, kommaförmiges und hochbewegliches Bakterium beschrieben. Diese bedeutende wissenschaftliche Leistung blieb in Deutschland zunächst unbeachtet. Das änderte sich, als Robert Koch der Cholera auf die Spur kam. Dem berühmten Bakteriologen war es 1883 gelungen, in Ägypten den Erreger aus dem Darm von verstorbenen Patienten in Reinkultur zu züchten.336 Dabei unterstützten ihn der Chemiker Treskow sowie sein Schüler Bernhard Fischer (1852–1915), der später das Bakteriologische Institut der Universität Kiel337 leitete, und Assistent Georg Theodor August Gaffky (1850–1918), der Entdecker des Flecktyphusbakteriums. Kochs Begleiter waren damals Mitarbeiter des Kaiserlichen Gesundheitsamtes.338

 

Mit der Entschlüsselung des gefährlichen Bakteriums allein war es nicht getan. Es fehlten nach wie vor Maßnahmen, die ein Ausbrechen der Seuche hätten dauerhaft verhindern können. Nicht umsonst folgert Olaf Briese: „Die Seuche war enträtselt. Aber wirksame Heilmethoden für Erkrankte oder gar eine zuverlässige Prävention gab es nicht. Wahllos konnte sie nach wie vor diesen oder jenen ergreifen. Man hatte dem unsichtbaren Feind, wie es erleichtert hieß, zwar die Maske vom Gesicht gerissen. Endlich war er namhaft gemacht. Man hatte nicht mehr gegen ein unsichtbares Phantom zu kämpfen. Aber was nützte es, den Attacken des jetzt sichtbaren Angreifers nur hilflos zusehen zu müssen?“339

 

In der Tat war der in Deutschland von Robert Koch eingeleitete Siegeszug der Bakteriologie zunächst einmal eine nationale Angelegenheit und kein Erfolg für die Menschen, die von der Seuche am meisten bedroht waren. Eine möglichst breit angelegte europäische Zusammenarbeit gab es nicht. Nur so ist es zu erklären, dass Filippo Pacinis Beobachtungen lange keine Folgen hatten. Sogar die seit 1870 von Louis Pasteur (1822–1895) entwickelte Mikrobiologie hatte vor allem für die französische Forschung Konsequenzen – obwohl sich der Wissenschaftler durchaus mit deutschen Kollegen austauschte. Trotz dieser Versäumnisse und der Zerstrittenheit der Mediziner sollte nicht übersehen werden, dass Seuchen wie Typhus und Cholera den Zeitgenossen die Augen geöffnet hatten. Das Thema Volksgesundheit wurde aus seinem Nischendasein befreit, wobei die erste breite bürgerliche Hygienebewegung in England entstand. Die Grundlagen hatten die neuen Berechnungen Edwin Chadwicks geschaffen. Der Brite hatte darüber hinaus auf die sozialen Folgekosten hingewiesen, wenn man nicht schleunigst dafür sorgen würde, durch den Bau von Kanalsystemen vor allem in den von den ärmeren Schichten bewohnten Stadtteilen Schmutz und Fäkalien zu beseitigen.340 Auch in Deutschland wurde der Ruf nach einer Reform des Wohnungsbaus und der Verbesserung der Stadthygiene immer lauter. Mit dem tief greifenden sozialen und wirtschaftlichen Strukturwandel erstarkte seit der Mitte des 19. Jahrhunderts auch in den deutschen Staaten eine Hygienebewegung, die zunächst alles andere als homogen war, aber nicht nur auf die private Hygiene, sondern vor allem auf die „öffentliche Volksgesundheitspflege“ großen Einfluss hatte. Es kommt nicht von ungefähr, dass in den 1880er-Jahren im gesamten Reichsgebiet die in vielen Gemeinden rückständige Wasserversorgung neu geordnet wurde und sich fast gleichzeitig auch in kleineren Städten Kanalisationssysteme durchsetzten.341 Voraussetzung hierfür war der Wandel in den Kommunen, die ihre überlasteten Infrastrukturen im Zuge der wachsenden Verstädterung völlig neu ordnen mussten. Auf diese Herausforderung reagierte man mit dem Aufbau einer modernen Leistungsverwaltung, die eine Vielzahl neuer kommunaler Aufgaben übernahm, wobei der Einfluss des Bürgertums gerade in den rheinischen Städten nicht übersehen werden sollte. Friedrich Lengner geht sogar so weit, die Tätigkeit der kommunalen Verwaltung als Teil bürgerlicher Herrschaft zu bezeichnen.342

 

Parallel zu den neuen Leistungsverwaltungen entstanden in den Städten neben den Vermögensverwaltungen auch Versorgungsverwaltungen, die sich um bedürftige Bürger kümmerten, und sogenannte Lenkungsverwaltungen, die zum Beispiel den Kurs in Bereichen wie Stadtplanung und Wirtschaftsförderung bestimmten.343 Wolfgang Krabbe ordnet diese entscheidenden Veränderungen kommunaler Strukturen in einen Industrialisierungs- und Urbanisierungsprozess ein, der bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges weitgehend abgeschlossen war. Er betont: „Mit ihrem Recht auf Allzuständigkeit, was ihren Wirkungskreis betrifft, und mit dem Selbstverwaltungsprinzip besaß die deutsche Stadt des 19. Jahrhunderts ein Instrumentarium, mit dem es ihr gelingen sollte, die Industrielle Revolution mit allen ihren Auswirkungen auf das städtische Leben mehr oder weniger in den Griff zu bekommen.“344 Die Kommunen wurden somit nicht nur zu einer eigenständigen Gewalt innerhalb des Staates, sondern agierten auch als Unternehmer. Legitimiert durch das Argument des öffentlichen Interesses, bauten sie in der Versorgungs- und Verkehrswirtschaft die größten Betriebe auf.345

 

Die neuen Aufgaben erforderten natürlich erheblich größere finanzielle Aufwendungen in den verschiedenen Gemeinden. Es ist immer noch schwer, über die Größenordnung eine verlässliche Aussage zu machen. Jürgen Bolenz unternahm 1965 einen entsprechenden Versuch und schätzte, dass sich der Gesamtaufwand aller preußischen Gemeinden von 63 Millionen Mark im Jahr 1849 bis 1913 auf 2,24 Milliarden Mark erhöhte. Bolenz berechnete auch den gemeindlichen Aufwand und berücksichtigte dabei auch das Bevölkerungswachstum. Es stellte sich heraus, dass die Pro-Kopf-Ausgaben der Gemeinden 1849 noch bei 3,86 Mark lagen. Bis 1913 stieg die Summe auf 55,32 Mark, was einen Anstieg um das 14-Fache bedeutete.346

 

 

5.5 Der Ruf nach mehr Kontrolle

 

Der Mangel an Licht und Luft in den dicht besiedelten Städten347 sowie der bedenkliche Zustand vieler Gewässer zwangen im ausgehenden 19. Jahrhundert zum Umdenken. Man erkannte, dass die ungezügelten Kräfte des Marktes der Natur und damit der Gesundheit der Menschen schadeten. Nicht nur bei den Hygienikern wurde der Ruf nach wirkungsvollen Kontrollmechanismen immer lauter: Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts formierten sich Kräfte, die man heute als Umweltschutzbewegung bezeichnen würde – wobei der Begriff Umweltschutz erst seit 1969 verwendet wird. Besonders bekannt wurde der bereits 1877 gegründete „Internationale Verein gegen Verunreinigung der Flüsse, des Bodens und der Luft“, der mit Forderungen von sich reden machte, die ihrer Zeit weit voraus waren. Dazu gehörte der Wunsch, die Gewässer gänzlich frei von Emissionen zu halten. Natürlich hatte man auch auf Regierungsebene erkannt, dass etwas geschehen musste. Eine Vorreiterstellung übernahm dabei Preußen. Mit der Gründung der im Deutschen Reich bis dahin einmaligen „Königlichen Versuchs- und Prüfanstalt für Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung“ schuf man 1901 eine Institution, die die Kommunen in allen Ver- und Entsorgungsfragen beraten sollte. Die neue Einrichtung in Berlin-Dahlem war dem Gesundheitsressort in der preußischen Regierung zugeordnet. Die neue Anstalt entwickelte zum ersten Mal standardisierte Bewertungsmaßstäbe für die Gewässerqualität und vermittelte mit ihren Gutachten bei Konflikten zwischen privaten und öffentlichen Interessen. Allerdings war die Einrichtung finanziell schlecht ausgestattet und stand in Konkurrenz zu bereits bestehenden Wasserlabors. Darüber hinaus stand sie nicht für einen radikalen Gewässerschutz.348 Im Gegenteil: Bestehende Regelungen, die alle Kommunen ohne Ausnahme zum Bau von Klärvorrichtungen verpflichteten, wurden systematisch aufgeweicht. Das zeigt sich auch am Koblenzer Beispiel. In der Stadt war der Ruf nach einer Neuordnung der Wasserversorgung, vor allem aber nach einer Kanalisation immer lauter geworden.349 Ergebnis: Es wurde zwar ein Grundwasserwerk nach den neuesten Erkenntnissen gebaut, Vorrichtungen zur Reinigung des Abwassers gab es aber nicht, weil die preußische Regierung wieder einmal eine Ausnahmeregelung zugelassen hatte.

 

Die Vorgeschichte der Neuordnung der Koblenzer Wasserver- und -entsorgung reicht bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts zurück, nahm aber erst seit den 1880er-Jahren deutliche Konturen an. So legte der Ingenieur H. Grunder 1882 ein „Vorproject zur Wasserversorgung“ vor. Das Gutachten enthielt Untersuchungen zur geologischen Situation, eine Beurteilung der Trinkwasserqualität und Kostenvoranschläge.350 Zwei Jahre später stellte der europaweit bekannte Essener „Civil-Ingenieur“ Ernst Grahn (der später auch ein Büro in Koblenz hatte) seinen „Erläuterungsbericht zum Projecte für das Wasserwerk“ auf dem Oberwerth fertig. Dort sollte – wie in Teil 3 dieser Studie noch ausführlich dargestellt wird – eine Pumpstation gebaut werden, um das Wasser „aus dem Kiesbette des Rheins“ über Brunnen entnehmen zu können.351 In den Jahren 1885 und 1886 vollendete man das Werk. Das neue Wasserversorgungssystem wurde dann in einer Festschrift zur 27. Hauptversammlung des Vereins Deutscher Ingenieure in Koblenz vorgestellt.352

 

Bald nach der Fertigstellung des neuen Wasserversorgungssystems machte man sich an die Planung einer neuen Kanalisation. Über bereits existierende und künftige Entwässerungsmöglichkeiten legte 1889 der Ingenieur Adolf André aus Krefeld einen Bericht vor (siehe Teil 4).353 1892 begann André im Auftrag der Stadt mit der Realisierung des Projektes. Schrittweise wurden alle Teile von Koblenz in das System eingebunden. Fünf Jahre später war das Kanalsystem für die heutige Innenstadt so gut wie fertiggestellt. In der darauf folgenden Zeit begann man in Koblenz mit der Einbindung der Vorstadt und der neu eingemeindeten Orte.354

 

Im Vergleich zu anderen deutschen Städten erfolgte in Koblenz die Verbesserung der hygienischen Zustände relativ spät. So hatten zum Beispiel Dortmund (1872) und Münster (1880) ihre Wasserwerke früher in Betrieb genommen.355 In München standen die Behörden unter besonderem Druck, denn dort starben jährlich allein bis zu 400 Menschen an Typhus. Deswegen begann man 1872 mit dem Ausbau des Kanal- und Wasserleitungsnetzes. Als Wegbereiter dieser umfassenden Sanierung gilt Max von Pettenkofer. Ergebnis: 1892 ging die Zahl der jährlichen Typhustodesfälle auf 11 zurück.356

 

Auch wenn es in den meisten Kommunen bis zum Zweiten Weltkrieg keine vernünftige Entsorgung der Abwässer gab, sollte nicht ignoriert werden, dass die Sterblichkeit in Deutschland seit den 1870er-Jahren deutlich zurückging. Reinhard Spree führt dies vor allem darauf zurück, dass die Verdauungskrankheiten nach und nach ihren Schrecken verloren. Er weist darauf hin, dass vor allem Säuglinge und Kinder zunehmend aus der Gruppe der an Verdauungskrankheiten Gestorbenen verschwanden. Reinhard Spree führt dies nicht nur auf die sich allmählich verbessernde „Gesundheits-Infrastruktur“ zurück, sondern auf „Maßnahmenbündel“ von freiwilligen Komitees, Krankenkassen und kommunalen Fürsorgestellen. Für ihn ist vor allem die verstärkte Hygiene-Aufklärung der Hauptgrund für das Sinken der Sterblichkeitsraten. Schwerpunkt ist für ihn hierbei die bessere Information der Mütter über die Zubereitung von Säuglingsnahrung. Unter anderem nennt Spree die Einführung von Milchküchen in den Großstädten sowie das wachsende Angebot von preiswerter und guter künstlicher Babynahrung.357

 

 

5.6. Licht und Luft im Wohnungsbau

 

Trotz der Zerstrittenheit der Mediziner hatten Seuchen wie Typhus und Cholera den Zeitgenossen die Augen für die schlechten Lebensbedingungen in den Städten geöffnet. Man erkannte Licht, Luft, Wärme und vor allem eine zeitgemäße Trinkwasserversorgung als unverzichtbare Bestandteile für das gesunde Wohnen. Die Kritiker bemängelten vor allem die Anlage zu vieler und zu kleiner Wohnungen in den Mietshäusern. Überhöhte Grundstückspreise und Mieten sowie die verbreitete Spekulation mit Immobilien in den Städten machte jedoch die Umsetzung der Reformwünsche – wenn überhaupt – nur in Ansätzen möglich. Deswegen blieb die Diskussion über die Verbesserung der Wohnverhältnisse im gesamten 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts aktuell. Wie die vielen modernen Konzepte für die Sanierung historischer Altstädte zeigen, ist die Debatte auch heute längst nicht zum Abschluss gekommen.358

 

Dennoch: Hygiene und Körperpflege erhielten einen höheren Stellenwert, und eine neue Architektengeneration meldete sich mit einem volkserzieherischen Anspruch zu Wort. Es waren Architekten wie Hermann Muthesius (1861–1927), die sich gegen eine „Scheinkunst“ beim Bauen und Einrichten wandten und stattdessen zweckmäßigen, vor allem aber sauberen Wohnraum forderten.359 In diesem Zusammenhang ist auch die Entstehung des Deutschen Werkbundes zu sehen, der 1907 von zwölf Künstlern und zwölf Kunst- und Handwerksfirmen gegründet wurde. Prominenter Mitbegründer und „Ideengeber“ war der bekannte evangelische Theologe und liberale Politiker Friedrich Naumann (1860–1919).360

 

Mit ihren Forderungen standen die „Reformarchitekten“ nicht allein. Seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts mehrten sich die Stimmen derjenigen, die den Wandel des wilhelminischen Deutschlands in eine moderne Industriegesellschaft mit zunehmendem Unbehagen betrachteten. Unter Einfluss der britischen Hygienegesetze von 1868 und 1875 wurde das Wohnungsproblem politisiert, Stadtentwicklung und Immobilienmarkt wurden auf den Prüfstand gestellt.361 Die aus dem Bildungsbürgertum stammenden Kritiker gingen mit ihren Forderungen noch wesentlich weiter als die frühe Hygienebewegung und prangerten auch die zunehmende Zerstörung der Landschaft und die Landflucht in die Städte an.362 Eine Konsequenz war, dass sich eine starke Heimatbewegung formierte, deren Bedeutung aus heutiger Sicht vor allem auf ihre Rolle als eine Wegbereiterin des Nationalsozialismus reduziert wird. Der sich als unabhängige Variante entwickelnde Heimatschutz und seine eigene Programmatik werden oft nur beiläufig erwähnt. Als Begründer der vom Geist der Romantik beseelten Heimatschutzbewegung gilt der Pianist und Komponist Ernst Rudorff (1840–1916).

 

Von Anfang an ging es den Heimatschützern um mehr als um den Einfluss in den Bereichen Natur- und Denkmalschutz, nämlich auch um die Rückbesinnung auf die regionale Identität.363 Ihre Kräfte bündelten sie im 1904 in Dresden gegründeten „Bund Heimatschutz“.364

 

Die durchaus positiven Einflüsse der Bewegung, zu deren prominenten Vertretern auch der Architekt Paul Schultze-Naumburg (1869–1949) gehörte, im Kampf gegen städtebauliche Fehlentwicklungen sollten nicht unterschätzt werden.365 In Koblenz zeigen sich diese Einflüsse nicht nur in den Stadterweiterungsgebieten, sondern auch am Münzplatz und in der Burgstraße. Dort wurden 1911 Mietshausprojekte des Architekten Conrad Reich vollendet. „Markenzeichen“ waren großzügige Grundrisse. Darüber hinaus hatte jede Wohnung eine eigene Toilette und ein Bad.366

 

Die Reformbewegung war auch als Protest gegen die allgemein herrschenden volkswirtschaftlichen Anschauungen zu verstehen, deren Folgen sich im Wohnungswesen meist besonders brutal offenbarten, da die öffentliche Hand lange „störende“ Eingriffe unterließ. Der Glaube an eine automatische Zunahme der Bauaktivitäten im Falle des Wohnungsmangels war im ganzen 19. Jahrhundert weit verbreitet. Bei einem Überschuss an Unterkünften hoffte man, dass sich die Investoren auch ohne Baupolizei nach den Bedürfnissen der Mieter richten würden. Doch genau das Gegenteil trat ein – das Wohl der Bewohner spielte bei den Planungen eine unbedeutende Rolle. Der Verkauf des Geländes und die Veräußerung von Mietshäusern hatten sich längst zum Gewerbe entwickelt. Immobilien sollten größtmögliche Gewinne bringen. Sie wurden deshalb zunehmend Gegenstand der Spekulation. An gesunden Lebensverhältnissen hatten die häufig wechselnden Eigentümer kein Interesse.367

 

Ingenieure und Mediziner arbeiteten bei der Lösung der Wohnungsfrage nur ungern zusammen. Das Misstrauen beider Seiten wird in einer Streitschrift des Magdeburger Ingenieurs W. Born deutlich, der sich bereits 1884 mit seiner „Warnung für das Bau- und Ingenieurwesen“ an die Öffentlichkeit gewandt hatte. Darin heißt es: „Wenn die Ausdehnung  des Einflusses der Aerzte in derselben Weise fortschreitet, wie es in den letzten Jahren der Fall war, so wird das gesamte Bau- und Ingenieurwesen sehr bald unter einer neuen, noch bedrückenderen Herrschaft stehen als die Juristenschaft ist, unter der es sich ohnehin schon befindet. Ich habe [...] für die Ausführung der hygienischen Bestrebungen z. B. der Durchführung rationeller Lufterneuerung Anklang und Unterstützung in den besten Baukreisen gefunden, von den Aerzten nur von Staatsbeamten und von Angestellten in Instituten, Krankenhäusern, Irrenanstalten usw., fast niemals bei Privat-Aerzten, die selbst im eigenen Hause keine Ventilation haben, noch jemals ihren Kranken eine solche ,verschrieben‘. Trotzdem maßen sich die Herren die uneingeschränkte Verfügung auch über bauliche Einrichtungen an und Niemanden fällt es ein, Baumeister und Ingenieure in die Sanitäts-Commissionen aufzunehmen, die von Juristen und Aerzten allein besetzt werden. Mögen die Techniker mehr Aufmerksamkeit entwickeln, um das Ansehen ihres Berufes aufrecht zu erhalten! [...]“368

 

Borns Schrift zeugt nicht nur von den Versäumnissen der damaligen Zeit, sondern auch davon, dass sich der Stand der Techniker und Ingenieure mit zunehmendem Selbstbewusstsein an die Öffentlichkeit wagte und die Gleichberechtigung mit den traditionellen Wissenschaften forderte. Daraus resultierte ein neues professionelles Selbstverständnis. Nicht von ungefähr spricht Hans Liudger Dienel von der Bildung einer neuen „akademischen Kaste“ mit „Anspruch und Recht auf eigenständige Methoden und auch auf eine eigene gruppenspezifische Sicht der Dinge“. Eine Konsequenz: Im Januar 1900 verlieh Kaiser Wilhelm II. per Dekret die Möglichkeit zur Promotion in den Ingenieurwissenschaften.369 In der Praxis sah es jedoch so aus, dass Ingenieure weiterhin um ihre Anerkennung kämpfen mussten. Mehr noch: Seit den 1870er-Jahren lässt sich sogar ein Verlust von Führungsaufgaben an Kaufleute feststellen. Außerdem gelang es den Ingenieuren nur langsam, mit den etablierten Juristen und Medizinern gleichzuziehen.370 Diese Tatsache erklärt auch den aggressiven Unterton von Borns Streitschrift, in der vor allem die Versäumnisse im Kampf gegen die Cholera angeprangert wurden. So hatte der Reichstag 100.000 Mark für die Erforschung des Krankheitserregers ausgegeben. Ein Mittel zur erfolgreichen Bekämpfung war aber nicht gefunden worden. Die Maßnahme stellte für den Ingenieur eine reine Geldverschwendung dar, weil man es in Magdeburg bereits 1873 geschafft hatte, die Epidemie zu bekämpfen. Von 84 behandelten Menschen starben damals nur vier! Der Verfasser der Streitschrift sah Wasser und Luft als die besten Heilmittel an. Er schlug daher vor, für eine hinreichende Ventilation in den Wohnungen zu sorgen. In diesem Zusammenhang wies Born besonders auf die Seuchenherde in den Hinterhäusern hin, wo die ärmeren Bevölkerungsschichten unter schlechten hygienischen Verhältnissen lebten.371 Diese Feststellung galt auch noch nach der Aufgabe der preußischen Stadtbefestigung für einige Quartiere in der heutigen Koblenzer Innenstadt. Zwar hatte die Provinzhauptstadt nicht wie die industriellen Zentren mit einer Bevölkerungsexplosion zu kämpfen, doch stiegen – wie die Tabelle 3 zeigt – die Einwohnerzahlen langsam, aber konstant.372

 

Die Tabelle zeigt nur eine kleine Datenauswahl. Trotzdem ist zu erkennen, dass die gedruckten Statistiken der Handelskammer zu Koblenz und der Stadtverwaltung erst ab 1885 konkrete Angaben über die Stärke des anwesenden Militärs und die Bevölkerungsbewegung zulassen.373 Ein Großteil der Daten bezieht sich daher auf die Zeit nach Öffnung der preußischen Befestigung ab 1890. Mit ihrer Hilfe lässt sich verfolgen, wie viele Menschen nach Koblenz gekommen oder innerhalb der Stadt umgezogen sind. Darüber hinaus erhält man Informationen über die Bevölkerungsfluktuation. Koblenz hatte als Provinzhauptstadt auch schon vor der Beseitigung der Festungsmauern eine gewisse Anziehungskraft. Vor allem Gewerbetreibende, Arbeiter, Handwerksgesellen oder Dienstmägde suchten in der Stadt Beschäftigung.374 Wenn sie ihr Ziel nach einer wirtschaftlichen Verbesserung nicht erreichen konnten, zogen sie wieder fort. Das erklärt die hohen jährlichen Zu- und Abwanderungszahlen: Die Stadt war in erster Linie ein Zentrum für die Verwaltung und das Militär. Der Arbeitsmarkt war wegen der nur spärlich vorhandenen Industrie begrenzt. Bereits 1862 klagte die Koblenzer Handelskammer über fehlende Entwicklungsmöglichkeiten.375 Polizeidirektor und Landrat Jakob Franz Hubert Freiherr Raitz von Frentz war gleicher Ansicht. 1863 schrieb er an die Königliche Regierung: „[...] In der That ist die baldige Erweiterung bei der fortwährenden großen Zunahme der Bevölkerung und der äußerst wenigen Plätze zu Neubauten und Wohnhäusern höchst nothwendig, da der enge innere Raum der Stadt sie nicht zulässt und namentlich jede Errichtung großer Etablissements geradezu hemmt und somit den Verdienst der Bevölkerung schmälert. [...]“376

 

In einem weiteren Schreiben an die Regierung nannte der Polizeidirektor exakte Daten. Demnach lebten 1865 in Koblenz – das Militär nicht eingerechnet – 23.048 Menschen (4.299 Familien) in 1381 Privathäusern mit 21.176 bewohnbaren Räumen. Das ergab pro Haus einen Schnitt von 16,7 Einwohnern (3,11 Familien), für jeden Raum einen Wert von 1,14 Personen. Auf den ersten Blick erscheint diese Statistik nicht ungünstig. Rechnet man jedoch noch die Militärbevölkerung (241 Familien; insgesamt 4889 Köpfe) hinzu, ergibt sich eine weitere Verknappung des Wohnraumes. Besonders betroffen waren zu dieser Zeit die Bereiche Kastorstraße, Görgenstraße und Weißer Gasse.

 

Polizeidirektor von Frentz wies in seinem Brief besonders auf die Verdopplung der Mieten hin, die vor allem die ärmeren Bevölkerungsschichten hart getroffen hatte.377 Angesichts dieser Hintergründe verwundert es nicht, dass Koblenz von der Choleraepidemie des Jahres 1866 härter getroffen wurde als zuvor. Die Situation verschlechterte sich weiter. So klagte Oberbürgermeister Karl-Heinrich Lottner über die fruchtlosen Verhandlungen mit den übergeordneten Behörden, die den Expansionswünschen der Stadt zwar Gehör schenkten, die Beseitigung der Festungsanlagen wegen der hohen Kosten aber scheuten. Lottner beschrieb vor allem die Zahlungsnot der Kommune, die den Anforderungen der Wohlfahrtspflege nicht mehr entsprechen konnte. Die Bevölkerungsdichte war inzwischen weiter gestiegen. In jedem Haus lebten nach Lottners Angaben jetzt im Durchschnitt 19 Menschen. Diese Quote übertraf die meisten dicht besiedelten Städte in Preußen. So lebten im ebenfalls problembelasteten Elberfeld – statistisch gesehen – „nur“ 14 Bewohner in jedem Haus.378

 

Die Handelskammer zu Koblenz kritisierte in ihrem Brief an den Fürsten Otto von Bismarck, Reichskanzler und Chef des preußischen Ministeriums für Handel und Gewerbe, dass der Militärfiskus einen großen Teil der Flächen innerhalb der Stadt für seine Zwecke reserviert hatte, was schrittweise eine Verknappung des Wohnraumes bewirkte. Die unmittelbaren Folgen waren zu hohe Mieten und die Ausnutzung der Hofräume zu Ausführung von Hintergebäuden. Nur 11,27 Prozent der Bauvorhaben betrafen die Errichtung von neuen Häusern, was zu einer Rezession im Baugewerbe führte. Selbst für die Neueinrichtung kleinerer gewerblicher Anlagen blieb kaum Platz. Die negative Entwicklung trieb die Zahl der Menschen in den Häusern in die Höhe. Der Schnitt stieg jetzt auf 17,2 Personen pro Gebäude! Erst der Vergleich mit anderen Städten macht deutlich, wie es um die Lebensbedingungen der Koblenzer vor der Öffnung der Festungsmauern stand. In Bonn wohnten durchschnittlich 10,6, in Neuwied 12,9, in Trier 12,3 und in Kreuznach 9,8 Menschen in jedem Haus.379

 

Die schlechten wirtschaftlichen Bedingungen für die meisten Bewohner der Stadt werden vor allem an den Zuschüssen für die Armenverwaltung deutlich. Pro Kopf waren es 4,75 Mark jährlich. In Bonn fielen die Zuschüsse mit 3,65, in Trier mit 1,14, in Neuwied mit 3,83 und in Kreuznach mit 1,81 Mark pro Kopf zum Teil erheblich geringer aus. Angesichts der damaligen Verhältnisse wird es leicht verständlich, warum der Rückgang der Gewerbesteuereinnahmen Koblenz besonders hart traf. Innerhalb von 20 Jahren fielen die Einnahmen von 41.000 auf 39.000 Mark, obwohl die Bevölkerungszahl erheblich gestiegen war. Im krassen Gegensatz dazu stand mit 60,82 Mark die durchschnittliche Höhe der an den Staat abzuführenden Gebäudesteuer. Diese Steuer war in Bonn (39,04 Mark), Neuwied (25,32 Mark), Trier (29,19 Mark) und Kreuznach (19,61 Mark) weit niedriger.380

 

An eine Verbesserung der Lebensbedingungen für die ärmeren Bürger war schon allein aus finanziellen Gründen nicht zu denken, obwohl das Instrument der Sanierung schon damals bestens bekannt war. So hatte man bereits Mitte des 19. Jahrhunderts in Paris damit begonnen, problematische Quartiere zu beseitigen. London folgte 1868, dann Neapel und Florenz. Alle Städte hatten gemeinsam, dass die Behörden auch vor Enteignungen nicht zurückscheuten. Im deutschsprachigen Raum sind solche großflächigen „Slum-Sanierungen“ in dieser Zeit nur aus Straßburg sowie dem „Gängeviertel“ und der Südlichen Neustadt in Hamburg bekannt.381 In der Hansestadt war dies eine Konsequenz aus der Cholera-Katastrophe von 1892. Straßburg folgte erst 1907. In allen anderen Städten hielt man sich zurück und vertraute auf die Kraft privater Investoren, zumal man überhöhte Entschädigungsforderungen befürchtete oder einfach Hypotheken nicht ablösen wollte.382 Und so blieb es bei punktuellen, meist prestigesteigernden Maßnahmen, die zur Folge hatten, dass die Ärmeren noch weiter zusammengedrängt wurden. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass die großen Hygienedebatten jener Zeit zunehmend eine soziale Komponente erhielten – wie zum Beispiel von Ferdinand Hueppe formuliert worden war. Der Gelehrte hatte 1889 sein Amt als Professor für Hygiene an der Prager Universität angetreten. Er gilt heute als einer der Wegbereiter der Sozialhygiene, die – ganz im Sinne der Sozialkritik Virchows – Ärzte zu Anwälten der Armen machte.383 Rückdrängungstendenzen lassen sich auch in Koblenz beobachten. Im Bericht der Stadtverwaltung für das Rechnungsjahr 1888/89 heißt es: „[…] Durch die Aufführung großer Gebäude mit herrschaftlichen Wohnungen an Stellen, auf welchen früher kleine Häuser mit Wohnungen für arme Leute gestanden haben, wurden die Wohnungen für die Ärmeren an Zahl geringer, an Raum beschränkter und an Miethe theuerer. Die Bewohner sind in einzelnen Straßen derart zusammengedrängt, dass die gesundheitsschädlichen Zustände mit Macht nach Beschaffung anderer gesunder Wohnstätten drängen. Im Inneren der Stadt fehlt hierzu der Raum, in den gesunden Bezirken vor den Thoren konnten bisher der Festungs-Rayon-Beschränkungen wegen genügend gesunde Wohnungen nicht aufgeführt werden. Die Bauten, welche dessen unbeachtet vor den Thoren entstanden sind, bestätigen das Bedürfnis zur Beschaffung der nothwendigen Wohnräume für die Bevölkerung. [...]“384 Die Verbesserung der Wohnverhältnisse wurde auch in der örtlichen Presse gefordert. So stellt der „Coblenzer General-Anzeiger“ unter dem Titel „Gesundes Wohnen“ Folgendes fest: „[...] Der ungesundeste Aufenthalt für Menschen ist jedoch in Hof- und Kellerwohnungen. Besonders in den Großstädten wachsen die Häuser zu Thürmen auf und nehmen den Höfen Luft und Licht, so dass selbst am hellen Tage künstliche Beleuchtung sich nöthig macht. In höherem Grade gilt dies noch von den Wohnungen im Keller. Da dringt die Grundluft mit ihren Miasmen ein und schädigt die Gesundheit, zumal eine natürliche Ventilation kaum möglich ist. Da ist jede Dachwohnung, trotz der Sommerhitze und des hohen Treppensteigens, vorzuziehen; sie prädestinirt den Menschen doch nicht zur Schwindsucht, zu Knochengelenk- und Augenleiden. Um sich vor Ansteckungen zu hüten, sorge man dafür, dass die Wohnungen sich nicht in der Nähe von Arbeitsstätten und Oertlichkeiten befinden, die durch ihren üblen Geruch die Nachbarschaft verpesten und durch ihre Abgänge den Boden verunreinigen. [...]“385

 

Die schlechten Wohnbedingungen wurden vielerorts vor allem auf die Gebäudehöhen zurückgeführt. In fast resignierendem Ton schrieb dazu der „General-Anzeiger“: „Dem Uebelstande, dass die Bauherren zu hohe Häuser aufrichten, kann nur dadurch abgeholfen werden, mehr auf die Gesundheit ihrer Miether als auf ihren Geldbeutel zu sehen, freilich eine schwer erfüllbare Forderung. [...]“386 Die ungünstigen räumlichen und ökonomischen Bedingungen waren letztendlich dafür verantwortlich, dass das Baugeschehen in der heutigen Alt- und Innenstadt weiterhin von Provisorien geprägt war. Allerdings zeichnete sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine Entspannung ab – nicht nur wegen der allmählich einsetzenden Stadterweiterungen, sondern auch wegen der Möglichkeit, die letzten größeren Freiflächen im Gebiet der heutigen Altstadt mit für damalige Verhältnisse recht komfortablen Mietshäusern zu bebauen, in denen sich reichsweit der Trend zur geschlossenen Einküchenwohnung widerspiegelte.387 Sichtbar wird dies heute noch in der Eltzerhof- und Görresstraße, die ab 1889 als Nebenstraßen von Firmung- und Kornpfortstraße auf dem Gelände des Eltz-Kempenicher Hofes angelegt wurden.388

 

Neue Erkenntnisse über die Auswirkungen ungesunder Wohnverhältnisse führten auch in Koblenz zu einer Verschärfung der Bauauflagen, die, wie in fast allen deutschen Städten, den aktuellen Entwicklungen lange nicht gerecht wurden. Dazu kam eine Professionalisierung der kommunalen Planungs- und Kontrollinstrumente. Dass sich die Situation in vielen Städten im ausgehenden 19. Jahrhundert leicht entspannte, dürfte auch auf den Einfluss der Hygienebewegung zurückzuführen sein. So hatte sich der „Deutsche Verein für öffentliche Gesundheitspflege“ bereits in seiner Versammlung 1875 für eine Kontrolle und genormte Bauweise von Mietskasernen eingesetzt und war damit von seiner ursprünglich schärferen Forderung abgerückt, diesen Gebäudetyp ganz abzuschaffen.389 Dieser Kompromiss war auch in der neuen Koblenzer Bauordnung vom 14. Juni 1881 zu spüren. Sie schrieb vor, dass in Straßen unter einer Breite von zehn Metern Häuser nicht mehr als vier Stockwerke haben durften. Die Erdgeschosse wurden dabei mitgezählt. Diese Regelung war vor allem für die Koblenzer Altstadt wichtig, denn jetzt setzten die Verantwortlichen dem „Aufstockungs-Unwesen“ Grenzen: Auf die älteren Häuser, die in der Regel aus Erd- und zwei Obergeschossen bestanden, konnte nur eine Etage aufgesetzt werden.

 

Mit der neuen Verordnung wurde zumindest bei Neubauten das Übel niedriger Zimmer bekämpft. Wohnräume mussten eine lichte Höhe von mindestens drei Metern erhalten. Bei Um- und Ausbauten an bestehenden Häusern schrieb die Baupolizei eine Raumhöhe von 2,30 Metern vor. Diese Regelung galt nicht, wenn die bereits vorhandenen Zimmer des alten Baus diesen Grenzwert überschritten. In diesem Fall sollten die neuen Räume ebenfalls höher als 2,30 Meter sein. Darüber hinaus durften Dachwohnungen nur über dem obersten Stockwerk und nicht übereinander im Dach angelegt werden. Wohnungen, welche teilweise unter der Erdoberfläche lagen, waren nur erlaubt, wenn der Fußboden mindestens 30 Zentimeter über dem höchsten Grundwasserstand und nirgends tiefer als 50 Zentimeter unter dem Erdboden lag. Schließlich schrieb man für jede Wohnung die Anlage umwandeter und fest verschließbarer Abtritte vor. Ausnahmen konnten jedoch zugelassen werden.390

 

Weitere Beschränkungen brachte das Koblenzer Baupolizeirecht vom 1. Juni 1899. Auch in dieser Bauordnung ist der starke Einfluss der Hygienebewegung nicht zu übersehen. Der Deutsche Verein für öffentliche Gesundheitspflege hatte in seinen Jahresversammlungen von 1893, 1894 und 1895 seine ursprünglichen Visionen über ein Gesamtprojekt „gesunde Stadt“ erneut ins Spiel gebracht und unter anderem die Einführung von „Zonungen“ in das kommunale Baurecht angeregt und damit auch die straffe Gliederung der städtischen Aktivitäten nach Produktion, Handel, Verkehr, Wohnen und Erholung gefordert. Es ging um nichts anderes als eine Neugliederung, die heute in der modernen Bauleitplanung selbstverständlich ist. Diese entscheidenden Weichenstellungen im ausgehenden 19. Jahrhundert sind für Juan Rodriguez-Lores „von grundlegender Bedeutung für die Geschichte der Städtebaureform in Deutschland“.391 Diese Einschätzung gilt in eingeschränkter Form auch für Koblenz, wobei die geforderte Zonung erst späteren Bauvorschriften vorbehalten blieb. Die Einteilung in Funktionsbereiche war in der Provinzhauptstadt nicht so vordringlich, weil sich mit der schrittweisen Aufgabe der Befestigungsanlagen quasi automatisch eine Gliederung ergab.

 

Wegen der schlechten räumlichen Voraussetzungen in den Kernbereichen entstanden die größeren Gewerbeansiedlungen ohnehin vor den Toren der Stadt oder in den Vororten wie Metternich. Allerdings wurden die älteren Vorschriften in der Bauordnung von 1899 durch Bestimmungen ergänzt, mit denen die Obrigkeit die vollständige Bebauung von Parzellen verhindern wollte. Fortan durften unbebaute Grundstücke nur bis zu 2/3, „bebaut gewesene“ bis zu 3/4 und Eckgrundstücke bis zu 4/5 ihrer Fläche mit neuen Häusern ausgefüllt werden. Außerdem forderte man für jeden Gebäudekomplex einen Hofraum, der mindestens fünf Meter breit sein musste.392 Der Flächeninhalt durfte 40 Quadratmeter393 nicht unterschreiten. Sofern die Frontwände der Hintergebäude, Seitengebäude oder -flügel sowie die Rückwände der an der Straße gelegenen Haupthäuser notwendige Fenster für Räume zum dauernden Aufenthalt von Menschen enthielten, machte die Baupolizei zur Auflage, diese Fenster an einem Hof anzulegen. Ausnahmen waren allerdings zulässig.394 Endlich erließ die Obrigkeit auch Bestimmungen, die zur Begrenzung der Gebäudehöhen beitrugen.395

 

In Gassen mit einer Breite von weniger als neun Metern durfte ein Haus nicht höher als zwölf Meter sein. Bei bis zu zwölf Meter breiten Straßen galt eine Grenze von 15 Metern. Für das großzügiger angelegte Wegenetz außerhalb der Kernstadt erlaubte man eine Höhe bis zu 18 Metern. Damit diese Bestimmungen nicht durch abenteuerliche Dachkonstruktionen ausgehöhlt wurden, beschränkte man die zulässige Dachneigung auf maximal 45 Grad.396 Diese Höhenbeschränkungen waren vor allem für die Altstadt wichtig, denn hier unterschritten die Straßenbreiten in der Regel den Standardwert von zwölf Metern.

 

Trotz aller Verbesserungen hatte auch die neue Bauordnung erhebliche Mängel. So war es bei Gebäuden, denen Rauch, Dampf oder übel riechende Düfte entströmten – etwa bei Ställen, Brennereien oder Brauereien –, zwar verboten, Fensteröffnungen an den öffentlichen Straßen anzulegen, doch niemand verhinderte die schädlichen  Ausdünstungen im Hinterhofbereich.397 Probleme wurden somit einfach dorthin verlagert, wo man sie auf den ersten Blick nicht erkennen konnte. Darüber hinaus scheinen Baupolizei und Gemeinde die Einhaltung der Bestimmungen eher nachlässig kontrolliert zu haben. Deswegen forderte der „Geheime Kommerzienrat“ Dr. Julius Wegeler im April 1905 eine Änderung des städtischen Baustatuts. Während einer Stadtratssitzung beschrieb er, wie die Investoren in Koblenz durch die Errichtung von zu hohen Häusern die äußerste Ausnutzung der Bauplätze erreichen wollten, ohne dabei die dringend erforderliche Zufuhr von Licht und Luft zu berücksichtigen. Diese gesundheitsschädliche und kurzsichtige Bauweise führte nach der Meinung Wegelers auch zu einer Wertminderung der Wohngebäude.398 Die Gründe für die Misere werden vor allem in dem Brief des Polizeidirektors, Landrat Franz Andreas von Barton (genannt von Stedman), an den Regierungspräsidenten August Freiherr von Hövel deutlich. Die Hauptursache für die maximale Ausnutzung der Baublöcke war die zu große Grundstückstiefe. Das betraf nicht nur die gewachsenen Parzellen in der Altstadt, sondern auch neue Straßen und Stadtteile, weil hier die hinteren Baufluchtlinien fehlten. Zwar war das Übel schon seit längerer Zeit bekannt, doch scheute man ergänzende Auflagen wegen der höheren Straßenbaukosten, die bei einer feineren Aufteilung der Baublöcke zwangsläufig angefallen wären.399

 

Die Zurückhaltung der Behörden war geringer, wenn es um die Anzahl der Geschosse in den Wohnhäusern ging. Die um die Jahrhundertwende geltende Bauordnung schrieb unter anderem vor: „[…] Wohngebäude dürfen vom Bürgersteig bis zur Gesimsoberkante außer dem Erdgeschoss nicht mehr als drei zum dauernden Aufenthalte von Menschen bestimmte Geschosse erhalten. Außerdem dürfen im Dachgeschosse einzelne Zimmer zum Bewohnen eingerichtet werden, sofern diese nur als Zubehör zu den darunter belegenen und nicht als selbständige Wohnungen bestimmt sind. […]“400 Diese Beschränkungen galten gleichermaßen für alle Bereiche der Stadt. Das verärgerte die Hausbesitzer, die sich durch die Bauordnung empfindlich geschädigt sahen. Sie wollten lieber auch ihre Dachräume vermieten, um aus ihren Gebäuden einen möglichst hohen Profit herauszuholen.401

 

Vorwürfe der Mieter wurden von den Vermietern zurückgewiesen. Sie machten die Bauunternehmer für die Misere verantwortlich, die sich auf die Berechnung einer möglichst hohen Rentabilität beschränkten und die Details der Polizeivorschriften den Baulustigen verschwiegen. Darüber hinaus stellten die Eigentümer klar, dass Mansardenwohnungen gegenüber den besonders in der Altstadt weit verbreiteten kleinen, dunklen und feuchten Wohnungen ein großer Fortschritt seien.402 Die Proteste der Hauseigentümer blieben jedoch erfolglos. Erst die Weiterentwicklung des Baurechts nach dem Zweiten Weltkrieg in der rheinland-pfälzischen Landesbauordnung (LBauO) machte die Einrichtung von geschlossenen Mansardenwohnungen unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Die LBauO löste – wie in den anderen Bundesländern auch – die kommunalen Bauordnungen ab und legte unter anderem soziale, hygienische und ökologische Standards ebenso fest wie die von den Wohnungsreformern so lange geforderte Zonung.403

 

1 Berndt, Heide, Hygienebewegung des 19. Jahrhunderts als vergessenes Thema der Stadt- und Architektursoziologie, in: Die Alte Stadt 14/1987, S. 140–163.

2 Vgl. Rodriguez-Lorez, Juan, Stadthygiene und Städtebau. Am Beispiel der Debatten im Deutschen Verein für öffentliche Gesundheitspflege 1869–1911, in: Reulecke, Jürgen/Adelheid Gräfin zu Castell Rüdenhausen (Hg.), Stadt und Gesundheit. Zum Wandel von „Volksgesundheit“ im 19. und frühen 20. Jahrhunderts Stuttgart 1991, S. 64. Der Begriff „Stadthygiene“ wird im Folgenden als Sammelbezeichnung für Hygienelehre und öffentliche Gesundheitspflege mit dem Anwendungsbereich Stadt verwendet.

3 Artelt, Walter/Edith Heischkel/Gunter Mann/Walter Rüegg (Hg.), Städte-, Wohnungs- und Kleidungshygiene des 19. Jahrhunderts in Deutschland. Vorträge eines Symposiums vom 17. bis 18. Juni 1967 in Frankfurt am Main, Stuttgart 1969.

4 Corbin, Alain, Pesthauch und Blütenduft. Eine Geschichte des Geruchs, Berlin 1984.

5 Vigarello, Georges, Wasser und Seife, Puder und Parfüm. Geschichte der Körperhygiene seit dem Mittelalter, Frankfurt 1992.

6 Evans, Richard J., Tod in Hamburg. Stadt, Gesellschaft und Politik in den Cholera-Jahren 1830–1910, Reinbeck 1990.

7 Reulecke, Jürgen/Adelheid Gräfin zu Castell Rüdenhausen (Hg.), Stadt und Gesundheit. Zum Wandel von „Volksgesundheit“ im 19. und frühen 20. Jahrhunderts Stuttgart 1991.

8 Grundlegend ist folgendes Werk: Kocka, Jürgen (Hg.), Bürgertum im 19. Jahrhundert. Deutschland im europäischen Vergleich. 3 Bde., München 1988.

9 Gröttrup, Hendrik, Die kommunale Leistungsverwaltung. Grundlagen der gemeindlichen Daseinsvorsorge, Stuttgart 1973.

10 Gall, Lothar (Hg.), Stadt und Bürgertum im 19. Jahrhundert,  München 1990.

11 Krabbe, Wolfgang R., Kommunalpolitik und Industrialisierung. Die Entfaltung der städtischen Leistungsverwaltung im 19. und  frühen 20. Jahrhundert. Fallstudien zu Münster und Dortmund, Stuttgart 1985.

12 Briese, Olaf: Angst in den Zeiten der Cholera. Über kulturelle Ursprünge des Bakteriums / Panik-Kurve. Berlins Cholerajahr 1831/32/ Auf Leben und Tod. Briefwelt als Gegenwelt / Das schlechte Gedicht. Strategien literarischer Immunisierung (Seuchen-Cordon I - IV), 4 Bde., Berlin 2003.

13 Gradmann, Christoph, Krankheit im Labor. Robert Koch und die medizinische Bakteriologie, Göttingen 2005.

14 Gradmann, Christoph, Rezension von: Olaf Briese: Angst in den Zeiten der Cholera, in: sehepunkte 3 (2003), Nr. 9 [15. September 2003], URL: <http://www.sehepunkte.de/2003/09/2826.html> (Zugriff am 2. Dezember 2006).

15  Büschenfeld, Jürgen, Flüsse und Kloaken. Umweltfragen im Zeitalter der Industrialisierung (1870–1918), Stuttgart 1997.

16 Bauer, Thomas, Im Bauch der Stadt. Kanalisation. Kanalisation und Hygiene in Frankfurt am Main; 16.–19. Jahrhundert, Frankfurt 1998.

17 Illi, Martin, Von der Schîssgruob zur modernen Stadtentwässerung. Hg. von der Stadtentwässerung Zürich, Zürich 1987.

18 Lange, Jörg, Zur Geschichte des Gewässerschutzes am Ober- und Hochrhein. Eine Fallstudie zur Umwelt- und Biologiegeschichte. Diss. Freiburg 2002. URL: <http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/ 635/pdf/dissjoerglange.pdf> (Zugriff am 16. Januar 2007).

19 Jütte, Robert, Rezension von: Anne I. Hardy: Ärzte, Ingenieure und städtische Gesundheit, Frankfurt, in: Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 7. November 2005. URL: <http://www.buecher.de/verteiler.asp? site=artikel_faz.asp&wea=1100485&artikelnummer=000001531904> (Zugriff am 2. Dezember 2006).

20 Hardy, Ärzte.

21 Vögele, Jörg Rezension von: Anne I. Hardy: Ärzte, Ingenieure und städtische Gesundheit. Medizinische Theorien in der Hygienebewegung des 19. Jahrhunderts, Frankfurt 2005, in: sehepunkte 6 (2006), Nr. 7/8 [15. Juli 2006], URL: <http://www.sehepunkte.de/2006/07/8683.html> (Zugriff am 2. Dezember 2006).

22 Spree, Reinhard, Soziale Ungleichheit vor Krankheit und Tod. Zur Sozialgeschichte des Gesundheitsbereichs im deutschen Kaiserreich, Göttingen 1991.

23 Weindling, Paul, Health, Race and German Politics between National Unification und Nazism, 1870–1945, Cambridge 1989.

24 Weiterführende Informationen über das Graduiertenkolleg gibt es im Internet unter URL: < http://www.anthro.uni-goettingen.de/gk/>.

(Zugriff am 10. Oktober 2006).

25 Loetz, Francisca, Vom Kranken zum Patienten. „Medikalisierung“ und medizinische Vergesellschaftung am Beispiel Badens 1750–1850, Stuttgart 1993.

26 Vgl. Loetz, Vom Kranken, S. 55.

27 Bär, Max, Aus der Geschichte der Stadt Koblenz 1814–1914,

Koblenz 1922.

28 Schubert, H., Die preußische Regierung in Koblenz. Ihre Entwicklung und ihr Wirken 1816–1918, Bonn 1925.

29 François, Etienne, Koblenz im 18. Jahrhundert. Zur Sozial- und Bevölkerungsstruktur einer deutschen Residenzstadt, Göttingen 1982.

30 Erst kürzlich wurde die Methodik von Etienne François kritisiert. Dazu: Heimes, Daniel, Sozialstruktur und soziale Mobiliät der Koblenzer Bürgerschaft im 17. Jahrhundert. Diss. Trier 2006, Trier 2007.

31 Dollen, Busso von der, Die Koblenzer Neustadt. Planung und Ausführung einer Stadterweiterung des 18. Jahrhunderts, Köln/Wien 1979.

32 Bellinghausen, Hans (Hg.), 2000 Jahre Koblenz. Erw. Neuauflage, Boppard 1972.

33 Geschichte der Stadt Koblenz. Hg. von Ingrid Bátori. 2 Bde., Stuttgart 1992/93.

34 Vgl. Bajohr, Frank, Vom Honoratiorentum zur Technokratie. Ambivalenzen städtischer Daseinsvorsorge und Leistungsverwaltung im Kaiserreich und in der Weimarer Republik, in: Bajohr, Frank/Werner Johe/Uwe Lohalm (Hg.), Zivilisation und Barbarei. Die widersprüchlichen Potentiale der Moderne, Hamburg 1991, S. 66.

35 Grundmann, Ulrike, Das Hospital in Koblenz (1110–1945), Herzogenrath 1992.

36 Weber, Klaus T., Die preußischen Befestigungsanlagen von Koblenz (1815–1834), Weimar 2003.

37 Böckling, Manfred, Branntwein, Pulver, Rinder und Zisternen. Aspekte der Versorgung der preußischen Festung Ehrenbreitstein, in: Neue Forschungen zur Festung Koblenz und Ehrenbreitstein, Bd. 2., Regensburg 2006, S. 91–113.

38 Die Bezirksregierungen wurden nach der rheinland-pfälzischen Verwaltungsreform von 1999 aufgelöst. Das hatte die an der Landesregierung beteiligte FDP in ihrem Koalitionsvertrag mit der SPD durchgesetzt. An ihre Stelle trat die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) mit Sitz in Trier, die über die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord (SGD Nord) in Koblenz vertreten ist.

39 Das System wurde übrigens in Koblenz entwickelt und war zur Zeit der Einführung in seiner Art weltweit einzigartig.

40 StAK, Fach 102: Mehlgasse 18.

41 StAK, Fach 50: Kornpfortstraße 4. 

42 StAK, Fach 23: Florinsmarkt 8.

43 Vgl. Kallenbach, Koblenzer Altstadt, S. 72.

44 Details bringt: Grundmann, Hospital, S. 98 und 107.

45 Vgl. Grundmann, Hospital, S. 99.

46 Vgl. Grundmann, Hospital, S. 99.

47 Vgl. Grundmann, Hospital, S. 99.

48 Vgl. Grundmann, Hospital, S. 101 ff.

49 Vgl. Grundmann, Hospital, S. 104.

50 Vgl. Schüller, Andreas, Sanitäre Verhältnisse in Koblenz im 16. und 17. Jahrhundert, in: Alt Koblenz. Eine Sammlung geschichtlicher Abhandlungen, Bd. 1. Hg. von Hans Bellinghausen, Koblenz 1929, S. 147 und 156 f.

51 StAK-623,1545, S. 457, 478 und 546:

Ratsprotokolle, 17. Mai, 3. Juli und 23. Dezember 1607.

52 StAK-623, 1550, S. 91: Ratsprotokoll, 16. März 1669.

53 Vgl. Vigarello, Wasser und Seife, S. 16, 26 ff. und 116.

54 StAK-623, 1545, S. 494: Ratsprotokoll, 7. August 1607.

55 Vgl. Schüller, Andreas, Vom Badewesen in Koblenz im 16. und 17. Jahrhundert, in: Alt Koblenz. Eine Sammlung geschichtlicher Abhandlungen, Bd. 1, Koblenz 1929, S. 100 ff.

56 StAK-623,1548, S. 878: Ratsprotokoll, 13. Dezember 1659.

StAK-623, 1550, S. 169: Ratsprotokoll, 3. August 1669.

57 StAK-623, 1547, S. 64 und 68: Ratsprotokolle vom 25. April und     9. Mai 1637.

58 Vgl. Möller, Caren, Medizinalpolizei. Die Theorie des staatlichen Gesundheitswesens im 18. und 19. Jahrhundert, Frankfurt 2005, S. 17.

59 Siehe auch: François, Koblenz, S. 21 und 29 ff.

60 Dazu: Fischer, Norbert, Vom Gottesacker zum Krematorium. Eine Sozialgeschichte der Friedhöfe seit dem 18. Jahrhundert. Diss., Hamburg 1996. URL: <http://www.sub.uni-hamburg.de/opus/volltexte/ 1996/37/> (Zugriff am 17. Januar 2007).

61 Schüller, Andreas, Von den Coblenzer Kirchhöfen im 16. und 17. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Heimatkunde von Coblenz und Umgebung, 1. Jahrgang (1920), S. 149–152.

62 Siehe auch: Illi, Martin, Wohin die Toten gingen. Begräbnis und Kirchhof in der vorindustriellen Stadt, Zürich 1992, S. 37: Wegen des Glaubens an das Weiterleben der Toten suchte man die Nähe zu den Verstorbenen. Das war ein weiteres Argument für die Anlage von Friedhöfen mitten in den Städten.

63 Einführende Betrachtungen über die Themen Tod und Gedenken im Hoch- und Spätmittelalter enthält folgender Sammelband: Borst, Arno u. a. (Hg.), Tod im Mittelalter, Konstanz 1993.

64 Das Kloster St. Georg befand sich im Vogelsang, also in der südöstlichen Ecke der mittelalterlichen Altstadt.

65 Hausmarken waren Zeichen, die zur besonderen Kennzeichnung von Gebäuden dienten. Sie sind Vorläufer der heutigen Hausnummern.

66 Dysenteria = Ruhr.

67 Schüller, Kirchhöfe, S. 149ff.

68 Vgl. Scotti, J. J., Sammlung der Gesetze und Verordnungen, welche in dem vormaligen Churfürstentum Trier über die Gegenstände der Landeshoheit, Verfassung, Verwaltung und Rechtspflege ergangen sind, Düsseldorf 1832. Bd. 4, S. 1284, 739.

69 Vgl. Schröder, Ulrich, Aborte. Zur Bedeutung der öffentlichen Toiletten für die moderne Stadt, in: Die Alte Stadt 3/2002, S. 228.

70 Über die Hintergründe: Kallenbach, Altstadt, Kapitel 7.

71 Vgl. Vigarello, Wasser und Seife, S. 109: Die Riechgefäße waren oft mit dem Stoffwechselprodukt Amber (Ambra) gefüllt, das ursprünglich aus dem Darm des Pottwals gewonnen wurde, in der heutigen Parfümindustrie meist synthetisch hergestellt wird.

72 Vgl. Corbin, Pesthauch, S. 85.

73 LHA Ko -1C, 11059: Brief des Magistrates an den Kurfürsten,

27. Mai 177;  StAK-623, 1326: Die Anlage des neuen Kirchhofes.

74 LHA Ko-1C, 11059: Brief der kurfürstlichen Verwaltung an den Magistrat vom 25. Januar 1782. Der neue Friedhof fiel später der neuen preußischen Stadtbefestigung zum Opfer.

75 Vgl. Scho-Backes, Maria, Preußische Apothekenverwaltung. Die Entwicklung des Apothekenwesens im Regierungsbezirk Koblenz (1814–1915), Stuttgart 1992, S. 15 f.

76 Vgl. Schubert, Regierung, S. 79.

77 Vgl. Scho-Backes, Apothekenverwaltung, S. 24.

78 Einfache Formen der Pockenschutzimpfung über die vorbeugende Ansteckung mit Variolaviren (Variolation) sind bereits seit 3000 Jahren aus China bekannt. Die sichere Variante der Impfung mit Vaccina-Viren (Vaccination) wurde im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts in England durch verschiedene Mediziner entdeckt, aber erst 1796 durch Edward Jenner eingeführt. Bayern war trotz des Widerstandes der katholischen Kirche das erste Land weltweit, das am 26. August 1807 die Pockenschutzimpfung gesetzlich anordnete und einführte.

79 Vgl. Schubert, Regierung, S. 80.

80 Vgl. Schubert, Regierung, S. 80.

81 Vgl. Scho-Backes, Apothekenverwaltung, S. 33.

82 Vgl. Huerkamp, Claudia, Der Aufstieg der Ärzte im 19. Jahrhundert. Vom gelehrten Stand zum professionellen Experten: Das Beispiel Preußens, Göttingen 1985, S. 30.

83 Krätze ist die umgangssprachliche Bezeichnung für die parasitäre Hauterkrankung Scabies (Acarodermatitis). Sie wird beim Menschen durch die Krätzemilbe (Sarcoptes scabiei) verursacht.

84 Dazu: Huerkamp, Aufstieg der Ärzte, S. 31 und 36: Die akademische Ausbildung von Wundärzten und Chirurgen war erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts aufgekommen. In der Praxis hatte sie jedoch kaum eine Bedeutung, weil auf diesem Gebiet viele handwerklich-volksmedizinisch ausgebildete „Ärzte“ praktizierten. Selbst als sich der akademisch geschulte Wundarzt durchsetzte, wurde er weniger anerkannt als der klassisch-theoretisch geschulte Mediziner.

85 Vgl. Schubert, Regierung, S. 80.

86 Vgl. Schubert, Regierung, S. 82.

87 Vgl. Schubert, Regierung, S. 83.

88 Vgl. Schubert, Regierung, S. 85 f.

89 Vgl. Schubert, Regierung, S. 83.

90 Grundlegend zum Thema: Weiß, Petra, Prostitution in Koblenz im 19. Jahrhundert, in: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur. Neue Folge 11/12, Koblenz 2003, S. 33–66.

91 Vgl. Schubert, Regierung, S. 93.

92 Vgl. Coblenzer Anzeiger vom 23. Februar, 1. März, 5. März und     20. Oktober 1848. Freundlicher Hinweis von Hans-Peter Kleber, Stadtarchiv Koblenz.

93 Vgl. Schubert, Regierung, S. 95 f.

94 Vgl. Schubert, Regierung, S. 91.

95 Vgl. Schubert, Regierung, S. 96 f.

96 Vgl. Scho-Backes, Apothekenverwaltung, S. 17.

97 Vgl. Scho-Backes, Apothekenverwaltung, S. 27.

98 Vgl. Vogt, Ulrike, Preußische Staatsbauten in Koblenz einschließlich der Festungsbauten von 1815–1914, Aachen 1987, S. 13 und 22 ff.

99 Vgl. Bellinghausen, In Koblenz, S. 415. 1897 erhielt Koblenz den Ehrentitel „Residenzstadt“.

100 Dazu auch: Lenger, Friedrich, Bürgertum und Stadtverwaltung in rheinischen Großstädten des 19. Jahrhunderts. Zu einem vernachlässigten Aspekt der bürgerlichen Herrschaft, in: Gall, Lothar (Hg.), Stadt und Bürgertum im 19. Jahrhundert, München 1990, S. 102 f.

101 Vgl. Bär, Geschichte Koblenz, S. 69 und 77.

102 Vgl. Hansen, Joseph, Preußen und Rheinland von 1815 bis 1915. Hundert Jahre politisches Leben am Rhein. Mit Beiträgen von Eberhard Kleinertz und Beate-Carola Padtberg und einer Auswahlbibliographie hg. von Georg Mölich. Nachdruck der Ausgabe 1918, Köln 1990, S. 38.

103 Vgl. Müller, Jürgen, Von der alten Stadt zur neuen Munizipalität. Die Auswirkungen der Französischen Revolution in den linksrheinischen Städten Speyer und Koblenz, Koblenz 1990, S. 314 und 322.

104 Vgl. Reulecke, Bildungsbürgertum und Kommunalpolitik im 19. Jahrhundert, in: Kocka, Jürgen (Hg.), Bildungsbürgertum im 19. Jahrhundert. Teil IV: Politischer Einfluß und gesellschaftliche Formation, Stuttgart 1989, S. 124 f.

105 Vgl. Reulecke, Jürgen, Stadtbürgertum und bürgerliche Sozialreform im 19. Jahrhundert in Preußen, in: Gall, Lothar (Hg.) Stadt und Bürgertum im 19. Jahrhundert, München 1990, S. 175.

106 Vgl. Lenger, Bürgertum, S. 103 und 108 f.

107 Vgl. Retzlaff, Ingeborg, Koblenz als preußischer Verwaltungssitz. Examensarbeit, Kaiserslautern 1967 [masch.], S. 61.

108 Vgl. Retzlaff, Koblenz, S. 62.

109 Vgl. Bär, Geschichte Koblenz, S. 105 f.

110 Vgl. Bär, Geschichte Koblenz, S. 78. 

111 Vgl. Retzlaff, Koblenz, S. 65.

112 Vgl. Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten 1806 bis 1874. Chronologische Zusammenstellung der in der Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten für die Jahre 1806 bis 1874 enthaltenen Gesetze, Verordnungen, Kabinetts-Ordres, Erlasse, Publikanden und Bekanntmachungen, Berlin 1875. Bd. 3:, „Städte-Ordnung für die Rheinprovinz“, Titel II, S. 77 f.: „Von der  Zusammensetzung und Wahl der Stadtverordneten-Versammlung“ und Titel III,  S. 78 f.: „Von der Wahl des Bürgermeisters und der Beigeordneten (Magistratspersonen)“. Die Zahl der Beigeordneten wurde im ausgehenden 19. Jahrhundert erhöht.

113 Vgl. Bär, Geschichte Koblenz, S. 86 und 89. Gesetz-Sammlung,      Bd. 3, S. 79 f.: „Von den Geschäften der Stadtverordneten-Versammlung“ und  S. 80 f.: „Von den Geschäften des Bürgermeisters“.   

114 Vgl. Bär, Max, Die Behördenverfassung der Rheinprovinz seit 1815, Bonn 1919, S. 323. Bär, Geschichte Koblenz, S. 94 f.: In der französischen Zeit (bis 1813) war die Polizeiverwaltung Sache der Gemeinden.

115 Vgl. Baldus, Emil, Geschichte der Polizei-Direktion Koblenz 1804–1960, Koblenz 1961, S.17.

116 Bis 1888 waren die Oberpräsidenten der Rheinprovinz formal gleichzeitig auch Regierungspräsidenten.

117 Vgl. Baldus, Polizei-Direktion, S. 37.

118 Vgl. Maehler, Abundius, Die Stadt Coblenz und ihre Verwaltung 1815–1823. Seinen Mitbürgern gewidmet und zum Besten des Armen-Fonds herausgegeben von dem Ober-Bürgermeister der Stadt Koblenz, Koblenz 1825, S. 29.

119 Vgl. Baldus, Polizei-Direktion, S. 8 f.

120 Vgl. Gesetz-Sammlung, Bd. 2,  S. 284 f: „Gesetz vom 11. März 1850

 über die Polizei-Verwaltung“.

121 Vgl. Gesetz-Sammlung, Bd. 2, S. 284, § 2.

122 LHA Ko-441, 17296: Mitteilung preußisches Innenministeriums.

 Abschrift vom 28. Dezember 1851.

123 Vgl. Baldus, Polizei-Direktion, S. 51 ff.

Bär, Behördenverfassung, S. 324f. und 330 f.

124 LHA Ko-441, 25841, S. 3: Ministerium für öffentliche Arbeiten an den Regierungspräsidenten August Freiherr von Hövel, 23. Januar 1902.

125 Vgl. Bär, Behördenverfassung, S. 339. 

126 Vgl. Schwieger, Frank, Johann Claudius von Lassaulx 1781–1848, Architekt und Denkmalpfleger in Koblenz, Neuß 1968, S. 8.

127 Vgl. Schwieger, Lassaulx, S. 8; Vogt, Staatsbauten, S. 44 f.

128 Vgl. Liessem, Udo, Studien zum Werk von Johann Claudius von Lassaulx 1781–1848, Koblenz 1989, S. 48 f.

129 LHA Ko-441, 16707, S. 103: „Dienst-Instruction für den Stadtbaumeister der Stadt Coblenz“, 10. März 1884.

130 LHA Ko-441, 16707, S. 103f.: „Dienst-Instruction“, 10. März 1884.

131 Vgl. Dauber, Reinhard, Ferdinand Jakob Nebel (1782–1860). Kgl. preußischer Stadtbauinspektor in Koblenz. Diss., Aachen 1975, S. 25 und 28.

132 Vgl. Michel, Fritz, Eine Coblenzer Baukünstlerfamilie des 19. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für Heimatkunde von Coblenz und Umgebung. 1. Jg. (1920), S. 57 f.

133 LHA Ko-Best. 441, 16707, S. 143: Ernennungsurkunde vom 15. April 1886. Mäckler trat seine neue Stellung am 1. Juli an.

134 Vgl. Liessem, Udo, 50 Jahre Stadtgeschichte 1890–1940. Unter besonderer Berücksichtigung der städtebaulichen Entwicklung mit Bildern der Landesbildstelle Rheinland-Pfalz und der Sammlung Heinrich Wolf, Koblenz 1983, S. 35.

135 GeStA, 93 B, 1236: Brief der Koblenzer Polizeidirektion an das Ministerium für öffentliche Arbeiten vom 19. Dezember 1854.

136 Vgl. Schwieger, Lassaulx, S. 9;  Bär, Geschichte Koblenz, S. 89.

137 GeStA, Rep. 93 B, 1236: Brief der Koblenzer Polizeidirektion,

19. Dezember 1854.

138 GeStA, 93 B, 1236: Brief der Koblenzer Polizeidirektion,

19. Dezember 1854.  

139 GeStA, 93 B, 1236: Brief des Regierungspräsidenten,

14. April 1900.

140 Vgl. Kallenbach, Altstadt, S. 185 f.

141 Vgl. Krabbe, Wolfgang R., Die deutsche Stadt im 19. und

20. Jahrhundert. Eine Einführung, Göttingen 1989, S. 83.

142 Vgl. Matzerath, Horst, Urbanisierung in Preußen 1815–1914, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz, S.142 f.

143 GeStA, 93 B, 1015: Die Verwaltung der Baupolizei in den Städten (1819–1836). Darin enthalten ist das „Handbuch der Gesetze und Verordnungen über das Bauwesen in polizeilicher und rechtlicher   Hinsicht für Baubeamte, Baumeister und Baulustige jeder Klasse, in Städten und auf dem Lande, Berlin 1829“.

144 GeStA, 93 B, 1015. Meyer, Handbuch, S. 15, § 12.

145 GeStA, 93 B, 1015. Meyer, Handbuch, S. 17 , 26, §§ 14 und 29.

146 GeStA, 93 B, 1015. Meyer, Handbuch, S. 45f., §  34.

147 Vgl. Kallenbach, Altstadt, S. 187.

148 GeStA, 93 B, 1015. Meyer,  Handbuch, S. 61 ff.,

 §§ 60, 66, 67, 89, 91.

149 LHA Ko-441, 19293: Brief des Oberpräsidiums an die Bezirksregierung, 11. März 1835.

150 Vgl. Reck, Hans-Hermann, Die Stadterweiterung Triers. Planung und Baugeschichte von Beginn der preußischen Zeit bis zum Ende des Ersten Weltkrieges (1815–1918), Trier 1990, S. 50; Schubert, Regierung, S. 60: Am 28. Februar 1842 wurde für den ganzen Regierungsbezirk Koblenz eine einheitliche Feuerordnung erlassen.

151 Vgl. Scotti, Sammlung, Bd. 2, S. 1374, Nr. 823: Verordnung

zur Anlage der Neustadt. Kallenbach, Altstadt, Kap. 7.1.

152 LHA Ko-441, 19293: Brief  der Regierung an den Oberpräsidenten vom 7. Juni 1835.

153 Vgl. Amtsblatt vom 31. Juli 1827, S. 269.

154 LHA Ko-441, 19293: Brief der Regierung an den  Oberpräsidenten vom 7. Juni 1835.

155 LHA Ko-441, 19306: Bauordnung, 19. Oktober 1847 (Abschr.),§ 4.

156 LHA Ko-441, 19306: Bauordnung 1847, §§ 10 f.

157 LHA Ko-441, 19293: Berliner Bauordnung von 1853 (Druck).

158 LHA Ko-441, 19294: Bauordnung vom

19. Dezember 1854 (Abschrift), § 49.

159 LHA Ko-441, 19293: Bauordnung 1854, §§ 23 f.

160 LHA Ko-441, 19293: Bauordnung 1854, § 25.

161 LHA Ko-441, 19294: Bauordnung von 1854, §§ 14 f.

162 LHA Ko-441,19294: Brief des Handelsministeriums Berlin an das Oberpräsidium der Rheinprovinz, 16. Februar 1878.

163 LHA Ko-441, 19294: Brief vom 28. August 1880.

164 LHA Ko-441, 19294: „Zusammenstellung von Gesichtspunkten für die etwaige Abänderung bestehender und für den Erlaß neuer örtlicher oder provinzieller Bauordnungen“ (Druck), Berlin o. J.

165 Vgl. Liessem, 50 Jahre, S. 31.

166 In Bayern wurde eine solche Einheitsbauordnung bereits 1877 erlassen. Zwei Jahre später folgte Württemberg, 1881 Hessen.

167 LHA Ko-441, 19295. StAK, KH-5: „Bau-Polizei-Ordnung für die Stadt Coblenz vom 14. Juni 1881, Coblenz 1881“ (Druck).

168 Vgl. Bauordnung 1881, S. 4, § 9.

169 Vgl. Bauordnung 1881, S. 6, § 14.

170 Vgl. Bauordnung 1881, S. 9, § 27.

171 LHA Ko-441, 19311: Die Akte enthält Informationen zur Entstehungsgeschichte des Baupolizeirechts von 1899.

172 Vgl. Baupolizeirecht 1899, S. 18ff, §§ 22 und 24 f.

173 Vgl. Baupolizei-Verordnungen 1908, S. 29, § 38, S. 39 f., § 53.

174 Vgl. Baupolizei-Verordnung 1932.

175 Vgl. Baupolizei-Verordnung 1932, S. 23.

176 StAK, Fach 21: An der Moselbrücke 1a.

177 StAK, Fach 46: Burgstraße 3 und 5.

178 LHA Ko-441, 13209, S. 123: Nicht genau datierter Bericht des

Dr. Burghardt „über die in Berlin herrschende Cholera-Seuche“, 1831.

179 Vgl. Briese, Angst, Seuchen-Cordon 1, S. 159.

180 Briese, Angst, Seuchen-Cordon 1, S. 11: Olaf Brieses Angabe von 40.427 Opfern hat sich heute durchgesetzt. In der älteren Literatur wird die Zahl der Opfer auf mehr als 100.000 geschätzt (vgl. Huerkamp, Aufstieg der Ärzte, S. 167).

181 Quelle: Geist, Johann Friedrich/Kürvers, Klaus, Das Berliner Mietshaus 1740–1989. 3 Bde., München 1980–1989, Bd. 1, S. 154.

182 Vgl. Briese, Angst, Seuchen-Cordon 1, S. 11.

183 Vgl. Evans, Tod in Hamburg, S. 294 f.

184 Vgl. Briese, Angst, Seuchen-Cordon 1, S. 20.

185 Vgl. Hilger, Marie-Elisabeth, Seuchen verändern die Stadt, in: Die Alte Stadt 2/1991, S. 157 f.

186 GeStA, 76 VIII A, 3092, Blatt 1: „Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Cöln“ vom Dienstag, 25. September 1866; Evans, Tod in Hamburg, S. 295.

187 LHA Ko-441, 8037, S. 5 (Druck): „Ueber die Cholera mit besonderer Rücksicht auf deren Heilung durch einfache Hausmittel“.

188 Vgl. Briese, Angst, Cordon 1, S. 14 f. und 27.

189 LHA Ko-441, 13209. Darin beigelegt: Der Sprecher oder Rheinisch-Westphälischer Anzeiger, 7. September 1831.

190 Vgl. Briese, Angst, Cordon 1, S. 93.

191 Vgl. Huerkamp, Aufstieg der Ärzte, S. 167.

192 Barthel, Christian, Medizinische Polizey und medizinische Aufklärung. Aspekte des öffentlichen Gesundheitsdiskurses im 18. Jahrhundert, Frankfurt 1989, S. 60.

193 LHA Ko-441,13208, S. 21 ff: Winke für Gemeinde-Vorsteher, Gutsherrschaften, Domainen-Beamte […] über Abhaltung und Unterdrückung der Cholera-Krankheit betreffende Verordnungen vom         5. April und 1. Juni 1831.

194 LHA Ko-441, 13208, S. 37: Bekanntmachung des Oberpräsidiums vom 23. September 1831 (Druck).

195 Weiterführende Literatur: Andree, Rolf, Arnold Böcklin. Die Gemälde. Œuvrekataloge Schweizer Künstler 6. Hg. vom Schweiz. Institut für Kunstwissenschaft. 2. überarbeitete Auflage, Basel 1998.

196 Vgl. Schubert, Regierung, S. 93.

197 LHA Ko-441, 13217, S. 3: Entwurf einer Einteilung des Regierungsbezirks in ärztliche Bezirke und Bestimmung der beim Ausbruch der Cholera diesen vorzustehenden Medizinalpersonen.

198 LHA Ko-441, 13212: Instruktionen vom 24. August 1831 (Abschr.).

199 LHA Ko-441, 13212: Instruktionen vom 26. April 1832.

200 Siehe auch: Briese, Angst, Cordon 1, S. 153.

201 Vgl. Bauer, Im Bauch, S. 165.

202 LHA Ko-441, 13223, S. 1: Anordnung vom 27. August 1831.

203 Dazu: Briese, Olaf, Defensive, Offensive, Straßenkampf. Die Rolle von Medizin und Militär am Beispiel der Cholera in Preußen, in: Medizin, Gesellschaft und Geschichte (MedGG), S. 9–32.

 

204 LHA Ko-441, 13214: Brief der Regierung in Wiesbaden vom 17. Juni 1831 und Antwort der Bezirksregierung Koblenz vom 7. Juli 1831.

205 LHA Ko-441, 13214: Mitteilung vom 29. Juni 1831.

206 LHA Ko-441, 13213: Brief des Oberpräsidenten, 17. August 1831.

207 LHA Ko-441, 8034, S. 113: Protokoll vom 2. August 1831.

208 LHA Ko-441, 13213: Vermerk vom 17. September 1831: „Wurde zu den Akten gelegt, da höheren Orts die Aufhebung aller militärischen Cordons beabsichtigt, es also hier, bei der Nähe der ungünstigen Jahreszeit zur Aufstellung eines Cordons gar nicht kommen wird.“

209 Vgl. Büschenfeld, Flüsse und Kloaken, S. 52.

210 Vgl. Bauer, Im Bauch, S. 163.

211 LHA Ko-441, 13223, S. 13: Brief des Regierungspräsidenten an den Koblenzer Oberbürgermeister, 2. Oktober 1831.

212 LHA Ko-441, 13223, S. 27: Brief des Koblenzer Oberbürgermeisters

an den Regierungspräsidenten, 2. Oktober 1831.

213 LHA Ko-441, 13219: Satzungsentwurf Juli 1832.

214 LHA Ko-441, 13219: Bekanntmachung des Vereins, 2. März 1833.

215 LHA Ko-441, 13223: Aufstellung, S. 49 ff.

216 LHA Ko-441, 8038: Mitteilungen aus Magdeburg. Die Stadt hatte damals 40.000 Einwohner. Zwischen 3. Oktober und dem 14. November 1831 waren 314 Menschen an der Cholera gestorben.

217 LHA Ko-441, 13223, S. 97 ff: Verzeichnis der zur Sicherung gegen die Cholera gebildeten Orts, Revier- und Bezirkskommissionen, unterschrieben vom Koblenzer Oberbürgermeister Abundius Maehler am    26. Oktober 1831.

218 LHA Ko-441, 13217, S. 49 f.: Mitteilung des Ministeriums an die Bezirksregierung, 23. September 1831.

219 LHA Ko-441, 13217, S. 3 und 6:  Entwurf einer Einteilung des Regierungsbezirks in ärztliche Bezirke und Bestimmung der beim Ausbruch der Cholera diesen vorzustehenden Medizinalpersonen. Dazu ein entsprechender Vermerk des Medizinalrates Franz-Georg Wegeler.

220 LHA Ko-441, 13196, S. 178: Nachweis über die Anstalten, die für den Fall des Ausbruchs der Cholera hergerichtet werden konnten.

221 LHA Ko-441, 13223: Aufstellung, S. 54.

222 LHA Ko-441, 13223: Aufstellung, S. 54 f.

223 LHA Ko-441, 13223: Aufstellung,  S. 55 f.

224 LHA Ko-441, 13223, S. 79: Protokoll Sitzung 19. Oktober 1831.

225 Vgl. Michel, Fritz, Die Kunstdenkmäler der Stadt Koblenz. Die profanen Denkmäler und die Vororte, Berlin/München 1954, S. 212.

226 LHA Ko-441, 13223, S. 85: Protokoll Sitzung 19. Oktober 1831.

227 LHA Ko-441, 13223, S. 86: Protokoll Sitzung, 19. Oktober 1831.

228 Das Barbarakloster war bereits 1704 von den Koblenzer Augustinerinnen aufgegeben worden.

229 Das Pfandhaus war ein Vorläufer der Stadtsparkasse, die 1975 mit der Kreissparkasse zur Sparkasse Koblenz fusionierte.

230 LHA Ko-441, 13223, S. 86: Protokoll Sitzung, 19. Oktober 1831.

231 LHA Ko-441, 13196, S. 178: Nachweis über die Anstalten, die für den Fall des Ausbruchs der Cholera hergerichtet werden konnten.

232 LHA Ko-441, 13196, S. 345: Bericht des Kreisphysikus Settegast an die Bezirksregierung, 13. Oktober 1832.

233 GStA PK, 76 VIII A, 3090, Blatt 98 und 99: Bericht über die vom    24. Oktober bis 3. November 1833 in Neuendorf und Coblenz vorgekommenen sechs Fälle von der asiatischen Cholera.

234 LHA Ko-441, 13215: Akte über die Anschaffung der Gall’schen Geräte.

235 Vgl. Briese, Angst, Cordon 1, S. 99 und 101 f.

236 Vgl. Bergdolt, Klaus, Leib und Seele. Eine Kulturgeschichte des gesunden Lebens, München 1999, S. 277.

237 Vgl. Barthel, Medizinische Polizey, S. 110 f.

238 Vgl. Bergdolt, Leib und Seele, S. 279.

239 Vgl. Bergdolt, Leib und Seele, S. 279.

240 Vgl. Pfleiderer, Beatrix, Vom guten Wasser. Eine kulturvergleichende Betrachtung, in: Böhme, Hartmut (Hg.), Kulturgeschichte des Wassers, Frankfurt 1988, S. 267.

241 Vgl. Bergdolt, Leib und Seele, S. 287.

242 Vgl. Pfleiderer, Vom guten Wasser, S. 267 f.

243 Vgl. Bechtel, Wybke, Die Hygienebewegung, in: Buchholz, Kai/Rita Latocha/Hilke Peckmann/Klaus Wolbert (Hg.), Die Lebensreform. Entwürfe zur Neugestaltung von Leben und Kunst, Bd. 2, Darmstadt 2001, S. 503.

Vgl. Corbin, Pesthauch, S. 55.

244 Vgl. Bergdolt, Leib und Seele, S. 292.

245 Vgl. Bergdolt, Leib und Seele, S. 295.

246 Vgl. Bergdolt, Leib und Seele, S. 295.

247 Vgl. Bergdolt, Leib und Seele, S. 302 f.

248 Vgl. Heßler, Marianne, Der Haushalt im Sog der Reformbewegung, in: Buchholz, Kai/Rita Latocha/Hilke Peckmann/Klaus Wolbert (Hg.), Die Lebensreform. Entwürfe zur Neugestaltung von Leben und Kunst, Bd. 1, Darmstadt 2001, S. 369.

249 LHA Ko-441, 13208, S. 9: Druck aus Breslau, 18. August 1831.

250 LHA Ko-441, 8036, S. 781: Aufstellung für 1849: Im Landkreis Koblenz waren zusätzlich 347 Menschen erkrankt und 121 gestorben. Im Kreis Mayen gab es 243 Krankheitsfälle. 62 Tote waren zu beklagen.

251 LHA Ko-441, 8035, S. 419–438: Dr. Otto stellte die offizielle Zahl der Toten am 14. November 1850 fest. Vgl. LHA KO-441, 3012: Verzeichnis der Cholerafälle nach Orten und Straßen von Dr. Otto.

252 LHA Ko-441, 8035, S. S. 77:  Bericht vom14. September 1850.

253 LHA Ko-441, 8035, S. 337 f.: Bericht vom 8. Mai über die Cholera-Ereignisse in Ehrenbreitstein.

254 Otto kritisierte auch den erbitterten Streit über Ursachen und Behandlung der Seuchen. Außerdem wies er auf den Zusammenhang zwischen dem Obstverzehr und dem Ausbrechen der Seuche hin.

255 LHA Ko-441, 8035, S. 21. Der Klostername wird nicht genannt. Es könnte das Kapuzinerkloster gemeint gewesen sein.

256 LHA Ko-441, 8035, S. 512–574: Barez, Cholera-Epidemie. Die Jahre 1831, 1832, 1837, 1848, 1849, 1850 und 1852 werden demnach als Cholerajahre angegeben.

257 Dazu: Vögele, Jörg, Die Entwicklung der (groß)städtischen Gesundheitsverhältnisse in der Epoche des Demographischen und Epidemologischen Übergangs, in: Reulecke, Jürgen/Adelheid Gräfin zu Castell Rüdenhausen (Hg.), Stadt und Gesundheit. Zum Wandel von „Volksgesundheit“ im 19. und frühen 20. Jahrhundert, Stuttgart 1991, S. 23 und 29: Vor allem die Auswirkungen der Tuberkulose sind nicht zu unterschätzen. Zum Beispiel kamen 1876 in preußischen Städten auf 100.000 Menschen 358 Tote. Auf dem Land waren es 284 Tote.

258 Vgl. Beutelspacher, Martin, Kultivierung bei lebendigem Leib. Alltägliche Körpererfahrung in der Aufklärung, Weingarten 1986, S. 19 und 42: Die schlimmsten Hungersnöte des 18. und 19. Jahrhunderts ereigneten sich 1770–1772, 1816–1818 und 1846–1848. Die Ursachen waren nicht nur auf Missernten, sondern auch auf die Marktentwicklungen zurückzuführen.

259 Vgl. Goschler, Constantin, Rudolf Virchow. Mediziner – Anthropologe – Politiker, Köln/Weimar/Wien 2002, S. 59.

260 Vgl. Goschler, S. 60 f. und 82 f.

261 Vgl. Herres, Jürgen, Das preußische Koblenz, in: Geschichte der Stadt Koblenz, Band 2. Hg. von der Energieversorgung Mittelrhein, Stuttgart 1993, S. 75.

262 Vgl. Herres, Jürgen, Das preußische Koblenz, S. 75.

263 LHA Ko-441, 13223, S. 433: Nicht exakt datierter Nachweis der Koblenzer Cholerafälle von 1866.

264 LHA Ko-441, 8035, S. 665: Aufstellung für den Kreis Mayen im Cholerajahr 1866.

265 LHA Ko-441, 13223, S. 413: Brief vom 4. August 1866.

266 LHA Ko-441, 13223, S. 437: Polizei-Verordnung, 18. Mai 1866.

267 Vgl. Briese, Angst, Cordon 1, S. 157.

268 Vgl. Beutelspacher, Kultivierung, S. 41 und 65.

269 Traften wurden vor allem die Holzflöße genannt, die auf der Weichsel aus den polnischen Gebieten in Richtung Danzig fuhren.

270 LHA Ko-441, 13197, S. 11; Hirsch, Cholera, S. 5.

271 LHA Ko-441, 13206, S. 125: „Denkschrift über die gegen die Cholera in Preußen 1892 getroffenen Maßnahmen“.

272 Vgl. Geist/Kürvers, Berliner Mietshaus, Bd. 1, S. 154.

273 Vgl. Evelyn Noll/Manfred Noll, Wasser – ein Umweltfaktor. Ein Lernprogramm für die Abschlussklassen der Sekundarstufe I und das    9. Schuljahr an Gymnasien, Dortmund 1973, S. 24.

274 Vgl. Coblenzer General-Anzeiger, 6. und 8. September 1892.

275 LHA Ko-441, 13199: Bekanntmachung des Koblenzer Polizeidirektors, 8. September 1892.

276 LHA Ko-441, 13199, S. 5: Ausschnitt Kreisblatt St. Goarshausen.

277 LHA Ko-441, 13198: So hatte Polizeidirektor Graf Brühl bereits am

7. September an die Bezirksregierung gemeldet, dass es in Koblenz keinen verdächtigen Krankheitsfall gab. Bereits Ende August war die Stadtverwaltung aufgefordert worden, die gründliche Reinigung aller Straßen in die Wege zu leiten und die Rinnsteine zu spülen.

278 Vgl. Coblenzer General-Anzeiger, 7., 8. und 10. September 1892. Dazu auch: Rhein-Zeitung, Ausgabe Koblenz, 30. September 1992.

279 LHA Ko-13206, S. 154: Cholerastatistik für 1892. Demnach gab es in Miesenheim neun Cholerafälle mit sechs Toten, in Plaidt sechs Fälle mit zwei Toten. In St. Goar starb nur eine Person, während aus Polch lediglich zwei Erkrankungen gemeldet wurden.

280 LHA Ko-441, 13205, S. 225: Sonderdruck aus den „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamtes“ 1892, Nr. 35, gemäß der Beschlüsse der Cholera-Kommission vom 27. und 28. August 1892.

281 LHA Ko-441, 13205, S. 13: Anweisung vom 25. Juli 1892.

282 LHA Ko-441, 13210, S. 173: „Extra-Amts-Blatt der Königlichen Regierung zu Coblenz, 7. November 1892“.

283 LHA Ko-441, 13210, S. 175: Anordnung vom 4. November 1892.

284 LHA Ko-441, 13210, S. 302: „Amts-Blatt der Königlichen Regierung zu Coblenz, 22. Dezember 1892“.

285 LHA Ko-441, 13201, S. 3: Aufstellung vom 30. Oktober 1892.

286 LHA Ko-441, 13200, S. 61 und 319.

287 LHA Ko-441, 13207, S. 19: Mitteilung der Bezirksregierung Düsseldorf an die Bezirksregierung Koblenz, 6. September 1893.

288 LHA Ko-441, 13203, S. 3 f.: Aufstellung und Aktenvermerk, 15. September 1893.

289 LHA Ko-441, 13203, S. 9: Bekanntmachung vom 28. August 1893.

290 LHA Ko-441, 13202, S. 9: Aufstellung vom 5. Februar 1893.

291 LHA Ko-441, 13207, S. 67–73: Bericht über die im Sommer 1893 in der bakteriologischen Untersuchungsstation in Bonn beobachteten Cholerafälle (Abschrift Berlin, 14. September 1893).

292 LHA Ko-441, 13207, S. 79: Bericht über die im Sommer 1893 in der bakteriologischen Untersuchungsstation in Bonn beobachteten Cholerafälle (Abschrift Berlin, 14. September 1893).

293 LHK Ko-441, 13207, S. 57: Oberpräsidium an Bezirksregierung Koblenz, 4. Februar 1894.

294 LHA Ko-441, 13207, S. 63: Brief des Oberpräsidiums an die Bezirksregierung Koblenz, 22. Januar 1894.

295 StAK-623, 4244: Bericht des „Königlichen Kreisphysikus“ Dr. Schulz an die Polizeidirektion Koblenz vom 25. Mai 1881.

296 StAK-623, 4244, S. 54 f.: Bericht des Königlichen Kreisbauinspektors Peters vom 24. Juni 1882.

297 Coblenzer Anzeiger vom 8. September 1837.

298 Vgl. Limburger Chronik, Seite 84, Kap. 188.

299 Vgl. Rhein-Zeitung, Ausgabe Koblenz, vom 11. Januar 1994.

300 Brief an die Rhein-Zeitung vom 27. Dezember 1993. Anlass war das Weihnachtshochwasser von 1993 mit einem neuen Rekord-Pegelstand von 9,52 Metern.

301 StAK-623, 4244, S. 55 ff.: Bericht des Königlichen Kreisbauinspektors Peters vom 24. Juni 1882.

302 StAK-623, 4244, S. 258 ff.: Bericht des Königlichen Kreisbauinspektors Peters vom 24. Juni 1882.

303 StAK, KH-84: Vortrag über die sanitätspolizeilichen Verhältnisse der Stadt Coblenz, mit Rücksicht auf die Trinkwasser-Frage. Gehalten in der Generalversammlung des hiesigen Zweigvereins für öffentliche Gesundheitspflege am 3. Mai 1870, S. 3.

304 Vgl. Schubert, Regierung, S. 91 f.

305 LHA Ko-441, 13211, S. 113 ff.

306 LHA Ko-441, 13207, S. 77: Bericht über die im Sommer 1893 in der bakteriologischen Untersuchungsstation in Bonn beobachteten Cholerafälle (Abschrift Berlin, 14. September 1893).

307 LHA Ko-441, 13211, S. 227 f.: Rundschreiben, 3. Oktober 1905.

308 LHA Ko-441, 13211, S. 241: Antwort vom 7. Oktober 1905.

309 LHA Ko-441, 13204, S. 31 und 35: Schriftwechsel zwischen dem Kreisphysikus und der Bezirksregierung Koblenz vom 18. und 24. September 1898.

310 LHA Ko-441, 13204, S. 49: Ausschnitt aus der Neuwieder Zeitung vom Dienstag, 29. August 1905. Die Redaktion gab als Quelle den Reichsanzeiger und die „Vossche Zeitung“ an.

311 LHA Ko-441, 13204, S. 51: Angaben aus der Kölnischen Zeitung.

312 Coblenzer Zeitung, 20. September 1905.

313 LHA Ko-441, 13204, S. 181.

314 LHA Ko-441, 13204, S. 115 ff.: Cholera-Bekämpfung: Zeitschrift für ärztliche Fortbildung. Organ für praktische Medizin, Nr. 19, 1. Oktober 1905.

315 LHA Ko-441, 13204, S. 187: Bericht des zuständigen Cochemer Kreisarztes, 22. Oktober 1905.

316 LHA Ko-441, 13204, S. 211, 219 und 221: Berichte des Ministeriums vom 12., 19. und 27. August 1907.

317 LHA Ko-441, 13204, S. 325 und 327: Konzept des Regierungspräsidenten vom 5. Oktober 1908. Auszug aus dem Amtsblatt der Bezirksregierung vom 8. Oktober 1908.

318 LHA Ko-441, 13204, S. 359: Meldung vom 13. Januar 1909.

319 LHA Ko-441, 13204, S. 385: Meldung vom 26. Juni 1909.

320 LHA Ko-441, 13204, S. 425 und 471: Ausschnitt aus der „Frankfurter Zeitung“ vom 1. September 1909 und dem Reichs- und Staatsanzeiger vom 7. September 1899.

321 Vgl. Vigarello, Wasser und Seife, S. 211.

322 Vgl. Vigarello, Wasser und Seife, S. 211.

323 Vgl. Spree, Reinhard, Der Rückzug des Todes. Der epidemiologische Übergang in Deutschland während des 19. und 20. Jahrhunderts, Konstanz 1992, S. 47.

324 Dazu: Nonn, Ulrich, Aus der Jesuitengasse in die Berliner Akademie. Johannes Müller, ein berühmter Sohn der Stadt Koblenz, in: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur. Neue Folge 11/12, Koblenz 2003, S. 7–16. Mit weiteren Literaturhinweisen.

325 Vgl. Bergdolt, Leib und Seele, S. 303 f. Goschler, Virchow, S. 97.

326 Zitiert nach Bergdolt, Leib und Seele, S. 304, und Schipperges, Heinrich, Utopien der Medizin, Salzburg 1968, S. 42.

327 Vgl. Andree, Christian, Rudolf Virchow. Leben und Ethos eines großen Arztes, München 2002, S. 74.

328 Vgl. Bergdolt, Leib und Seele, S. 305. Frei übersetzt: Bericht über den physischen und seelischen Zustand der in den Manufakturen für Baumwolle, Wolle und Seide angestellten Arbeiter.

329 Vgl. Bergdolt, Leib und Seele, S. 307.

330 GeStA, 76 VIII A, 3053: Journal für praktische Heilkunde. Herausgegeben von C. W. Hufeland und E. Osann, Berlin 1831. Elftes Stück. November. I. Ansichten über die Verbreitung von Cholera von Prof. Dr. Mile, Warschau, S. 4 und 21.

331 Vgl. Evans, Tod in Hamburg, S. 344 und 353.

332 Billroth, Theodor, Über das Lehren und Lernen der medicinischen Wissenschaften an den Universitäten der Deutschen Nation nebst allgemeinen Bemerkungen über Universitäten, Wien 1876, S. 124–127. Zitiert nach: Eulner, Hans-Heinz, Hygiene als akademisches Fach, in: Artelt, Walter/Edith Heischkel/Gunter Mann/Walter Rüegg (Hg.), Städte-, Wohnungs- und Kleidungshygiene des 19. Jahrhunderts in Deutschland. Vorträge eines Symposiums vom 17. bis 18. Juni 1967 in Frankfurt am Main, Stuttgart 1969, S. 17.

333 Vgl. Eulner, Hygiene, S. 17 und 27 (Übersicht).

334 Über die Trinkwasserprobleme in Vergangenheit und Gegenwart: Kluge, Thomas/Engelbert Schramm, Wassernöte. Zur Geschichte des Trinkwassers. 2. Auflage, Köln 1988.

335 Krabbe, Leistungsverwaltung, S. 378 f.

Hartog, Stadterweiterungen, S. 23.

336 Vgl. Gradmann, Krankheit, 272 und 276: Die Expedition hatte am 23. August 1893 Ägypten erreicht. Schon etwas früher waren die französischen Konkurrenten angekommen.

Dazu auch: Briese, Angst, Cordon 1, S. 20.

337  Vgl. URL: <http://www.uni-kiel.de/hygiene/hist.htm>  (Zugriff am 1. August 2006).

338 Vgl. URL: < http://www.whonamedit.com/doctor.cfm/3091.html>

 (Zugriff am 25. November 2006). Vgl. Gradmann, Krankheit, S. 268.

339 Vgl. Briese, Angst, Cordon 1, S. 11 f.

340 Vgl. Reulecke, Jürgen, Geschichte der Urbanisierung in Deutschland, Frankfurt 1985, S. 58.

341 Vgl. Bechtel, Hygienebewegung, S. 503.

342 Vgl. Lenger, Bürgertum, S. 100.

343 Vgl. Krabbe, Kommunalpolitik, S. 17.

Vgl. Krabbe, Deutsche Stadt, S. 126: Krabbe verwendet dort die Bezeichnung Leistungsverwaltung als Oberbegriff, unter den sich die Begriffe Versorgungsverwaltung, Lenkungsverwaltung, Pflichtverwaltung und freiwillige Selbstverwaltung gruppieren.

344 Vgl. Krabbe, Kommunalpolitik, S. 13.

345 Vgl. Krabbe, Kommunalpolitik, S. 15.

346 Vgl. Bolenz, Jürgen, Wachstum und Strukturwandlungen der kommunalen Aufgaben in Deutschland 1849–1950. Diss., Freiburg 1965,  S. 95. Angaben nach Gröttrup, Leistungsverwaltung, S. 15.

347 Vgl. Bajohr, Honoratiorentum, S. 68f: Zwischen 1871 und 1910 erhöhte sich die Zahl der deutschen Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern von 8 auf 48. 1871 lebte nur ein Achtel der Bevölkerung in den Städten. Bis 1910 stieg der Anteil auf ein Drittel.

348 Vgl. Schramm, Engelbert, Kommunaler Umweltschutz in Preußen (1900–1933). Verengung auf Vollzug durch wissenschaftliche Beratung?, in: Reulecke, Jürgen/Adelheid Gräfin zu Castell Rüdenhausen (Hg.), Stadt und Gesundheit. Zum Wandel von „Volksgesundheit“ im 19. und frühen 20. Jahrhundert, Stuttgart 1991, S. 78 f.

349 Vgl. Coblenzer Zeitung vom 24. Dezember 1876: Eine Wasserleitung war auch dringend notwendig, weil inzwischen die Ergiebigkeit der Quelle in Metternich, die die ehemalige kurfürstliche Wasserleitung versorgte, ständig abnahm.

350 StAK, KH-84: „Vorproject zur Wasserversorgung der Stadt Coblenz“.

351 StAK, KH-84: „Die Wasserversorgung der Stadt Coblenz.

Bericht über die diesjährigen Vorarbeiten verbunden mit dem

Erläuterungsbericht  zum Projecte für das Wasserwerk“.

352 StAK, KH-84: „Die Pumpstation des städtischen Wasserwerks in Coblenz. Entworfen und erbaut von E. Grahn Civil-Ingenieur in Coblenz. Zur Festschrift der 27. Hauptversammlung des Vereins Deutscher Ingenieure in Coblenz 1886, Cöln 1886“.

353 StAK, KH-133: „Bericht des Ingenieurs André über die Canalisation der Stadt Coblenz, Coblenz 1889“.

354 Vgl. Bericht über die Verwaltung 1893/94, S. 23. Bericht über die Verwaltung 1894/95, S. 22; Bericht über die Verwaltung 1895/96,       S. 24; Bericht über die Verwaltung  1897/1898, S. 41.

355 Vgl. Krabbe, Wolfgang R., Die Entfaltung der modernen Leistungsverwaltung in den deutschen Städten des späten 19. Jahrhunderts, in: Urbanisierung im 19. und 20. Jahrhundert – historische und geographische Aspekte, hg. v. Hans Jürgen Teuteberg, Köln/Wien 1983, S. 377.

356 Vgl. Hartog, Rudolf, Stadterweiterungen im 19. Jahrhundert, Stuttgart 1962, S. 23.

357 Vgl. Spree, Rückzug, S. 49 f.

358 Zur Rolle der deutschen Reformer: Teuteberg, Hans-Jürgen, Eigenheim oder Mietskaserne – Ein Zielkonflikt deutscher Wohnungsreformer 1850–1914, in: Innerstädtische Differenzierung und Prozesse im 19. und 20.Jahrhundert. Geographische und historische Aspekte, hg. v. Heinz Stoob, Köln/Wien 1987.

359 Vgl. Buchholz, Kai/Renate Ulmer, Die Reform des Wohnens, in: Buchholz, Kai/Rita Latocha/Hilke Peckmann/Klaus Wolbert (Hg.), Die Lebensreform. Entwürfe zur Neugestaltung von Leben und Kunst, Bd. 2, Darmstadt 2001, S. 547.

360 Dazu: Weindling, Paul, Degeneration und öffentliches Gesundheitswesen 1900–1930: Wohnverhältnisse, in: Reulecke, Jürgen/Adelheid Gräfin zu Castell Rüdenhausen (Hg.), Stadt und Gesundheit. Zum Wandel von „Volksgesundheit“ im 19. und frühen 20. Jahrhundert, Stuttgart 1991, S. 107; Radkau, Joachim, Technik in Deutschland. Vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Frankfurt 1989, S. 223. Mit weiteren Literaturhinweisen.

361 Vgl. Rodriguez-Lores, Juan, Stadtentwicklung und sozialer Wohnungsbau. Die Anfänge in Europa, in: Die Alte Stadt 2/96, S. 178.

362 Vgl. Knaut, Andreas, Ernst Rudorff und die Anfänge der deutschen Heimatbewegung, in: Kluetting, Edeltraud (Hg.): Antimodernismus und Reform. Beiträge zur Geschichte der deutschen Heimatbewegung, Darmstadt 1991, S. 20.

363 Vgl. Knaut, Ernst Rudorff, S. 21 f. und 27.

364 Vgl. URL: <http://www.bhu.de/Ziele/histo/histo.htm> (Zugriff am 13. November 2006). Der „Bund Heimatschutz“ hieß 1937 „Deutscher Heimatbund“. Der Bund besteht heute als „Bund Heimat und Umwelt in Deutschland“ (BHU) weiter. Er ist heute Bundesverband der Bürger- und Heimatvereine mit insgesamt rund 500.000 Einzelmitgliedern.

365 Dazu: Ringbeck, Brigitta, Architektur und Städtebau unter dem Einfluss der Heimatschutzbewegung, in: Kluetting, Edeltraud (Hg.): Antimodernismus und Reform. Beiträge zur Geschichte der deutschen Heimatbewegung, Darmstadt 1991.

366 Vgl. Kallenbach, Altstadt, S. 237 ff.

367 Vgl. Baumeister, Reinhard, Bauordnung und Wohnungsfrage, in: Städtebauliche Vorträge 4.3, Berlin 1911, S. 7.

368 StAK-623, 4244: Die Selbsthilfe der Laien zur Abwehr der Cholera. Zugleich Warnruf für das Bau- und Ingenieurwesen zur Abwehr der Herrschaft der Mediciner von W. Born, Ingenieur zu Magdeburg, Magdeburg 1884“, S. 10.

369 Vgl. Dienel, Hans-Liudger, Zweckoptimismus der Ingenierue um 1900, in: Dienel, Hans-Liudger (Hg.), Der Optimismus der Ingenieure: Triumph der Technik in der Krise der Moderne um 1900, Stuttgart 1998, S. 11.

370 Vgl. Dienel, Optimismus, S. 11.

371 StAK-623, 4244: „Die Selbsthilfe der Laien zur Abwehr der Cholera“, S. 19 ff.

372 Quellen: Berichte über die Verwaltung; Jahresberichte der Handelskammer; Bellinghausen, 2000 Jahre Koblenz.

v. d. Dollen, Koblenzer Neustadt.

373 Bis 1871 wird in den Statistiken das Militär nicht berücksichtigt. Aus den beiden gedruckten Datensammlungen kann man erst für die späteren Jahre erkennen, wie viele Männer mit ihren Familien der Militärbevölkerung angehörten.

374 Vgl. Bericht über die Verwaltung 1889/1891, S. 11.

375 Vgl. Jahresbericht der Handelskammer 1862, S. 38.

376 LHA Ko-441, 16682, S. 91 ff.: Brief des Landrates, 18. Juni 1863.

377 StAK-623, 4241, S. 18 ff.: Brief des Polizeidirektors, 6. Juli 1865.

378 GStA PK, 77, 3572, 20, Bd. 1, Bl. 10 ff.: Brief des Oberbürgermeisters Lottner an die Königliche Regierung vom 1. März 1871 (Abschrift).

379 StAK-623, 9228, S. 302: Brief der Handelskammer Koblenz vom    15. Januar 1883.

380 StAK-623, 9228, S. 303: Brief der Handelskammer Koblenz vom 15. Januar 1883. Erst am 1. April 1895 wurde das Gemeindesteuerwesen neu geregelt. Grund- und Gewerbesteuern fielen fortan an die Städte (vgl. Bär, Geschichte Koblenz, S. 140).

381 Dazu: Schubert, Dirk, Stadthygiene und „Stadtgesundung“ in Hamburg nach der Choleraepidemie 1892 – Die Sanierung der Südlichen Vorstadt, in: Machule, Dittmar/Olaf Mischer/Arnold Sywottek (Hg.), Macht die Stadt krank? Vom Umgang mit Gesundheit und Krankheit, Hamburg 1996, S. 102–119; Teuteberg, Hans-Jürgen/Clemens Wischermann (Hg.), Wohnalltag in Deutschland (1850–1914). Bilder, Daten, Dokumente, Münster 1985, S. 224.

382 Vgl. Fisch, Stefan, Die zweifache Intervention der Städte. Stadtplanerische Zukunftsgestaltung und Kontrolle der Wohnverhältnisse um 1900, in: Reulecke, Jürgen/Adelheid Gräfin zu Castell Rüdenhausen (Hg.), Stadt und Gesundheit. Zum Wandel von „Volksgesundheit“ im 19. und frühen 20. Jahrhundert, Stuttgart 1991, S. 102.

383 Dazu: Büschenfeld, Flüsse und Kloaken, S. 102.

384 Bericht über die Verwaltung 1888/89, S. 47.

385 Coblenzer General-Anzeiger, 25. Februar 1891.

386 Coblenzer General-Anzeiger, 26. Februar 1891.

387 Vgl. Heßler, Haushalt im Sog, S. 370 f.

388 Dazu: Kallenbach, Altstadt, Kap. 11.

389 Vgl. Rodriguez-Lores, Stadthygiene, S. 63 und 71.

390 LHA Ko-441, 19295; StAK, KH-5: „Bau-Polizei-Ordnung für die Stadt Coblenz vom 14. Juni 1881, Coblenz 1881“, S. 8 und S. 27.

391 Rodriguez-Lores, Stadthygiene, S. 73.

392 Bei Grundstücken, die eine durchschnittliche Breite von weniger als elf Metern hatten, konnte die geringste Abmessung vier Meter betragen.

393 Bei Grundstücken mit einer Größe von weniger als 200 Quadratmetern brauchte der Hofraum nur 30 Quadratmeter groß zu sein.

394 Baupolizeirecht 1899, S. 18 f, S 22.

395 Die Höhe eines Gebäudes wurde von der Oberkante des Bürgersteiges, bei Hofgebäuden von der Oberkante des Hofpflasters bis zur oberen Kante des Hauptgesimses gemessen. Bei Giebeldächern war die obere Grenze die halbe Höhe des Giebeldreiecks.

396 Vgl. Baupolizeirecht 1899, S. 20 ff., S. 25.

397 Vgl. Baupolizeirecht 1899, S. 18, S. 21.

398 Vgl. Coblenzer Volkszeitung vom 14. April 1905.

399 LHA Ko-441, 19312: Brief vom 3. April 1905.

400 Coblenzer Zeitung vom 6. November 1906; Vgl. Baupolizeirecht 1899, S. 43 und S. 57: Neufassung der Baupolizeiverordnung durch die Polizeiverordnung vom 23. März 1901.

401  Vgl. Coblenzer General-Anzeiger vom 5. November 1906;

LHA Ko-441, 16705: Die Kommunalbauten in der Bürgermeisterei Koblenz (Stadt).

402 Vgl. Coblenzer Zeitung vom 8., 12. und 17. November 1906.

403 Vgl. URL: <http://rlp.juris.de/rlp/BauO_RP_rahmen.htm>: Landesbauordnung in der nach dem Gesetz vom 28. September 2005 aktualisierten Fassung (Zugriff am 22. November 2006).

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